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Prolog

„Die Katze ist uns zugelaufen, klar ist das unsere!“
Ein oft benutzter Satz, doch irgendwoher kommt jede Katze, sie fallen nicht vom Himmel. Wenn die selbst ernannten neuen Herrchen behaupten, dass ihr Tier ein Streuner war, liegen sie dabei nicht selten falsch. Sie bedenken nicht, dass gerade ihr Fundtier schmerzlich vermisst werden könnte; dass Mitmenschen in großer Sorge sind, weil sie ein Familienmitglied vermissen.

Wie würden Sie sich fühlen?
Kennen Sie den Schmerz, die Tränen in schlaflosen Nächten, das Gefühl der Machtlosigkeit, die zitternden Knie bei jedem Telefonklingeln und die Verzweiflung, die entsteht, wenn dieser Zustand länger und länger dauert?
Waren Sie schon Stunden in der Nacht unterwegs, zu Fuß, auf Straßen und Feldern, haben hinter jedes Gebüsch geschaut, bei jeder Katze, die Sie sahen, einen Stich verspürt, bevor Sie erkannten, dass es sich nicht um Ihren Liebling handelt? Haben Sie Suchplakate gedruckt und diese mühevoll in der Umgebung verteilt? Sind Sie immer wieder an Ihren Suchzetteln vorbeigelaufen und haben kontrolliert, ob dort eine Telefonnummer abgerissen wurde, von der stillen Hoffnung zehrend, dass bald ein Anruf käme? Können Sie sich vorstellen, was für ein Leid der Verlust eines lieb gewonnenen Tieres mit sich bringt?

Die Finder haben es in der Hand. Meist wissen sie nicht, welche Qualen sie einem anderen Menschen zufügen, wenn sie ihren glücklichen Fund nicht melden und sich nicht die Mühe machen, nach dem rechtmäßigen Besitzer zu fahnden. Sie sind sich schlichtweg nicht bewusst, dass sie eine Katze unterschlagen. Sie wissen nicht, dass sie verpflichtet sind, eine Fundsache zu melden, moralisch, wie auch gesetzlich.
Doch nicht nur die rechtmäßigen Besitzer trauern, sondern auch die Katzen, die ihre vertraute Umgebung, ihre Herrchen und andere Tiere vermissen. Nur selten verlassen Katzen freiwillig ihr Zuhause.
Und wäre es nicht auch für die Finder eine Entlastung, die Gewissheit zu haben, dass das Tier niemandem gehört und sie es ohne schlechtes Gewissen behalten können? Die meisten Menschen, die sich in solchen Situationen korrekt verhalten, sagen: „Ich habe selbst schon ein Tier verloren. Ich kenne das Gefühl und weiß, wie das ist.“ Sie haben ein Gewissen, sie haben mit ihrem Verlust dazu gelernt.

Für alle, die wissen, wovon ich hier berichte, aber auch für die, die glauben, dass der Schmerz des Verlustes hier zu überzogen dargestellt wird, nun die Geschichte von der verzweifelten Suche nach Smella ...


Wie ich „auf die Katz“ gekommen bin

Noch vor achtzehn Jahren kamen mir Tiere nicht ins Haus. Hygiene und Sauberkeit waren mir das Wichtigste. Deshalb duldete ich weder Haare, Schuppen noch Hausstaubmilben in meiner Umgebung. Dieses Zeug haftete nun einmal in der einen oder anderen Form an jedem Tier.
Jeder, der Kinder hat weiß, mit welcher Ausdauer sie quengeln, um ein Ziel zu erreichen. Ich hatte zwei Kinder. Meine Tochter Virginia, damals zwölf Jahre alt, wollte unbedingt ein Haustier. Jeden Tag zählte sie mir die glücklichen Kinder auf, die ein Tier haben durften. Da war Luise mit Hamster Fridolin, Anna mit Wellensittich Hugo und Caroline mit Katze Schröder.
„Und ich habe nichts!“, heulte Virginia.
Was war sie doch für ein armes Kind, meine Tochter.

Das Klagelied drang bis zu den Nachbarn. Oma und Opa Schmidt, wie wir sie nannten, obwohl sie nicht Virginias echte Großeltern waren, unterhielten ein Gehege mit Schlachtkaninchen. Das arme Kind, welches noch nicht einmal einen kleinen Hamster haben durfte, sollte nun einen ausgewachsenen Rammler bekommen. Ich war entsetzt. Ein Schlachtkaninchen?
„Nein, niemals, dann können wir uns ja gleich eine Katze ins Haus holen“ hörte ich mich sagen. Das Gesagte wurde sogleich als Versprechen eingeordnet und in die Tat umgesetzt: Virginia und mein Mann Wolfgang zogen los und organisierten eine Katze. Ich stand hilflos lamentierend daneben, aber auf einmal hörte niemand mehr, was ich sagte. Katze Ginger zog bei uns ein und mit ihr die Flöhe, die sie im Fell transportierte.

Und dies war erst der Anfang. Um verständlich zu machen, wie aus Frau Saubermann eine geduldige Tierhaarentfernerin wurde, die die Katzensprache lernte und bald mit sieben Fellnasen zusammen lebte, muss ich auch von Pauline und den anderen erzählen.
Pauline, die schwarz-weiße Kuhkatze vom Bauernhof gegenüber, wuchs zusammen mit Ginger auf. Die beiden waren Spielgefährten. Ginger, wohl behütet, wurde nach einem halben Jahr kastriert und Pauline, frei und wild, nicht. Die Frischlinge fielen buchstäblich vom Himmel und komischerweise immer bei uns auf die Fußmatte. Paulines Bestreben war es, bei uns zu leben. Also brachte sie ihre Babys zu uns und nicht zu den Bauersleuten. Ich weiß nicht, wie oft ich Pauline in einen Korb steckte und zurück auf den Hof brachte. Ich bat die Bäuerin, Pauline kastrieren zu lassen und sie vermehrt im Haus zu halten, damit sie endlich wusste, wo sie hingehörte. Das Gespräch war vergebens, es wurde nichts unternommen. Pauline erklärte unser Grundstück zu ihrem Revier und Ginger wurde dort nur noch geduldet.

Ich lernte Parasiten zu bekämpfen, Bisswunden zu versorgen, Tierhaare von Polstern zu beseitigen und Tierarztbesuche zu organisieren. Und dennoch liebte ich die kleine Ginger wie meine eigenen Kinder. Das kleine Wesen war ein Familienmitglied geworden und sie wurde von allen geliebt. Sie war ein Traum von einem graubraunen Tiger, mit blauen Augen und für mich schlichtweg das schönste Kätzchen der Welt. Ich wäre bestimmt glücklich und zufrieden gewesen, wenn Ginger eine richtige Hauskatze und keine Freigängerin gewesen wäre. Freigänger kommen nur zum Schlafen, Essen und Schmusen nach Hause, ansonsten erkunden sie die Welt, sind auf der Jagd oder auf Partnersuche. Ginger kam immer wieder mit Flöhen und anderen Parasiten nach Hause, die wiederum ihre Bandwürmer im Gepäck hatten. Obwohl Ginger so klein war, mussten wir sie mit Floh- und Entwurmungsmitteln behandeln, was ihre Leber schwer schädigte. Damals gab es noch keine so genannten „Spot-on“-Präparate, die die Plagegeister ohne Nebenwirkungen fernhielten. Die verfügbaren Mittel waren pures Gift. Das Glück mit Ginger dauerte nur eineinhalb Jahre, dann starb sie an Leberversagen. Ob dieser Tod nun angenehmer war, als bei lebendigem Leibe von Würmern zerfressen zu werden, kann ich nicht sagen. Immerhin hatten wir alles versucht, um die Kleine zu retten.

Virginia sagte damals mit ihrer kindlichen Naivität: „Warum musste meine Katze sterben und Pauline darf weiter leben?“ Eine Antwort wusste ich nicht. Warum traf das Schicksal solche Entscheidungen? Es fällt uns schwer, einen Sinn im Leben zu erkennen und noch weniger sehen wir einen Sinn in der Vergänglichkeit, gerade wenn es junge Menschen und lieb gewonnene Haustiere betrifft.
Pauline bekam weitere Babys, die ich dann wieder ins Tierheim verfrachtete. Irgendwann war ich es leid. Ich packte Pauline und ließ sie auf eigene Kosten kastrieren. (Eine Handlung, die den Tatbestand der Sachbe¬schädigung erfüllte, was ich damals aber noch nicht wusste.) Pauline hatte ihr Ziel erreicht, sie war von diesem Zeitpunkt an unsere Katze. Sie war treu und ergeben wie ein Hund und dennoch liebte sie nichts mehr als ihre Freiheit. Wir konnten sie nicht im Haus halten, denn das war sie nicht gewohnt. Also hatten wir wieder eine Freigängerin, die eigentlich gar nicht richtig unsere Katze war. Sie war vielmehr wie ein guter Freund, der täglich vorbei schaute und Hallo sagte. Nach den Erfahrungen mit Ginger und Pauline wurde der Wunsch nach einer echten Hauskatze immer größer. Deshalb zog zusätzlich noch Barbarella, eine Britisch-Kurzhaar-Katze, auch Kartäuser genannt, bei uns ein. Der Züchter dieser Rasse versprach uns, dass so ein Kartäusertraum nicht draußen herum läuft und damit auch keine Sorgen machen würde. Denkste!

... Fortsetzung im Roman "Smella vermisst!" ...

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Tag der Veröffentlichung: 20.12.2008

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