Hart verkrustet
ein leichtes Zittern, manchmal
mit tiefen Wurzeln
Tod und Verderben nur ein Molekül entfernt.
Ruhig, friedlich, heilig
ein Feuersturm im Inneren
doch ich bebe nur kurz auf.
Niemand wird es ahnen.
Träume sanft, träume leise,
träume nicht von dieser Welt
denn hier wirst du reduzierttaxiertbemessenbenutztverletztversetztundzurechtgestutzt
wirstgeschlagenschlägstwiederundtrittstnochmaldrauf
doch für nun, mein Kindchen
Träume friedlich, träume ruhig
träume nur im Augenblick
Längst verwehter Kindheitshauch
in meinen Träumen jag ich dich durch Absurditäten
und wache traurig, glücklich, sehnend auf,
doch du bist schon vom Vergessen totgeküssst
Alle Menschen werden mit einem rosa Luftballon geboren, der fest verknotet an ihrem Handgelenk befestigt ist. Die Menschen schweben in der Luft und lachen und sind frei. Doch Luftballonhüllen sind zerbrechlich. Manchmal entweicht die Luft mit einem seichten Zischen. Manchmal nimmt ein anderer eine Nadel und lässt den Luftballon mit einem lauten Knall zerplatzen. Je höher man schwebt, desto dünner wird die Luft zum Atmen und desto tiefer wird der Fall. Der Fall kommt unweigerlich und es wird einen Aufprall geben, mal holperig, mal gefährlich, manchmal sogar tödlich. Und dann auf dem Boden fragt man sich, wo die Wolken sind und die Vögel und der Wind, der die Freiheit versprach. Und man blickt auf die Luftballonfetzen an seinem Handgelenk und dann hinauf in die Wolken und man verspürt unendliche Sehnsucht nach dem Schweben, sodass man sich am liebsten das Herz hinaus reißen und es in die Luft werfen will. Man klettert auf Berge und baut sich Fluggeräte, und springt und wedelt albern mit den Armen herum, doch tief im Inneren weiß man, dass es vergeblich ist. Und dann fängt man an, sich zu sagen, dass der Boden doch auch ein schöner Ort ist, was vielleicht stimmt, vielleicht aber auch nicht, und irgendwann glaubt man es auch selber, weil man es glauben muss. Und man kriecht auf der Erde herum und tut beachtliche Dinge, die aber nicht vergleichbar mit dem Trudeln im Wind, und die Erinnerung singt wie eine Sirene und die sehnsüchtige Melodie bricht dir das Herz und du hast kein Wachs, überhaupt keines. Also kriechst du weiter herum, denn du hast keine Wahl und mit der Zeit vergisst du, wie es war. Du inhalierst den Rauch der fahrenden Autos, marschierst zum Takt der Uhr, blickst hinunter auf die Köpfe deiner Kinder und schaust nie zurück in den Himmel.
Siehst du es mein Sohn?
Das Dämmerlicht des Abends?
Nicht mit den Augen, den seelenlosen,
die blinzeln und starren und doch nur
elektrische Impulse senden.
Nein mit dem Herzen, mein Sohn, musst du sehen
Von Horizont zu Horizont, geträumte Unendlichkeit.
Die Sonne, einem Phönix gleich geht nun auf in Flammen
Und morgen schon, aus der kalten toten Asche der Nacht,
ersteht sie wieder auf.
Welch Wunder! Welch wundervolles Wunder.
Gott ist Vernunft und Vernunft Gott
Und herrscht tyrannisch in Gehirnen
Herz ist nur ein Muskelklumpen
Und das Leben keinen Sinn
Menschen rasen, hetzen, rennen
Immerschnell und immerweiter auf der Suche
Wonach? Vielleicht nur nach dem Tod.
Das Herz ist nur ein Muskelklumpen
Und die Sonne nur ein Feuerball
Geld statt Gott
Und eins plus eins ist zwei
Doch niemals blicken sie ins Herz
Wo der schwache rote Schimmer des bittersüßen Endes
Sie von innen wärmt
Wann, sag mir wann
Ist die Sonne eine Selbstverständlichkeit geworden
Wann die Sonnenbarke einem Feuerball gewichen
Und die sirrende Ungewissheit
Einem Panzer aus Vernunft
Wer wagt heute schon,
ohne diesen Schutz hinaus sich zu begeben
und mit dem Herzen schauen
Trostloses Grau entgegen dir schlägt
Erstickt alle Flammen
Weint die Sonne wenn sie untergeht?
Nein sie ist ein Ball aus Feuer
Und eins plus ein ist zwei
Ich sehe auf und blicke über den Buchrand hinweg das blasse Mädchen im Spiegel an. Ich senke meinen Blick.
Schwarz wie ein Schlund
Lauert die Tür in Entfernung
Gerahmt von weißen Durchschnittswänden.
Er keucht und schwabbelt hinweg
Und fühlt doch einen Zug hinterm Nabel
Je schneller er läuft, die Tür holt ihn ein
Dahinter das Reich seiner Mutter, so warm
So einfach und liebevoll-
Nein! Er rennt weiter, fast hatte sie ihn
Seine Mutter, so dick und verschroben
So tyrannisch und voller Angst um ihn
Ein kranker Krake, einer Würgeschlange
Was sollte er tun? Das Gift war so nah
Und es ging im Kaffeegeschmack unter
ein letztes Zucken, er weiß es
und sie verliert ihre Macht und
fällt mit dem Gesicht voran auf den Boden.
Das gibt ihm Kraft, seine Stummelbeine
Tragen ihn weiter durch die windschiefe Stadt
Was ist? Ein Anruf! Schon jetzt?
Das Handy glitscht fast auf den Boden
„Ach du bists mein Schatz, wohin
Bist du so plötzlich verschwunden?
War der Kaffe nicht gut? Deiner war schlecht
Ich hab dir meine Tasse gegeben“
Lachend sinkt er nieder auf den brennenden Asphalt
Ein dicker alter Mann in hässlichem Hemd
Schon fühlt er ein Kribbeln hinterm Nabel
Und die schwarze Tür verschlingt ihn
Bis zur Vergessenheit
Tag der Veröffentlichung: 07.06.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Gedanken haben so viele Dimensionen, dass es schade ist, sie auf ein Papier zu schreiben.