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Vorwort

Heimat, was ist das? Was bedeutet Heimat für mich? Wo ist meine Heimat?

Diese Fragen haben mich bei der Überlegung begleitet, wie ich mich bei dem 53. Wettbewerb der Gruppe Biografisches beteiligen könnte. Schlussendlich bin ich zu der Entscheidung gekommen, auf den folgenden Seiten Orte und andere Dinge, die für mich Teil meiner Heimat sind, näher vorzustellen. Dass dabei so manche Erinnerung wieder aufgefrischt oder auch die ein oder andere Sehnsucht neu entfacht wurde, brauche ich wohl nicht extra zu betonen.

Ich freue mich, auf diesem Wege ein Stück meiner Heimat zu teilen. Und wer weiß, vielleicht kennt der ein oder andere ja auch etwas davon oder denkt sich: "Das würde ich auch gerne mal sehen / erleben ..."

Gummersbach - Freud und Leid

 

Eingebettet zwischen Wiesen und Wäldern, im Süden Nordrhein-Westfalens circa 50 Kilometer von Köln entfernt, befindet sich der Oberbergische Kreis. Auf einer Fläche von knapp 918 km² erstreckt er sich von Radevormwald im Norden bis Waldbröl und Morsbach im Süden und von Lindlar im Westen bis Reichshof im Osten.

Die Kreisstadt Gummersbach dürfte dem ein oder anderen durch den Handball-Sport bekannt sein; wenn auch die Erfolge des VfL Gummersbachs in den letzten Jahren nachgelassen haben. Des Weiteren lebt der ehemalige Bundestrainer Heiner Brand in Gummersbach und auch einige, frühere Nationalspieler nennen Gummersbach ihre Heimat.

 

 

Mir erging es schon oft so, wenn wir irgendwo im Urlaub waren und nach unserer Heimat gefragt wurden. Wiehl, das Städtchen aus dem ich komme, kannte niemand, erwähnten wir jedoch Gummersbach, kam oft ein "Ach da" zur Antwort.

Nach Gummersbach selber zieht mich persönlich nicht so besonders viel, da bisher nie wirklich viel geboten wurde. Dies hat sich jedoch in den letzten paar Jahren deutlich zum Positiven verändert. Mittlerweile gibt es eine neue Halle, die nicht nur dem VfL für Handballspiele zur Verfügung steht, sondern auch für Konzerte genutzt wird. Die Fachhochschule hat einen neuen Komplex erhalten, der alte wurde dem Boden gleich gemacht. Und auch ein Einkaufszentrum, wie sie sonst eher in "größeren" Städten zu finden sind, ist in Planung. Also werde ich wohl doch in Zukunft mal wieder öfter dorthin fahren.

Trotz meiner eher negativen Einstellung habe ich schon viel Zeit in Gummersbach verbracht. Nach meiner Realschulzeit habe ich zwei Jahre die Euro-Business-Class (ein Zweig der Höheren Handelsschule, die ihren Schwerpunkt auf Fremdsprachen legt) verbracht und anschließend auch den Berufsschulunterricht während der Ausbildung. Anschließend habe ich mich, auch im Berufskolleg, noch an einer Weiterbildung versucht, diese jedoch, aufgrund der teils unmöglichen Lehrer und des schlechten Zusammenhalts in der Klasse, nach anderthalb Jahren abgebrochen ...

 

Bielstein, Börnhausen und Drabenderhöhe

 Drei Ortschaften, die meine bisherigen Wohnorte benennen. Alle drei sind ein Stück von mir, ein Stück meiner Heimat. Und alle drei spielen auch heute in meinem Leben noch eine Rolle.

Die ersten Jahre meiner Kindheit verbrachte ich in Bielstein, wo ich auch die Grundschule und später die Realschule besuchte. Wir wohnten in einem Haus bei Tante und Onkel meiner Mutter zwischen Hauptstraße und Bahnschienen. Im Sommer 1996 (es waren die Sommerferien zwischen meinem dritten und vierten Schuljahr) erfuhren wir, dass wir aus der Wohnung raus mussten. Grund hierfür war, dass die jüngere Tochter des Hauses heiraten und dann in die Wohnung einziehen wollte.

Ich weiß noch, wie damals für mich eine Welt zusammenbrach. Fort aus Bielstein, weg von meinen Freunden aus der Schule und auch fort aus dem Ort, in dem auch meine Großeltern lebten - für mich undenkbar! Doch es half alles nichts und im Endeffekt sind wir ja auch nicht weit weggezogen.

 

 

So kam es, dass wir im März 1997 von Bielstein in das circa drei Kilometer entfernte Börnhausen zogen. Doch bereits vor unserem Umzug lernten meine fünf Jahre jüngere Schwester und ich Kinder im Ort kennen. Janin, meine Schwester, hatte dabei mehr "Glück" als ich, da in ihrem Alter auch Mädchen im Ort lebten, bei mir waren es hingegen eher Jungs. Ich muss allerdings gestehen, dass mir das nicht wirklich etwas ausmachte, da sie, wie ich damals fand, "für Jungs eigentlich ganz nett waren". Wir fanden schnell Anschluss und Freunde in unserem neuen Zuhause und bereits nach kurzer Zeit konnten wir uns gar nicht mehr vorstellen, wie es in Bielstein war.

Zwei oder drei Jahre nach unserem Umzug bauten meine Eltern den bis dato als Speicher genutzten Raum aus und ich bekam (endlich) ein eigenes Zimmer. Es war zwar kleiner als das meiner Schwester, aber für eine gemütliche Leseecke, Schreibtisch, Keyboard und Bett war ausreichend Platz vorhanden und ich fühlte mich in meiner "Höhle" schnell wohl. Ich liebte mein Reich, meinen Rückzugsort abgöttisch und verbrachte nicht nur Stunden des Lesens oder Lernens dort.

 

 

Und wenn ich mich doch mal - ohne fremden Anreiz - aus meinem Reich hervortraute, dann zog es mich oft nach draußen in den Garten. Dorthin, wo sich Hase und Igel "Gute Nacht" sagten; dorthin, wo meine Mutter liebevoll ihre Blumen großzog oder dorthin, wo es möglich war, sich in Ruhe mit seinen Freunden zu treffen.

 

 

Bielstein verblasste mehr und mehr in der Erinnerung, außer an Geburtstagen oder an Karneval. Doch 2009 sollte Bielstein für mich persönlich wieder eine besondere Rolle einnehmen. Es war Montag, der 23. Februar, Rosenmontag, Karnevalshöhepunkt und Bielstein stand Kopf. Nachdem der Rosenmontagszug den Bielsteiner Ortskern durchquert hatte, mussten wir dingend auf Toilette. Und wo geht sowas besser, als in der kleinen Kneipe auf der Ecke? Nirgends, genau! Also sind wir kurzerhand dort rein und frau geht ja nicht nur kurz auf Toilette und verschwindet dann wieder spurlos. Nein! Frau trinkt dann noch schnell an der Theke ein frisch gezapftes Kölsch. Wobei, gerade an Karneval, aus einem dann auch mehrere werden können. Und frau trinkt auch nur ungern alleine ... So kam es dann auch, dass ich Markus kennenlernte. An diesem besagten Rosenmontag, an Karneval, in einer Kneipe ...

 

 

Im selben Jahr, im Sommer 2009, zogen meine Großeltern von Bielstein ebenfalls nach Börnhausen und der Teil der Familie, der vorher immer eng zusammengehalten hatte, wuchs noch enger zusammen. Allerdings bekam auch 2009 das Band zwischen meinen Eltern und mir immer mehr Risse, was sich 2010 noch verstärkte.

 

 

Ich lebte förmlich nur noch für die Wochenenden, die Tage, an denen ich Zeit mit meinem Freund verbringen konnte. Wochentags sehnte ich mich nach Ruhe, suchte in Internet und Zeitungen nach einer eigenen Wohnung und sprach dies auch irgendwann meinem Freund gegenüber an. Wenn seine Wohnung größer gewesen wäre, hätte ich bei ihm einziehen können, doch sie war leider nicht für mehrere Personen ausgelegt. Da er jedoch auch langfristig nach einer größeren Wohnung suchen musste, schon alleine, weil sein Sohn irgendwann ein eigenes Zimmer benötigen würde, beschlossen wir schließlich, gemeinsam eine Wohnung zu suchen.

So führte mein Weg, unser Weg, uns schließlich nach Drabenderhöhe, wo wir seit September 2010 eine gemütliche Wohnung zusammen haben, die uns oft fabelhafte Sonnenaufgänge bietet ...

Schloss Homburg und die Bergische Kaffeetafel

 

In Nümbrecht, etwas außerhalb des Ortskerns gelegen, hat man die Möglichkeit in eine komplett andere Welt einzutauchen. Schloss Homburg, heute ein Museum, früher ein Teil der frühmittelalterlichen Homburg der Grafen von Sayn (später Sayn-Wittgenstein).

Im Jahr 1276 erstmals urkundlich erwähnt, ist heute von der ursprünglichen Homburg nur noch ein Teil über geblieben. Erst 1999 wurde bei einer Grabung ein Wohnturm, der sogar bereits aus dem 11. Jahrhundert stammen soll, freigelegt. Nachdem rege Bautätigkeiten um etwa 1743 der mittelatlerlichen Burg nach und nach Züge eines Barockschlosses verliehen, begann nach Erlöschung der Eigenherrschaft der Sayn-Wittgensteins der Verfall des Gebäuders. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann man, mit Gründung des Museums Schloss Homburg, dem Verfall Einhalt zu gebieten.

Heute findet man im Museum Schloss Homburg sowohl ein mittelalterliches, als auch ein Naturkunde- und Heimatmuseum. Wie oft ich schon in ebendiesen war, kann ich gar nicht mehr sagen. Ob Kindergarten, Grund- oder Realschule, oder auch mal privat mit den (Groß-)Eltern und erst letzten Sommer noch mit Markus und Fynn.

Einmal im Jahr, am ersten Maiwochenende lädt Schloss Homburg zum Mittelalterlichen Markt. Bei Folklore, Gauklern auf der Bühne, Essen auf offenem Feuer gebraten und auch an Ritterkämpfen für Groß und Klein flaniert man gemächlich zwischen kostümierten und auch "normal" gekleideten Menschen her. Wer kleiner als ein Schwertmaß ist oder wer im Kostüm kommt, erhält kostenlosen Eintritt, alle anderen werden zur Kasse gebeten. Silber (auf Neudeutsch au Euro genannt) sollte man also genügend dabei haben.

 Und wer auf dem Markt, oder bei einem normalen Besuch von Schloss Homburg, nichts Passendes zu essen gefunden hat, dem sei Holstein's Mühle am Fuße des Berges, auf dem das Schloss steht, ans Herz gelegt.

 

 

Unser Weg hat uns oft an einem schönen Sonntag zu Fuß von Börnhausen dorthin verschlagen. Manchmal haben wir eine kurze Pause eingelegt, manchmal sind wir einfach weiter gegangen. Bei einer Pause jedoch kam zumindest eine Bergische Hefewaffel mit Kirschen und Sahne auf den Tisch, hatten wir mehr Zeit (und Hunger) wurde auch mal eine ganze Bergische Kaffeetafel geordert.

Jetzt mag sich der ein oder andere fragen: "Bergische Kaffeetafel? Was bitte ist das?" - Lasst euch gesagt sein: Einmal Bergische Kaffeetafel gegessen, dann wollt ihr sie immer wieder ...

 

 

 Bei Kaffee aus der "Dröppelminna", einer uralten Kaffeekanne, genießt man Speisen wie Waffeln mit heißen Kirschen und Sahne, Bauernplatz (Stuten), Milchreis mit Zimt und Zucker, Schwarz- oder Graubrot mit Butter, Käse, Leberwurst, Blutwurst oder rohem Schinken. Apfel- oder Birnenkraut und Honig werden häufig mit Quark als Grundlage aufs Brot geschmiert. Ich sag's euch: es ist einfach köstlich! Und der Spaziergang, zurück über die Höhen und Tiefen ins Bechtal und vorbei an weiteren schönen Plätzen, tat danach doppelt gut ...

 

Wildpark und Tropfsteinhöhle

Zwei weitere Ausflugsziele, die mich seit Kindertagen begleiten. Die Wiehler Tropfsteinhöhle und der dazugehörige kleine Wildpark.

 

 

1860 durch Sprengungen in einem Steinbruch entdeckt, ist die Wiehler Tropfsteinhöhle heute DIE Attraktion in der kleinen Stadt im Oberbergischen Kreis. Auf fast 900 Metern Länge bieten sich dem Besucher immer wieder neue Gebilde aus Stalagtiten, Stalagmiten und Stalagmaten. Übrigens, bereits zu Kindertagen lernte ich, die unterschiedlichen Arten von Tropfsteinen zu unterscheiden. Stalagtiten sind die, die von oben nach unten wachsen (Eselsbrücke: der lange Strich beim T geht von oben nach unten). Stalagmiten wachsen von unten nach oben (auch hier eine Eselsbrücke: der erste Strich beim M geht von unten nach oben). Und Stalagmaten sind die, wo Stalagmiten und Stalagtiten sich getroffen haben, sie verbinden also quasi den Boden mit der Decke.

 

 

Der angrenzende Wildpark mit Wildschweinen, Rot- und Damwild ist hauptsächlich für Familien mit (kleinen) Kindern ein beliebtes Ausflugsziel. Doch, ich muss gestehen, ob der Erinnerungen an eigene, vor Jahren dort zugebrachte Stunden, zieht es mich mindestens einmal im Jahr wieder dort hin. Meistens im Frühsommer, wenn die Frischlinge und Rehkitze ihr Unwesen treiben.

Schlusswort

Ich hoffe, dass ich mit diesem Buch und den Bildern einen kleinen Eindruck meiner Heimat vermitteln konnte. Natürlich könnte man noch viel mehr über die Gegend, die Sehenswürdigkeiten und auch das Besondere der Landschaft schreiben, doch habe ich hier die Dinge rausgepickt, die meine Gegend für mich zu meiner Heimat machen.

 

Ein Baum ist wie Leben.

Wer einen Baum gefunden hat,

zu dem er immer wieder zurückkehren möchte,

der hat ein Stück Heimat gefunden.

 

Ein Baum ist ein Zufluchtsort.

Wer seine Arme um ihn schlingt,

wenn er verzweifelt ist,

spürt die Stärke, die er ausstrahlt

und den Trost den er spendet.

 

Ein Baum, gepflanzt

um Heimat zu symbolisieren.

Stark und tröstend streicheln seine Blätter dein Gesicht,

wenn du selbst nach langer Zeit erst zu ihm zurückkehrst.

 

Dort, wo dein Baum seine Wurzeln schlägt;

dort, wo du dich wohlfühlst;

dort, wo du verstanden wirst;

dort ist deine Heimat.

 

© Jennifer Klein

(inspiriert durch ein Zitat von Sophie Scholl: "Ich drücke mein Gesicht an seine dunkle, warme Rinde und spüre Heimat - und bin so unsäglich dankbar in diesem Augenblick.")

Impressum

Texte: Jen Kill
Bildmaterialien: Jen Kill
Tag der Veröffentlichung: 03.01.2015

Alle Rechte vorbehalten

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