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Hamburg




Ihren ersten Flug mit einem Helikopter hatte sich Constanze anders vorgestellt. Ihr wurde, kaum hatte das Fluggerät vom Erdboden abgehoben, schlecht. Der Krach und das Schaukeln brachte sie fast um. Wie konnte ein Mensch freiwillig in so ein Teil einsteigen, frage sie sich, während sie verzweifelt versuchte ihr spärliches Frühstück im Magen zu behalten. Eva schien es jedoch zu gefallen. Sie hatte zwar ihren Stoffhasen fest an sich gepresst, doch mit offenen Augen sah sie sich interessiert um. Zum Glück dauerte der Flug nicht so lange. Die junge Ärztin hätte, nachdem der Hubschrauber endlich gelandet war, es am liebsten dem Papst nachgemacht und den Boden geküsst, doch der am Landepunkt wartende Professor Heinrichsen machte dieses Vorhaben unmöglich. Die Blöße wollte sich Constanze nicht vor ihrem Mentor geben. Die Begrüßung ging schnell von Statten, dann wurde Eva verladen und ins Krankenhaus gebracht.

Kurz darauf fingen auch schon die ersten Untersuchungen an. Bei allem war ein Fotograf dabei. Er hatte von der Klinikleitung den Auftrag bekommen alle Behandlungen und Erfolge der Klinik auf Bild fest zu halten. Zuerst hatte sich Herbert Klein über diesen Job gefreut. Er hatte schon öfter solche Aufträge von der Klinik erhalten. Damals als im Kosovo Krieg herrschte und die Klinik einige schwerst Verwundetet behandelte, war er mit der Kamera dabei. Auch die Verletzten des großen Erdbebens im Iran hatte er während der Behandlung in diesem Krankenhaus fotografierend begleitet. Doch jetzt, als er dieses kleine Mädchen sah das sich so krampfhaft an ihrem Stoffhasen klammerte, kamen ihm zum ersten Mal Zweifel ob das was er tat richtig war.

Als er Pfleger der Kleinen den Hasen wegnehmen wollte damit sie in die CT Röhre geschoben werde konnte, erfuhr Constanze das das Kind reden konnte. Eva wehrte sich und wollte den Stoffhasen nicht hergeben. Immer wieder und mit Tränen in den Augen sagte sie:“Meiner!“. Irgendwann reichte es dem Professor. Er erlaubte Eva ihr Schmusetier bei sich zu behalten wenn sie ihn neben sich liegen lies. Eva verstand nicht und presste den Hasen noch fester an ihre Brust. Da aber gerade diese durchleuchte werden sollte ging das so nicht. Constanze redete auf das Kind ein bis Eva den Hasen tatsächlich zur Seite legte und nur noch mit einer Hand festhielt. Die Bilder waren erschreckend. Die Schimmelpilzsporen in den Lungenflügel der Kleinen hatten sich nicht nur festgesetzt sondern waren schon dabei sich in neue Pilze zu verwandeln. Die feucht warme Umgebung, die nun mal in der Lunge herrschte, war ein idealer Nährboden für diese Schmarotzer.

Nachdem feststand wie schlimm es um die Kleine stand, begann die Behandlung. Professor Heinrichsen über nahm persönlich die Behandlung. Constanze fragte sich, warum ihr Professor darauf bestanden hatte das sie her kommen sollte. Er wusste so viel mehr als sie und das ließ er sie spüren. Er fragte nicht ob sie eine andere Behandlung anstreben würde oder etwas anders machen wollte. Er gab alles vor und alle parierten, auch sie, wie sie sich selbst eingestehen musste.

Nur der Fotograf tanzte nicht nach seiner Pfeife was dem Professor zu missfallen schien. Auch Constanze fand das ständige Geknipse störend und nervend besonders wenn der Fotograf „Wünsche“ äußerte. Die kamen meist in den unpassendsten Momenten und fingen immer mit:“Können Sie mal bitte....?“, an. Mal wollte er das sie Eva mit dem Stethoskop abhörte, obwohl die Kleine gerade schlief. Oder er wollte das Constanze Eva fütterte, obwohl die durchaus in der Lage war ihre Nahrung selbstständig zu sich zu nehmen.

Schließlich reichte es Constanze: „Herr Professor so kann es nicht weiter gehen! Ständig wuselt dieser Herbert Klein, der Fotograf, hier herum, stört und will völlig blödsinnige Sachen. Und richtig machen kann ich auch nichts, außer Ihnen über die Schulter sehen zu dürfen. Warum haben Sie darauf bestanden das ich her komme? Ich bin hier so überflüssig wie ein Kropf, während meine Patienten und meine Praxis mich brauchen.“.
Ihr Mentor lächelte sie an und meinte mit freundschaftlichen Ton:“Damit Sie endlich lernen sich durch zu setzten. Sie waren schon in Ihrem Studium zwar sehr wissbegierig und fleißig, aber auch viel zu unterwürfig. Wenn Sie nicht bald lernen selbstbewusster Aufzutreten werden Ihren Ihre Patienten erzählen was Sie machen sollen und was nicht. Ihre Sprechstundenhilfe wird Ihnen auf der Nase herum tanzen. Sie werden dann viel zu viel zu tun haben. Aufgaben die Sie nicht erledigen sollten, weil dafür andere Leute bezahlt werden. Schlussendlich werden Sie mit Ihrer Praxis untergehen!“.

Constanze wusste das er eigentlich recht hatte, doch so einfach zugeben konnte sie es natürlich auch nicht, auch wenn er ihr Professor war. Doch bevor sie zu einer Antwort ansetzten konnte meinte Heinrichsen ernst:“Behaupten Sie sich! Setzten Sie sich durch! Fangen Sie mit dem Fotografen an. Zeigen Sie ihm wo seine Grenzen sind. Versuchen Sie es!“. Dann fragte er freundlich:“Hätten Sie denn bei der Behandlung von Eva etwas anders gemacht?“.
„Nein. Bei der Behandlung nicht“, musste Constanze zugeben:“Aber ich hätte noch weitere Untersuchungen gemacht. Wir wissen nicht ob sie nicht noch andere Krankheiten hat.“.
„Oh.....“, gab der Professor von sich dann lächelte er und fragte:“Sind Sie sich sicher?“.
„Ja. Wieso?“
„Na ja wir haben sie einmal komplett durch das CT geschoben. Haben Sie sich die Bilder angesehen? Dort können Sie erkennen ob noch etwas anderes nicht mit ihrem Körper stimmt. Auch ihr Blut haben wir im Labor genauestens untersucht. Haben Sie die Berichte gelesen“.
„Ja. Ich habe die Berichte gelesen und mir die Bilder angesehen....“, sagte die junge Ärztin bevor sie von dem Professor mit den Worten:“Und was haben Sie gefunden?“, unterbrochen wurde. „Nichts was Rückschlüsse auf weitere Krankheiten zu ließe!“, gab Constanze zerknirscht zu.
„Gut!“, meinte der Professor zufrieden und mit einen breiten Lächeln im Gesicht sagte er:“Ich hatte schon befürchtet das ich etwas vergessen oder gar übersehen hätte.“. Constanze wurde das Gefühl nicht los das er sie eben geprüft hatte und sie durchfallen war.

Kurz darauf war sie auf dem Weg zur Radiologie und ließ sich die Bilder noch einmal zeigen. Sorgfältig betrachtete sie die Aufnahmen. Auch die Laborberichte studierte sie noch einmal gründlich. Schließlich ließ sie sich ein paar Bilder von anderen, gesunden Kindern bringen um besser vergleichen zu können. Dann fiel ihr etwas auf. Constanze wollte gerade einpacken und mit dem Professor über ihr Entdeckung zu sprechen als Herbert Klein in den kleinen Raum trat. „Oh das war ein herrliches Bild. Wie Sie so über die Unterlagen gebeugt da saßen. Bitte setzten Sie sich noch einmal so hin.“. Die junge Ärztin wollte sich gerade wieder setzten als ihr die Worte ihres Professors wieder einfielen. „Setzten Sie sich durch!“, hatte er sie aufgefordert. Und genau das wollte sie jetzt machen. Entschlossen erhob sie sich, sah den Fotografen fast schon herausfordernd an und meinte kühl:“Sorry, aber ich habe Wichtigeres zu tun als hier Ihr Model zu spielen!“. Dann verließ sie mit den Bilder den Raum. Herbert Klein sah ihr irritiert nach.

Mit schnellen Schritten eilte Constanze zur Kinderstation. Sie wollte Professor Heinrichsen noch sprechen bevor sich dieser in seinen wohlverdient Feierabend und ins Wochenende verabschiedete. Sie musste ihm ihre Entdeckung sofort mitteilen. Das konnte nicht warten und schon gar nicht über das ganze Wochenende. Constanze hatte das Gebäude fast erreicht als sie sah wie sich ihr Professor in sein Auto setzte und davon fuhr. „Scheiße!“, fluchte sie laut.

Frustriert betrat die junge Ärztin die Station und ging sofort in das Zimmer in dem Eva untergebracht war. Lange schaute sie auf das schlafende Kind. Das Fieber hatten sie senken können, auch die Atemnot konnte dank des direkt zugeführten Sauerstoffes gelindert werden. Die Medikamente die jetzt die Schimmelpilzsporen in der Lunge des Mädchens bekämpfen sollten wirkten hingegen noch nicht wie von den Ärzten erhofft. Und nun kam auch noch Constanzes Entdeckung hin zu. Die Tür des Zimmers ging auf und der Fotograf betrat den Raum. Bevor er etwas sagen konnte fauchte Constanze ihn böse an:“Wenn Sie Eva jetzt wecken wird es das letzte Foto sein das Sie je gemacht haben werden!“. Herbert Klein schmunzelte. Er wollte gar kein Foto machen sondern die junge Ärztin zum Essen einladen. Seit er sie gesehen hatte war er fasziniert von dieser Frau. Nach den ersten Fotos die er von ihr gemacht hatte war er bis über beide Ohren in die hübsche Ärztin verschossen. Eines hatte er sich vergrößern lassen und in seinem Wohnzimmer als Poster aufgehängt. Er hatte dezent ihren Professor ausgefragt ob Constanze einen Freund oder gar Mann hätte. Leider konnte Heinrichsen diese Fragen nicht zu Zufriedenheit des Fragenden beantworten. Der Professor wusste es einfach nicht. Da sie weder einen Ehering trug, noch nach der Arbeit von irgend einem männlichen Wesen abgeholt wurde, beschloss Herbert es zu versuchen.

Er räusperte sich und fragte dann:“Würden Sie mit mir Essen gehen, wenn ich jetzt kein Foto mache?“. Constanze sah Herbert irritiert an und stellte dann eine Gegenfrage statt direkt zu antworten:“Wann?“. „Na jetzt. Ich kenne da ein sehr nettes Restaurant in dem man sich ungestört unterhalten kann.“. Die junge Ärztin sah ihn überlegend an und antwortete dann:“Ich halte das für keine gute Idee. Solange Eva nicht über den Berg ist möchte ich nicht zu weit weg von ihr sein. Wer weiß ob nicht Komplikationen auftreten und sie mich braucht.“. Mit solch einer Antwort hatte Herbert schon gerechnet. Er griff in seine Hosentasche und zog ein kleines Gerät heraus. „Das hier ist eine Art Babyphon nur das die Reichweite erheblich weiter reicht. Wenn etwas mit Eva ist werden wir es sofort erfahren und hier her eilen. Versprochen!“.

Constanze hatte das Gefühl von Herbert in die Enge getrieben zu werden. Sie wollte nicht mit ihm Essen gehen. Sie mochte ihn und seine Art nicht. Vielleicht lag es auch an seinem Beruf und seine ständigen Bitten um ein Foto. Sie fühlte sich von ihm für seine Bilder benutzt. Sie würde lieber einen achtundvierzig Stunden Dienst schieben, als mit ihm Essen zu gehen. Wieder erinnerte sie sich an die Worte ihres Professors. Entschlossen schob sie den verdutzten Fotografen aus dem Zimmer. Erst als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte erklärte sie:“Ich kann nicht mit Ihnen Essen gehen. Ich habe eine Aufgabe und werde hier gebraucht!“, dann drehte sie sich um und verschwand in das Arztzimmer. Mit klopfenden Herzen lehnte sie sich an die Tür und hoffte inständig das Herbert ihr nicht folgen würde. Doch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Denn schon klopfte es an der Tür und wäre Constanze nicht sofort beiseite getreten hätte sie die Tür ins Kreuz gerammt bekommen.

„Kommen Sie Constanze. Sie sollten mal etwas anderes sehen als immer nur die Klinikflure oder das Zimmer von Eva. Etwas Abwechslung tut Ihnen bestimmt gut. Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck und nehmen Sie meine Einladung an.“, versuchte es Herbert erneut. Was für ein aufdringlicher Kerl, dachte die junge Ärztin. Sie wollte gerade erklären das sie wirklich kein Interesse hätte als Herbert vor ihr auf die Knie fiel, seine Hände bittend zusammen legte und sie mit einen gekonnten Dackelblick ansah:“Bitte Constanze. Ich habe mich unsterblich in Sie verliebt und möchte Sie wirklich näher kennen lernen. Sie sind meine Traumfrau. Auch wenn es sich vielleicht blöde anhört, aber ich habe mich auf den ersten Blick in Sie verliebt!“.

„Stehen Sie auf! Wenn Sie so jemand sieht. Das ist doch nur peinlich!“, erwiderte Constanze ohne auf die Einladung oder sein Geständnis einzugehen. Herbert erhob sich, kam einen Schritt auf sie zu und schien immer noch eine Zustimmung zu erwarten. Die junge Ärztin konnte sich jedoch nicht dazu durch ringen. Zu ihrem Glück betrat ein Arzt das Zimmer und sah die Beiden fragend an. Constanze nutze die Chance und fragte ihren Kollegen ob er die privat Nummer von Professor Heinrichsen hätte. Leider hatte er die nicht und so konnte sie ihre Entdeckung nicht mit ihm besprechen. Sie ignorierte Herbert völlig und legte die CT Bilder ihrem Kollegen vor. Ihr Kollege betrachtete die Bilder aufmerksam, sah dann Herbert an und sagte:“Würden Sie jetzt bitte gehen?“. Es war klar zu hören das dieser Satz keine Bitte sondern eine direkte Aufforderung war. Herbert nickte und zog sich zurück, jedoch nicht ohne Constanze noch einen bittenden Blick und einen Handkuss zu zuwerfen.

„Das sieht gar nicht gut aus.“, stellte ihr Kollege überflüssigerweise fest.
„Wir müssen die Sporen sofort aus der Leber und den Nieren entfernen, bevor sie sich noch mehr einkapseln und zu einer tickenden Zeitbombe werden.“, erwiderte Constanze.
„Ja aber das können wir nicht ohne den Professor entscheiden!“.
„Wir können aber nicht warten bis Heinrichsen wieder da ist. Das sind drei verschenkte Tage! Schau dir an wie weit die Verkapselung in der Leber schon fortgeschritten ist. Jeder weitere Tag verschlimmert die Sache. Dies ist keine Gelegenheit für aggressives Zuwarten“.
„Ich gebe dir recht. Hast du die Einwilligung der Eltern das wir einen solchen Eingriff durchführen dürfen?“.
Ziemlich kleinlaut musste Constanze zu geben das sie eine solche schriftliche Einwilligung nicht hatte. Ihr Kollege sah sie entsetzt an:“Dir ist klar das dich das deine Zulassung als Arzt kosten kann?“, fragte er und stellte dann klar:“Es tut mir Leid Constanze, aber da mach ich nicht mit. Ich riskiere meine Zukunft nicht für ein kleines Mädchen, und wenn sie noch so süß und nett ist. Besorge dir die Einverständniserklärung und ich helfe dir bei der OP, aber nicht vorher!“. Dann drehte er sich um und verließ das Arztzimmer. Constanze blieb mit Tränen in den Augen zurück.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen wurde sie auch schon wieder geöffnet. Herbert stürmte in den Raum und wollte sofort wissen:“Was habt ihr hier so lange getrieben? Ich will nicht das Du mit diesem schmierigen Möchtegern Arzt zusammen bist! Du gehörst mir! Mir allein!“. Ganz langsam drehte sich Constanze zu ihm um. Mit nur mühsam beherrschter Stimme sagte sie:“Raus!“.

Doch Herbert schien dieses Wort nicht zu kennen. Er kam noch weiter in das Zimmer. Ging immer weiter auf Constanze zu. In seinem Blick konnte die junge Ärztin Eifersucht, verletzten Stolz und noch etwas erkennen das ihr fürchterliche Angst machte. Als der Fotograf nur noch einen Schritt von ihr entfernt war und sich anschickte seine Arme zu heben um sie in eine Umarmung zu ziehen, setzte bei Constanze das klare und rationale Denken aus. Ihr Bein schnellte hoch und traf Herberts empfindlichste Stelle, gleichzeitig wirbelte ihre Hand, jetzt jedoch zu einer Faust geballt, mit voller Kraft heran und erwischte ihn am Kinn. Ohne noch etwas zu sagen oder zu unternehmen, verdrehte der Fotograf die Augen und sank zu Boden.

Langsam kehrte der Verstand in Constanze zurück. Ihr wurde bewusst das sie nicht richtig gehandelt hatte, aber nun ließ sich das nicht mehr ändern. Kurz untersuchte sie den von ihr zu Boden Gestreckten und sagte nachdem sie wusste das er noch bei Besinnung war:“Kommen Sie mir nie wieder zu nahe!“. Herbert krümmte sich, bekam kaum Luft doch für eine drohende Antwort reichte es. „Das hast du nicht umsonst getan! Das wirst du noch bitter bereuen!“. Dann quälte er sich mühsam und sehr langsam auf und verließ immer noch gebeugt und mit schmerzverzerrten Gesicht das Arztzimmer.

Obwohl Constanze diesen Kampf für sich entschieden hatte, fühlte sie nicht wie die großartige Siegerin sondern eher wie eine Verliererin. Sie hatte noch nie zu vor in ihrem Leben solch ein schlechtes Gefühl wie in dem Moment als ihr völlig bewusst wurde was sie da gerade getan hatte. Mit weichen Knien und am ganzen Körper zitternd lehnte sie sich an den Tisch und hoffte das dieses Gefühl nachließ bevor Herbert sich berappelt hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Constanze einfach nur da stand und tief Luft in ihre Lungen zog, machte sie sich dann auf den Weg zu ihrem Zimmer. Heute würde sie niemanden mehr helfen können, dafür war sie einfach zu sehr durch den Wind. Sie meldete sich bei der diensthabenden Schwester ab und schlich in ihr Refugium.

Am nächsten Morgen ging es Constanze nicht wirklich gut. Sie hatte schlecht geschlafen, hatte wirres Zeug geträumt und war immer wieder hoch geschreckt. An Einzelheiten konnte sie sich nicht mehr erinnern aber Herbert Klein hatte in diesen Träumen die unrühmliche Hauptrolle gespielt hatte, wusste sie noch. Ohne Hunger aß sie ihr Frühstück und machte sich dann auf den Weg zu ihrer kleinen Patientin. Constanze hatte die Station kaum betreten, als sie von der Oberschwester ins Schwesternzimmer gebeten wurde. Mit weichen Knien, weil sie glaubte das etwas mit Eva sei, folgte sie der Schwester.

Bevor die junge Ärztin fragen konnte was mit Eva sei, hielt ihr die Frau ein Foto vor die Augen. Es war wie ein Steckbrief aufgemacht. Auf diesem Foto war sie nackt, runter dem Bild stand in fetten Lettern:
Liebestolle Ärztin sucht ausdauernden Stecher!


Völlig entgeistert starrte Constanze auf das Bild, schließlich fand sie ihre Sprache wieder und fragte:“Wo haben Sie das her?“.
„Das hing heute Morgen am schwarzen Brett. Auch auf einigen anderen Stationen ist es aufgetaucht. Haben sie es wirklich nötig so Bekanntschaften zu suchen? Sie sehen so gut aus das es Ihnen bestimmt nicht schwer fällt auf normalen Wegen Männer kennen zu lernen.“.

„Aber das ist nicht von ..... Sie glauben doch nicht wirklich das ich......?“, stotterte Constanze völlig verwirrt. Die junge Ärztin sah im Blick der Oberschwester das sie ihr nicht wirklich glaubte, deshalb sagte sie mit allem Nachdruck zu dem sie gerade fähig war:“Das Bild ist eine Fälschung! Ob Sie es glauben oder nicht!“. „Das sollten Sie dann so schnell wie möglich beweisen!“, gab die Oberschwester schnippisch zurück und fuhr dann fort:“Der Herr Professor kommt in einer halben Stunde um mit der Klinikleitung zu beraten wie es mit Ihnen hier weiter gehen soll. Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf. Packen Sie schon mal ihre sieben Sachen ein.“. Dann drehte sich die Schwester um, heftete das Bild wieder ans schwarze Brett. Mit einem Schadenfrohen Lächeln im Gesicht ging sie und ließ die völlig geschockte Ärztin einfach stehen. Mit drei Schritten war Constanze am Aushang und riss das Bild runter. In ihr tobte eine unbeschreibliche Wut über das was ihr da angetan wurde und dem Gefühl dem völlig ohnmächtig gegenüber zu stehen.

Wie im Trance ging sie zu Eva. Die schlief, ihren Stoffhasen fest an sich gepresst, tief und fest. Constanze strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus der Stirn. Auch wenn sie es komisch fand, aber sie liebte dieses Kind als sie es ihr Eigenes. Ist wahrscheinlich der ganz natürliche mütterliche Beschützerinstinkt der in jeder Frau steckt, sagte sie sich. Sie setzte sich auf den Stuhl der neben dem Bett der Kleinen stand. Geistesabwesend streichelte sie den Arm des Kindes und weinte still vor sich. Constanze bekam nicht mit wie ihr Professor das Zimmer betrat. Unschlüssig blieb er im Türrahmen stehen und betrachtete sie eine Weile nachdenklich. Schließlich ging er, ohne sich bemerkbar gemacht zu haben, so leise wie er gekommen war.

Mit dem leisen Geräusch der sich sachte schließenden Tür, versiegten Constanzes Tränen. Sie fragte sich wie sie nur in diese Situation geraten war. Angefangen hatte das Elend mit dem Notfall und das sie dort hingefahren war. Nun war sie hier in Hamburg, ihre Praxis ging wahrscheinlich gerade den Bach runter und hier würde sie auch nicht bleiben können. Nicht nachdem dieses verfluchte Bild überall aufgehängt worden war. Warum tat man ihr das an? Sie hatte doch niemanden etwas getan. Hatte sie es nicht so schon schwer genug? Sie hatten einen Verdacht wem sie den Ärger zu verdanken hatte, Aber das zu beweisen würde bestimmt nicht einfach. Andererseits konnte das auch nicht sein denn Herbert hatte ja gesagt das er sie Lieben würde und jemand den man liebt dem tut man so etwas nicht an. Oder doch?

Von draußen ertönte plötzlich Krach. Eine Frauenstimme quietschte völlig überfordert:“Da können Sie nicht rein!“. „Und ob ich das kann!“, brüllte eine tiefe Stimme zurück. Gleich darauf wurde die Tür zu Evas Zimmer aufgerissen und Arthur blickte auf das tränennasse Gesicht der Ärztin und seine sich nicht regende Tochter. Stumm und verunsichert überwand der ehemalige Boxer die paar Schritte bis zum Bett. Dann sah er das sich der Brustkorb seiner Tochter hob und senkte. „Sie lebt!“, stellte er ebenso überflüssig wie erleichtert fest. „Ja, was dachten Sie denn?“, fragte Constanze verwundert. „So verheult wie Sie aussehen, hatte ich das Schlimmste vermutet.“, antwortete Arthur. Verlegen wischte Constanze die Tränen fort und sagte:“Gut das Sie da sind. Ich möchte ihre Tochter gerne operieren, doch ohne Ihre Einwilligung geht das nicht. Nein es ist kein großer Eingriff. Wir müssen nur die Sporen aus den Nieren und der Leber ausholen.“.

Arthur sah auf die junge Ärztin hinab und meinte dann fast schon mitfühlend:“Sie sehen nicht so aus als ob Sie einen Eingriff machen sollten. Gehen Sie und ruhen Sie sich aus. Ich bleibe hier und passe für Sie auf Eva auf.“. Obwohl Constanze es nicht wollte rannen ihr wieder Tränen über ihr Gesicht. Arthur schien zu denken das sie die ganze Zeit hier an Evas Bett gewacht hatte. Sie wollte ihm gerade erklären das er sich im Irrtum befand als der Professor das Zimmer betrat. Direkt hinter ihm stolzierte Herbert in den Raum. Er warf einen Blick auf Arthur, wurde ziemlich blass und machte auf dem Absatz kehrt. Constanze bemerkte das verwundert konnte sich aber keinen Reim über das sonderbar Verhalten des Fotografen machen. Statt sich großartig Gedanken zu machen, stellte sie die beiden Männer einander vor.

Constanze konnte erkennen das der Professor sich freute nun einen Ansprechpartner zu haben der Entscheidungsbefugt war. Doch seine Freude darüber hielt nicht lange. Er sah Constanze an und sagte:“Die Klinikleitung tagt in einer halben Stunde. Es sind da ein paar beunruhigende Dinge aufgetaucht.“. „Ja ich weiß.“, gab die junge Ärztin zurück und hatte große Mühe ihre Tränen zurück zu halten. Arthur blickte die Beiden an und verstand nicht worum es ging. „Wenn Sie den Eingriff machen wollen Herr Professor, gebe ich Ihnen gerne meine Einwilligung.“, stellte der Boxer klar. Nun war es der Professor der nicht begriff um was es ging. Schnell klärte Constanze ihn auf. „Das muss bis nach der Sitzung warten!“, sagte der Professor ohne eine der beiden anwesenden Personen anzusehen. Er griff nach Constanzes Hand und zog sie aus dem Zimmer.

Obwohl Constanze sich in ihre Schulzeit zurück versetzt fühlte, sie war in der dritten Klasse einmal von ihrer Lehrerin zum Direktor gezerrt worden, weil sie angeblich die Kreide nass und somit unbrauchbar gemacht hatte, wehrte sie sich nicht. Ihr Professor führte sie in sein Büro. Seiner Schreibkraft sagte er das er nicht gestört werden möchte. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ er ihre Hand los. Er wies sie an sich zu setzten und nahm dann hinter seinem Schreibtisch platz. Auf dem Tisch konnte Constanze viele der Steckbrieffotos von ihr sehen. Mit mulmigen Gefühl wartete sie auf die Standpauke des Professors. Doch die kam nicht.

„Ich bin Mediziner wie Sie wissen.“, begann Heinrichsen:“Wer auch immer dies verbrochen hat, hat keine Ahnung vom menschlichen Körper!“. Constanze verstand nicht worauf ihr Professor hinaus wollte. Dies konnte man anscheinend auch deutlich an ihrem Gesichtsausdruck ablesen, denn ihr Mentor erklärte sofort:“Sehen Sie sich das Bild mal genau an. Bei diesen langen Beinen müssten sie am die zwei Meter groß sein. Auch ihre hier gezeigte Oberweite stimmt nicht. Jeder der nicht blind ist erkennt das dies unmöglich Ihr Körper sein kann. Also stellt sich die Frage wer Ihnen da einen üblen Streich gespielt hat und warum. Haben Sie jemanden in Verdacht?“
„Ja. Aber ich werde Ihnen den Namen nicht nennen da ich es der Person nicht beweisen kann.“, antwortete Constanze.
„Ich kenne nur einen Menschen der zu solch einer Fälschung fähig wäre, aber auch ich kann es nicht beweisen. …. Gut lassen wir das erst Mal außer Acht …. Das Sie diese Fotos selber aufgehängt haben glaubt keiner aus der Klinikleitung, darüber brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Man möchte mit Ihnen über die weitere Behandlung von Eva reden.“.
„Das erleichtert mich wirklich .….. Ich hatte mit erheblichen Schwierigkeiten gerechnet …... Wie schon vorhin bei Eva angedeutet, möchte ich die Kleine gerne operieren lassen.“.
„Meinen Sie wirklich das dies eine gute Idee ist? Die Sporen sind dabei sich einzukapseln. Dann sind sie eigentlich ungefährlich.“.
„Ja, solange sie eingekapselt bleiben. Aber wenn eine aufgeht, in ein paar Jahren zum Beispiel, weiß doch keiner mehr was los ist. Jeder Arzt würde einen Leber- oder Nierenschaden vermuten und entsprechend behandeln. Ohne das ein solcher Schaden wirklich vorliegt. Diese Gefahr ist mir einfach zu groß. Und nun da der Vater da ist, sehe ich auch keinen Grund diesen Eingriff nicht zu machen.“.
„Von den Kosten mal abgesehen, haben Sie recht.“, meinte der Professor freundlich und fügte dann gutgelaunt hinzu:“Dann lassen Sie uns das mal der Klinikleitung verkaufen.“. Damit erhob er sich und Constanze folgte ihm zur Leitungssitzung.

Arthur setzt sich auf den Stuhl, auf dem bis vor wenige Augenblicke noch die junge Ärztin gesessen hatte und betrachtete versonnen seine Tochter. Sie sah besser aus. Anscheinend schien die Behandlung anzusprechen. Wenn die Ärztin meinte das Eva dennoch operiert werden sollte, würde er es gestatten. Diese Ärztin schien echt was auf dem Kasten zu haben. So schnell wie sie es geschafft hatte das sein Kind hier behandelt wurde, da gehörte schon etwas zu. Seine Achtung vor der jungen Frau stieg, auch wenn er es nicht wollte, denn eigentlich war er ihr ja böse. Schließlich hatte sie seine Tochter entführt, aber jetzt wo er in das Gesicht von Eva sah und erkannte das es richtig war wie die Ärztin gehandelt hatte, verblasste seine Wut immer mehr.

Plötzlich schlug Eva ihre Augen auf. Sie strahlte ihn an und rief überrascht und erfreut:“Papa!“. Dann steckte sie ihm ihre Arme entgegen. Arthur wusste nicht ob er sie aus ihrem Bett heben durfte, dennoch hob er sie behutsam raus und nahm sie in seine Arme. Ein solches Glücksgefühl durchströmte ihn, das er vor Freude die ganze Welt hätte umarmen könnte. Eva kuschelte sich in seine Arme und schlief kurze Zeit später wieder ein. Genauso vorsichtig wie er sie aus ihrem Bett gehoben hatte, legte er Eva zurück. Mit einer Träne im Auge betrachte er seinen Schatz. Sein Magen meldete sich mit einem starken Hungergefühl.

Seit Gestern Morgen hatte er nichts mehr gegessen. Denn er wollte so schnell es ging zu seiner Tochter. Johannes hatte ihm, nachdem Kathrin berichtet hatte von seine Tochter hin sei, Urlaub gewährt. Und das obwohl er noch in der Probezeit war. Wieder einmal, wie in den letzten zwei Tagen schon öfter stellte Arthur fest was für ein toller Chef Johannes war. Und auch die Vertretungsärztin war erstaunlich. Nicht nur das sie ihn sofort erkannt hatte. Nein von ihr hatte er das Geld für die Bahnfahrkarte erhalten und die Adresse einer Freundin, die in der Nähe der Uniklinik wohnte. Dort sollte er sich melden. Die Freundin, eine gewisse Anne Schön, wüsste Bescheid und würde ihm für die Zeit die seine Eva in der Klinik behandelt würde, bei sich wohnen lassen.

Eine Schwester betrat das Zimmer und bat ihr freundlich aber sehr bestimmt das Zimmer zu verlassen da die kleine Patientin nun gewaschen werden sollte. Sein Einwand das er der Vater sei, wurde nicht akzeptiert. Artig verließ Arthur den Raum um direkt an der gegenüberliegenden Wand ein Bild sehen zu müssen, das die Ärztin seiner Tochter da stellte. Er lass kurz den Text und riss das Bild dann ab. Er konnte sich einfach nicht vorstellen das es wirklich von ihr dort angebracht war. Da musste jemand extrem etwas gegen die nette Doktorin haben. Doch mit diesem Foto hatte derjenige, wer auch immer das getan hatte, den Bogen überspannt. Arthur war plötzlich wieder richtig wütend. Um die Behandlung seiner Tochter nicht zu gefährden, verließ Arthur das Krankenhaus und begab sich zu der Adresse die Kathrin ihm gegeben hatte.

Anne Schön stellte sich als eine nette lebenslustige Frau heraus. Arthur schätzte sie auf knapp Fünfzig. Anscheinend hatte die gute Frau Sabbelwasser getrunken, denn sie redete in einer Tour. Erklärte dem ehemaligen Boxer warum sie ihn aufgenommen hätte. Wieso sie mit Kathrin befreundet sei und wo sie die Ärztin kennen gelernt hätte. Auch das die beiden Frauen große Fans der Muskelbetonenden Sportarten, wie Boxen, Gewichtheben oder die werfenden Disziplinen bei der Leichtathletik waren, erfuhr Arthur in der ersten halben Stunde. Die an ihn gestellten Fragen konnte er nicht beantworten, da Anne, kaum das sie die Frage gestellt hatte, schon mit dem nächsten Satz begann. Nur als sie ihn nach seinem Vornamen fragte und ihm das Du vorschlug wartete sie tatsächlich auf eine Antwort. Arthur nahm das Angebot gerne an.

Das Zimmer das er bewohnen sollte, solange seine Kleine im Krankenhaus lag, war äußerst gemütlich eingerichtet. Arthur fühlte sich vom ersten Moment an wohl in dem Zimmer. „Frühstück gibt es um sieben Uhr. Mittagessen gibt es hier nicht. Abendbrot wird dann um neunzehn Uhr eingenommen. OK?“, fragte Anne. Arthur nickte verstehend und zustimmend. Anne ließ ihm danach tatsächlich in Ruhe. Arthur lege sich auf das Bett. Die lange Fahrt im Regionalzug der ihn die Nachtruhe gekostet hatte, weil er den Preis für den ICE nicht bezahlen wollte, machte sich bemerkbar. Kurze Zeit später war er tief und fest eingeschlafen, obwohl er eigentlich nur ein ganz kurzes Nickerchen machen wollte.

Durch laute Geräusche aus der Küche wurde Arthur geweckt. Erschreckt stellte er fest das er über fünf Stunden geschlafen hatte. Nun war es kurz vor neunzehn Uhr und die Besuchszeit schon längst vorbei. Mürrisch erhob er sich und ging in die Küche. Dort wartete Anne bereits auf ihn. Innerlich wappnete sich Arthur gegen den erwarteten Redefluss seiner Gastgeberin, doch der blieb aus. Nachdem sie schweigend das Abendbrot eingenommen hatte wollte Anne nur wissen wie es seiner Tochter ging und was die Ärzte noch machen wollten. Arthur berichtete von seinem kurzen Gespräch mit Constanze und der beabsichtigten OP. Anne hörte konzentriert zu und ließ Arthur tatsächlich ausreden. Nachdem Arthur geendet hatte meinte Anne:“Wenn Eva entlassen wurde, würde ich mich sehr freuen wenn Sie mit ihr hier noch einen Tag verbringen würden. Laden Sie auch bitte die Ärztin ein, die Eva diese Behandlung ermöglicht hat.“. Arthur nickte zustimmend.

Er gähnte ausgiebig da er immer noch nicht richtig ausgeschlafen war und erhob sich. Dabei fiel ihm das Bild von Constanze aus der Hosentasche. Anne hob es auf. Als Arthur sah was ihm da runter gefallen war, lief er rot an. Anne lächelte und meinte:“Nett, auch wenn ich nicht erwartet hätte das du so etwas nötig hättest.“. Arthur stammelte verlegen:“Auch wenn es anders aussieht aber das habe ich nicht als Vorlage bei mir. Es hing im Krankenhaus und soll die Ärztin die meine Kleine behandelt da stellen. Aber das ist eine billige Fälschung. So lange Beine hat sie nicht.“.
„Wenn es nicht als Vorlage dienen soll, wieso hast du es dann?“.
„Na ja ….. Ich wollte nicht das es irgendeiner sieht, also habe ich es abgenommen.“.

Dann erzählte Arthur etwas aus seiner Vergangenheit das außer ihm und seinem damaligen Anwalt niemand wusste.
„Als meine Frau sich von mir Scheiden ließ, tauchte plötzlich ein Foto auf, das zeigte das ich sie offensichtlich schlug. Ich habe sie nie geschlagen, doch sie behauptete es und dieses Foto war ihr Beweis. Es wurde geschickt an die Presse weiter gegeben. Plötzlich war ich nicht nur der Verlierer sondern auch noch ein Monster. Mein Anwalt konnte zwar beweisen das es sich bei dem Bild um eine Fälschung handelte, doch mein Ruf war völlig ruiniert. Ich weiß bis heute nicht wer das Bild manipuliert hat. Und für den Scheidungsprozess kam das Gutachten zu spät. Mein Ex Frau hatte gewonnen und mir alles bis auf Eva genommen.“

Anne schwieg einen Augenblick und schluckte schwer. Doch dann fand sie ihre Sprache wieder und fragte:“Warum hängt jemand solch ein Foto auf, besonders wenn es sich so offensichtlich um eine Fälschung handelt?“.
„Vielleicht weil er von Constanze mehr wollte als sie zu geben bereit war. ….. Oder weil er krank im Kopf ist. Oder …. Ich weiß es nicht. Ich kann mir eigentlich keinen vernünftigen Grund denken warum jemand das gerade mit ihr machen sollte. Sie ist so ein guter Mensch. So hilfsbereit und freundlich!“.
„Du magst die Ärztin?“.
„Ja, aber nicht so wie du jetzt denkst. Ich mag sie weil sie die Einzige war die mir und besonders meiner Tochter geholfen hat!“, gab Arthur verlegen zurück. Auch wenn es nicht der ganzen Wahrheit entsprach. Denn die junge Ärztin hatte es ihm sehr wohl angetan. Doch das konnte und wollte er nicht zugeben. Auch sich selbst gegenüber nicht.

Anne wechselte scheinbar das Thema als sie sagte:“Mein Mann ist vor über fünf Jahren gestorben. Autounfall. Plötzlich war ich alleine und das bin ich seit dem Unfall immer noch.“.
„Das tut mir leid!“, antwortete Arthur ehrlich und ohne zu begreifen was Anne ihn damit eigentlich sagen wollte. Er wünschte ihr eine gute Nacht und zog sich in sein Zimmer zurück. Anne blieb in der Küche sitzen und verdaute das gehörte. Kathrin hatte ihr gesagt wer sich da bei ihr melden würde. Sie hatte darauf hin sofort begonnen im Internet über ihn zu recherchieren. Sie wusste nun ziemlich viel über ihren Gast. Anne hatte sogar das Bild gefunden das ihn bei schlagen seiner Frau zeigte, und sich an Anfang etwas vor ihm gefürchtet. Doch das dieses Bild eine Fälschung war und er dadurch so harte Schicksalsschläge hatte einstecken müssen, war ihr bis eben nicht bekannt gewesen.

Als Anne sicher war das Arthur schlief rief sie Kathrin an und erzählte ihr das eben gehörte. Kathrin platzte fast vor Wut. „Ich wusste das er das nicht getan hatte! Habe ich dir das nicht immer wieder gesagt? Habe ich nicht immer behauptet das Arthur seine Frau nicht verprügelt hat?“, fragte Kathrin ihre Freundin. „Ja das hast du.“, gab Anne zu. Die beiden Frauen klönten noch eine Zeitlang über alles Mögliche, bis Anne meinte das sie nun auch ins Bett müsse, schließlich würde ihr Gast Morgen um sieben sein Frühstück erwarten. Kathrin wünschte ihr eine gute Nacht und viel Erfolg für die Nacht. Anne winkte traurig ab und erzählte ihrer Freundin dann von ihrem Versuch beim Abendbrot:“Ich habe ihm ein eindeutiges Angebot gemacht, aber er ist nicht darauf eingegangen. Entweder bin ich nicht sein Typ, oder er hat von Frauen im Allgemeinen die Schnauze voll.“.
„Bist du dir sicher das er dein Angebot verstanden hat?“, fragte Kathrin und fuhr dann als Erklärung fort:“Er ist schließlich nur ein Mann!“.
„Nein ich war schon sehr deutlich. Ich glaube eher das ihm zurzeit die Sorge um sein Kind so sehr beschäftigt, das er nicht mal mit einer Frau was anfangen würde wenn die nackt und spitz wie Nachbars Lumpi um ihn herum tanzen würde.“, erwiderte Anne. Kurz darauf beendeten die Freundinnen das Telefongespräch.

Arthur lag noch lange wach im Bett und betrachtete das Bild der jungen Ärztin. Er hatte das Bild so gefaltet das er nur ihr Gesicht ansehen konnte. Je länger er es betrachtete desto mehr wurde er sich bewusst was für ein hübsches und begehrenswertes Geschöpf sie war. Langsam dämmerte ihm das er mehr als nur die nette freundlich und hilfsbereite Frau in ihr sah. Ja, gab er nach längeren Kampf mit sich selbst zu, ich mag sie wirklich sehr. Aber wie sieht das bei ihr aus? Mag sie mich auch? Kann sie sich vorstellen Eva und mich näher kennen zu lernen? Oder sieht sie uns nur als lästige Aufgabe, die sie sich blöder weise aufgehalst hat?

Beim Frühstück bemerkte Arthur zwar den traurigen Blick von Anne, dachte sich aber nichts weiter dabei. Er war bester Laune. Es ging ihn gut. Er fühlte sich fit und voller Tatendrang. Endlich hatte er mal richtig ausgeschlafen. Das war ein Luxus den er schon lange nicht mehr genossen hatte. Kaum hatten sie das köstliche Frühstück verspeist machte sich Arthur auf den Weg zum Krankenhaus. Er wusste das noch keine Besuchszeit war, aber er wollte so schnell wie möglich die nötigen Papiere unterschreiben damit Eva bald operiert werden konnte.

Bei einer Schwester erkundigte sich Arthur wo denn der Professor sei. Die Frau sah ihn ungläubig an und meinte dann schnippisch:“Wissen Sie nicht das heute Sonntag ist? Da ist der Professor im Wochenende.“. „Ach so.... Können Sie mir dann sagen wo ich Frau Doktor Sonnentau finde?“. „Wo soll die schon sein? Wahrscheinlich ist Die bei Ihrer Patientin.“. Arthur missfiel wie die Schwester die Worte die und ihrer betonte, hielt sich aber mit einer scharfen Zurechtweisung zurück. Hätte er die Schwester privat getroffen hätte sie sich etwas anhören müssen. Doch so beließ es Arthur bei einem bösen Blick, den die Schwester aber gekonnt ignorierte.

Constanze hatte eine furchtbare Nacht hinter sich. Sie hatte bis weit nach Mitternacht immer nur für ein paar Minuten geschlafen. Dann hatte sie von Herbert Klein und ihrem gewalttätigen Ausbruch geträumt und war sofort wieder wach. Um Zwei Uhr in der Frühe hielt sie es nicht mehr aus und ging zu Eva. Sie stellte den Stuhl vor das Bett und betrachtete das friedlich schlafende Kind. Wie lange sie so da gesessen hatte konnte sie hinterher nicht sagen, aber irgendwann übermannte sie doch ihre Müdigkeit. Ihr Oberkörper fiel vornüber so das ihr Kopf auf dem Bett zur Ruhe kam. In dieser unnatürlichen Haltung schlief sie ebenso friedlich wie ihre Patientin.

Arthur öffnete leise die Tür zum Zimmer seiner Tochter, trat ein und schloss die Tür so leise wie er sie geöffnet hatte. Auf Zehenspitzen schlich er zum Bett seines Kindes. Sein Herz ging über vor Freude als er die beiden Schlafenden beäugte. Die junge Frau benahm sich so wie er es von einer liebenden Mutter erwartet hätte, aber nicht von einer Ärztin. Am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen, doch wecken wollte er sie jetzt noch nicht. Er hatte sich noch nicht an ihr satt gesehen. Dann meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er hatte sich den Luxus geleistet eine Nacht durch zu schlafen während die Ärztin hatte schon wieder eine Nacht am Bett seiner Tochter gewacht. Das war doch seine Aufgabe. Er schämte sich das er seine Verantwortung nicht gerecht geworden war. Arthur nahm sich fest vor in Zukunft seine Aufgaben und Verpflichtungen als Vater mehr noch zu kommen.

Eva erwachte und schaute ihren Vater an. Als sie etwas sagen wollte legte er seinen Zeigefinger auf seinen Mund und deutete auf die immer noch schlafende Ärztin. Eva versuchte sich vorsichtig aus dem Bett zu bewegen damit ihr Vater sie in seine Arme nehmen konnte. Diese Bewegungen weckten Constanze. Versonnen betrachtete sie das Mädchen, das jetzt wieder ganz still lag. Dann erst wurde ihr bewusst das sie nicht alleine mit dem Kind in dem Raum war. Sie drehte sich um und erkannte Arthur.

Es war ihr peinlich das der Vater ihrer Patientin sie so gesehen hatte. Was würde er jetzt von ihr denken? Etwas steif und ungelenk richtete sie sich auf. Entschuldigte sich bei Arthur das sie ihm sein Kind so lange vorenthalten hätte und verließ das Zimmer fast schon fluchtartig. Arthur setzte ihr nach und fragte wann sie Zeit hätte, um den Papierkram zu erledigen. „Nach einer Tasse Kaffee.“, bekam er zur Antwort. Dann erklärte Constanze ihm wo ihr Arztzimmer sei und das er dort gerne in einer halben Stunde vorbei schauen könnte.

Eine Stunde später trat Arthur in den genannten Raum. Außer der Ärztin war noch ein Mann im Zimmer. Er hatte bis Arthur die Tür geöffnet hatte lautstark auf die junge Frau eingeredet. Arthur hatte nicht viel mitbekommen doch das Constanze etwas was der junge Mann wünschte nicht wollte war ihm klar. Herbert drehte sich zur Tür um den ungebetenen Gast raus zu schicken, doch als er Arthur sah meinte er kurz zu Constanze:“Das letzte Wort ist noch nicht gefallen!“. Dann stürmte er aus dem Raum.

Verwundert schaute der ehemalige Boxer den Wegrennenden hinter her. Die Zeit nutzte Constanze um sich halbwegs zu beruhigen. Kurze Zeit später erklärte sie gefasst welchen Eingriff sie plante, welche Risiken damit verbunden wären und welche Chancen sie in der OP sah. Schließlich unterzeichnete Arthur das Papier auf dem das Aufklärungsgespräch dokumentiert worden war und gab, ebenfalls schriftlich, seine Einverständnis zu dem Eingriff.




Fortsetzung folgt


Nachtrag

Ich bin weder Arzt, noch Boxer oder Gewichtheber. Wenn ich also Fehler in der Beschreibung dieser Tätigkeiten gemacht habe, bitte ich hier für um Entschuldigung.
Seht es als künstlerische Freiheit an und ärgert Euch nicht darüber.
Danke.

Impressum

Texte: Die Rechte liegen bei mir.
Bildmaterialien: Die Rechte liegen bei mir
Lektorat: Leider ohne Korrektorat
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2012

Alle Rechte vorbehalten

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