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Als ich die Leiche meines Mannes in den Kofferraum unseres Autos hievte, ging mir auf, was fuer ein wunderbarer Ehemann er doch gewesen war. Gewiss hatte es schlechtere Zeiten gegeben- aber war das nicht bei allen Beziehungen so, die laenger als einen Kuss dauerten?
Gedankenverloren schob ich den Kies in der Auffahrt so zurecht, dass nichts mehr von den Blutflecken zu sehen war. Ich nahm an, dass aus seiner Sicht der Dinge unsere Beziehung gerade einen Tiefpunkt erreicht hatte. Wenn er nicht so mausetot waere, waere er bestimmt geradewegs zum naechsten Scheidungsanwalt gelaufen. Nun, wahrscheinlich haette er doch lieber ein Taxi genommen, da sich das Laufen ohne Beine als schwierig gestalten koennte. Seine Beine lagen zurzeit naemlich fein saeuberlichabgesaegt links und rechts neben seinem Kopf. Selbst Schuld- waere er vor fuenf Jahren meinem Rat gefolgt und haette ein praktisches Auto mit geraeumigen Kofferraum gekauft, dann waere er jetzt noch an einem Stueck. Verdammt. Ich hatte zwar eine Plane unter seine Leiche gelegt, aber es liess sich nicht ganz vermeiden, das ein wenig Blut ueber den Rand floss. Ich wuerde morgen den ganzen Tag schrubben muessen, um die Flecken wieder herauszubekommen. Aber eigentlich war es auch egal- das Auto hatte schon immer die falsche Farbe gehabt. Froehlich pfeifend ging ich zu der grossen Tiefkuehltruhe in der Garage, um einige Schaufeln voller Eis zu holen. Ich wollte ja nicht, dass mein Ehemann anfing zu stinken. Schon zu seinen Lebzeiten hatte er nicht viel von dem Gebrauch von Deos gehalten und ich bezweifelte sehr stark, dass das einsame Duftbaeumchen, dass verloren am Spiegel baumelte genug war, um seinem Odeur in Schach zu halten, der sich im Laufe der Zeit bestimmt noch intensivieren wuerde. Endlich hatte ich ihn verstaut und ausreichend konserviert. Erleichtert raeumte ich meine Utensilien weg und streckte meine schmerzenden Arme. Das wuerde morgen bestimmt noch Muskelkater geben. Wie viele Kalorien ich wohl verbrannt hatte? Ich hielt es fuer recht unwahrscheinlich, dass WeightWatchers ueber Aktivitaeten wie 'toten Ehemann in den Kofferraum heben und dann mit Lawinen von Eis ueberschuetten' Buch fuehrte, und so musste ich mit leichter Enttaeuschung auf eine Antwort verzichten. Ich war eine leidenschaftliche Sporthasserin und eine gute Esserin, sodass ich immer ein paar Kilo zuviel auf den Rippen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich verschiedene Diaeten durchprobiert und war dann aber (auf Umwegen ueber die Kohlsuppen- Advocado- LowCab- und Reisdiaet) bei der Schokoladen- Diaet haengen geblieben. Der bahnbrechende Erfolg meiner konsequenten Diaet waren sechs Kilo extra und die Frage von Frau Albrecht gegenueber, wann denn das Kind zu erwarten sei. Frau Albrcht war etwas kurzsichtig und der festen Ueberzeugung, dass alle die juenger als sie selbst waren (also die ganze Welt mit Ausnahme von Jesus vielleicht) jung, vital und gebaerfreudig waren. Nicht das ich soo alt gewesen ware- die meisten schaetzten mich zwischen fuenfzig und sechzig. Zugegebenermassen traf das auch auf Ursula von der Leyen zu, und die koennte Deutschland bestimmt im Alleingang vorm Aussterben bewahren. Ihr Mann tat mir schon leid...
Aber ich wollte nicht abschweifen. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich fuenf Minuten hinter meinem Zeitplan war. Um genau sechs Uhr morgens sollte der Koerper meines geliebten Mannes im Tillsitter Moor verschwinden. Bis dahin lagen aber noch drei lange Stunden auf der Autobahn vor mir. Seufzend warf ich einen letzten Blick auf das Gesicht meines Mannes (oder das, was davon noch zu sehen war- nur die blaulich angelaufene Nasenspitze ragt noch aus dem Eis hervor) und schlug den Kofferraumdeckel zu. War das zu laut? Alles sprach dagegen. Meine Wohnsiedlung war so klischeehaft ruhig und idyllisch, dass das Einzige das nachts die Ruhe der Anwohner stoerte, umherstreunende Katzen und das Schnarchen von Frau Albrecht war. Wahrscheinlich war die groesste Bedrohung hier draussen, ueber seine eigenen Fuesse zu stolpern. Ich liess meinen Blick ein letztes Mal ueber die Siedlung schweifen -mein Haus lag ruhig im Dunkeln da und auch sonst ruehrte sich nichts- und quetschte mnich dann auf den Fahrersitz. Ich schaltete das Radio und das Navi an und rollte auf die Autobahn zu. Es gab nicht viel Verkehr (nur einige Lastwagenfahrer, die im komatoesen Zustand vor sich hin fuhren) und so hatte ich meine Verspaetung von vorhin locker wieder aufgeholt. Ich vertrieb mir die Fahrzeit mit der Frage, welche Drogen der Radiomoderator genommen hatte, um so frueh morgens eine gute Laune zu haben. Zudem verfasste ich in Gedanken das Buch '1001 Weg, den Navi zum Schweigen zu bringen'. Ich hasste instaendig den metallischen Klang der Frauenstimme und meine voellige Abhaengigkeit von ihr. Ich war eine wirklich durchschnittliche Frau (abgesehen vielleicht vom Inhalt meines Kofferraumes)und so war mein Orientierungssinn dem einer Nacktschnecke die eine Woche in einer Zentrifuge verbracht hatte, zu vergleichen. In einem Akt der Rebellion gegen die Technik schleuderte ich das Navi auf den Boden vor dem Beifahrersitz. In der darauf folgenden himmlischen Stille fasste ich den guten Vorsatz, von nun an mich allen Gewaltphantasien zu entsagen. In Gedanken sahh ich meine Ohrlaeppchen schon auf Buddha-Groesse anschwellen, aber dann fiel mir eine Ausnahme ein: Jogi Loew und die gesamte Nationalelf. Ich spielte ernsthaft mit dem Gedanken, mich an ihnen zu raechen. Immerhin hatten sie meinen Mann umgebracht und mir eine Nacht Schlaf geraubt. Ich sollte vielleicht von vorne anfangen: Es war ein schoener Sonntagnachmittag gewesen, als Deutschland ein WM- Qualifikationsspiel gegen eine kleine afrikanische Mannschaft so hoch verloren hatte, dass noch nicht mal mein Mann alle Schuld auf den parteiischen Schiedsrichter schieben konnte. Nun musste sich Jogi Loew also dem Kreuzfeuer der Reporterfragen stellen. Er war gerade erst bei der Ausrede angekommen, dass die Mannschaft ersatzgeschwaecht war, da hoerte ich ein Klirren und ein Poltern. Das besagte Klirren war das Geraeusch, das eine halbvolle Bierflasche macht, wenn sie von in Sofahoehe aus auf den Boden faellt. Ich kam aus der Kueche angehastet (Usain Bolt war ein Dreck gegen mich!) denn ich wusste, dass etwas Schlimmes passiert war- dazu musste ich nicht erst das Poltern hoeren. Mein Mann klammerte sich normalerweise waehrend des gesamten Fussballspiels (UND der Spielanalyse UND der Schockstarre/Siegestaumel danach) an seine Bierflasche, bis das Bier darin kuschlige 36,5 Grad Celsius erreicht hatte und damit voellig ungeniessbar war. War es der Greifreflex aus der Kindheit? Ein Beduerfnis nach Sicherheit? Wie dem auch sei, er haette niemals, niemals seine Bierflasche fallen gelassen und so wusste ich, als ich schnaufend in der Wohnzimmertuer stand, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Die Abwesenheit von Atmung und die Tatsache, dass er blau angelaufen und vom Sofa gekippt war, bestaetigten mich in meiner ersten Vermutung. Rasch diagnostizierte ich einen Schlaganfall. Mein Mann haette schon vor Jahren auf mich oder seinen Arzt hoeren und etwas gegen seinen Bluthochdruck tun sollen. Jetzt trug(obwohl Jogi Loew der Ausloeser gewesen war) er die Konsequenzen, Meine Freundin Petra haelt Jogi Loew ja fuer den unattraktivsten Mann jeglicher Universen. Ich kann ihr da nicht so ganz zustimmen- der Mannschaftsarzt von Deutschland, Dirk Bach und Dieter Bohlen waren eine ernstzunehmende Konkurrenz...
Dieser kleine Zwischenfall am Sonntagnachmittag offenbarte in meiner Ehe einige unueberbrueckbare Differenzen, die im Wesentlichen darin bestanden, dass er tot und ich lebendig war. Die Schlussfolgerung daraus war, dass er verschwinden musste. Ich waehlte das Tillsitter Moor als seine letzte Ruhestaette, da ich dort vor nicht allzulanger Zeit unseren alten Fernseher entsorgt hatte. Daraus konnte ich messerscharf zwei Sachen ableiten: 1. Dinge versanken sehr schnell dort und tauchten nie wieder auf und 2. mein Mann wuerde dort -dank des Fernsehers- kein Fussballspiel verpassen. Kurze Zeit hatte ich mit dem Gedanken gespielt, dass Sofa auch zu versenken, aber aufgrund fehlender Transportmoeglichkeiten musste ich leider darauf verzichten.
Es war zwar nun angenehm ruhig im Auto, aber leider hatte ich ohne das Navi schnell meinen Weg verloren- eine Meisterleistung auf einer schnurgeraden spaerlich befahrenen Strasse. Meine Auswahl an Personen, die ich um fuenf Uhr morgens nach dem Weg fragen koennte, war natuerlich begrenzt. An einer der Ortschaften sah ich einen dicken Mann, der hektisch mit dem Daumen winkte. Er hatte ganz offensichtlich mehr getrunken, als gut fuer ihn war. Er fragt mich lallend, ob ich ihn zu Hause absetzen koennte. Ich sagte ja. Er fragt, ob sein Akkordeon auch mitkoennte. Ich nicke hoeflich. Und einen Hund haette er auch noch dabei. Warum nicht, sagte ich freundlich. Ich fragt ihn dann noch, wo es denn zum Moor ginge. Er gestikulierte grob in eine Richtung und ich stellte fest, dass er eine leichte Fahne hatte. Nun, dass traf es vielleicht nicht ganz- es war eher ein Flaggenmeer. Aber( ich versuchte positiv zu denken), er war zu betrunken, um mir etwas anzutun. Er konnte sich vermutlich nicht einmal an der Nase kratzen, ohne sich dabei ein Auge auszustechen und einen Arm zu amputieren. Solchermassen beruhigt oeffnete ich die hintere Tuer, sodass er seinen Hund auf dem Ruecksitz platzieren konnte (er brauchte dafuer drei Anlaeufe). Es war der kleinste Chihuahua, den ich jeh gesehen hatte(gegen ihn saehe wahrscheinlich sogar 'Tinker Bell' der Hund von Paris Hilton, wie ein Loewe aus). Wenn ich das Genuschel des dicken Mannes richtig deutete, dann hatte er seinen Hund Rex genannt- in meinen Augen ein klarer Fall von Groessenwahn. Dann wollte er sein Akkordeon im Kofferraum verstauen. Ich hielt das fuer keine so gute Idee und wollte ihm gerade mitteilen, dass der Stauraum anderweitig beansprucht wuerde. Diese Entdeckung hatte er allerding schon selbst gemacht. Das Akkordeon fiel mit einem unmelodischen Klang auf den Asphalt. Sein Besitzer setzte gerade Gottheiten mit Exkrementen gleich (zumindestens soweit ich das beurteilen konnte, denn sein Artikuliervermoegen war durch seinen Alkoholkonsum ganz eindeutig beeintraechtigt). Dann war ein interessantes Farbenspiel zu beobachen, denn die Gesichtsfarbe des dicken Mannes wechselte von rot zu violett zu blau. Bevor ich das blau ausreichend bewundert hatte, sank er schon auf den Boden. Ich fragt mich, ob ich eine Alkoholvergiftung bekommen wuerde, wenn ich eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchfuehrte. Ich stand dort eine Weile und gruebelte ueber mein Dilemma nach, aber der Herzinfarkt hatte mir meine Entscheidung schon abgenommen. Jetzt hatte ich also eine zweite Leiche am Hals. Doch das Schicksal meinte es gut mit mir, denn in den der Ferne kam mir ein vierbeiniges Wesen entgegen. Beim Naeherkommen entpuppte sich das Wesen als ein knutschendes Paerchen, das die Arme so ineinander verschlungen hatte, dass man keine Unterschiede mehr ausmachen konnte. Ich fragt hoeflich, ob man mir helfen koennte. Die beiden Maenner lachten und zusammen hievten sie den dicken Mannauf den Beifahrersitz, waehrend ich heldenhaft die Tuer aufhielt. Ich bedankte mich bei ihnen, woraufhin sie irgendetwas von 'einen Saufkumpanen laesst man nicht im Stich' murmelten. Zum Dank schenkte ich ihenen das Akkordeon und die beiden sahen verdutzt meinen Ruecklichter hinterher, die in der Ferne verschwanden. Ich erreichte das Tillsitter Moor ohne weitere Zwischenfaelle und eine halbe Stunde spaeter als geplant. Mein Mann versank gurgelnd im Moor- zuerst die Beine, dann der Rest, wie es sich bei einem unbekannten Gewaesser gehoert. Ich murmelte ein paar Vaterunser und warf ihm als Grabbeigabe ein Sechserpack seines Lieblingsbieres hinterher. Der dicke Mann stellte da schon eine groessere Herausforderung dar. Ich kam mir vor wie Sysiphos, nur das man in meinem Fall den Stein durch eine 150 Kilo Leiche ersetzen muss und den Berg durch die fuenf Meter Distanz zwischen Auto und Moor. Mit Ach und Krach hatte ich es dann doch geschafft. Froehlich pfiff ich 'Always look on the bride side of life' vor mich hin, erleichert ueber den guten Ausgang der Sache. Dann nahm ich Rex auf den Schoss und fuhr der aufgehenden Sonne entgegen.

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Tag der Veröffentlichung: 12.10.2010

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