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Mein Tagebuch

23. Januar

Meine Frau mit unseren vier Kindern Hildegard, Erika, Helmut und Gerhard verließen mit einem Güterzug abends 20:00 Uhr bei 15 Grad Kälte Marienburg. Sie hatten einen Evakuierungsschein nach Buttelstedt bei Weimar/Thüringen erhalten.

24. Januar

Um 06:00 Uhr den Nachtdienst beendet, konnte ich nochmal von 07:00 – 12:00 Uhr in unserer Wohnung in der Mewerstrasse 5 schlafen.

Um 13:00 Uhr kam mein Vater mit dem Treck von Taabern. Mein Sohn Kurt, mein Bruder Fritz und meine Schwestern Gerda und Ruth saßen auf dem Wagen. Nachdem wir gegessen hatten, Ruth hatte alles dafür vorbereitet, verließen wir unser Heim.

Ich begleitete noch alle bis zur Nogat und sah sie auf ihrem Wagen sitzend in Richtung Dirschau fahren. Kurtchen winkte solange, bis der Flüchtlingstreck nicht mehr zu sehen war.

Ich ging zum Stellwerk rauf, um um 22:00 Uhr meinen letzten Dienst anzutreten.

25. Januar

Die Front rückte immer näher und der Kampf um Marienburg begann.

Unter schwerem feindlichem Beschuss hielten wir fünf Kollegen die Stellung, bis der letzte Zug Marienburg verlassen hatte.

Um 15:00 Uhr verließen auch wir die Stadt, die schon an vielen Stellen brannte. Um Mitternacht erreichten wir Dirschau.

26. Januar

Nach einigen Stunden Schlaf auf hartem Fußboden wurden wir Marienburger um 07:00 Uhr zum Dienst in Dirschau eingeteilt. Ich wurde Stubenältester in einem ehemaligen Unterrichtsraum, in dem 30 Marienburger Eisenbahner untergebracht waren.

27. Januar

Die Kälte ließ nach und es begann ein starkes Schneetreiben.

28. Januar

Wir bekamen Militärverpflegung und alle wurden satt. Ich musste mich immer in der Stube aufhalten, um nach dem Rechten zu sehen. Das ging so bis zum 15. Februar.

16.Februar Unser Lager in dem ehemaligen Unterrichtsraum wurde aufgelöst. Wir kamen in verlassene Wohnungen, immer drei Kollegen in ein Zimmer. Meine Adresse war Elisabethstrasse 23.

Mich schickten sie in die Verpflegungskolonne, wo wir an Dirschauer und Marienburger Eisenbahner Essen ausfuhren.

24. Februar

Um die Mittagszeit wurde die Stadt Dirschau und auch der Bahnhof bombardiert. Das ging so 24 Stunden mit einigen Unterbrechungen. Die Stadt brannte an allen Ecken, auch unser Haus wurde beschädigt. Nachts saßen wir im Keller.

26. Februar

Die letzten Einwohner hatten Dirschau verlassen, und es war in der Stadt keine Verpflegung mehr aufzutreiben. Wir mussten täglich mit dem Auto aus Danzig Lebensmittel für uns Eisenbahner besorgen. So vergingen die Tage und die Rote Armee war uns schon wieder im Nacken.

07. März

Um 07:16 Uhr bekamen wir Eisenbahner den Auftrag, abends mit dem letzten Zug nach Danzig zu fahren. Unterwegs erhielten wir die Nachricht,

dass alle Kollegen bis zum 50. Lebensjahr sich in Danzig in der Kaserne Langführ der Wehrmacht unterstellen sollten. Wir wurden untersucht, 38 von 40 Kollegen wurden für tauglich eingestuft und eingekleidet.

Mein Kollege Max Wollmann und ich wurden zum Hauptbahnhof Danzig zurückgepfiffen. Wollmann kam in den Außendienst und ich war für das leibliche Wohl der dort Arbeitenden zuständig, also im Küchenbereich tätig. Es war ein schwerer Tag für mich, mich von all den Mitarbeitern zu trennen, die ich seit Jahren kannte.

12. März

Um 09:00 Uhr machten Schulz, Warstadt und ich uns auf den fünf Kilometer langen Weg zu Fuß, um Lebensmittel zu besorgen. Als wir alles eingesackt hatten, gingen wir zum Speisewagen, um Mittag zu essen. Daraus wurde nichts. Es brausten Tiefflieger über unsere Köpfe hinweg, die die Waggons beschossen. Wir krochen unter die Wagen. Dann ein gewaltiger Krach. Ausgerechnet durch den Wagen, unter dem wir lagen, fiel eine Bombe bis auf den Erdboden direkt neben uns. Aber wir drei waren am Leben geblieben, da diese Bombe sich nicht entzündete. Da lagen nun drei verängstige Landser und ein Blindgänger friedlich zwischen den Schienen.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 16.04.2014
ISBN: 978-3-7368-0129-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Es ist mir ein besonderes Anliegen, das mir kürzlich in die Hände gefallene Tagebuch meines Schwiegervaters, Jahrgang 1911, das zum überwiegenden Teil in Sütterlin verfasst ist, für spätere Generationen lesbar zu machen. Es ist ein Zeitdokument und sollte als Mahnmal erhalten bleiben. Mein Schwiegervater, der in der Schule nur diese alte Schrift gelernt hatte, war zwar bemüht, seine Aufzeichnungen in lateinischen Buchstaben zu setzen, verfiel aber immer wieder in die gewohnte Schreibweise zurück. Außerdem sind die Buchstaben an manchen Stellen schon sehr verblasst, so dass ich um Nachsicht bitten muss, wenn einige Stellen vielleicht nicht ganz originalgetreu zum Ausdruck kommen. Ich bedanke mich bei Hanni und Karlheinz Klotz, die mir dieses wertvolle Büchlein zuschickten und mich für diese verantwortungsvolle Aufgabe für würdig befinden.

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