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Hallo, meine Liebe,

danke für Ihre Glückwünsche und die lieben Worte.

JA! Ich bin stolz darauf, dem inneren Schweinehund keine Chance gegeben zu haben. Viel Kraft, Durchhaltevermögen und Disziplin hat er mir abgefordert... doch ich habe ihn besiegt! Diesen verdammten Krebs. Und das Leben gewonnen.

Gerne hätte ich Ihnen in Ihrer schweren Zeit beigestanden, Sie getröstet - Ihnen Mut zugesprochen und Ihnen von früher erzählt.

Auch mein Leben verlief nicht immmer leicht...




Mein Leben begann traurig.
Tief, tief traurig.

Meine Mutter starb wenige Tage nach meiner Geburt an Lungentuberkulose. Es war Krieg, mein Vater im Feld und niemand aus der krüppligen Verwandtschaft wollte mich.

"Der bringt uns den Tod ins Haus!"

Und so war ich anfangs hier mal einen Tag, dann dort zwei Tage - so ging das reihum mit mir, einem Kind, das niemand haben wollte.

Hätten nicht alle, wirklich alle Engel des Himmels sich meiner angenommen, ich hätte ganz sicher nicht überlebt! Von einem winzigen Herzfehler abgesehen - war ich gesund. Aber das konnte und wollte niemand fassen. Neun Monate im Bauch einer todgeweihten Frau - und trotzdem gesund?


Das war... abstrus. Aber sind nicht alle wirklichen Wunder abstrus? Ich halte es noch heute mit meiner Oma, die mir - ich weiß nicht wie oft - gesagt hatte:
"Von allem Anfang war es dir bestimmt!"

Als ich langsam an Verstand zunahm, dachte ich, du bist einfach eine alte Fatalistin, Oma! Als sie starb, wurde mir plötzlich klar, dass sie ihr Schicksal in höhere Hände gelegt und auch aus diesen genommen hatte.

Großmutter schlich sich stets mahnend in meine Gedankenwelt, wenn das Leben wieder einmal mit mir ungnädig umging und ich in Selbstmitleid zu versinken drohte: "Es war dir so bestimmt, Bub!"
Meine Oma würde mir beim Wiedersehen mächtig Licht ans Fahrrad machen, wenn ich mich je aufgegeben hätte!

Ich war damals erst 16 Jahre alt und wollte per Anhalter nach Südfrankreich fahren. Großmutter hatte


beim Abschiednehmen Ihr sanftestes Lächeln im Gesicht und meinte seelenruhig: "Bis du wieder zurück bist, bin ich nicht mehr, Bub!"
Rotzig wie ich damals war, sagte ich so ganz spontan:
"Nee, Oma, nee... gestorben wird erst, wenn ich wieder da bin!"

Ohne jetzt zu weit auszuholen, aber dieses Gespräch hat mich einfach nie mehr losgelassen. Und so trampte ich intuitiv einen Tag früher als geplant nach Hause zurück. Richard, mein jüngerer Bruder, sah mich zufällig kommen, spurtete mir atemlos entgegen und rief:

"Oma liegt im Katharinen-Hospital, Station Vier. Im Sterben!"

Wortlos schmiss ich ihm mein Gepäck vor die Füße und rannte die zweieinhalb Kilometer zum Krankenhaus, als hinge mir der Leibhaftige dicht an den Fersen.


Ich stürmte die Treppen hoch, drei Stufen auf einmal nehmend, riss die Zimmertür auf... dann stand ich weinend vor Ihrem Bett. Mit ihrem sanften Lächeln im Gesicht lag Oma da, als habe sie noch auf mich gewartet. Behutsam nahm ich sie in meine Arme, drückte sie sanft an mich.

Und dann ging noch ein letzter, tiefer Atemzug durch sie hindurch...

"Gestorben wird erst, wenn ich wieder da bin, Oma!"


*****




Meine Liebe, denken Sie bitte immer an Omas Worte, wenn es wieder nicht weiterzugehen scheint:

"Von allem Anfang war es dir bestimmt!"

Herzlichst,
Ihr
Werner X. Ristenberger




Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig.


Impressum

Texte: Copyright: Vera Hinselmann
Tag der Veröffentlichung: 13.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet einem starken Menschen.

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