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Love beginns with a smile, it continues with a kiss and it ends with tears!

 

„Alles Gute zum zweiten Jahrestag”, sagt Kai, gibt mir einen Kuss und hält mir ein kleines Päckchen entegegen. Lächelnd nehme und öffne ich es.

Eine wunderschöne Kette mit einem kleinen Herz aus Rosenquarz dran. Mein Lieblingsedelstein. Natürlich ist es das perfekte Geschenk. So ist Kai nun einmal.

Wie oft haben sich meine Freundinnen bei mir aus geheult, weil deren Freunde den ach so wichtigen Jahrestag vergessen haben. So etwas würde Kai niemals tun. Er denkt immer an alles.

„Soll ich sie dir um machen?”, fragt Kai. Ich gebe ihm dankend einen Kuss und sobald wir uns von einander gelöst haben, drehe ich mich um und halte meine Haare zur Seite. Er legt mir die Kette um und schließt sie. Dann legt er seine Arme um mich und wir bleiben eine Weile so stehen. Ich liebe solche Momenten. In denen ich mich einfach an seine starke Brust lehnen kann und all meine Sorgen vergesse. Ich höre seinen Atem, der mich beruhigt und ein wenig am Hals kitzelt. Meine Augen habe ich geschlossen. Nichts kann mir passieren, wenn ich bei Kai bin. Ich bin absolut sicher. Es ist ein so schönes Gefühl, welches nie vergehen sollte. Doch natürlich können wir nicht ewig hier so stehen bleiben.

„Wir müssen in den Klassenraum”, flüstert Kai mir auch schon ins Ohr. Langsam drehe ich mich zu ihm um, gebe ihm noch einen Kuss und nehme dann seine Hand.

Zusammen machen wir uns auf den Weg zu einer Englischstunde, auf die ich nur all zu gerne verzichten würde.

Im Raum angekommen müssen wir uns von einander trennen, da es eine Regelung gibt, die besagt, dass Mädchen und Jungs getrennt sitzen müssen. Früher wurde man noch extra gemischt hingesetzt, damit es leiser im Unterricht ist und jetzt müssen wir getrennt sitzen. Die Lehrer wollen einem auch wirklich jeden Spaß an der Schule nehmen.

So gehe ich auf meinen Platz neben Jenny, meiner besten Freundin.

Sobald ich den Tisch erreicht habe, springt sie auf und umarmt mich.

„Hey Mel”, begrüßt sie mich auch gleich.

„Hey Jenny,”, gebe ich zurück, „Hast du die Hausaufgaben gemacht?”

„Na klar, weißt du?! Ne man, du kennst mich doch! Ich habe sie mir zwar angeguckt, aber irgendwie habe ich es mal wieder nicht hinbekommen. Hast du sie denn?”

„Nein. Ich hatte keine Lust. Wozu brauche ich Englisch, wenn ich in Deutschland bleiben will?”

„Gute Frage", gibt mir Jenny Recht. "Die du auch gleich Frau Melm stellen kannst.”

Meine absolute Hasslehrerin hat somit den Raum betreten. Damit beginnt ein weiteres Mal der Horror.
Englisch war noch nie meine Stärke, aber mit Frau Melm als Lehrerin hat es sich noch mehr verschlechtert. Wenn es nach ihr ginge hätte ich das Gymnasium schon längst verlassen. Bis jetzt konnte ich mich zwar immer noch mit Vieren in den Arbeiten und besseren Noten in anderen Fächern retten, aber ob ich es durch das Abitur schaffe ist doch etwas fraglich. Vor allem aus der Sicht meiner Eltern. Wie viele Streits schon mit knallenden Türen und Drohungen mich ins Internat zu stecken geendet haben. Doch bis jetzt habe ich es zwar geschafft hier bei meinen Freunden zu bleiben und ich werde auch alles daran setzen, dass es so bleibt. Nichts wäre schlimmer von Jenny, Lara und natürlich Kai getrennt zu sein.

"Melanie, please tell us what you have written down at home", unterbricht Frau Melm meine Gedanken an den letzten Streit zwischen meinen Eltern und mir.

"Ähm, I...I....", beginne ich meine Antwort. "Ach verdammt. Ich habe nichts gemacht. Wofür brauche ich das denn? Ich will gar nicht Englisch sprechen können. Später brauche ich das doch sowieso nicht."

"Melanie, ich weiß nicht wie das mit dir weiter gehen soll. Du hast in diesem Schuljahr noch nicht ein einziges Mal deine Hausaufgaben gemacht. Das ist ganz klare Arbeitsverweigerung und deswegen wirst du auch ein Vermerk in deinem Zeugnis kriegen. Wenn dir das nicht reicht werde ich auch noch eine sechs durchsetzen. Darauf kannst du wetten!"

"Also ich bitte Sie, das können Sie nicht tun", gebe ich hochmütig zurück. "Mit den Vieren in den Arbeiten ist es rechnerisch nicht möglich, dass Sie mir eine sechs geben." Was bildet die sich nur ein.

"Es ist ja schön, wie toll du Mathe anscheinend beherrscht. Doch als Lehrerin habe ich noch den pädagogischen Spielraum und durch den werde ich eine sechs spielend leicht durchsetzen können."

"Das glauben Sie doch nicht wirklich", erwidere ich. "Wenn Sie mir eine sechs geben, werde ich meinen Anwalt rufen." Ich stehe auf und stolziere aus dem Klassenraum. Das reicht mir einfach.
Aus dem Zimmer draußen, gehe ich erst einmal zur Mädchentoilette. Ich muss zuerst einen Platz haben, an dem ich mich abregen kann.
Was bildet diese Frau sich eigentlich ein? Wenn ich kein Englisch kann, dann kann ich halt kein Englisch. Wieso lässt sie mich nicht einfach in Ruhe?
Meine frühere Englischlehrerin hat das verstanden. Sie hat mich höchstens mal dran genommen wenn es um Texte aus dem Buch vorlesen ging. Dann meinte sie bei den mündlichen Noten, dass ich es versuche und deswegen ausreichend kriege. Dasselbe hatte ich auch in den Arbeiten, wodurch der 4 auf dem Zeugnis nichts im Wege stand. Doch bei Frau Melm ist das jetzt anders. Sie wollte mir schon im letzten Halbjahr eine 6 geben. Nur mit viel reden und einem Gespräch mit meiner Tutorin stand am Ende doch eine 5 auf meinem Zeugnis. Was kommt sie auch immer mit ihrem pädagogischen Spielraum? Ich bin der Meinung, dass Lehrer sich nach den Noten, die man während des Halbjahres kriegt, richten muss. Alles andere ist ja wohl sinnlos.

Nachdem ich mich ein wenig abgeregt habe, stellt sich mir die Frage was ich jetzt machen soll. Zurück in den Unterricht kann ich auf gar keinen Fall und nach Hause würde einem Selbstmord gleich kommen, da ich schlecht erklären kann warum ich mitten in der Englischstunde gegangen bin. Was für Möglichkeiten bleiben mir? Hier weiter rumzusitzen wäre möglich, aber doch sehr langweilig. Außerdem kann man zu viel nachdenken und hinterher bereue ich noch einfach gegangen zu sein. Schließlich bin ich eigentlich gut erzogen und normaler Weise bin ich auch der Meinung, dass es sich nicht gehört mit Lehrern zu streiten oder sogar einfach den Unterricht zu verlassen. Doch dieses Mal sind meine Nerven wirklich mit mir durchgegangen. Ich weiß gar nicht was in mich gefahren ist. Denn je mehr ich jetzt darüber nachdenke, desto mehr wird mir klar, dass mein Handeln absolut falsch und kindisch war. Jetzt hat Frau Melm noch einen Grund und ein Argument mehr mir eine sechs aufs Auge zu drücken und somit meinen Umzug in das Internat herbei zu führen.
Wahrscheinlich wäre es am schlausten zurück in den Unterricht zu gehen und sich zu entschuldigen. Doch wer hat behauptet, dass ich mich immer für die schlausten Varianten entscheide?
Deswegen gehe ich anstatt zurück in meinen Klassenraum auf den Schulhof. Es ist nicht zum ersten Mal, dass ich einfach das Schulgelände während der Unterrichtszeit verlasse. Doch sonst habe ich mir immer Ausreden ausgedacht. Das Übliche. Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Übelkeit. Zum Beispiel, als Kai und ich noch frisch zusammen waren. Da haben wir uns dann immer getroffen. Natürlich ging das nur, weil wir da noch in verschiedenen Klassen waren. Ansonsten wäre es zu auffällig gewesen und wir hätten es natürlich nicht gemacht. Was sollen denn die Lehrer von uns denken.
Doch dieses Mal ist es mir fast egal was die Lehrerin denkt. Dabei ist es mir normaler Weise wichtig wie andere über mich denken. So ist das nun einmal wenn man versucht zu den beliebtesten zu gehören. Mein ganzes Leben ist eigentlich darauf ausgerichtet so zu handeln, dass alle mich für cool, klug und witzig halten. Man darf sich keine Fehler erlauben. Man darf nicht sein ganzes wahres Ich zeigen. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Mit Jenny, Lara und Kai kann ich fast ich selbst sein. Sicher, auch wenn ich mit denen zusammen bin, muss ich cool sein. Doch ich kann ihnen fast alles anvertrauen.
Wer zeigt seinen Mitmenschen denn bitteschön sein wirkliches wahres Ich? Die meisten Menschen kennen sich ja noch nicht einmal selber. Zumindest denke ich das, denn ich bin an einem Punkt angelangt, an dem ich das glaube. Ich glaube, dass ich mich nicht wirklich selber kenne. Doch wenn ich so denke, werden es mit Sicherheit andere Menschen geben, die genauso denken. Das muss einfach so sein.
Während ich die Straßen hier entlang gehe, wobei ich nicht wirklich darauf achte wohin ich eigentlich gehe, kommen mir Gedanken, ob es vielleicht gar nicht so schlecht wäre auf ein Internat zu gehen. Ich könnte noch einmal von vorne Anfangen. Ich bin zwar beliebt hier, ich habe genügend Freunde und auch richtig gute Freunde. Ich bin nicht schlecht in der Schule, wenn man jetzt von Englisch absieht. Ich habe sogar den bestaussehenden und süßesten Jungen als Freund, der mich auch wirklich liebt. Doch mir stellt sich die Frage: Will ich das alles überhaupt? Will ich das, indem ich mich verstellen muss?
Ich könnte von hier weg und herausfinden, wer ich wirklich bin.
Alles was ich machen müsste, ist jetzt nach Hause gehen, meiner Mutter sagen, dass ich einfach aus dem Unterricht gegangen bin und schon würde ich auf einem Internat landen. Andererseits bin ich hier nach einem Jahr fertig mit der Schule und kann dann machen was ich will. Wenn ich die Schule wechsle, werde ich die Oberstufe noch einmal machen müssen und wenn ich Pech habe, ist die bei dem Internat, zu dem ich geschickt werde, sogar drei Jahre lang. Außerdem müsste ich ja auch wieder neue Freunde finden und dann würde ich mich sowieso wieder verstellen. So gut kenne ich mich, glaube ich, schon.

Das wird wahrscheinlich auch der Grund sein, warum ich gerade nichtauf dem Weg nach Hause bin, sondern genau in die andere Richtung gehe. Dort liegt die kleine Altstadt. Ich werde mich einfach in das Café setzen, in dem Kai und ich unser erstes Date hatten und dann schreibe ich ihm, dass er nach Englisch zu mir kommen soll. Schließlich ist heute unser Jahrestag, da kann er 2 Musikstunden ruhig schwänzen.

 

„Hey Schatz”, begrüßt Kai mich mit einem Kuss, denn natürlich ist er gekommen. Ohne das ich ihn überreden musste. Er setzt sich neben mich auf die Bank und ich lehne mich an seine starke Schulter. „Was ist denn los mit dir?", fragt er mich sofort. "Lass dich von Frau Melm doch nicht so provozieren.” Mit einem sorgenvollen Blick steckt er mir eine Strähne hinter das Ohr.

„Ich weiß es selber nicht”, antworte ich wahrheitsgemäß. "Die Worte sind einfach aus mir raus gekommen und dann musste ich aus dem Zimmer raus. Ich konnte aber auch nicht wieder zurück."

„Frau Melm war ziemlich außer sich. Es war mit Sicherheit nicht die beste Lösung einfach zu verschwinden.”

„Das weiß ich auch selber!”, gebe ich genervt zurück und setze mich wieder gerade hin.

„Ach Mäuschen ich weiß doch, dass nicht jeder immer alles richtig machen kann", versucht Kai mich zu besänftigen und legt mir seinen Arm um die Schulter. "Doch ich kenne dich so gar nicht.”

„Vielleicht bin ich aber so!”, entgegne ich und schüttle den Arm ab.

„Hey, ich habe nicht gesagt, dass es schlimm ist", beruhigt er mich wieder. "Es ist nur neu für mich. Lass uns doch heute bitte nicht streiten. Was möchtest du trinken? Deine heiße Schokolade wie immer?”Woher weiß er immer, was man in einer Situation am Besten macht? Ich nicke nur und Kai winkt einen Kellner zu unserem Tisch. Während ich ihn von der Seite beobachte, wird mir auf ein neues klar wie perfekt er ist. Womit habe ich das nur verdient?

Nachdem der Kellner wieder gegangen ist um die bestellten Sachen zu holen, gebe ich Kai einen langen Kuss. Als wir uns von einander gelöst haben fragt er: „Wofür war das?”

„Ein Dankeschön”, antworte ich.

„Weshalb?”, gibt Kai zurück.

„Für alles”, sage ich und gebe ihm erneut einen Kuss.

„Diese neue Seite an dir gefällt mir mehr”, flüstert er mir noch ins Ohr, bevor der Kellner unsere Getränke vor uns hinstellt.

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Tag der Veröffentlichung: 26.08.2014

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