»Mit erstorbnem Scheinen
Steht der Mond auf totenstillen Hainen,
Seufzend streicht der Nachtgeist durch die Luft -
Nebelwolken schauern,
Sterne trauern
Bleich herab, wie Lampen in der Gruft.
Gleich Gespenstern, stumm und hohl und hager,
Zieht in schwarzem Totenpompe dort
Ein Gewimmel nach dem Leichenlager
Unterm Schauerflor der Grabnacht fort.«
Miley, ein siebenjähriges Mädchen mit strohblonden kurzen Haaren und blauen Engelsaugen stand im Wohnzimmer vor dem kleinen Sofa und trug ihr Gedicht mit voller Elan vor.
»Super. Mein Schatz. Das hast du toll gemacht!« rief ihre Mutter vor Begeisterung.
In dem Haus in den sie lebten, waren die Räume recht leer eingeräumt und die weißen Wände vermittelten seelenlose Kälte.
In jedem Raum lag der selbe rosige Duft, der Miley ein wohltuendes Gefühl gab.
Miley und ihre Mutter Anastasia lebten alleine. Der Vater war letztes Jahr im Winter verstorben. Eigentlich wollte er damals für Weihnachten ein Geschenk kaufen, ist in Eiseskälte losgefahren und ist nie wieder gekommen.
Anastasia hielt es für unwahrscheinlich, dass er sie verlassen hatte und nun bei einer anderen Frau lebte, Daher nahm sie an, dass er tot war.
Die Polizei konnte ihnen damals auch nicht weiterhelfen.
Für Miley war es eine schwere Zeit gewesen ohne Vater. Auch für Anastasia war es schwer, denn sie hatte keinen Job und wenig Geld,
Aber die Zeiten waren vorbei, dachte Anastasia, als sie von der gelben Couch aufstand, in die Küche ging und sich einen Kaffee machte.
Sie schielte kurz auf die Digitaluhr, die auf den Tresen neben dem Mixer stand. 18:37
Ist schon spät. Miley sollte besser schlafen gehen.. Allerdings würden die Alpträume wiederkommen.
Was soll’s, Ob sie jetzt oder später ins Bett ginge, würde keinen Unterschied machen.
Heute Nacht würde sie sowieso wieder herumkreischen und mit Tränen in den Augen aus dem Bett steigen.
Entschlossen ging sie in das Rosagestrichene Zimmer ihrer Tochter und sagte ihr sie solle ins Bett gehen.
Kurz darauf begab sich Anastasia wieder ins Wohnzimmer und trank noch ein paar Schlücke von ihrem sehr heißen Kaffee.
Dann machte sie es sich auf der Couch gemütlich und schaltete den Fernseher ein.
Wie lange würde es diesmal dauern, bis Miley von ihren Alpträumen wieder aufwachte?
Anastasia zählte die Sekunden und schaltete gleichzeitig die Sender um.
1…Vox,2…Kabeleins,3…Prosieben.
Sie hörte auf zu zählen.
Als der Sender ihre Lieblingsserie ankündete und Anastasia schon vor Freude das Grinsen begann, stürmte Miley ins Wohnzimmer.
Na toll. Dachte sich Anastasia.
»Was ist los, mein Schatz?«
Sie stand ihr mit Tränen in den Augen gegenüber.
Sie schluckte und brachte kaum einen ganzen Satz hervor.
»Ich…ha…hatte einen Al…ptraum«
Anastasia stand Verzweiflung und Mitgefühl im Gesicht.
Sie breitete ihre Arme aus und umarmte ihre Tochter.
»Ist schon gut, es war nur ein Traum.«
»Aber er kommt immer wieder! Ich habe jedes Mal den selben Traum!«
»Ich weiß, mein Schatz. Konntest du dich diesmal daran erinnern?«
Die Antwort war klar.
Jedes Mal fragte sie Miley ob sie sich daran erinnern könne.
Und jedes Mal hörte sie ein Nein..
»Nein« stieß Miley aus einem Krächzen hervor. Dabei hörte sie sich wie erkältet an.
Die Antwort habe ich bereits erwartet, dachte Anastasia.
»Ist schon in Ordnung. Versuche jetzt wieder einzuschlafen. Ich bin sicher du träumst etwas ganz schönes«
Sie sah ein Grinsen in Mileys Gesicht, die jetzt freudig in ihr Zimmer rannte.
Anastasia freute sich, denn sie konnte sich wieder ihrer Sendung widmen.
Sie ließ sich aufs Sofa fallen und nahm ein paar Schlücke von ihrem Kaffee.
Tag der Veröffentlichung: 24.06.2012
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