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Kapitel I

Schlaftrunken quält sich Chris aus dem Bett und greift wie gewohnt als erstes zu seiner Fernbedienung. Wie jeden Morgen schaltet er den Fernseher an und lässt nebenbei die Frühnachrichten laufen. Er geht ins Nachbarzimmer, welches er für sein Haustier extra umgebaut hat. Vorsichtig schließt er die Zwischentür wieder und auch das circa 1 Meter breite und lange Käfigtor auf. Kaum ist es offen, springt ein kleines, mit schwarzem Fell bedecktes Eichhörnchen auf den Rand des Gitters. Erwartungsvoll schaut es seinen Besitzer an und bekommt ganz glitzernde Augen als er sein morgendliches Leckerli sieht. „Guten Morgen Samuel“, begrüßt Chris seinen kleinen Mitbewohner und streckt ihm seine Hand mit einer Haselnuss entgegen. Hastig verschlingt der Nager sein Frühstück und springt zurück in seinen Käfig, schwingt sich auf einen großen Ast und beginnt sich zu putzen. Bei diesem Anblick fällt Chris ein, dass er sich ja auch langsam fertig machen sollte. Er schleppt sich ins Bad und starrt in den Spiegel. „Du sahst schon mal besser aus Kollege“, stellt er fest und öffnet das Fenster. Er steckt den Kopf aus dem Fenster um seinen Kreislauf mit frischer Morgenluft in Schwung zu bringen.

 

Verdammt Chris!!! Wir kommen schon zu spät!!!“, brüllt es von der Straße. Ein Junge mit kurzen braunen Haaren, Kotletten und Brille schaut wütend zum Fenster hinauf. Wild gestikuliert er mit der Faust und deutet dann auf die Uhr.

 

Verwirrt wirft Chris einen Blick auf den Radiowecker auf der Fensterbank und muss mit Erschrecken feststellen, dass er schon seit 10 Minuten unterwegs sein wollte. Eilig putzt er sich die Zähne und springt in seine Klamotten. Ein Griff zur Jacke, der andere zum Rucksack und nichts wie zur Tür hinaus.

 

Sorry Hans, ich musste noch Herrn Jackson füttern“, entschuldigt sich Chris und nimmt schützend die Arme hoch. Durch seinen große und kräftigen Körperbau wirkt Hans deutlich bedrohlicher als der schlanke Chris.

Seit fünf Jahren schaffst du es nicht einmal deinen Arsch pünktlich runter zu bewegen… dann auch noch heute… Ich könnte dich echt erschlagen!!!“ Obwohl es Hans schon gewohnt ist auf seinen Kumpel zu warten, regt er sich jedes Mal über seine Unpünktlichkeit auf.

Ja, wenn es sein muss… aber mach‘s in der Schule!“

 

Sie sprinten zur Bushaltestelle und schaffen es gerade noch in den Bus zu springen. Erleichtert atmen beide erst mal durch, als sie auch schon einen kräftigen Klaps auf die Schultern bekommen. Genervt, wissend auf die Dinge die da kommen, drehen sich die Beiden um und schauen sofort in ein strahlend blaues Auge eines Freundes. Es war Eric. Er war über 1,90 Meter groß und seine schwarz gefärbten Haare verdeckten die andere Hälfte seines Gesichts.

 

Könnt ihr beiden auch mal rechtzeitig irgendwo sein?“, fragt er grinsend.

Halts Maul Emo!“, brüllt Hans ihn an.

Endlich, die Ferien sind vorbei und du kannst Eric wieder anpöbeln. Ich wusste, dass mir in den letzten Wochen irgendwas gefehlt hat“, freut sich Chris.

Ich kann auch dich anpöbeln!!!“, bemerkt Hans und droht ihm mit der Faust.

 

Die Unterhaltung der Drei wird noch über die nächsten Haltestellen fortgesetzt. Als der Bus an der sechsten Haltestelle stoppt, steigt Chris als erster aus, direkt gefolgt von Hans und Eric. Die Jungs werden auch sofort in Empfang genommen. Ein junges Mädchen umarmt zuerst Hans, welcher für einen Augenblick seine Beschimpfungen ruhen lässt und sie an sich drückt. Sie muss sich richtig auf die Zehen stellen um die Arme um seinen Hals zu legen. Anschließend bekommt Eric einen Kuss auf die Wange, worauf sich die beiden angrinsen. Als letzter bekommt Chris einen sanften Kuss auf die Lippen. „Ich habe euch vermisst.“

Eric grinst sie spöttisch an und kann sich ein Kommentar nicht verkneifen: „Ja, ja, du hast den da vermisst.“ Er deutet mit der Hand auf Chris und ergänzt sich selbst: „Uns musst du ertragen.“ Fast schon aus Gewohnheit rammt Hans Eric für diesen Spruch seinen Ellenbogen in die Rippen.

Wir sehen uns dann in der Pause. Bis später“, verabschiedet sich Jolie von Hans und Eric, bevor sie Chris an der Hand ins Schulgebäude zerrt. Vor ihrem Klassenzimmer gibt sie ihm noch mal einen Kuss, da sie nicht in derselben Stufe sind, müssen auch sie sich vorerst voneinander trennen. Chris geht rückwärts und schaut seiner Freundin noch etwas hinterher. Mit einem Lächeln auf den Lippen dreht er sich um und knallt genau gegen seine Klassenlehrerin.

 

Christopher!!! Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?!! Ab in dein Klassenzimmer und auf deinen Platz, das Jahr geht ja schon mal toll los!“

Ja, Frau Panker…“, antwortet Chris genervt und sprintet davon.

 

Das Klingeln rettet den Jungen und er flüchtet sich auf seinen Platz. Es beginnt das, was in jedem neuen Schuljahr kommt… langweilige Belehrungen, schreckliche Stundenpläne. Positiv ist es allerdings, dass dadurch die ersten zwei Stunden herum gehen, ohne etwas Sinnvolles gemacht zu haben. Hans flieht nach dem erlösenden Pausenklingeln aus dem Klassenzimmer…

 

Boar… ich könnte kotzen, die Alte immer mit ihrem Gelapp. Verkauft keine Drogen, bringt keine Waffen mit… als ob wir uns daran halten“, ningelt er.

Ist doch egal, die ersten Stunden sind rum und wir haben als nächstes Sport. Alles ganz chillig“, entgegnet Eric.

Hey wo ist Chris hin?“

Bei Jolie, wo sollte er sonst sein?“, kommt es von der Seite.

 

Die Jungs blicken zur Seite und ihre kleinen Herzen schlagen höher. Neben ihnen steht Victoria mit ihren langen blonden Haaren, blau-grauen klaren Augen und einem engelsgleichen Gesicht ist sie der Traum von allen Jungs an der Schule. Sie begrüßt die beiden mit einer Umarmung und einem Kuss.

Ich verzieh mich dann auch mal und lass euch beiden allein…“ Kaum hat Hans dies gesagt, verlässt er die Zwei…

Vic was machst du hier?“

Ich dachte du freust dich, mich zu sehen?“

Ja, das schon… aber ich dachte du wolltest nichts mehr mit mir zu tun haben, nach dem wir Schluss gemacht haben.“

Wir sind erwachsen genug, um damit umgehen zu können, oder?“

Ähm… ja, das freut mich…“

Komm wir gehen was essen.“

 

Die erste Pause im neuen Schuljahr geht zu Ende und die Klasse der Jungs findet sich vor der Sporthalle wieder.

 

Ich hasse Sport… Bodenturnen, Bockspringen… Wozu brauch ich im Leben bitte Bockspringen???“

Hör auf zu ningeln Hans, jetzt beweg deinen Arsch rein!“, entgegnet Eric genervt.

 

Von hinten stürmt Chris heran und pokt seinen Emodude zur Seite.

 

Kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragt er.

Das wäre?“

Jolie hat nur noch die Doppelstunde und…“

Ich soll dir beim Basketball ‘nen ordentlichen Bodycheck geben, damit die dich nach Hause schicken?“

Du hast es erfasst!“

Geht klar, aber du schuldest mir was…“

Wir ziehen mal wieder einen, okay?“

Von mir aus…“

 

In der Sporthalle beginnen die Aufwärmübungen, während der übergewichtige Sportlehrer den jungen Mädchen auf den Hintern schielt und Hilfestellungen gibt, müssen die Jungs der Klasse um den Sportplatz laufen. Nach der kleinen Lockerung werden die Bälle verteilt und die Jungs nutzen die erste Gelegenheit, um ihren Plan durch zu ziehen. Eric rammt Chris mit vollem Tempo seine Schulter gegen den Rücken und der fällt wie ein italienischer Fußballspieler zu Boden.

 

Oh Fuck, du hast Chris ausgeknockt!!!“, brüllt Hans auffällig durch die Halle.

 

Sofort stürzt der dicke Lehrer heran und analysiert die Situation, wobei er sich über seinen dicken Bierbauch streichelt.

 

Noar, war etwas zu heftig für das halbe Hemd… bringt ihn in die Umkleide, für ihn ist der Tag gelaufen…“

 

Schnell wird Chris von seinen Kumpeln aus der Halle getragen und als sie in der Umkleide sind lassen sie ihn unsanft auf die Erde knallen.

 

Hätte auch sanfter gehen können, oder?“

Hätte, aber wir wollten nicht… jetzt verzieh dich und lasst euch nicht erwischen, sonst sind wir in den Arsch gefickt.“

Du als Emo bist sowieso immer in den Arsch gefickt!“, meint Hans.

 

Nach diesem Spruch nimmt Hans seine Beine in die Hand und flüchtet vor Eric, welcher angepisst die Verfolgung aufnimmt. Chris zieht sich schnell um und verkrümelt sich aus der Schule. Mit den Kopfhörern im Ohr wartet er an der Bushaltestelle. In Gedanken versunken schaut er in den Himmel, als ihm von hinten jemand um den Hals fällt und ihm die Haare verwuschelt. An der Hand führt sie ihn über die Straße in eine alte Fabrik. Über ein halb zerfallen Überleitung kommen sie auf das Dach.

Kapitel II

Nach seiner Flucht vor Eric läuft Chris einfach die Straße entlang. Er ist so in seinen Gedanken versunken zu flüchten, dass er beim überqueren einer Kreuzung fast von einem Motorrad angefahren wird, welches ihm gerade noch ausweichen kann, woraufhin ihm der Fahrer wütend den Mittelfinger zeigt. Orientierungslos stolpert er und fängt sich an einem Baum ab. Er ringt nach Luft und rappelt sich wieder auf, nur um anschließend mit der blanken Faust immer wieder gegen den Baum zu schlagen. Tuschelnd und die Köpfe schüttelnd gehen die Passtanten vorbei, ohne von Chris überhaupt wahrgenommen zu werden. Seine von Frust und Wut getriebenen Schläge sind so hart, dass die Rinde des Baumes langsam abbröckelt. Völlig ausgepowert und mit blutenden Händen lässt er sich auf den Boden sinken. Aus seiner Tasche holt er eine kleine Flasche Wodka heraus und leert diese in einem Zug. Seine Augen sind so schwer, dass er sie für einen Moment schließt und dabei auf offener Straße einschläft.

 

„Hey Chris… bist du wach?“

 

Noch leicht benommen öffnet er die Augen und seine verschwommenen Blicke wandern durch ein ihm bekanntes Zimmer. An einer Wand hängen Bilder von ihm, Eric, Hans, Jolie und Victoria, in deren Wohnung er sich gerade befindet.

 

„Hättest du mich nicht einfach liegen lassen können?“, fragt er.

„So einfach mache ich dir das nun auch nicht!“, erwidert sie trotzig. Vorsichtig erklärt sie ihm was passiert ist, damit er es in seinem schlaftrunkenen Zustand auch wirklich versteht.

„Es ist alles okay… Nach dem du abgehauen bist, hat mich Eric angerufen. Er meinte, du rennst in meine Richtung und ich sollte mal nach dir schauen. Ein paar Straßen weiter hab ich dich dann gefunden… du lagst auf der Wiese und warst völlig Blut verschmiert…du hast dir deine Hände an einem Baum blutig geschlagen… Ich habe Eric angerufen und wir haben dich gemeinsam hier hoch geschleppt. Ich habr sie dir verbunden…“

 

Vic betrachtet seine Hände, aber er kann es nicht glauben. Sie streicht sich ihre Haare aus dem Gesicht und legt zögerlich ihre Arme um ihn. Weiterhin versucht Chris den Blickkontakt zu vermeiden und schaut nur auf die Bettdecke, aber Vic lässt sich nicht so einfach abschütteln. Sie stupst mit ihrer Nase gegen sein Kinn und kann ihn für einen kurzen Moment in die Augen schauen.

 

„Wir haben deine Sachen in die Wäsche gehauen. Wir dachten, du willst nicht, dass deine Eltern mit bekommen, was dir passiert ist. Eric hat ein paar Sachen von sich da gelassen… aber Chris? Schau mich bitte an…“

 

Mit viel Überwindung kann er ihr ins Gesicht schauen.

 

„Ich hab Eric nichts gesagt, aber ich hab deine Narben auf dem Rücken gesehen… wie lang geht das schon und wieso?“

„Ist das wichtig?“

„Für mich schon… also sag es… bitte…“

„Einige Monate… Du bist die erste, die es gemerkt hat… Es hat mir einfach geholfen… wenigstens irgendetwas zu fühlen… nach dem Jolie weg war… war ich selbst wie leer… und schnell eine Klinge über den Rücken zu ziehen… was ist dabei… wenn interessiert es schon…“

„Du brauchst mich nicht anzulügen. Ich weiß es, Chris. Ich weiß, wer du wirklich bist und das die Sache nichts mit dir selbst zu tun hat. Es wird irgendwann jemand merken!“

„Ich habe doch schon immer den Platz in der Ecke, wenn ich mit dem Rücken zur Wand sitze, merkt das sowieso keiner… geht auch niemanden etwas an! Hast du verstanden und du hast die Klappe zu halten!“

 

Ohne ein Wort zieht sie ihn an sich heran und drückt ihn so fest an sich wie sie kann. Tränen kullern von ihren Wangen auf die Schulter von Chris und über die Narben auf seinem Rücken. Immer fester drückt sie sich an ihn und will ihn gar nicht mehr los lassen.

 

„Ich hab schon meine beste Freundin verloren… ich will dich nicht auch noch verlieren.“

„Wenn ich dadurch drauf gehe, war ich nicht mehr wert“, entgegnet er.

 

Für einen Moment lässt sie ihn los, um noch mal in seine Augen zu schauen. Mit ihren Fingern streichelt sie über seine Wange und küsst ihn. Sie sinken auf das Bett und die Hände von Vic fahren über den Oberkörper von Chris, aber dieser schiebt sie plötzlich weg und steht vom Bett auf.

 

„Vic, hör mal, ich habe jetzt wirklich keine Lust auf soetwas. Ich sollte einfach nach Hause gehen und wir vergessen das hier, okay?“

„Okay, ich verstehe schon… ich habe dich letztens in der Stadt gesehen…“

„Du hast gar nichts gesehen! Verstanden!“

„Ich verstehe schon…“, murmelt Vic vor sich hin.

 

Etwas zerknirscht schwingt er sich aus dem Bett und zieht sich die Sachen über, die Eric für ihn da gelassen hat. Er betrachtet sich im Spiegel und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Von der Seite tritt Vic wieder heran.

 

„Irgendwie steht dir das…“

„Irgendwie finde ich das nicht…“

 

Trotz der Zweifel über sein Aussehen verlässt er mit Victoria die Wohnung, welche ihn noch bis zur Bushaltestelle begleitet. Vertraut klammert sie sich an den Arm von Chris und lehnt ihren Kopf an seine Schulter.

„Kommst du morgen Abend mit?“, fragt sie.

„Erics bestandener Führerschein, oder?“

„Ja.“

„Ich denke schon, wir treffen uns vorm Norder?“

 

Der Bus erscheint und stoppt. Ohne auf die Antwort zu warten, springt er in den Bus und lässt sie einfach stehen. Kaum haben sich die Türen geschlossen und Vic ist außer Sicht, versinkt er wieder in seiner Gedankenwelt. Fast automatisch steckt er seine Kopfhörer in die Ohren und schaut aus dem Fenster. Es ist schon dunkel geworden. Der Bus hält zum gefühlten tausendsten Male. In seinen Gedanken vom Stop und Go gestört, wirft Chris einen genervten Blick zur Tür, ohne wirklich darauf zu achten, wer einsteigt. Plötzlich hämmert jemand seine Tasche auf den freien Sitz neben ihm.

 

„Hey Chris!!! Dich habe ich ja ‘ne Ewigkeit nicht mehr gesehen.“

 

Ungläubig nimmt er die Kopfhörer ab und steht auf, damit er seinen alten Kumpel richtig begrüßen kann. Ein Junge mit blauem Capy, schwarzen Haaren und schmalen, kantigen Gesicht steht vor ihm. Beide setzen sich unter den verwunderten Blicken der anderen Fahrgäste wieder auf ihre Plätze.

 

„Mit dir habe ich nicht gerechnet, Silas. Wo kommst du her, Dude?“

„Ich komme vom Training… Fußball und so.“

„Ach ja, da war ja was und wie läuft‘s?“

„Passt schon, wir haben uns seit der letzten Trauerfeier für Jolie vor zwei Monaten nicht mehr gesehen. Ich wollte da schon mit dir reden, aber es waren immer so viele Leute um dich…“

„Was kann ich denn für dich tun?“, fragt Chris mit einem spöttischen Unterton.

„Ich wollte dich sowieso anrufen, damit wir uns mal treffen… es gibt Gerüchte über dich…“

„Es gibt über viele Gerüchte…“, blockt er ab.

„Du weißt, was ich meine… es geht um den Inhalt deiner rechten Hosentasche…“

„Interessiert es dich, was ich in der Hose habe?“, grinst er.

„Lenk nicht ab! Das kannst du nicht auf die leichte Schulter nehmen!“, fährt Silas ihn an.

„Ich muss, das ist meine Haltestelle…“

„Wir sehen uns morgen im Norder und wehe, du bist nicht da…“

„Hauste, Dude“, verabschiedet sich Chris wortkarg.

 

Die letzten Meter legt er zu Fuß zurück. Er dreht den Schlüssel um und betritt die Einöde seines Alltags. Unbemerkt von seinen Eltern schleicht er in sein Zimmer und wird als erstes von seinem Eichhörnchen begrüßt, welches fröhlich über seine Heimkommen an der Käfigtür kratzt. Er geht ins Zimmer von Samuel und steckt ihm durch die Käfigmaschen ein Leckerli zu. Der kleine Kerl schaut ihn mit seinen schwarzen Kulleraugen an und freut sich über die Nüsse. Müde zieht Chris sein Shirt aus und betrachtet seinen Rücken im Spiegel. Seine Finger fahren über die vernarbten und frischen Wunden auf seiner Haut. Wie in Trance fährt er mit seiner Hand in die Hosentasche und zieht eine Rasierklinge raus. Vor Ekel auf sich selbst wendet er den Blick ab und setzt die Kling auf seiner Haut an, als der schrille Klingelton seines Handys seine Aufmerksamkeit erregt.

SMS erhalten – 21:37 Uhr

Eric: „Chris! Morgen rocken wir den Norder! Freund und so!“

Kapitel III

Die letzten Tropfen laufen den Abfluss herab, als Chris sich nach einer Dusche abtrocknet. Er schaltet das Radio aus und zieht sich seine Shorts an, doch plötzlich klingelt es an der Tür. In seinem gewohnten Alltagstrott hat er mal wieder nicht auf die Uhr geschaut und hängt der Zeit hinterher. Hektisch stürzt er aus dem Badezimmer und eilt zur Tür, aber seine Mutter war schneller.

 

„Ich hab Eric mal rein gelassen…“, meint sie.

„Äh… ja Danke… Ma…“

 

Schnell verschwindet er in seinem Zimmer und zieht sich vollständig an. Er wirft sich seine Jacke über und eilt zur Tür heraus. Nur mit Glück kann Eric der Tür ausweichen und fällt fast rückwärts die Treppe wieder herunter. Es gelingt ihm gerade noch sich am Geländer festzuhalten.

 

„KANNST DU NICHT EINMAL PÜNKTLICH SEIN!“, brüllt er Chris ins Gesicht.

„Ja, ich weiß… aber die Zeit ist eine Schlampe… die kommt immer zu früh!“, grinst Chris seinen Kumpel an.

„Ach kleiner Dude, mit dir macht man was mit!“

„Ist mir bewusst.“

„Achja, ich penn heute bei dir.“

„Was? Kannst du da nicht mal vorher etwas sagen? Meine Bude sieht aus wie Schwein?“

„Du hättest eh nicht aufgeräumt…“

„Ja, aber ich hätte es versucht, um es dann sein zu lassen.“

 

Die Jungs rennen die Stufen herunter und machen sich auf den Weg. Vor dem Norder warten natürlich schon Vic und Hans, welcher nicht gerade begeistert ist, warten zu müssen.

 

Maulend begrüßt er die beiden: „Verfickte Scheiße! Habt ihr euch gegenseitig die Sackhaare gezupft, oder wo wart ihr so lange?“

„Es war Stau“, entgegnet Eric ihm mit einem breiten Grinsen.

„Ihr seid gelaufen!!!“

„Rentner eben...“

 

Vicky begrüßt die beiden lieber mit einem Kuss auf die Wange und schiebt sie in Richtung Eingang. Nach dem die vier endlich drin sind, verschwinden Hans und Eric sofort zur Bar, während Vic Chris auf die Tanzfläche schleift. Der Barkeeper gibt den Jungs ein Bierchen und sie verziehen sich erst einmal in eine Ecke.

„Hast du jetzt eigentlich mal mit ihm geredet?“, fragt Hans.

„Nein, er haut immer ab, wenn es um das Thema geht. Ich will’s heute nochmal versuchen.“

„Hier nimm und rede mit ihm… so geht’s nicht weiter…“

 

Hans drückt ihm sein Bier in die Hand und löst Chris beim tanzen mit Victoria ab. Eric nutzt die Chance und gibt seinem Besten den erfrischenden Gerstensaft. Sie leeren das Fläschchen auf Ex und holen sich Nachschub. Gemeinsam drehen sie eine Runde durch den Club und begrüßen Hinz und Kunz. Nach einer kleinen Ewigkeit kommen sie wieder an der Tanzfläche vorbei, wo Hans sie schon sehnlichst erwartet.

 

„Boar… ich dachte ihr kommt nie mehr… zurück… Vic macht mich noch fertig“, keucht er.

 

„Grüßn!!!“, schallt es von der Seite und Hans kann erst mal durchatmen.

„SILAS!“ , brüllt Hans erleichtert und stößt diesen gleich zu Vic auf die Tanzfläche… „Ich hau mir erst mal ein Bier rein, bis Peter ihr zwei Emos.“

„Ich bin kein Emo!“, murmelt Chris.

„Aber so halb…“, fügt Hans hinzu und verschwindet in den Massen.

„So ein Hoden…“

„Ärgere dich nicht, Chris… lass uns frische Luft schnappen.“

 

Mit der Flasche in der Hand schleichen sie sich an den Türstehern vorbei und setzen sich auf die Steinmauer. Rücken an Rücken lehnen sich die Jungs aneinander und lassen sich den Wind um ihre Gesichter wehen.

 

„Sag mal Chris…“

„Was denn…?“

„Wie kann ich dir helfen?“

„Was meinst du?“

„Tu nicht so… du weißt, was ich meine… Vic hat mir von deinem Rücken erzählt…“

„Das ist nichts, du spielst das hoch…“

„Nein, tue ich nicht… Wir machen und echt Sorgen um dich.“

„Ach man… so schlimm ist das nicht… das wird wieder…“

„Chris, ich will dir helfen, aber weiß nicht wie… damals als ich neu in der Schule war… du warst der einzige der über mein Aussehen hinweg geschaut hat und hast mich verteidigt, obwohl du mich noch nicht gekannt hast… Du kannst über Äußerlichkeiten wegschauen und einfach den Menschen erkennen… So einen Kumpel wie dich will ich nicht verlieren…“

„Eric…“

„Nix Eric!!! Was soll ich tun?“

„Hilf mir endlich, ich selbst zu werden.“

 

Mit so einer Antwort hat Eric nicht gerechnet. Ihm fällt nichts ein, was er seinem Kumpel aufmunterndes sagen soll. Beide sitzen noch einige Minuten da und schweigen sich an.

 

„Eric… ich weiß das wirklich zu schätzen, was du für mich tust und ich verspreche dir bevor es zu schlimm wird, melde ich mich bei dir. Ich lass doch nicht meinen Besten im Stich und jetzt lass und deinen Führerschein feiern.“

„Du bist ein Spinner… Trinken WIR!!!“

 

Immer noch sitzen sie Rücken an Rücken und die ernste Mine der Jungs weicht einem Lächeln. Sie hauen die Flaschen ordentlich gegeneinander und nehmen einen tiefen Schluck…

 

„Genau, Drinks auf dich!“, meint Chris.

 

Hans, der sich das ganze aus sicherer Entfernung angeschaut hat, gesellt sich wieder zu den beiden und nimmt den Spruch zu wörtlich. Ohne mit der Wimper zu zucken, kippen er und Chris ihr Bier über die schwarzen Haare von Eric. Das lässt er nicht auf sich sitzen und kippt sein Bier auf seine Kumpels. In diesem Moment kommt Victoria heraus und sieht ihre Buben…

 

„Egal, wohin ich mit euch gehe… am Ende ist immer jemand feucht…“, grinst sie.

„Nur, weil Eric das letzte mal geheult hat…“, scherzt Chris.

„Hab ich gar nicht, habt ihr ‘nen Hopper im Hirn?“

 

Über den Dächern der Stadt fallen die ersten Sonnenstrahlen auf den Norder Club. Die letzten Gäste verlassen das Lokal und machen sich auf den Heimweg. Chris und Eric verabschieden sich von ihren Freunden und gehen die wenigen Meter zu Fuß. Mit gesenktem Alkoholspiegel versucht Eric seinen Kumpel noch einmal ins Gewissen zu reden.

 

„Chris… ich weiß, du wirst es albern finden… aber hör einfach zu… Wenn du nicht mit mir über die Sache mit Jolie reden willst…“

„Mann, warum fängst du jetzt mit sowas an…?“

„Du sollst zuhören… als mein Großvater gestorben ist… hat meine Ma ihre Gedanken und Gefühle in einen Brief geschrieben und ihm auf sein Grab gelegt.“

„Also soll ich einer Toten einen Brief schreiben?“

„Versuche es wenigstens, vielleicht hilft es.“

 

An einer Kreuzung boxt Eric seinem Besten gegen die Schulter. Er dreht sich zu ihm und grinst ihn wieder mit seiner unnachahmlichen Art an.

 

„Ich glaube, ich mach jetzt schnell zu mir“, meint er und geht über die Straße.

„Ich dachte, du wolltest bei mir pennen???“, ruft Chris ihm verwirrt nach.

 

Eric läuft einfach weiter und winkt noch einmal kurz, ohne sich dabei umzudrehen. Allein bringt Chris die restlichen Meter hinter sich. Zu Hause angekommen legt Chris seine Klamotten ab und geht direkt ins Bett. Er wälzt sich hin und her, aber es gelingt ihm nicht sich zu entspannen. Entnervt wirft er die Decke wieder weg und greift nach einer Flasche Wodka, die versteckt neben seinem Bett steht. Er nimmt einen großen Schluck und setzt sich an seinen Schreibtisch. Vor ihm liegt ein Blatt Papier, ein Stift und eine Notiz.

 

„Versuch‘s einfach einmal… Eric“

„Toll… meine Mutter soll doch hier niemanden rein lassen, wenn ich nicht da bin“, denkt sich Chris. Kurz kratzt er sich im Nacken und fährt sich mit den Händen durch die braunen Haare. Einfallslos kritzelt er auf dem Blatt umher ohne etwas Sinnvolles zustande zu bringen. Chris legt den Stift bei Seite und nimmt sich einen weiteren Schluck aus der Wodkaflasche. Tränen laufen seine Wangen hinab, als ihm ein altes Foto von damals ins Auge sticht. Es war eins dieser Fotos die in Clubs gemacht werden. Auf dem Foto sind Jolie, Eric, Vic, Silas, Hans und Chris selbst vor dem Norder…

 

„Hey Süße,

ich weiß nicht, ob es albern ist, aber Eric meinte, ich soll es einfach einmal versuchen. Ich habe es schon ein Jahr ohne dich ausgehalten. Wobei ich nicht sicher bin, ob ‚ausgehalten‘ das richtige Wort dafür ist… vielleicht ist der Satz an sich auch einfach nicht passend… Ich quäle mich jetzt schon ein Jahr ohne dich. Du fehlst mir… hätte ich an dem Tag nicht den Bus verpasst, dann wäre das alles nicht passiert und du wärst noch bei mir… aber das Leben ist eine dreckige Fotze!!! Ich weiß auch langsam nicht mehr wie ich es noch schaffen soll… Ich kann nicht mehr schlafen… Ich liege stundenlang wach und wünsche mir, du wärst wieder hier… Ich schlage mit der Faust gegen die Wand oder hämmere meinen Kopf gegen den Schrank… wenn du meinen Rücken sehen würdest, würdest du mich erschlagen… Ohne dich wirkt alles wie ein schlechter Traum, aus dem man nicht mehr aufwacht… Ich merke wie Eric, Vic und die anderen versuchen mich festzuhalten, dass ich nicht völlig abstürze, aber ich will sie nicht noch mit mir ziehen… sie haben alle ihre eigenen Probleme… aber ich bin mir sicher… ich schaff es nicht alleine… Ich hab versucht alles so tief in mir zu vergraben wie es nur geht… und es hat auch eine Zeit lang funktioniert, aber manchmal kommt alles wieder hoch und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll… Ich glaube nicht, dass es etwas bringt… aber ich merke wie ich Eric mit runterziehe… Ich liebe ihn wie einen Bruder… er passt auf mich auf… er macht sich Sorgen… ich weiß es… Ich merke wie es ihn selbst fertig macht, dass ich es nicht schaffe… Deshalb muss ich es wenigstens versuchen, eine Freundschaft wie mit ihm bekommt man nur selten… Alle sagen immer die Zeit heilt alle Wunden, aber eigentlich hinterlässt die Zeit nur eine Narbe … wo eigentlich dein Platz sein sollte… Ich bin nicht gläubig oder gehe in die Kirche… dennoch hoffe ich, du bist an einem besseren Ort und glücklich… das einzige, was ich noch habe, nachdem ich dich verloren habe… sind die Leute die mich festhalten, obwohl sie mit abrutschen könnten…

 

 

Ohne geschlafen zu haben, nimmt Chris seine abgetragenen Klamotten aus dem Wäschekorb und zieht sich wieder an, steckt sich den Brief in die Tasche und verlässt leise die Wohnung. Vollkommen in Gedanken versunken steigt er die Treppen hinab. Auf der Hauptstraße entlang läuft er zum Friedhof. Am kleinen Blumenladen kauft er noch schnell eine Rose und geht weiter bis zum Grab von Jolie. Einige Minuten steht er vor ihrer Ruhestätte und ihm schießen alle Erinnerungen wieder durch den Kopf. All das was ihm im Leben so viel bedeutet hat und was ihm jetzt so sehr fehlt. Mit einem gezwungenen Lächeln kniet er sich nieder und legt die Rose auf den Grabstein. Er versucht sich die Trauer nicht an merken zu lassen und die Tränen laufen über sein Gesicht. Er beugt sich über das Grab und legt den Brief neben die Rose. Dabei fällt eine Träne auf das Pflänzlein und wirft diese vom Stein. Ernüchtert lässt er sich nach hinten fallen und landet auf dem Hosenboden. Er senkt den Kopf und lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Seine Hände krallen sich an seinen Haaren fest und fast reißt er sie sich voller Frust aus, als ihm jemand eine Jacke überlegt.

 

„Du erkältest dich noch, Dude…“

 

Hastig wischt Chris sich die Tränen aus dem Gesicht und blickt über seine Schulter. Mit den Händen in den Taschen schaut Eric auf seinen Kumpel hinab.

 

„Deine Mutter hat mich angerufen und sich Sorgen gemacht, als du nichts Zuhause warst.“

„Woher wusstest du, dass ich hier bin?“

„Nur so ein Gedanke…“

 

So langsam gehen Eric die Ideen aus, wie er seinem Kumpel helfen kann, und er setzt sich ratlos neben ihn. Er schaut Chris an und sucht in dessen verlorenen Augen nach einer Antwort. Vorsichtig legt er seinen Arm um ihn und zieht ihn an sich heran.

 

„Wieso kannst du so stark sein und das alles so wegstecken?“ fragt Chris und richtet sich wieder auf. Er schlägt den Arm von Eric weg und starrt wieder auf den Grabstein.

 

„Weil du es nicht kannst…“ antwortet Eric. Den Kopf gesenkt fährt er mit der Hand über das Gras. Obwohl er sich seine schwarzen Haare immer tief ins Gesicht kämmt, damit niemand seine Augen sehen kann, kann er die Tränen die von seinem Kinn auf die Erde fallen nicht verbergen.

 

„Jolie hat mir auch viel bedeutet und ich hab sie auch verloren, aber wenn ich dich jetzt genau so verliere… dann habe ich niemanden. Ich war lang genug allein… hab alles in mich rein gefressen… hab versucht die Dinge mit mir allein auszumachen, so hätte ich mich fast selbst zerstört. Halt mich nicht für bescheuert... Wenn ich dich ansehe… sehe ich mein altes Spiegelbild und dieses Bild bist nicht du selbst… “

 

Schweigen umgibt die beiden Freunde und es verstreichen die Minuten, ohne dass sie etwas sagen. Gemeinsam erinnern sie sich an die letzten Augenblicke mit Jolie, erst der Glockenschlag der Kirche bringt die Zwei wieder zurück. Chris rappelt sich wieder auf und streckt seinem Kumpel die Hand entgegen, um ihn hochzuziehen. Bevor Eric seinem Dude wieder in die Augen schauen kann, wischt er sich die Tränen weg und lässt sich dann von ihm aufhelfen. Noch ehe er wieder fest auf den Füßen steht, wird Eric umarmt und dabei halb zerquetscht…

„Es tut mir leid, dass ich dir so viel Sorgen mache… Ich komm wieder auf die Beine und ich weiß, dass ich das nur mit dir schaffen kann… dafür bin ich dir echt dankbar… danke für alles, was du in letzter Zeit für mich getan hast. “

 

Chris und Eric schauen noch einige Minuten auf das Grab von Jolie, bevor sie sich langsam auf den Weg zurück machen. Der Kies knirscht unter den Füßen der beiden, als sie sich dem Friedhofstor nähern. Sie verlassen die Ruhestätte und laufen die Straße hinter. Über einen alten Feldweg gelangen sie fast vor die Haustür von Chris, welcher auf der gesamten Strecke kein Wort mehr von sich gab. Am Ende des Weges führt eine Straße weiter über eine kleine Eisenbahnbrücke. Eric lehnt sich gegen das Geländer und wartet bis sein Kumpel hinterherkommt.

 

„Ich muss dir was sagen...“, meint er mit gesenktem Kopf. „Ich hab eine neue Freundin…“, fährt er fort und schaut vorsichtig unter seinen schwarzen Haare auf seinen Kumpel, aber dieser geht einfach vorbei und meint nur: „Ich weis…“ Nach einigen Schritten bleibt er steht und beugt sich über das Geländer.

„Ich hoffe, du bist nicht sauer… dass ich es dir nicht sofort gesagt habe. Ich wollte dich nicht damit belasten… deinetwegen und wegen der Sache mit Jolie. Ich wollte nicht, dass du…“

 

„Dass ich was?“ unterbricht ihn Chris. „Dass ich denke, dass dir meine Situation egal ist? Bist du bescheuert? Du hast so viel für mich getan… einfach nur, indem du da bist… Ich freu mich für dich, ehrlich! Du hast jemanden gefunden und du hast es verdient… weil du einer der besten Menschen bist, die es auf dieser Welt gibt. Mach dir mal keine Sorgen… ich weiß, dass du für mich da bist, wenn ich dich brauche. Wann stellst du sie mir vor?“

 

„Heute noch… wir haben was vorbereitet… also nicht sie und ich sondern eher wir alle… und es ist dir wirklich nicht unangenehm?“

 

„Nein, und los jetzt, ich hab Hunger!“

 

Während Chris und Eric auf dem Rückweg sind, durchstöbern Victoria und Hans das Zimmer von Chris, um einige Sachen für ihn zusammenzupacken. Dabei können sie sich aber nicht zügeln und geben ihrer Neugier nach.

 

„Boar, guck mal was ich hier gefunden habe! Fuck, der Typ hat alle Teile von Golden Boy auf DVD! Denkst du der sagt mal irgendwas… und wie die aussehen völlig verstaubt… die schönen DVDs. Eine Verschwendung!“ nörgelt Hans wie immer rum.

 

„Hör auf seine Sachen zu durch wühlen! Wir sollen nur ein paar Sachen zusammenpacken. Die Idee von Eric könnte wirklich was bringen. Also hopp hopp, die könnten jederzeit auftauchen.“ Treibt Vic ihn an.

 

„Ich weiß gar nicht, was du hast… eine Reise ans Meer. Wie knuffig… wieso fahrt ihr mit ihm nicht nach Disney Land?“

„Weil er dumme Figuren wie dich auch hier um sich haben kann, und jetzt pack! Chris war schon immer unglaublich entspannt am Meer, vielleicht kann er dort mit dem Tod von Jolie abschließen.“

„Und während ihr euch noch ein paar schöne Tage macht, muss ich hier bleiben und die Schulbank für euch drücken???“

 

„Wir machen es wieder gut, aber es fällt auf wenn du, Eric und Chris auf einmal fehlen. Ich werde mich um Chris kümmern und Eric kann ein bisschen Zeit mit seiner Freundin verbringen.“

 

„Ja ja, ist ja gut und was soll ich sagen, wenn jemand nach den beiden fragt?“

„Lass deine Fantasie spielen?!“

„Okay, die beiden haben ihre homosexuelle Seite entdeckt und haben sich eine Geschlechtskrankheit eingefangen.“

„Manchmal sollte man dich nur erschlagen!!! Hast du alles?“

„Ja, hier… ich hab sogar seine gepunktete Unterhose eingepackt…“

 

Victoria schaut aus dem Fenster und sieht die Zwei gerade um die Ecke biegen. Sie schnappt sich die Reisetasche und stürzt die Treppe hinunter, damit sie die Jungs noch abfangen kann.

 

„Wenn die jetzt 2 Wochen weg sind, wird Chris die Golden Boy DVD Sammlung bestimmt nicht brauchen.“ Grinst sich Hans eins und lässt sie in seinem Rucksack verschwinden.

Kapitel IV

Noch bevor Chris seinen Schlüssel aus der Tasche ziehen kann öffnet ihm Vic die Tür. Kurz wuschelt sie ihm die braunen Haare und drückt ihm seine Reisetasche in die Arme. Gemeinsam mit Eric schubsen sie ihn in Richtung Auto. Schnell sperrt Eric den Kofferraum auf und stellt die Tasche seines Kumpels zu den anderen.

 

Verwirrt fragt Chris nach: „Hey… was gehtn hier ab!?“

„Wir fahren in den Urlaub und du steigst jetzt ein“, befiehlt im Vic.

„Ihr wisst schon, dass wir Schule haben?“

„Ja, aber Hans wird uns schützen“, erwidert Eric.

„Hans… der kann nicht mal nen Teller Müsli beschützen…“

„Maul halten und einsteigen!“, brüllt es vom Balkon und Hans winkt seinen Freunden zum Abschied.

 

Die letzten Wolken am Himmel verziehen sich und die Sonne durchbricht das trübe Grau. Sie fahren einige Minuten durch die Stadt und biegen in eine kleine Wohnsiedlung ein. Vor einem alten Bachsteinhaus hält Eric und aus einem der Häuser kommt schon ein Mädchen mit kurzem schwarzen Haar und einer grünen Strähnen im Pony heraus. Als sie Eric erkennt, zaubert sich ein verträumtes Lächeln auf ihre Lippen. Schnell springt er aus dem Auto und nimmt ihr den Koffer ab, den sie mühsam mit beiden Händen die Treppe runter geschleppt hat. Vic und Chris steigen ebenfalls aus begutachten Erics neue Freundin. Wie ein kleiner Schuljunge steht er neben ihr und strahlt über sein ganzes Gesicht.

 

„Willst du uns jetzt mal vorstellen?“ stochert Vic nach.

„Äh… klar… Vic das ist Kira… Kira das ist Vic…“ stottert er vor sich hin.

Die beiden Mädchen geben sich die Hand und können sich ein schmunzeln nicht verkneifen.

„Dann bist du bestimmt Chris?“ fragt Kira.

„Jepp, du hast schon von mir gehört?“

„Keine Angst, nur Gutes“ meint sie und lächelt.

„Na, dann ist es gelogen“, spaßt Chris rum und umarmt sie zur Begrüßung.

 

Nach dem alles verstaut ist, geht die Reise weiter. Über die Autobahn fahren sie Richtung Norden zum Meer. Auf der Fahrt wird kaum ein Wort gewechselt. Chris ist in den Armen von Vic eingeschlafen, welche ihm beruhigend durch die Haare streichelt. Eric muss sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren, während Kira versucht einen Sender mit vernünftiger Musik zu finden. Nach nicht mal einer Stunde Fahrt kommt vom Rücksitz eine Frage, die jeder Mann kennt.

 

„Können wir mal anhalten? Ich muss mal auf die Toilette.“

„Müssen wir, ja, denn meine Mutter knallt mir eine, wenn du mir ins Auto pisst.“

Kaum hat er den Satz beendet, bekommt er auch schon einen Klapps auf den Hinterkopf.

„Sei nicht so frech, ich muss auch mal…“ ermahnt ihn Kira.

„Ja, sorry… Chris musst du auch mal aufs Klo.“

„Nein, aber danke fürs Wecken…“

 

Beim nächsten Rastplatzt verlässt Eric die Autobahn und es wird eine kleine Pause eingelegt. Sofort huschen die Mädchen gemeinsam auf die Toilette und die Jungs strecken sich erst mal, bevor sie sich an den Straßenrand setzen.

 

„Du hast echt Glück, Dude…“

Verwirrt schielt Eric unter seinen schwarzen Pony zu seinem Kumpel und fragt ihn: „Wie meinst du das?“

„Mit Kira… sie ist wirklich hübsch. Ich glaube, ich hab dich schon lange nicht mehr mit so strahlenden Augen gesehen. Ich freu mich wirklich für dich… Du hast lange jemanden gesucht. Und wenn ich sie anschaue, wie sie dich immer ansieht… dann liebt sie dich…“

„Danke… ich hoffe nur, ich versau‘s nicht… sie ist alles, was man sich wünschen kann…“

„Du wirst es nicht versauen… du bist ein einzigartiger Menschen, den man nicht noch mal finden wird. Ich beneide dich so sehr… jetzt noch mehr als sonst… Du bist so ein toller Mensch, deine Ausstrahlung, dein Charakter… Du hast all das, was ich nicht habe und so gern hätte… Dein Leben ist so viel lebenswerter als meins… Und ich glaube daran, dass du noch lange mit Kira zusammen bist.“

„Wieso glaubst du so sehr an mich?“

„Weil ich nichts mehr hab, woran ich sonst glauben kann. Ich hab alles verloren… Jolie… mein Selbstvertrauen… und mich selbst… Ich hab nur noch dich, an den ich glauben kann…“

Chris wischt sich die Tränen weg, als er sieht das Kira und Vicky zurück kommen. Schnell setzt er sich seine Kapuze auf und zieht sie sich so tief ins Gesicht, wie es ihm möglich ist. Während Eric seine Freundin mit einem Kuss in Empfang nimmt, verschwindet Chris wieder ins Auto und schließt seine Augen.

„War irgendwas?“ fragt Kira, aber sie bekommt nur ein einfaches Kopfschütteln als Antwort, und um seine Freundin nicht noch mal an lügen zu müssen, geht er auch zum Auto zurück.

„Er hat mich angelogen, oder?“ flüstert Kira

„Ja, aber nimm es ihm nicht übel. Chris und Eric waren schon immer etwas eigen. Man sieht ihm an, dass es ihm auch weh tut, dass Chris so leidet.“, klärt Vic sie auf.

„Verstehe… bist du eigentlich hier… weil du mehr von Chris willst???“

„Ich liebe ihn als der Mensch, der er ist… als guten Freund… als jemanden, der da ist, wenn man ihn braucht… aber Liebe, wie du sie meinst… Nein.“

„Und warum bist du dann hier?“

„Weil jemand da sein muss, wenn du und Eric mal etwas Zeit für euch braucht.“

„Danke… aber ich will nicht, dass ich zwischen den beiden stehe…“

„Mach dir mal darüber keinen Kopf. Chris freut sich wirklich sehr für Eric. Ich glaube schon fast mehr als Eric sich selbst freut, aber die Freundschaft der beiden wird nicht kaputtgehen. Sie könnten sich Monate lang nicht sehen, und wenn sie sich wieder treffen würden, würden sie wie vorher herumspasten. Es ist schwer zu erklären… beide waren eine ganze Zeit auf sich gestellt und hatten nichts, woran sie sich festhalten konnten, deshalb würden sie niemals von ihrer Freundschaft ablassen.“

„Und wenn Chris mich nicht mag…“

„Ha! Ich glaube er hat dich schon ins Herz geschlossen.“

„EY!!! Kommt ihr jetzt mal in die Gänge, oder was? Ich wollte vor Sonnenuntergang ankommen!!!“, brüllt Eric über den gesamten Parkplatz. Eilig rennen die Mädchen zurück und die Fahrt kann weiter gehen. Auf den letzten Stunden ihrer Fahrt sprechen die Vier kaum ein Wort miteinander. Diesmal ist Vicky in den Armen von Chris eingeschlafen, welcher ihr kleine Sonnen auf die Wange malt. Es dämmert schon, als die Vier endlich am Ziel ankommen. Schnell sind die Sachen aus dem Auto ins Strandhaus getragen.

„Und wie gefällt‘s euch?“, fragt Eric in der Hoffnung auf eine schmeichelhafte Antwort.

„Also mein Hintern ist gelegentlich größer“, grinst ihn Chris an und läuft ins Wohnzimmer. Hier pflanzt er sich seelenruhig auf die große Couch. Dagegen rennen die Mädchen voller Begeisterung durchs Haus und rufen sich die Vorzüge zu.

„Oh mein Gott!!! Die Betten sind ja riesig!!!“, ruft Vic überschwänglich!!!

„Ahhhhh, sogar einen Kamin haben die hier!!!“ kreischt es zurück.

„Man kommt von hier sogar direkt zum Strand!!!!“

„Was???“

Überwältigt von allem stürmen sie über die Terrasse zum Strand, bleiben schließlich stehen und schauen verträumt auf das Meer hinaus. Eric setzt sich in der Zwischenzeit zu seinem Kumpel aufs Sofa. Aus der Minibar, die direkt in den Couchtisch eingebaut ist, holt er zwei Bier raus.

 

„Hauste, Junge!“, grinsen sich die Jungs an und nehmen einen tiefen Schluck aus der Flasche.

 

Die Sonne schickt ihre letzten Strahlen über den Horizont und im sanften Abendrot sitzen die Vier im Wohnzimmer und genießen die Ruhe, die noch vom leisen Meeresrauschen unterstrichen wird. Nach diesem Naturschauspiel entschließen sich alle, ins Bett zu gehen und den Tag ausklingen zu lassen. Chris schläft zusammen mit Vic in einem Zimmer und Eric schläft zusammen mit Kira. Die lange Anreise lässt die Freunde schnell einschlummern. Am Himmel zeigen sich vorsichtig die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages und fallen durch das Fenster direkt auf das Gesicht von Chris. Das grelle Licht macht es ihm unmöglich weiterzuschlafen und er schleicht sich langsam aus dem Bett. Vorsichtig deckt er Vic wieder zu, welche immer noch die kleinen Sonnen auf ihrer Wange hat. Er zieht sich seine Hosen an, streift sich ein Hemd über und setzt sich auf die Treppe, die hinunter zum Strand führt. Allein lauscht er dem Klang des Meeres und beobachtet die Sonne auf ihrem weiteren Weg zum Himmel.

 

„Darf ich mich zu dir setzen?“

„Setzt dich ruhig, Kira…“

Chris rutscht ein Stück zur Seite und Kira setzt sich neben ihn. Gemeinsam hören sie nun de Wellen zu und beobachten das Meer.

„Ist es wirklich okay… dass ich hier bin? Ich weiß, dass Eric dir viel bedeutet und ich will ihn dir nicht wegnehmen.“

„Glaubst du, dass du das tust?“

„Ich hab das Gefühl…“

 

Noch bevor sie ihren Satz beenden kann, steht Chris auf und setzt sich eine Stufe niedriger. Mit dem Gesicht dreht er sich so zu ihr, dass sie ihm direkt in seine braunen Augen schauen muss.

„Du solltest aufhören, an dir selbst zu zweifeln, Sweetheart. Es geht nicht darum, wen Eric mehr mag. Er brauch uns beide… und das weiß ich… genau so weiß ich, dass er dich mehr braucht… er war lang genug für mich allein da und hat es jetzt verdient, mal Glück zu haben. “

„Und was ist mit deinem Glück?“

„Ich hab das Glück zu wissen, dass er immer da sein wird, wenn ich ihn brauche… so viel Glück haben die meisten Menschen nicht.“

„Du hast Angst, ihn zu verlieren??“

„Was?“

„Warum???“

„Können wir nicht das Thema wechseln?“

„Nein!“

„Eigentlich ist es vollkommen bescheuert und ich versteh es selber nicht…“

„Dann erzähls doch einfach mal…“

„Jolie, war die einzige, die ich an mich ran gelassen habe und einen solchen Menschen zu verlieren, tut weh… Eric weiß vieles über mich… mehr als manch anderer und ich glaube, gerade weil er mir so nah ist, stoß ich ihn manchmal weg…“

„Weil du Angst hast, selber verletzt zu werden… stimmt‘s?“

„Ja und ich könnt mich selbst erschlagen, wenn ich merke wie ich ihn manchmal behandle. Die Angst davor, enttäuscht zu werden… kann schlimmer sein als der eigentliche Moment, in der sie sich bewahrheitet.“

In diesem Moment fällt die 15jährige Chris um den Hals und drückt ihn so fest an sich wie sie kann.

„Manchmal reicht es nicht zu wissen, dass jemand da ist und manchmal muss man es spüren. Du bist niemals allein, so lang wir da sind… verstanden Chris.“

Kira richtet sich wieder auf und putzt sich den Sand von der Hose, der auf den Stufen zum Strand liegt. Leise schleicht sie sich ins Haus zurück, um die anderen nicht zu wecken, und bereitet für alle das Frühstück vor. Tief in seine Gedanken versunken schaut Chris weiter aufs Meer, als plötzlich eine Möwe neben ihm auf dem Geländer landet und ihn anstarrt. Neugierig neigt er seinen Kopf nach rechts, um sich das Tier genauer anzuschauen, allerdings dreht auch die Möwe ihren Kopf zur Seite und blickt ihm weiter in die Augen. Nun versucht er es noch mal bei der linken Seite, aber der Vogel macht es ihm nach. Skeptisch kratzt er sich am Hinterkopf und in diesem Moment versucht auch die Möwe, sich am Hinterkopf zu kratzen. Chris reibt sich ungläubig die Augen und ohrfeigt sich selbst.

 

„Okay, ich träume nicht…“ murmelt er vor sich hin und beobachtet weiter die Möwe, die ihren Blick nicht von dem Jungen abwenden kann. So langsam wird ihm die Sache unheimlich und er will zurück ins Haus, aber der Vogel tappt ihm treuherzig hinterher.

 

Quer über die Terrasse verfolgt die Möwe Chris, welcher versucht, das Tier irgendwie zu verscheuchen. Kira bemerkt das ganze Schauspiel und läuft mit einer Dose Sardinen hinaus und füttert den Vogel.

 

„Ist das nicht süß, es frisst mir aus der Hand“,freut sie sich. „Jetzt brauchen wir noch einen Namen…“

„Wir nennen sie Taube!“, schlägt Chris vor.

„Was ist das denn für ein Name?“

„Einer, der zu einem Vogel passt.“

„Okay, wir nennen dich jetzt Taube.“

 

Der Möwe scheint der Name nicht zu gefallen und sie springt auf das Geländer. Von dort aus erhebt sie sich in die Lüfte und fliegt wieder Richtung Strand. Chris und Kira schauen noch etwas auf das Meer hinaus und merken nicht, dass sie vom Fenster aus beobachtet werden. Im ersten Stock steht Eric und schaut zu seinen Freunden hinaus.

„Spionierst du den beiden hinterher?“, fragt Victoria.

 

Erschrocken dreht sich Eric zu ihr und antwortet verlegen: „Nein, ich hab nur zufällig aus dem Fenster geschaut…“

„Okay, kommst du runter? Deine Süße hat Frühstück für uns gemacht…“

„Kann ich dich noch was fragen?“

„Klar, was hast du auf dem Herzen?“

„Glaubst du, ich bin gut genug für sie?“

„Och Kleiner…“, seufzt sie und legt ihren Arm um ihn. „Du machst dir zu viele Gedanken. Falls es dir nicht aufgefallen ist, ihre Augen strahlen vor Liebe für dich. Red dir nicht irgendeinen Blödsinn ein, nur weil du denkst, du bist nicht perfekt. Weißt du, manche Leute versuchen ihr Leben lang die Welt zu erobern, aber die Welt von Kira heißt Eric und diese hat sie schon erobert.“

 

„Ich will sie nur nicht verletzen.“

Von sich selbst verunsichert wirft er einen Blick über die Schulter aus dem Fenster und sieht seine Freundin, wie sie versucht ihre Haare zurechtzuzupfen, was ihr bei dem Wind aber nicht gelingt. Schmunzelt dreht er sich wieder um und schaut auf den Boden.

„Ich versteh nicht mal, warum Chris so an mich glaubt.“

„Das kann ich dir sagen“, meint Vic und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn.

„Weil Chris dich so sieht, wie du bist… ein Mensch mit Herz… ein Mensch mit Fehlern… ein Mensch, der für die lebt, die er liebt… ein Mensch, der einfach Mensch ist. Nur wer ein Herz hat, kann eins verschenken… und nur wer ein Herz verschenken kann, kann auch wieder eins bekommen. Chris braucht dich… weil du ihm zeigst, was er schon lange vergessen hat…“

 

Fragend schaut Eric Vic an. Man kann in seinem Gesicht lesen, dass er ihr nicht mehr folgen kann. Er kann sich nicht vorstellen, worauf sie hinaus will, und zuckt ideenlos mit den Schultern.

„Dass es noch Liebe gibt…“

 

Vor der Tür lehnt Chris an der Wand und hat Teile des Gespräches mit angehört. Die Hände in den Taschen steigt er wieder hinab in den Wohnbereich und auf seinem Gesicht zeichnet sich etwas ab, was er schon lange nicht mehr getan hat… ein kleines Lächeln.

 

„… und das es Freunde wie dich nur einmal auf der Welt gibt.“, brabbelt er auf dem Weg in die Küche.

 

Endlich haben es alle geschafft angezogen am Esstisch zu erscheinen und hauen sie sich die Bäuche voll. Dabei versuchen sie sich darauf zu einigen was sie an dem angebrochenen Tag machen wollen.

 

„So und was machen wir heute?“:fragt Kira in die Runde

 

Chris und Eric schauen sich nur kurz an und geben synchron die Antwort: „Das selbe wie jeden Tag Kira… wir versuchen die Weltherrschaft an uns zu reißen.“

 

Wie kleine Schuljungen freuen sich die Beiden über ihre tolle Antwort und rutschen auf ihren Stühlen umher, auch wenn dieser Vorschlägt bewusst bei den Mädchen auf wenig Gegenliebe stößt.

„Jetzt ein Vorschlag der nicht vollkommen kindisch ist?“:erneuert Kira die Frage

„Wir können den Tag am Strand verbringen und einfach nur rum gammeln.“:meint Eric

Chris ist von dieser Idee begeistert:„Das ist mal ein vernünftiger Vorschlag… gammeln kann ich gut“

„Nix mit rumgammeln…“ unterbricht Kira ihn „Wir haben gerade die letzten Reste aus dem Kühlschrank verdrückt. Wenn ihr euch die nächsten Tage nicht von Chips und Bohnensuppe ernähren wollt… sollten wir einkaufen gehen.“

 

Nur wieder willig lassen sich die Jungs umstimmen. Nach dem Essen räumen sie alles zusammen und wollen los, als es sich die Damen noch einmal anders überlegen. „Wisst ihr was ihr könnt ihr bleiben und euch mit eurem Bier an den Strand legen.“:sagt Kira und lässt die Tür ins Schloss vollen. Die Sechserpackung Bier in der einen Hand und ein großes Strandtuch in der anderen geht Eric schon mal voraus. Chris holt aus seinem Zimmer noch seine Sonnenbrille und findet auf der Kommode im Flur einen Strohhut, welcher direkt den Weg auf seinen Kopf findet. Als Eric seinen Dude sieht kann er sich ein Kommentar nicht verkneifen: „Bist du jetzt Monkey D. Chris der Strohhutpirat.“

 

Chris zieht den Hut etwas in sein Gesicht, aber sein Grinsen kann man immer noch erkennen. „Jepp und ich habe von der BlauBlau Frucht gefressen.“:erwidert er.

„Und was macht die?“

„Dein Auge blau, wenn du nicht die Schnauze hältst und mir ein Bier gibst!“

 

Mit gesenktem Kopf gibt ihm sein Dude eine Flasche und die er sofort öffnet, allerdings wurde diese von Eric erst mal ordentlich durchgeschüttelt und das gesamte Bier spritzt Chris ins Gesicht. Der Kopf hoch rot wischt er sich den Gerstensaft aus dem Face und versucht seinem Kumpel gegen den Rücken zu treten, aber dieser kennt seinen Freund zu gut und springt auf. Eric flüchtet sich in die Fluten, wo er aber auch schnell von Chris gestellt wird und sie balgen sich durch das Wasser. Während die kleinen Kinder im Wasser spielen laufen die Girls gemütlich durch das Wohnviertel zum Kaufmannsladen.

 

„Was glaubst du wie lang die Beiden brauchen um zu merken, dass sie nur noch einen Six Pac Bier haben, Kira?“

„Wie ich die Beiden kenne… erst, heute Abend…“

„Echt?“

„Klar, die werden jetzt die 6 Flaschen saufen und dann sind sie zu Faul aufzustehen.“

„Das klingt wirklich nach den Beiden.“

 

Im Laden kaufen die Mädchen alle wichtigen Sachen ein, sogar an ein paar Flaschen Bier, denken die Beiden, für ihre Jungs. Sie lassen sich viel Zeit damit sie auch ja nichts vergessen und noch mal los müssen, allerdings haben die Jungs in der Zwischenzeit ein neues Problem bekommen. Nach dem kindischen Plantschen im Meer, haben sich Eric und Chris ihrer Sachen entledigt und sich nur in Shorts in die Sonne gelegt.

 

„Du Eric?“

„Wasn“: murmelt Chris der sich seinen Strohhut ins Gesicht gezogen hat und vor sich hin döst.

„Du hast da eine Seemöwe auf deinem Hut sitzen.“

„Ich weis… das ist Taube!“

„Ja ne ist auch klar… das Bier ist auch alle… und Hunger hab ich auch…“

„Da müssen wir aber aufstehen…“

„Verdammt… ich will aber nicht aufstehen… die Mädels werden eh gleich wieder kommen.“

„Stimmt die werden uns bestimmt nicht verhungern lassen.“

 

Aus dem Laden raus schlendern Kira und Vic durch die kleinen Läden am Strand und gönnen sich noch ein großes Eis, bevor sie sich wieder auf dem Heimweg machen. Im Ferienhaus angekommen packen sie die Sachen in den Kühlschrank und genießen die Ruhe im Haus. Es ist schon weit nach Mittag als sie die Jungs mit einer kalten Wasserdusche wecken. Von der Kälte geschockt springt Eric auf. Pitschnass schaut er auf seine Freundin, die ihn allerdings mit einem liebevollen Blick um den Finger wickelt. Chris springt ebenfalls auf und brüllt: „Ihr fiesen Säue!!! Jetzt habt ihr Taube vertrieben!“

 

„Nein“: beruhigt ihn Victoria. „Wir haben Sie dort drüben abgesetzt.“ Hämisch grinsend zeigt sie auf den Vogel. Die Seemöwe stolziert auf den Kleidungsstücken von Chris umher.

 

„EY!!! Das Vieh hat auf mein Shirt geschissen!!!“ schreit Chris und stürzt sich auf die Taube. Der Instinkt des Tieres warnt es und Möwe kann weg fliegen. Ein paar Meter landet sie wieder und schaut Chris in die Augen. Von diesem Blick fühlt er sich nur noch mehr provoziert und jagt dem Vogel über den ganzen Strand. Unter der Treppe fliegt es im Slalom um die Holzpfeiler, die die kleine Terrasse stützen, und schießt durch eine kleine Öffnung im Holz nach Oben. Chris schaut ihr noch hinter her und rennt dabei mit vollen Tempo gegen den letzten Pfeiler, womit er das Gelächter seiner Freunde auf sich zieht. Er rappelt sich wieder auf putzt sich den Sand ab und schließt sich dem Gelächter an. Mit Tränen vor in den Augen vor Lachen, schnappt er sich nach seiner fehlgeschlagenen Jagd Vic , hebt diese aus und wirft sie ins Meer. Wütend stampft sie aus dem Wasser und stellt sich mit verschränkten Armen vor ihn, bevor sie ihn umarmt und sich mit ihm wieder zurück in die Fluten stürzt. Bei den Spaß mit seinen Freunden vergisst Chris für einige Minuten das vergangene Jahr, aber als sich der Abend nähert und sich alle am selbst gemachtem Lagerfeuer versammeln verliert er sich wieder in einer Gedankenwelt. Das Rauschen des Meeres verbindet sich mit dem leisen knistern des Feuers. Gefangen vom Wechselspiel aus Licht und Schatten starren die vier Freunde in die Flammen.

 

„Was wünscht ihr euch…“ wirft Kira eine Frage in die Runde.

„Ich wünsche…“: flüstert Vic. „Ich wünsche mir eine Familie. Eine Familie in der man mich so akzeptiert wie ich bin. Einen Vater der morgens der gleiche Mensch ist wie abends. Eine Familie in der ich nicht als Schwarzes Schaf angesehen werde, weil ich nicht das bin, was man von mir erwartet. Eine Familie dich mich bei Dingen unterstützt die mir wichtig sind… bei meinen Träumen.“: beendet sie ihren Wunsch mit Tränen in den Augen.

 

Chris versucht seine Gefühle in Worte zu fassen, aber über so etwas zu sprechen hat er sich seit dem Tod von Jolie nicht mehr getraut.

 

„Ich wünsche mir… ein Leben. Ein Leben… das es wert ist Leben gelebt zu werden. Ein Leben so zu leben, das ich glücklich bin. In den Spiegel zu schauen und keinen Gefühlskrüppel zu sehen, der sich längst aufgegeben… der die Hoffnung an sich und jeden anderen Menschen aufgegeben hat. Könnt ihr euch vorstellen nachts wach zu liegen. Zu sehen wie die Uhr Minute um Minute, Stunde um Stunde weiter läuft, aber man selbst stehen bleibt… zu sehen wir sehr man eine Last ist für die Menschen die man liebt… und in der Stille und der Dunkelheit der Nacht zu merken wie allein man eigentlich ist… Wenn es dem Ende zu geht merkst du wie jeder weitere Tag dir den letzten Funken Leben aussaugt und man zu Grunde geht… weil die eigenen Dämonen einen auffressen…“ beantwortet er die Frage von Kira und schaut auf die Asche im Feuer…

 

Eric versucht ihn aufzubauen und meint:„Ich weis du kannst deine inneren Dämonen besiegen“

 

Die Finger von Chris schaben im Sand bevor sich seine Hand zur Faust ballt. Ein spöttisches Grinsen ziert sein Gesicht und er schaut zu seinem besten Freund.

 

„Das Problem mit den inneren Dämonen ist… sobald man einen Dämon tötet… Kommt der Teufel und nimmt Rache.“

 

Kapitel V

Seine Gedanken offen ausgesprochen schaut Chris zu Eric hinüber, aber dieser weicht den Blicken seines Kumpels aus und verkriecht sich fast unter seinen schwarzen Haaren. Auch Vic hat keine Antworten und starrt ins Feuer, welches vom Wind noch einmal angefacht wird. Nur Kira sieht ihm direkt in die Augen und lächelt ihn an.

 

„Ich hab dich lieb.“ Sagt sie und lächelt dabei weiter.

 

Sie rappelt sich auf und kippt etwas Sand aufs Feuer, bevor sie ihren Freund bei der Hand nimmt und auf Vic zugeht. Kira hilft auch ihr auf die Beine und alle drei strecken ihre Hände zu Chris. Er packt zu und mit vereinten Kräften ziehen sie ihn zu sich hinauf. Von den beiden Mädchen bekommt er einen Kuss auf die Wangen und in böser Erwartung schaut er zu seinem besten Kumpel.

„Küsst du mich jetzt auch?“ fragt er vorsichtig, aber der grinst ihn nur an und schüttelt mit dem Kopf. Er dreht sich etwas zur Seite und ballt seine Faust, bevor er Chris mit aller Kraft ins Gesicht schlägt. Von der Wucht getroffen fällt Chris wieder um.

„Und wofür war das?“ fragt er.

„Nur dafür dass du es nicht vergisst.“

 

Chris rappelt sich wieder auf und die Vier gehen zurück ins Haus. Die Mädchen verstauen die Strandsachen wieder während die Jungs versuchen den Kamin an zu bekommen.

„Hier steht du musst zuerst an diesem Rädchen drehen, damit sich der Rauchabzug öffnet.“ Meint Chris.

„Hallo??? Ich wird wohl wissen wie mein Kamin funktioniert!!!“

„Du weißt nicht mal wie kacken funktioniert!“

„Ach halt die Fresse und gib mir die Streichhölzer, die ich dir gegeben habe.“

„Du hast mir keine gegeben…“

„Ich hab dir welche gegeben... also her damit.“

„Du hast alle verbraucht als du das Feuer am Strand angezündet hast!“

„Mist… da wird’s wohl nichts mit dem Kaminfeuer.“

Zerknirscht setzen sich die beiden aufs Sofa und es fällt ihnen nur eine Möglichkeit ein diesen Misserfolg zu verkraften. Eric springt auf und holt aus dem Kühlschrank eine Flasche Vodka, allerdings schaffen die Jungs es nicht mehr sie an zu trinken, da sie vom Telefon gestört werden.

 

Vic nimmt den Hörer ab und an der anderen Leitung ist Hans, welcher guten Nachrichten übermittelt. Nach einen kurzen Gespräch mit ihm legt sie den Hörer wieder auf.

„Ich muss erst mal wieder zurück…“ sagt sie den anderen. „Eine Modelagentur hat sich gestern bei meiner Ma gemeldet… dass ist meine Chance. Ich hoffe ihr versteht es. In einer Stunde geht ein Zug, wenn ich mich beeile schaff ich den noch und bin morgen früh wieder zu Hause.“

 

„Kein Problem.. ich fahr dich mach deine Sachen fertig.“ Meint Eric.

 

Ein paar Minuten später hat sie ihren Koffer gepackt und sie wird herzlich verabschieden. Natürlich bringt Eric sie noch zum Bahnhof und stellt sicher dass sie in den richtigen Zug steigt.

 

Wieder zurück im Ferienhaus gehen die verbleibenden drei Freunde ins Bett. Während Eric und Kira aneinander gekuschelt einschlafen, liegt Chris noch einige Zeit wach. Er dreht sich nach links, er dreht sich nach rechts, er klopft sein Kissen auf, aber er findet einfach keine richtige Schlafposition. Die Stunden verstreichen und er kommt nicht zur Ruhe. Vorsichtig steigt er aus dem Bett und geht auf Zehenspitzen über den Flur, die Treppe hinab ins Wohnzimmer. Ziellos wandern seine Blicke durch den dunkeln Raum und bleiben im Bücherregal hängen, welches vom Licht der Straßenlaterne angeleuchtet wird. Es ist ihm egal welches Buch er sich greift Hauptsache er kann sich von seiner eigenen Gedankenwelt ablenken. Er nimmt sich ein Buch und lässt sich einfach in den Lesesessel fallen. Mit dem Fuß tritt er auf den Schalter der Stehlampe und klappt das Buch auf. Was er liest interessiert ihn gar nicht und er blättert ziellos das Buch von Vorne nach Hinten durch, so lang bis ihm endlich die Augen zu fallen und er ein schläft.

 

Am nächsten Morgen wird Eric von der Türklingel geweckt. Noch schlaftrunken und nur mit seinen Shorts bekleidet stampft er die Treppe hinunter, dabei entdeckt er seinen Kumpel, der sich vom klingeln nicht stören lässt und weiter im Sessel pennt. Er kratzt sich am Kopf und öffnet die Tür.

 

„Guten Morgen!“ schalt es ihm fröhlich entgegen. „Wie sieht es eigentlich mit ihrer Gesundheit aus?“ fragt ihn ein Mann im weißen Hemd und blauer Stoffhose. Schnell will er dem Jungen einen Zettel in die Hand drücken.

 

„Pass mal auf… mit meiner Gesundheit steht’s gut, aber wenn du nicht gleich deinen Arsch von hier wegschwingst… werden deine Augen die Farbe deiner Hose annehmen.“

 

Von dieser deutlichen Ansage geschockt starrt der Mann ihn an und Eric schlägt einfach die Tür zur. Immer noch verschlafen kratzt er sich nun am Hintern und marschiert zurück ins Bett, wo er sich an seine Freundin ankuschelt. Mit seinem Fuß streichelt er ihr sanft übers Bein. Als er erschrocken von ihr weg rutscht und tritt sie aus dem Bett.

 

„Chris!!! Bist du noch ganz dicht oder was!?“ brüllt er.

 

Mit der Hand am Rücken und einem breiten Grinsen streckt Chris seinen Kopf über die Bettkante. Die Freude über diesen kleinen Scherz kann man in seinen Augen ablesen. Im Gegensatz zu Eric welcher an gewidert auf dem Bett sitzt und mit einem Kissen nach seinem Kumpel wirft. Chris weicht dem Kissen aus und kann sein Lachen nicht mehr unter drücken. Lauthals bricht es aus ihm heraus. Von diesem Gelächter wird Eric nur noch mehr angestachelt und er stürzt sich selbst auf seinen Dude. Die Beiden prügeln etwas auf der Erde herum, bevor Chris es gelinkt seinen Besten ab zu schütteln. Der Versuch zu flüchtet wird aber von der Bettdecke vereitelt, welche sich um seinen Fuß gewickelt hat und ein davon Laufen unmöglich machen. Wenn Eric zuschlägt hat Chris keine Chance und dass weis er auch, deshalb rappelt er sich auf und hält schützend die Hände vor sich.

„Hey komm schon Dude… ist doch alles nur ein Spaß…“ versucht er ihn zu beschwichtigen, aber es hat keinen Sinn. Er ballt seine Faust und schlägt zu. Das Glas zerspringt und man hört wie etwas auf den Boden kracht.

 

„Alter!!! Du hast Onkel Marvin direkt ins Gesicht geschlagen!“ schreit Chris, der sich gerade noch geduckt hatte. Eric hat das Bild seines Onkels getroffen, welches an der Wand hing. Vom Lärm angelockt kommt Kira aus dem Bad und kann es nicht fassen.

 

„Seid ihr beiden eigentlich vollkommen durch geknallt.“

„Er hat Onkel Marvin geschlagen.“ Erklärt Chris und hält die Reste vom Bilderrahmen hoch.

„Es war ein Versehen. Er hat sich geduckt und…“ versucht er sich raus zureden.

„Ach… das mein ich doch gar nicht! Du hast ein Loch in die Wand geschlagen! Dein Vater wird austicken.“

„Ähm Scheiße… wir kaufen einen neuen Bildrahmen und hängen das Bild einfach wieder drüber.“ Meint Eric und gibt seiner Freundin einen Kuss. An der Hand führt er sie zurück ins Bad. Zwischen den Scherben und dem zersplitterten Holz bleibt Chris zurück, wo ihm eine traurige Feststellung macht.

 

„Mich hat noch niemand von der Bettkante gestoßen, also zumindest nicht so. Mh… und aufräumen muss ich den Mist auch noch… Scheiße.“

 

„Musste dass sein?“ fragt Kira ihren Freund, aber der versucht einer Antwort auszuweichen und küsst sie. Zärtlich erwidert sie den Kuss und fährt ihm mit der Hand durch das schwarze Haar. Ihre Lippen trennen sich und sie versinkt in den tiefblauen Augen von Eric. Sie streift ihm die Short herunter und legt anschließend ihre Sachen ab, bevor sie Rücklinks in die Dusche geht und ihren Freund mit sich zieht.

 

„Toll die schieben ne Nummer und ich darf hier aufräumen.“ Meckert Chris, welcher immer noch im Schlafzimmer hockt und mühsam die Holzsplitter und Glasscherben aufkehrt. Zu seinem Unglück befindet sich der einzige Mülleimer im Obergeschoss im Badezimmer. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig als in die Küche hinunter zu gehen, um den zerbrochenen Rahmen zu entsorgen. Anschließend wirft er sich seine Klamotten über und setzt sich mit einer Tasse Kaffe auf die Terrasse. Hier findet er einen seltenen Moment der Ruhe und der Klang des Meeres lockert die Ketten um sein Herz. Entspannt lehnt er sich an und legt seine Füße auf den Tisch. Seinen Kopf lässt er über die Lehen hinaus hängen und er schaut friedlich zu wie die Wolken über ihn vorbei ziehen.

 

„Schön hast du aufgeräumt.“

 

Auf diesen Spruch von Eric reagiert Chris nur mit einer abfälligen Geste und streckt ihm seinen Mittelfinger entgegen. Dieses Verhalten ist er schon gewohnt und setzt sich neben seinen Kumpel. Ohne zu fragen nimmt er sich den Kaffee von Chris und trinkt ihn aus.

„Du fieser Möp! Jetzt kannst du mir nen neuen holen. “

 

Natürlich macht Eric keine Anstalten seinen Hintern hoch zu heben und der Aufforderung nach zu kommen. Gemeinsam gammeln sie vor sich hin. Kira gesellt sich mit einer frischen Kanne Kaffe zu den Beiden. Doch gerade als sie den Kaffe einschenken will setzt ein altbekannter Freund der Drei zur Landung an. Es ist die Möwe, welche die Freunde schon in paar Mal besucht hat. Sofort starren Chris und der Vogel sich wieder an, während Kira begeistert zurück in die Küche rennt und eine Dose Sardinen öffnet, um das Tier mit einem Leckerli zu versorgen. Nur Eric kann mit dem Federvieh nicht viel anfangen und nährt sich mit dem Gesicht bis auf wenige Zentimeter damit er es genauer betrachten kann. Irritiert warten Kira und Chris ab was er vor hat.

„Kann man dich eigentlich essen?“ fragt er schließlich.

 

Als ob die Seemöwe verstehen könnte was er gerade gesagt hat, dreht sie sich zu ihm und pickst ihn mit dem spitzen Schnabel direkt zwischen die Augen. Reflexartig schlägt er die Hände vors Gesicht, springt auf und schreit die Seemöwe an.

 

„Fuck ey!!! Dieses Mistvieh hat mich angegriffen!!!“

„Du hättest es ja auch einfach in Ruhe lassen können!“ meint Kira und grinst vor sich hin.

 

Durch den Spott seiner Freundin steigert Eric nur noch weiter in seine Wut hinein. Genervt senkt er seine Hände und schon bekommt er einen Schlag mit dem Flügel ab, welcher eine solche Kraft hat, dass er samt Stuhl um kippt. Den Schnabel hoch erhoben stolziert Taube über den Tisch, also ob nichts passiert wäre. Während sich Eric wieder aufrappelt füttert Kira das Tierchen mit den Sardinen.

„Du kannst das Vieh doch nicht noch füttern!!!“

„Das Vieh heißt immer noch Taube.“ Erklärt Chris.

„Ist mir Scheiß egal!!!“

 

Mit vollgefressenem Magen springt der Vogel auf das Geländer. Er dreht sich noch mal zu den Drein und fliegt anschließend davon.

 

„IHR HABT DOCH BEIDE NEN VOGEL!!!“

 

Eric stampft von der Terrasse ins Haus und knallt die Tür zum Schlafzimmer zu.

„Ich glaube du kümmerst dich mal um ihn und ich geh ein bisschen am Strand spazieren. Immerhin ist es dein Freund.“ meint Chris und läuft schon mal die Treppen hinunter.

 

Einsam läuft Chris über den Strand und hat dabei seine Hände tief in den Taschen vergraben. Den Finger auf der Lautstärketaste des MP3 Players… diesen auf volle Lautstärke gestellt. Der aufkommende Wind weht ihm die haselnussbraunen, langen Haare immer wieder ins Gesicht. Er schaut auf das offene Meer, als ob er auf irgendetwas oder irgendwen wartet. Während langsam graue Wolken am Horizont aufziehen, setzt sich Chris in den Sand und ZIEHT sich seine Kapuze über den Kopf. Beide Beine an den Körper gezogen und die Arme über den Knien verschränkt, hockt er da und summt ein vertrautes Lied: „Yohohoho, Yohohoho… “

 

„Es war doch nur ein Spaß… Schatz.“

„Ja, aber auf meine Kosten!“

„Chris hat wenigstens mal gelächelt…“

Es fällt Erich zwar nicht leicht, aber seine Freundin hat in diesem Fall recht und er kann seinen Willen nicht durch setzen. Er lächelt sie kurz an, packt sie am Handgelenk und führt sie die Treppe hinauf ins Obergeschoss.

„Ich muss dir was zeigen“.

„Wir hatten doch vorhin schon Sex…“

 

Eine heftige Windböe weht Chris die Kapuze vom Kopf und er lenkt seinen Blick auf das Meer. Für wenige Sekunden kämpft sich die Sonne noch einmal durch die Wolkendecke und lässt das Wasser grell schimmern, aber schon wenige Momente später bläst ihm eine weitere starke Windböe ins Gesicht. Schützend nimmt er die Hand vor die Augen.

 

Im Strandhaus sitzen Eric und Kira dich auf einander am Rand des Betts. Wie hypnotisiert starrt das junge Mädchen auf ein Buch.

„Weis er was hier drin steht…“ dabei kann sie ihm nicht in die Augen schauen…

„Nein, ich glaube würde er das lesen… würde er mich zusammen schlagen… obwohl er noch nie jemanden geschlagen hat…“

„Stimmt das, was da drin steht… “ eine Träne läuft über ihr Gesicht…

„Nein, es waren nur ihre Gedanken. Es wäre nie dazu gekommen.“ Die Träne tropft vom Kinn und landet in der Hand von Eric. Sein Zeigefinger tippt sanft gegen ihr Kinn und küsst sie…

 

Immer wieder schickt die Sonne vereinzelte Strahlen durch die Wolken, aber am Ende verliert sie den Kampf und verschwindet vollkommen. Noch einmal fegt ihm der Wind ins Gesicht und er hält sich die Hand vor die Augen, als er sie wieder runter nimmt bemerkt er, dass er nicht mehr alleine ist und vor ihm im Sand hockt.

„Du bist auch immer überall oder kleine Seemöwe? Naja was soll‘s… heute wäre der Jahrestag von mir und Jolie gewesen… “

 

 

Das erste Mal hab ich ihn vor einigen Wochen im Norder gesehen. Ich stand ganz dicht hinter ihm und seinem Kumpel, direkt vor dem Eingang. Als wir dann endlich im Club waren, bin ich den Beiden den ganzen Abend gefolgt. Ich glaube, ich habe ihm fast die ganze Zeit in seine geheimnisvollen Augen gestarrt. Er hat mich sogar ein paar Mal gesehen und mir zu gelächelt. Merry meinte am nächsten Tag zu mir ich hätte in dem Moment bis über beide Ohren gegrinst. Später war sein Kumpel für ein paar Songs auf der Tanzfläche und hat mit irgendeiner rothaarigen getanzt, aber als ich auf seinen Kumpel geachtet hab, war er plötzlich weg. Ich dachte echt, nun ist es vorbei, der Zug ist abgefahren. Plötzlich tippt mir jemand von hinten auf die Schulter. Erschrocken drehe ich mich um, und er steht vor mir und fragt mich, ob er mir einen Drink spendieren kann . Wir haben uns toll unterhalten und immer wenn ich ihm in die Augen geschaut habe, bin ich darin versunken. Leider dauerte es nur ein paar Minuten, bis sein Kumpel wieder auftauchte. Ich bin nur froh, dass er gecheckt hat was ablief und sich wieder verzog. Problem gelöst! Am liebsten wäre ich an die Decke gehopst vor Freude, als er meine Hand genommen hat und mich fragte, ob ich mit eine rauchen komme. Eigentlich rauche ich nicht, aber ich hab trotzdem „Ja“ gesagt.

 

An der frischen Luft schaute er mich nur an und meinte: „Ich rauch eigentlich nicht… bist du mir jetzt böse?“ „Nein.“, antwortete ich. Es war verdammt kalt und ich hatte nur mein Top an. Ich hab versucht mir nichts anmerken zu lassen, aber er hat sofort gesehen wie ich gezittert habe. Plötzlich zog er mich zu sich und lächelte mich an, bevor er mir sein Hemd umlegte. Unsere Lippen kamen sich langsam näher und wir küssten uns kurz. Ich hab so gehofft der Moment würde ewig dauern… aber Ich musste schon wieder los. Er drehte sich noch mal zu mir um: „Das Hemd gibst du mir beim nächsten Mal wieder, okay?“ Ich konnte ihm nicht noch mal in die Augen schauen ohne rot anzulaufen, deswegen hab ich einfach NUR hastig genickt. Als ich wieder hinein gehen wollte, kam er noch mal zurück und steckte mir einen Zettel mit seiner Handynummer und seinen Namen darauf zu… Er hießt Eric.

 

Kira schnappt sich das Buch und packt es ganz unten in die Tasche ihres Freundes. Sie legt ein altes Handtuch und ein paar benutzte Klamotten oben drauf, bevor es unter dem Bett verschwindet.

 

„Ich glaube kaum dass er das verkraftet!“ meint sie. Besorgt läuft sie zum Fenster und schaut beunruhigt auf die See hinaus. Der Himmel am Horizont wandelt sich vom trübsinnigen grau in ein bedrohliches schwarz.

 

Kapitel VI

„Das Meer sah auch schon mal besser aus.“ sagt Chris zu Taube und rappelt sich auf. Als wäre es ein Zeichen tapst der Seevogel in Richtung Meer und springt auf einen Holzpfahl, bevor es die Flügel ausbreitet und davon fliegt. Die ersten Regentropfen fallen vom Himmel. Chris öffnet seine Hände und spürt eine im vertraue Kälte als das Wasser seine nackte Haut trifft. Seine Hände verschwinden wieder tief in den Hosentaschen und der Junge geht weiter den Strand entlang. Er läuft vorbei an einem Volleyballfeld, bei dem die Spieler eilig die Sachen packen und in die benachbarte Eisdiele rennen, um sich vor dem einsetzenden Schauer zu schützen. Obwohl der Regen immer mehr zu nimmt entfernt sich Chris immer weiter vom Ferienhaus aus. Bis auf die Socken durchnässt und erschöpft, lässt er sich in den weichen Sand fallen. Bewegungslos liegt er da und zieht damit die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich. Die Leute schauen kurz hin, tuscheln und zeigen mit dem Finger auf ihn, um anschließend an ihm vorbei zu gehen.

 

„Hey du?“ fragt jemand und tippst ihn gegen den Fuß. „Alles okay bei dir? Geht’s dir nicht gut?“

„Ach ich schaue meinen Träumen nach.“

„Ein grauer Himmel ist aber ein Scheißtraum für einen jungen Menschen. Du bist doch noch keine 20 oder?“

„Ja und?“

„Mit nicht mal Zwanzig solche tristen, farblosen Träume ohne Perspektiven zu haben, das finde ich ziemlich traurig.“

 

Chris setzt sich auf, die arme vor dem Körper verschränkt. In der Hoffnung der Unbekannte verzieht sich wieder, aber dieser packt ihn am Arm und zieht ihn hoch. Genervt reißt sich Christopher los.

„Ich bin Julian“, lächelt der Fremde ihn an und streift sich die langen schwarz gefärbten Haare aus dem Gesicht, so dass man seine braun-grünen Augen erkennen kann. Aus seiner Jackentasche holt er eine halbzerdrückte Packung Zigaretten hervor. In einer Bewegung nimmt er eine Kippe heraus, steckt sie sich in den Mund und zündet sie an. Anschließend hält er Chris die Packung hin.

„Willst du auch eine?“

„Warum nicht.“

„Du bist nicht von hier oder?“

„Ja, ich mach mit ein paar Freunden Urlaub in dem Strandhaus weiter unten…“

„Die Strandhäuser sind gut gute Ecke weg! Ist `ne schöne Strecke zu laufen. Hier…“

 

Julian lagert seine Zigaretten von der Jacke in die Hosentasche und schlüpft aus der Jacke heraus. Er legt sie Chris um die Schulter, welcher vor Kälte schon angefangen hat zu zittern. Er nimmt noch einen letzten Zug seiner Zigarette, atmet den Rauch frech ins Gesicht seiner Strandbekanntschaft und lässt den Stummel in den nassen Sand fallen.

„Zieh dir die Jacke über… sonst holst du dir noch was. Heute Abend ist eine Party im Ijak-Kun. Gib mir das Ding dort einfach wieder. Man sieht sich.“

 

Schon zündet er sich die nächste Kippe an, dreht sich um und verschwindet zwischen den Geschäften an der Strandpromenade. Verdutzt zieht sich Chris die Jacke über und macht sich auf den Rückweg. Am Haus angekommen wird er fast von Kira umgerannt.

 

„Chriiiiiiiiiiiiis!!! Ich dachte schon, es ist etwas passiert. Du warst ja Ewig weg.“

Während sich seine Freundin Sorgen fast selbst in den Wahnsinn getrieben hat und auf der Terrasse auf und ab ging, saß Eric entspannt im Haus und spielte unbesorgt an der Konsole. Als er seinen Kumpel bemerkt, wirft er den Kontroller aus der Hand und springt freudestrahlend auf ihn zu.

 

„Boaaaaar! Mann!!! Wo warst du?! Ich hab‘s geschafft, Enel frei zuspielen und jetzt zock ich schon seit einer Stunde mit ihm! Pflanz deinen Arsch hin und zock mit!“

„Ich geh erst mal baden und ihr solltet euch heute irgendwann auch noch fertig machen“ meint Chris und verschwindet im Bad.

„Cool, wir gehen heute noch weg!“ Kaum hat die junge Dame den Satz beendet, hüpft sie die Treppen hinauf und überlegt, was sie heute anziehen soll. Im Wohnzimmer hingegen stellt Eric die Konsole ab und muss enttäuscht feststellen, dass er noch Brook frei spielen wollte. Jedoch folgt er brav seiner Freundin nach oben und sucht sich ein paar Klamotten raus.

 

Im Bad lässt Chris die Wanne voll laufen. Selbst durch die geschlossene Tür hin hört er die Stimmen und das ihm sonst so vertraute Kichern seiner Freunde wirk befremdlich. Vorsichtig hängt er die Jacke von Julian auf und wirft seine eigenen nassen Sachen einfach auf den Boden. Stumm betrachtet er sich im Spiegel. Er steigt in die Wanne und wärmt seinen vor Kälte immer noch zitternden Körper auf. Dabei stößt er versehentlich eine Schatulle um die auf dem Rand stand. Der Inhalt breitet sich über den gesamten Boden aus. Allerdings ist ihm das momentan nur einen flüchtigen Blick aus dem Augenwinkel wert und Chris taucht für einige Sekunden ab. Unter Wasser öffnet er die Augen und schaut an die Decke. Am liebsten würde er sich hier unten verstecken. Doch ist ihm bewusst, dass er hier auch keine klarere Sicht als sonst hat. Also taucht er wieder auf und bleibt noch für einige Minuten im Wasser liegen, bis er nach einem Handtuch greift. Kaum aus der Wanne hat sich der Junge das Handtuch schon um die Hüften gebunden und sammelt die Kleinigkeiten aus der Schatulle auf: Ein paar Ohrstäbchen, eine Packung Taschentücher, ein Lippenbalsam. Chris legt die Sachen zurück, bis er plötzlich bemerkt, dass er etwas übersehen hat. Etwas Silbriges ist unter die Badezimmerkommode gerutscht. Dieses Glitzern kennt er gut. Nur vorsichtig nähert er sich und nimmt es in die Hand. Es verschlägt ihm den Atem und er schaut in den Spiegel. Er spürt nichts mehr um sich herum. Nur das kalte Metall einer Rasierklinge an seine Haut. Seine Atmung beschleunigt sich. Er schließt die Augen und lässt seinen Kopf in den Nacken fallen. Wassertropfen fallen von seinen nassen Haaren auf den Boden. Dort vermischen sie sich mit einem befreienden Rot.

 

Minuten lang steht er vor dem Spiegel, ohne dabei auf die Zeit zu achten. Die Ewigkeit angehalten für einen Augenblick der Freiheit, welche sich auf seinem Oberarm wieder spiegelt. Mit dem Finger streift Chris sich durch sein nasses Haar und realisiert langsam, was er getan hat. Schnell verbindet er den Schnitt mit einem Tuch und einigen Pflasterstreifen. In der Hoffnung niemand würde seinen erneuten Fehltritt bemerken, wischt er den Boden sauber und streift sich Julians Jacke über. Er reißt die Tür auf und verschwindet in seinem Zimmer. Eine Stunde später sind alle drei fertig und sie machen sich auf den Weg zur Party im Ijak-Kun. Auf dem Weg zum Club glühen die Freunde mit einer Flasche Vodka und ein paar Bierchen vor. Da Chris und Eric trinkfest sind trinken sie fast allein den harten Schnaps. Schon von Weitem kann man eine Schlange vor dem Eingang erkennen, allerdings werden sie direkt zu einem Seiteneingang gewunken und rein gelassen.

 

„Die Stimmung ist auf jeden Fall schon ziemlich gut.“, stellt Kira nach einem kurzen Blick durch den Laden fest. Es dauert auch nicht lange, da haben sich die Jungs schon mit neuem Alkohol eingedeckt und stürmen die Tanzfläche. Nur Kira steht noch etwas unsicher am Rand, aber ihre beiden Herren lassen sowas natürlich nicht durchgehen. Sie wird auf den Dancefloor gezerrt und merkt, dass sie keine Chance hat. Während sich heiß ihre Hüften im Beat der Musik schwingt und ihren Freund verführerisch antanzt. Bewegt sich Chris gegen den Sound. Womit er seine Talentlosigkeit im Tanzen unterstreicht.

„Sag mal Dude, ist dir nicht warm in der Jacke? Gib die doch einfach ab!“, meint Eric zu seinem Kumpel, aber der reagiert nicht drauf und verkrümelt sich ohne ein weiteres Wort von der Tanzfläche. Chris durchstreift den Club auf der Suche nach Julian. Nach dem er den Laden zweimal erfolglos abgelaufen hat holt er sich an der Theke einen Lond Island Ice Tea. Kurz nippt er an seinem Dring, aber seine Gedanken sind schon einen Schritt weiter. Sein Getränk fest umklammert, lehnt er sich mit dem Rücken an den Tresen und seine Augen wandern weiter umher. Seine Hoffnung, seine Bekanntschaft vom Strand wieder zu treffen schwinden langsam, wie die Anzahl nüchterner Partygäste. Mit dem Getränk in der Hand läuft er zurück zu Eric und Kira, die haben sich in der Zwischenzeit in eine Ecke zurück gezogen, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Entmutigt verlässt Chris den Ijak-Kun und setzt sich auf eine Treppe, die zum Strand zurück führt. Kaum hat sein Hintern auf dem Stein Platz genommen, zieht ihm jemand die Kapuze seiner Jacke über den Kopf und setzt sich zu ihm. Es ist niemand anderes als Julian.

 

„Ich finde meine Jacke steht dir!“

Überrascht schaut Chris zu Julian, welcher ihn verlegen anlächelt und seinen Arm um ihn legt. „Lieb von dir, dass du mir meine Jacke wiedergebracht hast“, meint er nur. „Ich freu mich echt, dass du hier bist! Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich kommst.“

„Ich halte mein Wort“, erwidert Chris und will sich die Jacke ausziehen, um sie zurück zu geben, da greift Julian nach seiner Hand und zieht ihn von der Treppe herunter zum Strand.

„Hey, wo willst du mit mir hin?“

„Schau mal da hinter.“

Die Beiden stehen leicht in der Brandung und Julian zeigt auf ein Kreuzfahrtschiff am Horizont. Ungeduldig schaut Chris auf das Schiff, als plötzlich unter einem lauten Knall der Nachthimmel in ein blaurötliches Licht getaucht ist. Keine Sekunde später regnet es in allen Regenbogenfarben auf den Kreuzer hinunter.

„Jedes Jahr kommt der Luxusliner hier vorbei und schießt ein Feuerwerk ab. Der Kapitän kommt aus unserer Stadt, weißt du. Er ist hier ein Lokalheld“

 

Immer mehr Leute strömen von der Promenade und den Clubs zum Strand, um sich das Spektakel aus nächster Nähe anzuschauen. Die Beiden ziehen sich etwas zurück und setzen sich, weg von der Menschenansammlung, in den Sand. Gemeinsam schauen sie weiter auf das Meer hinaus, während sich der Mob genauso schnell auflöst, wie er entstanden ist. Chris beobachtet weiter den hellerleuchtenden Kreuzer am Horizont. Julian hingegen hat nur seinen Begleiter im Blick. Gleichzeitig fassen sie im selben Moment den Gedanken aufzustehen, so dass dabei ihre Köpfe aneinander stoßen und sinken wieder auf ihre Knie. Sie schauen sich tief in die Augen und Julian streift Chris die braunen Haare aus dem Gesicht. Vorsichtig nähert er sich ihm und ihre Lippen berühren sich für einen Augenblick. Über sich selbst überrascht, weicht Chris zurück und schaut ungläubig zu Julian.

„Ihr Schwuchteln!“, schreit es hinter den Jungs, welche sich erschrocken umdrehen. Ein großgewachsener, stämmiger Mann mit Glatze, schwarzen Stiefeln mit weißen Schnürsenkeln an den Füßen, einer halb zerfetzen Jeans und einem T-Shirt mit der Aufschrift >>> !!!Deutschland über alles!!! <<< steht wie aus dem Nichts da. Noch bevor einer der Jungs etwas sagen kann, ballt der Mann die Faust und schlägt Chris ins Gesicht. Entsetzt über diesen hinterhältigen Angriff will sich Julian auf den nach Bier stinkenden Kerl stürzen, aber er wird am Arm fest gehalten. Sofort versucht er sich los zu reißen, aber er wird mit einem heftigen Tritt in den Rücken in den Sand geschickt.

„Schau nur hin!!!!“, brüllt ihn ein zweiter Mann an. Er rammt Julian das Knie zwischen die Schulterblätter und macht ihn so handlungsunfähig. Jeder Versuch sich zu befreien, bleibt erfolglos und so muss er machtlos mit ansehen, wie Chris zugerichtet wird. Immer und immer wieder treffen gezielte Schläge mit der geschlossenen Hand den Kopf, den Rücken und den Bauch. Diesem Hagel hat Chris nichts entgegenzusetzen und bricht zusammen. Krümmend vor Schmerzen windet er sich im kalten Sand, welcher an seinem Blut im Gesicht kleben bleibt. Intuitiv nimmt er die Arme noch schützend vor sein Gesicht und gibt eine andere Angriffsfläche preis. Der stämmige Mann tritt mit der Fußspitze in den Sand und nimmt seinem wehrloses Opfer auch noch die Sicht, bevor er ein paar Schritte zurück geht und nimmt Anlauf für seine nächste Attacke nimmt. Aus vollem Lauf rammt er seinen Stiefel in die Magengrube von Chris und wiederholt diese Aktion noch einmal. Endlich lässt er von ihm ab und spuckt zum Abschluss noch auf ihn. Nun fällt ihm Julian ins Auge, welcher immer noch festgehalten wird. Überheblich stellt der Dicke seinen Fuß auf den Kopf des Jungen und grinst seinem Freund zu. „Ey, ich hab gehört eures Gleichen schluckt gern“, sagt er trocken und drückt das Gesicht von Julian in den Sand. „Abschaum wie euch wollen wir hier nicht haben! Verstanden?! Früher hätte man noch ganz andere Dinge mit euch gemacht! Ich hoffe nur, du bekommst jetzt den Hals nicht zu voll.“ Nach diesem primitiven Spruch nimmt er seinen Fuß wieder herunter und macht sich mit seinem Kameraden auf und davon.

Sich den Sand aus der Lunge hustend richtet sich Julian auf und stürzt zu Chris hinüber. Nur mit Mühe gelingt es ihm seinen Freund aufzuhelfen. „Ich hab deine Jacke ruiniert. Es tut mir leid. Ich hab nicht richtig auf sie aufgepasst“, röchelt Chris. „Ist doch egal! Ich schaff dich erst mal zu mir, du musst zu einem Arzt!“ Julian legt den Arm seines Freundes um seinen Hals und schleppt ihn vom Strand weg. „Ich will nicht zu einem Arzt!“

„Du bist verletzt! Bitte!“

„Wenn ich bei sowas drauf gehe, war ich eben nicht mehr wehrt.“

„Wir sind nicht in einem Actionfilm! Hör mit so einem Scheiß auf!“

Julian redet weiter mit Engelszungen auf ihn, aber Chris lässt sich nicht umstimmen. Ihm bleibt keine andere Wahl als ihn zu sich Nachhause zu schaffen, da er weder seine Freunde kennt noch die Strecke zum Strandhaus zurück schaffen würde in diesem Zustand.

Kapitel VII

Nach einer kurzen Nacht kommt Kira, mit einem Hemd ihres Freundes bekleidet die Treppe hinunter gelaufen und weckt ihn, welcher es nur noch bis auf das Sofa geschafft hat, mit einem liebevollen Kuss auf die Nase. Eric schreckt auf und schaut sich unruhig um. Er gleitet wieder auf die Couch zurück. Die Hände über den Kopf geschlagen blickt er hinüber zu Kira, welche in die Küche gegangen ist und nervös aus dem Fenster schaut, aber auf dem Bürgersteig hockt nur die Möwe und putzt ihr Gefieder.

 

„Wir hätten nicht einfach so gehen sollen und sein Handy ist immer noch aus.“ Sagt Kira und schaut besorgt zu Eric.

„Dem wird schon nichts passiert sein, der ist mit der komischen Möwe durch gebrannt sein und gut“, versucht Erich sie zu beruhigen.

„Findest du das irgendwie lustig?“

„Jetzt reg dich nicht auf, der wird einfach eine Alte kennen gelernt und bei der gepennt haben. Ende der Story.“

„Und wenn er sich was getan hat? Vielleicht hat er gesehen wie glücklich wir sind und dann kam alles wieder hoch.“

„Aber sonst geht’s noch? Der Typ ist doch nicht bescheuert! Sieht der kleine Kinder in seinem Spiegel? Hat der Monster unterm Bett? NEIIIIIN! Dem geht’s gut, der wird noch irgendwo in den Federn liegen, das Frühstück ans Bett gebracht bekommen und keinen Gedanken an uns verschwenden.“

„Ich hoffe du hast recht.“

 

Beunruhigt starrt sie aus dem Fenster ob Chris nicht irgendwo auftaucht, allerdings kann sie nur die Möwe dabei beobachten wie sie sich in die Luft erhebt und zwischen den Häusern verschwindet und sie mit ihren Gedanken allein lässt. Friedlich segelt der Vogel mit dem Wind und landet wieder in einem Vorgarten direkt vor einem Küchenfenster.

 

„Sag mal Chris? Die Seemöwe folgt die auch überall hin“, meint Julian und schmunzelt ihn amüsiert an. Der Seevogel hat sich direkt im Garten vor seinem Haus gemütlich gemacht.

Beide sitzen nach den Ereignissen der letzten Nacht am Tisch und trinken Tee. Chris versucht den Blicken seines Gastgebers immer wieder auszuweichen, aber Julian bleibt hartnäckig und versucht die Wand seines Besuchers zu durchbrechen.

 

Verlegen schaut Christopher zu Boden und fasst sich an den Hinterkopf. „Naja irgendwie ist sie immer da.“

 

Chris beugt sich etwas über den Tisch, um aus dem Fenster schauen zu können. Als er den Vogel erkennt beginnt er zu schmunzeln. „Irgendwie ist er immer da“, wiederholt er nur. „Ich sollte mich lieber zurück zu meinen Freunden machen, die fragen sich bestimmt schon wo ich mich die ganze Zeit herum treibe.“ Nur mühsam steht er auf. Es fällt ihm schwer sich auf den Beinen zu halten. Mit der Hand an der Türklinke wird er von Julian zurück gerufen: „Du solltest dir erst einmal etwas anziehen.“

 

Verschlafen schaut Chris an sich herunter und stellt fest, dass er nur seine Shorts trägt. „Nicht das ich etwas gegen den Anblick habe, aber die Leute hier in der Gegend sind etwas prüde und konservativ. Hast du ja gestern Abend zu spüren bekommen. “ Julian stellt seine Kaffeetasse ab und geht zu ihm hinüber. Er legt seine Hand auf die nackte Brust und lehnt seinen Kopf an seiner Schulter an.

 

„Willst du nicht doch noch etwas bleiben?“, fragt er. Ohne ihm eine Antwort zu geben stößt er ihn von sich, die Ereignisse der letzten Nacht hängen noch in seinem Kopf. Er selbst kann sich sein eigenes Verhalten nicht erklären. Er läuft die Treppe hinauf ins Obergeschoss in Julians Zimmer. Schnell zieht Christopher sich an, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Im Spiegel betrachtet seine Wunden von der Schlägerei. Erst jetzt bemerkt er wie er eigentlich herum läuft und was das bedeutet. Spätestens seit dem es hell geworden ist muss Julian seine Narben auf dem Rücken gesehen haben! Kein Wort hat er über die Schnitte gesagt. Er will nur noch die die Treppe hinab und plötzlich spürt er einen stechenden Schmerz im Kopf. Es gelingt ihm einige Stufen hinunter zu steigen, als ihm schwarz vor Augen wird und er das Gleichgewicht verliert. Gerade noch bevor er die Treppe hinunter stürzt, ist Julian zur Stelle und hält ihn fest. Beruhigend streichelt er Chris durch sein braunes Haar und setzt ihn behutsam auf die Treppe.

 

„Du solltest lieber zum Arzt!“, fordert Julian ihn auf. Nur hat sich Chris schon längst entschieden und wirft ihm ein deutliches „Nein!“ entgegen. Dank seinem Kumpel schafft er es wieder auf die Beine. An der Haustür will er sich von Juli verabschieden, aber lässt dieser ihn nicht los.

„Ich bring dich noch bis zu deinem Ferienhaus und gebe dich bei deinen Freunden ab.“

 

In diesem Moment drückt er Julien an die Wand und schaut ihn mit Tränen in den Augen an. Erschrocken von diesem Gefühlsausbruch weiß er gar nicht, was er tun soll. Mit dem Finger nimmt er eine Träne auf seinen Finger, welche das Sonnenlicht bricht, was zur Tür hineinscheint. Chris schlägt die Hand von sich weg, fällt ihm um den Hals und küsst ihn.

 

Nach einer kurzen Nacht kommt Kira, mit einem Hemd ihres Freundes bekleidet die Treppe hinunter gelaufen und weckt ihn, welcher es nur noch bis auf das Sofa geschafft hat, mit einem liebevollen Kuss auf die Nase. Eric schreckt auf und schaut sich unruhig um. Er gleitet wieder auf die Couch zurück. Die Hände über den Kopf geschlagen blickt er hinüber zu Kira, welche in die Küche gegangen ist und nervös aus dem Fenster schaut, aber auf dem Bürgersteig hockt nur die Möwe und putzt ihr Gefieder.

 

„Wir hätten nicht einfach so gehen sollen und sein Handy ist immer noch aus.“ Sagt Kira und schaut besorgt zu Eric.

„Dem wird schon nichts passiert sein, der ist mit der komischen Möwe durch gebrannt sein und gut“, versucht Erich sie zu beruhigen.

„Findest du das irgendwie lustig?“

„Jetzt reg dich nicht auf, der wird einfach eine Alte kennen gelernt und bei der gepennt haben. Ende der Story.“

„Und wenn er sich was getan hat? Vielleicht hat er gesehen wie glücklich wir sind und dann kam alles wieder hoch.“

„Aber sonst geht’s noch? Der Typ ist doch nicht bescheuert! Sieht der kleine Kinder in seinem Spiegel? Hat der Monster unterm Bett? NEIIIIIN! Dem geht’s gut, der wird noch irgendwo in den Federn liegen, das Frühstück ans Bett gebracht bekommen und keinen Gedanken an uns verschwenden.“

„Ich hoffe du hast recht.“

 

Beunruhigt starrt sie aus dem Fenster ob Chris nicht irgendwo auftaucht, allerdings kann sie nur die Möwe dabei beobachten wie sie sich in die Luft erhebt und zwischen den Häusern verschwindet und sie mit ihren Gedanken allein lässt. Friedlich segelt der Vogel mit dem Wind und landet wieder in einem Vorgarten direkt vor einem Küchenfenster.

 

„Sag mal Chris? Die Seemöwe folgt die auch überall hin“, meint Julian und schmunzelt ihn amüsiert an. Der Seevogel hat sich direkt im Garten vor seinem Haus gemütlich gemacht.

Beide sitzen nach den Ereignissen der letzten Nacht am Tisch und trinken Tee. Chris versucht den Blicken seines Gastgebers immer wieder auszuweichen, aber Julian bleibt hartnäckig und versucht die Wand seines Besuchers zu durchbrechen.

 

Verlegen schaut Christopher zu Boden und fasst sich an den Hinterkopf. „Naja irgendwie ist sie immer da.“

 

Chris beugt sich etwas über den Tisch, um aus dem Fenster schauen zu können. Als er den Vogel erkennt beginnt er zu schmunzeln. „Irgendwie ist er immer da“, wiederholt er nur. „Ich sollte mich lieber zurück zu meinen Freunden machen, die fragen sich bestimmt schon wo ich mich die ganze Zeit herum treibe.“ Nur mühsam steht er auf. Es fällt ihm schwer sich auf den Beinen zu halten. Mit der Hand an der Türklinke wird er von Julian zurück gerufen: „Du solltest dir erst einmal etwas anziehen.“

 

Verschlafen schaut Chris an sich herunter und stellt fest, dass er nur seine Shorts trägt. „Nicht das ich etwas gegen den Anblick habe, aber die Leute hier in der Gegend sind etwas prüde und konservativ. Hast du ja gestern Abend zu spüren bekommen. “ Julian stellt seine Kaffeetasse ab und geht zu ihm hinüber. Er legt seine Hand auf die nackte Brust und lehnt seinen Kopf an seiner Schulter an.

 

„Willst du nicht doch noch etwas bleiben?“, fragt er. Ohne ihm eine Antwort zu geben stößt er ihn von sich, die Ereignisse der letzten Nacht hängen noch in seinem Kopf. Er selbst kann sich sein eigenes Verhalten nicht erklären. Er läuft die Treppe hinauf ins Obergeschoss in Julians Zimmer. Schnell zieht Christopher sich an, um einer Diskussion aus dem Weg zu gehen. Im Spiegel betrachtet seine Wunden von der Schlägerei. Erst jetzt bemerkt er wie er eigentlich herum läuft und was das bedeutet. Spätestens seit dem es hell geworden ist muss Julian seine Narben auf dem Rücken gesehen haben! Kein Wort hat er über die Schnitte gesagt. Er will nur noch die die Treppe hinab und plötzlich spürt er einen stechenden Schmerz im Kopf. Es gelingt ihm einige Stufen hinunter zu steigen, als ihm schwarz vor Augen wird und er das Gleichgewicht verliert. Gerade noch bevor er die Treppe hinunter stürzt, ist Julian zur Stelle und hält ihn fest. Beruhigend streichelt er Chris durch sein braunes Haar und setzt ihn behutsam auf die Treppe.

 

„Du solltest lieber zum Arzt!“, fordert Julian ihn auf. Nur hat sich Chris schon längst entschieden und wirft ihm ein deutliches „Nein!“ entgegen. Dank seinem Kumpel schafft er es wieder auf die Beine. An der Haustür will er sich von Juli verabschieden, aber lässt dieser ihn nicht los.

„Ich bring dich noch bis zu deinem Ferienhaus und gebe dich bei deinen Freunden ab.“

 

In diesem Moment drückt er Julien an die Wand und schaut ihn mit Tränen in den Augen an. Erschrocken von diesem Gefühlsausbruch weiß er gar nicht, was er tun soll. Mit dem Finger nimmt er eine Träne auf seinen Finger, welche das Sonnenlicht bricht, was zur Tür hineinscheint. Chris schlägt die Hand von sich weg, fällt ihm um den Hals und küsst ihn.

 

„Erst bleibe ich noch etwas.“

Kapitel VIII

Kira und Eric haben sich noch einmal hingelegt, um noch ein wenig zu schlafen, was dem jungen Mann auch sehr gut gelingt. Nur bei seiner Freundin bleibt es bei dem Versuch etwas Ruhe zu finden, das laute Schnarchen ihrer besseren Hälfte verhindert es ein Auge zu zumachen. Vorsichtig flieht sie aus seinen Armen und nimmt sich das alte Tagebuch von Victoria. Leise schließt sie die Schlafzimmertür und schleicht die Treppenstufen hinunter, nimmt sich eine Decke vom Sofa und setzt sich auf einen der großen, braunen Holzstühle auf der Veranda.

 

Ich hasse mein Leben!!! Ich hasse diesen Scheißfehler!!! Ich hasse mich selbst, dafür, dass ich so dumm war. Ich hatte solche Angst, die Minuten fühlten sich an wie Stunden und dann war er positiv, ich bin am Ende. Wie konnte das nur passieren. Ich hab die letzten Nächte durch geheult. Ich war nicht mal in der Schule, um Chris aus dem Weg zu gehen, aber gestern war er da. Er war so lieb mir die Hausaufgaben vorbei zu bringen und er hat mir die Lösungen mit rein gelegt. Ich hab ihm erzählt, ich hätte mir den Magen beim Sushi verdorben. Er ist so treuherzig und glaubt mir das, ohne nachzufragen. Ich hasse mich dafür, dass ich ihn angelogen habe und für das was passiert ist. Zum Abschied hat er mich noch sanft auf die Stirn geküsst und was mache ich? Ich kann ihm nicht mal in die Augen schauen.

 

Heute war ich den ersten Tag wieder in der Schule. Chris und Eric haben sich, auf dem Schulhof, mal wieder gestritten. Ich hatte richtig Angst zu ihnen rüber zu gehen. Hans war schon dabei die Wetten anzunehmen, wer die Schlägerei gewinnen würde, aber als Chris mich gesehen hatte, warf er mir einen so leeren Blick zu… so kalt… als ob jedes Gefühl, was er für mich gehabt hatte, verschwunden wäre. Es war so, als ob er mit seiner Hand durch meine Brust greifen würde und langsam mein Herz zum Stillstand brächte. Er drehte sich einfach weg und ging. Zum Glück waren wir in verschiedenen Klassen, einen ganzen Tag hätte ich das nie ertragen. Nach Schulschluss bin ich sofort los. Ich wollte Chris heute nicht noch einmal begegnen. Ihm noch mal in die Augen sehen zu müssen… schrecklich. Als ich im Bus saß, kam er erst aus dem Haupttor der Schule und diskutierte mit Hans, der sein Geld zählte. Wenn ich nur einen Weg wüsste, es ihm zu sagen, ohne sein Leben komplett aus den Angeln zu heben.

 

Kira will gerade auf die nächste Seite blättern, als sie plötzlich aus ihrem Stuhl hoch gerissen wird. Vor Schreck fällt ihr das Buch aus den Händen.

„Ich hab dir gesagt, du sollst nicht in dem scheiß Buch lesen!“ Wütend schaut Eric seiner Freundin in die Augen, ohne dabei zu merken, dass er ihre Oberarme immer mehr zusammendrückt. „Du tust mir weh!“, sagt sie und schubst ihn weg. „Bist du noch ganz dicht im Schädel? Was ist wenn Chris vorbei kommt und dich darin lesen sieht?“ „Krieg dich mal ein! Ich hätte mich schon nicht von ihm erwischen lassen.“ „Ja, hab ich gesehen! Wie soll ich ihm erklären, warum ich das Buch habe?“ „Vielleicht solltest du es ihm einfach geben?“ „Damit er noch mal in ein Loch fällt, oder was?“ „Jetzt krieg dich mal wieder ein! Ich lese es nicht mehr und gut.“

Erics wütender Blick verschwindet, als er merkt wie besorgt Kira über das Verschwinden von Chris ist. Fürsorglich nimmt er sie in den Arm. „Es tut mir leid. Ich mach mir ja auch Sorgen um Chris. Ich werde uns jetzt einen Kaffee machen und dann gehen wir die Promenade entlang. Einfach etwas bummeln, um den Kopf frei zu bekommen.“

Vorsichtig streift Julian über den nackten Rücken von Chris und beobachtet ihn beim schlafen. Gefühlvoll pustet er ihn über den Nacken und weckt ihn aus seinem Traum. Den Versuch ihn aufzuwecken ignoriert Chris und vergräbt sich tief im Kopfkissen. „Willst du nicht langsam aufstehen? Die Sonne geht schon wieder unter.“ Nur widerwillig kommt er aus seinem Versteck und schaut mit seinen rehbraunen Augen zu seiner Strandbekanntschaft, diese lächelt ihn wieder an und streicht ihm weiterhin über den Rücken.

„Du hast recht.“ murmelt er vor sich hin und rollt sich aus dem Bett. Unter den genauen Blicken von Julian streift sich Chris sein T-Shirt über und zieht seine Röhrenjeans an. Er ist so damit beschäftigt sich in die enge Hose zu zwängen, dass er nicht bemerkt wie Julian ebenfalls aufsteht und sich hinter ihn stellt. Mit seinen Armen umschlingt er die Hüften seines Freundes. Vertraut schmiegt er sich an und geniest diesen Moment.

 

Chris lehnt sich leicht zurück, bevor ihm klar wird, dass noch jemand seit fast einem Tag auf ihn wartet.

„Scheiße! Ich muss dringend zurück!“, ruft er und stürzt die Treppe hinunter. Auf der letzten Stufte dreht er sich um und schaut hinauf zu dem Jungen, der sein Herz für einen Moment wieder hat schlagen lassen. Ein gezwungenes Lächeln ziert das Gesicht von Julian, am liebsten würde er ihm nach rennen und ihn einfach festhalten. „Äh… Juli? Ich habe keine Ahnung wie ich zurückkomme. Kannst du mich vielleicht begleiten?“, fragt Chris. Ohne zu zögern wirft sich Julian ein paar Klamotten über und sie machen sie gemeinsam auf den Rückweg.

 

Die Beiden Jungs gehen eine kleine Straße entlang. Keiner von ihnen traut sich etwas zu sagen. Immer wieder werfen sie sich kurze Blicke zu. Die Sonne ist nun endgültig verschwunden und die alten Gehweglaternen flackern auf.

„Was wirst du deinen Freunden sagen, wenn sie dich fragen, wo du die Nacht warst?“, ringt sich Julian durch zu fragen. Aus Angst vor der Antwort lässt er seinen Kopf gesenkt und die Arme bedeutungslos neben sich hängen.

 

Überrascht schaut Christopher zu ihm herüber und schmunzelt auf seine eigene Art vor sich hin. „Ich denke, ich werde ihnen die Wahrheit sagen. Ich habe keinen Grund etwas anderes zu erzählen.“ Noch während er seine Antwort gibt, greift er nach der Hand von Juli und hält sie fest. Befreit von diesen Worten hebt er wieder den Kopf und seine Angst verschwindet. Die nächsten Minuten laufen sie wieder ohne ein Wort zu wechseln neben einander her, bis sie zu einer Treppe kommen, welche direkt zum hinab Strand führt. Sie steigen die Stufen hinunter und in der Mitte steht eine alte Laterne. Das orangerote Licht erhellt die gesamte Treppe. Für einen Moment bleibt Chris stehen und zieht Julian zu sich heran. Vertraut legt er seinen Arm um ihn und seine andere Hand auf die Brust von Juli. Er beugt sich etwas zu ihm und küsst ihn sanft auf die Lippen. Das Rauschen der Wellen des Meeres und das leise Summen der Laterne wirken fast schon melodisch in diesen Sekunden. Wie in Trance lösen sich die Jungs von einander und schauen sich mit glitzernden Augen an. Mit den Fingern streift Chris die Haare aus Julians Gesicht, damit nichts seine Augen verdeckt.

„Wir müssen…“ Noch bevor Christopher seinen Satz beenden kann, küsst ihn Juli erneut. Fest schlingt er seine Arme um ihn und drückt ihn so fest er kann an sich. „Nein, halt die Klappe… bitte“,

„Es hilft aber nichts… meine Freunde machen sich Sorgen“, bremst Chris ihn und greift nach seiner Hand, um die Treppe weiter hinab zu steigen. Es schwirren ihnen Tausend Gedanken durch den Kopf, aber getraut sich keiner es direkt anzusprechen. Langsam setzten sie einen Fuß vor den anderen und kommen dabei nicht voran. Nach etwa einer Stunde konnten sie in der Ferne schon die Veranda des Ferienhäuschens sehen, welche durch die Außenbeleuchtung gut zu erkennen ist.

„Die Bude gehört euch? Ihr müsst ja ‘ne Menge Kohle zu Verfügung haben?“, staunt Julian, da er in der Gegend wohnt, weiß er, dass dort sonst nur die Leute residieren, die sich um Geld keinerlei Sorgen machen müssen.

„Naja, Erics Eltern haben genug Geld. Er kann alles haben, was er will. Gelegentlich verliert er da die Bodenhaftung.“ Auf den letzten Metern drückt Chris die Hand von Julian ganz fest zusammen. Die letzten Meter kommen ihnen unglaublich kurz vor. Sie laufen direkt auf die kleine Treppe zu, als die Verandatür aufspringt!

„CHRIIIIIIIIIIIS!!!!!!! Du bist wieder da!!!“ Überglücklich das Christopher gesund ist, springt Kira die Treppe hinunter und fällt ihm um den Halse. Erst nach ein paar Sekunden bemerkt sie, dass sie nicht allein sind. Verlegen schreckt sie zurück und schaut vor lauter Scham auf ihre eigenen Füße.

„Juli das ist Kira, die Freundin meines besten Freundes.“ Chris gelingt es, die Situation zu entschärfen, bis Eric auf die Veranda tritt. Wütend stampft er zu ihnenr, sodass die gesamte Konstruktion wackelt. Er schiebt Julian bei Seite, packt sich seinen besten Kumpel am Kragen und stößt ihn unsanft in den Lichtkegel der kleinen Lampe am Ende der Treppe.

 

„Bist du eigentlich vollkommen gestört, du Penner!“ brüllt Eric ihn an und schließt seine Hand zu einer Faust. Überrascht von diesem Gefühlsausbruch, bekommt Chris kein Wort heraus, somit bringt er seinen Dude aber nur noch mehr in Rage und dieser kann sich nicht mehr zurück halten. Unter den entsetzen Blicken von Kira und Julian streckt Eric ihn mit einem einzigen Schlag nieder.

 

„Was soll die Scheiße!!! Bist du sogar zu doof dein Handy zu benutzen? Aber mit irgendwelchen Schwuchteln durch die Nacht vögeln!!!“ Er deutet auf den Knutschflecken auf dem Hals von ihm. „Weißt du, was wir uns vor Sorgen gemacht haben? Du egoistischer Mistkerl! Komm von deinem Mitleids – Egotrip mal wieder runter! Wenn du verstanden hast, was du deinen Freunden bedeutest, kannst du es dir wagen, mich an zu sprechen! Wenn nicht, kannst du mir mal Klabusterbeeren mit der Zunge pflücken!“ Schnur stracks geht Eric wieder zurück ins Haus ohne sich dabei noch einmal umzudrehen. Es ist nur noch zu hören wie eine Tür im Obergeschoss knallt. Kira setzt sich auf die Treppe und schaut Julian zu wie er erst mal Chris auf die Beine hilft, dabei schafft er es aber nicht ihm in die Augen zu schauen.

„Es tut mir leid, dass du wegen mir Stress mit deinen Freunden hast. “

„Zu solchen Aktionen gehören immer zwei Leute, also, was soll‘s? Eric kriegt sich schon wieder ein, aber es wäre nett, wenn du heute Nacht bei mir bleibst.“

„Gerne, aber ist das auch okay für deine Freunde?“

„Klar!“ meint Kira mit einem breiten Grinsen und verschwindet ebenfalls im Haus.

Kapitel IX

Kira rennt ihrem Freund hinter her, während dieser wütend die Treppe hinauf stampft und flucht unentwegt vor sich hin. In Rage reißt er die Tür zum ersten Schlafzimmer auf und knallt sie hinter sich wieder ins Schloss. Eric tritt gegen das Bett und versucht sich wieder in den Griff zu bekommen, als die Tür hinter ihm wieder aufgeht.

 

„Darf ich rein kommen?“, fragt Kira mit leiser Stimme . Ein kurzes „Ja“ knurrt ihr entgegen und sie schleicht in den Raum. Sie legt ihre Arme um seine Hüften und drückt sich an ihn. „Hast du nicht gemerkt, dass er vielleicht auch auf Kerle steht?“ Der Brustkorb von Eric dehnt sich weit aus und zieht sich wieder zusammen. Es gelingt ihm kaum seine Wut zu unterdrücken.

„Nein habe ich nicht! Er hatte ja eine Freundin! Mit keinem Wort hat er das erwähnt!“

„Es gibt auch Menschen die bisexuell sind.“

„Ich hab keinen Bock mehr auf die scheiß‘ Unterhaltung! Ich geh duschen!“

 

Grob stößt er Kira von sich und stürmt zur Tür raus, welche wieder heftig ins Schloss geschlagen wird. Enttäusch lässt sie den Kopf hängen. So hat sie ihn noch nie erlebt. Als sie hört wie das Wasser im Bad angestellt wird weiß sie wie sie sich ablenken kann. Den Kopf zur Tür hinaus gestreckt versichert sie sich, dass Eric auch wirklich unter der Dusche ist, bevor sie sich zum Schrank schleicht und nach dem Tagebuch sucht. Ganz unten hinter der dreckigen Wäsche findet sich das Buch. Sie setzt sich aufs Bett und schlägt die Seite auf bei der sie unterbrochen wurde.

 

 

Ich kann es nicht ewig vor ihm verstecken. Ich kann es nicht ewig vor überhaupt jemanden verstecken. Meine Mutter meinte gestern schon ich bin ziemlich dick im Gesicht geworden und ich sollte mal wieder mehr Sport treiben… Chris ist auch nicht gerade auf den Kopf gefallen und ahnt schon was. Er liest in mir wie in einem Buch. Ich glaube sogar fast er weiß es. Mir bleibt keine andere Wahl mehr. Ich kann es nicht mehr vor mir herschieben. Vielleicht sollte ich morgen mit den Jungs reden. Nein! Gleich! Wenn ich mich beeile schaffe ich noch den nächsten Bus zu ihm. Es wird sowieso nicht leichter, also mach ich mich besser auf den Weg. Zu Eric muss ich auch noch..

 

Kira blättert auf die nächste Seite als sie von einem Geräusch aufgeschreckt wird. Schnell schiebt sie das Buch unter ein Kopfkissen, da sie annimmt es handelt sich um Eric der aus dem Bad kommt. Zu ihrer Beruhigung stellt sie fest, dass das Geräusch aus dem Wohnzimmer im Untergeschoss kommt. Von der Treppe aus sieht sie wie Chris über den Couchtisch stolpert und dabei Julian mit umreißt, dabei stürzt die Glasvase herunter und zerbricht. Die Teile verteilen sich auf dem ganzen Boden, während die beiden weich auf dem Sofa landen.

 

„Ähm gehst du von mir runter?“ fragt Chris mit gequetschter Stimme. „Nicht wirklich…“ haucht ihm Juli ins Ohr. Er rutscht etwas hinab. Streicht sich die Haare aus dem Gesicht und lächelt verlegen, bevor er seine Lippen sanft auf die Lippen von Christopher drückt. Er öffnet den Reißverschluss von Chris’s Jacke und streift sie ihm vom Körper. Der Kuss der Beiden wird immer leidenschaftlicher. Julian klammert sich am Kragen seines Freundes fest. Zieht ihm das T-Shirt über den Kopf und lässt es auf den Boden fallen. Endlich kann sich Christopher vollkommen fallen lassen und genießt die warmen Hände von Juli auf seinem Körper, dieser schaut ihn mit einem selbstsicheren Lächeln an. Chris schnellt hoch und beißt Juli in den Hals, dieser krallt sich sofort an seinem Oberkörper fest. Bei diesem Anblick zieht sich Kira besser wieder zurück und lässt die Jungs allein. Sie kehrt ins Zimmer zurück und holt das Tagebuch unter dem Kissen hervor. Sie schlägt die letzte Seite auf die sie gelesen hat und blättert weiter zur nächsten. Das Papier ist an einigen Stellen leicht gewellt. Die Schrift ist verschmiert und zittrig. „Sie hat geweint.“: murmelt Kira vor sich hin.

 

Ich hätte doch bis morgen warten sollen! Ich bin mit der ganzen Situation nur noch überfordert. Das Chaos in meinem Kopf. Die Schuldgefühle. Die Scham. Ich wieß nicht mehr was ich machen soll. Als ich bei Chris ankam, machte niemand auf. Zuerst wollte ich noch warten, aber nach ein paar Minuten hielt ich es nicht mehr aus und bin zu Eric gelaufen. Eigentlich dauert der Weg nicht lange, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor. Dass es schwer werden würde wusste ich aber so, er hat mich die ganze Zeit nur angestarrt und ich hab keinen Ton raus bekommen. Als er mir die Tür auf gemacht hat konnte ich ihn nicht mal begrüßen. Wir saßen uns dann einfach nur gegenüber ohne was zu sagen. Es war totenstill. Nur sein Fuß der immer wieder auf den Boden tippe war zu hören. Als ich mich nach Minuten immer noch nicht durchgerungen hatte ihm meine Entscheidung zu sagen stand er auf und fing an mich herum zu laufen, das machte mich noch viel nervöser. „Ich will es behalten.“: sagte ich so leise, dass ich es kaum selber hören könnte, aber er hat es verstanden. Einmal, Zweimal atmete er tief durch. Dann stürzte er auf mich zu und trat mich vom Stuhl Er schob den Stuhl bei Seite. Beugte sich über mich, seine Hand um fasste meinen Hals und er zog mich zu sich hoch. Ich fühlte wie sein Griff immer fester wurde und ich langsam keine Luft mehr bekam. Er drückt mir einen Kuss auf die Stirn und schlug mich mit dem Kopfe gegen den Fußboden.. Dann wurde mir schwarz vor Augen und ich kann mich nur noch daran erinnern wie ich auf dem Sofa von Erics Eltern wieder zu mir kam. Als er bemerkt hat das ich wach war kam er sofort mit verheulten Augen an und wollte sich bei mir entschuldigen: „Ich weis selbst nicht wie das passieren konnte… Es tut mir so leid…“ Ich hab ihm nicht weiter zu gehört Als ob er ein vollkommen anderer Mensch ist. Meine Sachen in der Hand bin ich zur Tür raus. Die Treppe runter. Die Straße entlang. Nur schnell weg von ihm. Am liebste wäre ich zu Chris gegangen, aber hätte er mich so gesehen wäre nur ein noch größeres Unglück passiert. Also bin ich nach Hause gefahren. Zum Glück waren meine Eltern nicht da. Für eine glaubhafte Erklärung war ich nicht mehr im Stande. Morgen kann es nur besser werden.

 

Kapitel X

Kiras Hände beginnen zu zittern. Der letzte Eintrag von Jolie in ihrem Tagebuch war einen Tag vor ihrem ableben. Vergeblich versucht sie das Zittern zu kontrollieren und ihr das Buch aus den Fingern gleitet. Der dumpfe Knall beim Aufprall ist im ganzen Haus zu hören, aber nicht für Kira. Sie ist völlig überfordert mit dieser Situation. Das Zittern zieht von den Fingern und der Hand hoch in die Arme, Schultern und die Brust, bis nach kurzer Zeit ihr ganzer Körper bebt.

Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge

Versuchte sie sich ein zureden. Die bittere Wahrheit lähmt ihren Körper und ihre Sinne. In ihrem Inneren Konflikt gefangen schissen ihr Hunderte von Fragen in Sekunden durch den Kopf. Ihre Knie sind weich. Sie kann sich nicht mehr auf den Beinen halten und setzt sich wieder aufs Bett. Erst nach einigen Minuten schafft sie es ihre Gedanken wieder zu ordnen. Sie hebt das Buch auf und schlägt noch mal die letzte beschriebene Seite auf, aber diese ist anders als die Einträge zuvor. Die zarte weibliche Schrift mit den sanft geschwungen Buchstaben und den Verzierungen der I-Punkte sowie Satzzeichen sind harten, abgehackten, eckigen Buchstaben gewichen. Die Wörter tief ins Papier eingeritzt. Kreuz und Quer sind die Wörter über die Seite geschrieben, teilweise sogar überein einander.

 

>>> SCHLAMPE !!! MISTSTÜCK !!! HURRE !!! Flittchen!!! <<<

 

Es sind nicht die Worte selbst oder die aggressive Schreibweise die Kira schockieren, sondern dass sie diese Handschrift kennt. Eine Handschrift wie sie, sie schon dutzende Male gesehen hat. Eine Schrift wie sie in Briefen, zu Hauf in einer kleinen Kiste, unter ihrem Bett liegen. Es vergehen noch ein paar Minuten bis sie sich wieder ganz gesammelt hat, allerdings kommen die ihr vor wie Stunden. Die Bilder der letzten Tage wandern immer wieder vor ihrem Inneren Auge vorbei. Die Fahrt. Der Abend am Strand. Der Abend im Club.

„Wieso konntest du nicht einfach das verschissene Buch liegen lassen.“

Der kalte Schweiß läuft ihr über die Stirn. Ihr Körper beginnt wieder zu zittern als sie die Stimme ihres Freundes erkennt. Wenn er die ganze Zeit schon da stand und alles mit angesehen hatte, konnte sie sich ausmalen was passieren wird. Ist er so ein anderer Mensch? Hat er sich nur verstellt? Die Gedanken schnellen wieder durch ihren Kopf. Kira getraut sich nicht sich um zu drehen, als durch die Spieglung im Fenster erkennt wie Eric mit gesenktem Kopf langsam auf sie zugeht. Ihre Atmung wird schneller und das Adrenalin schießt durch ihren Kopf. Im Augenwinkel erkennt sie wie er neben ihre stehen bleibt. Er legt seine Hand beruhigend auf ihre Schulter und mit der anderen nimmt er ihr das Buch ab. Die warme Hand ihres Freundes gibt ihr für enige Sekunden das Gefühl, dass alles wieder gut wird, dass es nur ein böser Traum ist und sie gleich aufwacht. Nur zerschlägt sich diese Hoffnung als Eric das Buch aus dem geschlossenem Fenster wirft! Erschrocken vom plötzlichen Lärm lassen Christopher und Julian, welche auf dem Sofa immer noch mit sich beschäftigt waren, von einander ab und eilen gemeinsam die Treppe hinauf. Noch als die beiden Jungs von der Couch aufspringen wandelt sich im Zimmer über ihnen der sanfte Griff von Eric in eine brutale Kralle. Er zerrt Kira in den Flur. Mit Tritten und Schlägen setzt sie sich zu wehr, aber durch Leidenschaft für Hardcore Musik, war er es gewohnt den einen oder anderen Fuß bzw. Faust ab zu bekommen. An der obersten Stufe wirft so die Treppe hinunter. Mehr mal prallt ihr Körper auf die Stufen. Die erst Kante drückt ihr die Luft aus der Lunge und sie verliert das Bewusstsein. Ein weiterer Aufprall kugelt ihre Schulter aus und der nächste verdreht ihr Knie, bevor sie sich überschlägt und mit dem Kopf gegen das Ende des Geländers schlägt. Regungslos liegt sie auf den Fliesen vor der Treppe direkt vor den Füßen von Chris und Julian.

 

„Bist du vollkommen durch geknallt!“ schreit Chris zu seinem besten Freund hinauf. Mit eiskalten Augen schaut Eric am oberen Ende der Treppe hinunter. Wie in Trance schreitet er hinab. Vor seiner Freundin bleibt er stehen. Er schaut sie an und tritt sie gleichgültig bei Seite, als wäre sie ein altes T-Shirt was ihm nicht mehr gefällt. Schützend versucht sich Chris zwischen Kira und Eric zu bringen, aber er wird einfach zurück gestoßen.

„Ich hatte keine Wahl“ versucht er die Geschehnisse zu erklären. „Ich wollte nicht, dass es soweit kommt. Sie hat mir einfach keine Wahl gelassen. Ich hab einfach Rot gesehen.“ Langsam geht er zur großen Vitrine im Wohnzimmer. Er öffnet die Glastüren, schiebt ein paar Kristallgläser weg und drückt auf einem versteckten Knopf. Ein Teil der Rückwand fährt hoch und er holt eine Pistole hervor. Zielt auf seine Freundin und drückt ab! Der Geruch des Schießpulvers erfüllt den Raum. Als ob nichts passiert wäre öffnet Eric die Terrassentür und schaut auf das Meer hinaus. Hoffnungslos kniet Christopher vor Kira. Seine schmalen Hände umgreifen ihren leblosen Körper. Julian zerrt Chris von ihr weg und greift nach seinem Handy in der Hosentasche.

„Leg es hin! Wir werden jetzt gemeinsam eine Lösung finden und vorher verschwindet hier niemand!“ droht Eric mit erhobener Waffe. Sofort wirft er das Telefon aufs Sofa, da er lauf der Waffe nicht auf Julian selbst zeigt sondern auf Christopher. „Ich wusste von dem Tagebuch. Kira hat mir davon erzählt. Dachtest du ich würde nicht merken wenn etwas mit meinen Freunden nicht stimmt? Aber wir müssen jetzt einen Krankenwagen rufen! Wir finden schon eine Lösung bis jetzt haben wir immer eine gefunden!“ versucht Chris die Situation zu entschärfen. Er kann immer nicht fassen was hier gerade passiert. Halt suchend greift er nach der Hand von Julian hinter sich, welcher sie dankend annimmt. Sie folgen Eric auf die Terrasse. Der Raue Wind der See und der immer stärker werden Regen durchnässt die Drei schnell bis auf die Haut. Mit dem Lauf der Pistole kratzt sich Eric am Kopf, bevor er sich den beiden wieder zuwendet. Den Arm ausgestreckt mit dem Lauf immer abwechselnd auf einen der Beiden deutend. Eric war schlau genug um zu wissen, wenn er sein Ziel flexibel wählt wird keiner der Beiden Dummheiten machen um den anderen zugefährden.

„Ich bin es gar nicht gewohnt, dass du so Eindimensional denkst… Glaubst du wirklich es ist wegen einen simplem Tagebuch? Aus dieser Geschichte gibt es keinen Ausweg. Beim Unfall von Jolie damals war ich doch als erster am Unfallort.“ Unter seinem schwarzen Pony blitzen auf einmal zwei eiskalte blaue Augen hervor. Der Griff um die Waffe wird fester und er sucht den direkten Blickkontakt mit Christopher.

„Ich hab sie vor den Bus gestoßen!“

Das tobende mehr spült immer mehr Dreck und Schmutz an den Strand. Die Wellen angepeitscht vom tobenden Wind, der durch das kaputte Fenster im Obergeschoss pfeift wirkt fast harmlos wenn man in den Lauf einer geladenen Waffe schaut. Bei der folgenden Frage zerdrückt Chris fast die Hand von Juli und beißt sich auf die Unterlippe um seinen Besten Freund nicht noch mehr zu provozieren. „Du hast was getan?“

Wer ist der Mensch der vor ihm steht. Wer ist die Person die er in den letzten Jahren für seinen engsten Vertrauten gehalten hat? Wer ist das, der über eine verstorbene Freundin redet wie über ein verschüttetes Glas Milch. Eric sieht wie Christopher versucht seine Wut zu unterdrücken und versucht Rückhalt bei Julian zu finden, in dessen Augen immer noch das Entsetzen steht. In seinem Kopf spielt er jedes Szenario durch wie sie es schaffen könnten zu fliehen, aber er findet keinen Weg. Ein lauter Knall! Der Sturm hat einen der Holzstühle umgeweht und ihn zurück ins hier und jetzt geholt. Die ganze Zeit ist es ihm gelungen seine Nervosität und Angst vor Eric versteckt zu halten, aber nun kann er sie nicht mehr verbergen.

„Es ist einfach Pech das du gerade hier bist. Nennt man wohl Schicksal.“ spricht sein Peiniger ihn an. Emotionslos, gleichgültig, kalt klingt seine Stimme unbeeindruckt vom Sturm und von der Tatsache, dass er gerade seine Freundin erschossen hat.

„Kannst du dir vorstellen was ich mir für Vorwürfe gemacht habe? Ich dachte du und Jolie wart zusammen gewesen. Ich dachte die ganze Zeit ich hätte dich Hintergangen! Du lagst Krank mit Grippe im Bett. Ich und Jolie waren allein zusammen im Norder gewesen. Es war alles wie immer. Haben rum gehangen, getanzt und getrunken, zu viel getrunken. Ich wollte sie einfach nur Heim bringen. Vor ihrer Haustür hat sie mir dann einen Abschiedskuss geben und dann wurde mehr daraus. Am nächsten Tag hab ich mich so mies gefühlt. Ich hätte mich selbst erschlagen können! Nicht nur das ich meinen Bro hintergangen habe. Neiiiiiiiiiiin! Wie immer muss mich das Glück ja doppelt in den Arsch kneifen. In unserem Alkoholrausch haben wir natürlich nicht daran gedacht ein Kondom zu benutzen. Ein paar Wochen später kam sie dann an und meinte wir müssen reden. Ich dachte zuerst nur sie wollte wegen dir reden, aber die Schlampe hat mir gesagt, dass sie schwanger war! Ich hab mir Stunden den Mund fusselig geredet bis ich sie dann endlich davon überzeugen konnte dir erst mal nichts zu erzählen. So bliebt mir noch eine Galgenfrist mir etwas einfallen zu lassen sie von einer Abtreibung zu überzeugen.“

 

Eric kratzt sich mit dem Lauf der Pistole erneut am Kopf. Ein unheimliches Lächeln ziert sein Gesicht als er seinen besten Freund wieder ins Ziel nimmt. Sein Zeigefinger umschlingt den Abzug, trotz des Windes kein zittern oder zucken in seinem Arm oder der Hand. Beiläufig fällt sein Blick auf Kira. Ihr Anblick macht ihm deutlich in welche Situation er sich gebracht hat. Er schließt die Augen und er zieht den Abzug nach Hinten. Just in diesem Moment knallt ein Vom Sturm herumgewirbelter Gegenstand gegen Eric. Die abgefeuerte Kugel rauscht an den Jungs vorbei, durchschlägt das Sofa und bleibt in der Wand stecken. Wütend schaut Eric dem Etwas hinter her, was ihm seinen Schuss versaut hat. Es kracht gegen einen Stuhl und schlägt auf dem Dielen. Durch den anhaltenden Regen ist das Holz nass und rutschig gewordne. Der Gegenstand kommt erst unter dem Tisch zum stillstand. Die Augen weit aufgerissen, die Halsschlagader pumpt das Blut immer schneller in seinen Kopf und die Atmung wird schneller als er realisiert was ihn da getroffen hat. Am Geländer lehnend sinkt Eric auf seinen Hosenboden und beginnt lauthals zu lachen. Er zerzaust sich die vom Sturm eh schon zerstörte Frisur und reißt sich dabei einige Haare aus. Blind vor Zorn bemerkt Eric nicht wie die Jungs ihre Chance nutzen wollen und versuchen zu fliehen. Christopher nimmt die Hand von Julia und führt in an der Hand zurück ins Wohnzimmer. Als sie sich sicher genug fühlen schauen sie sich an und nicken sich zu. Ihr Ziel. Um das Sofa herum, über die Scherben hinweg und Kira hinweg, an der Küche vorbei und raus aus der Eingangstür. Sie spurten los. Um das Sofa herum und über die Scherben der Vase hinweg, als Julian stehen bleibt.

Wir sind fast draußen komm schon.“ flüstert Chris ihm zu. Hastig zerrt er an seinem Arm, aber es hilft nichts Juli bewegt sich keinen Zentimeter von der Stelle. Die braunen Augen von Christopher starren ihn an als er ein leises „Es tut mir leid“ haucht, auf die Knie sackt und nach Vorne sackt. Sein hellblaues T-Shirt, welches Chris ihm nicht mehr ausziehen könnte, ist in ein vom Blut rot getränktem Stofffetzen. Sofort stürzt Chris zu ihm. Er wirft sich neben ihn, dabei ignoriert er die Glasscherben, die ihn größere und kleine Schnitte am Schienbein und der Wade zu fügen. Verzweifelt rüttelt er an Julian, aber im Inneren wies es, dass es zwecklos ist. Der Wind und das Adrenalin der Jungs hat dafür gesorgt das sie den Schuss nicht bemerkt haben, der Juli im Rücken getroffen hat. Ein paar Meter lagen zwischen ihnen und der Tür hinaus. Sein Blick fast schon apathisch zwischen Tür und seinem verblutendem Freund hin und her, dabei fällt ihm jedes mal Kira ins Auge, die genau so leblos daliegt wie Juli. Ein weiterer Schuss lässt Christopher zusammen zucken.

Bin ich getroffen? Ich muss getroffen worden sein. Der Knall war so laut. Ich will getroffen sein!

Denk er sich und erkennt das die Kugel knapp neben ihm im Boden eingeschlagen hat. Die Kugel ist so na an seinem Körper das er ihre Hitze spüren kann.

 

„Obwohl ich mir eine kleine Galgenfrist verschafft habe, hat sie mir am Ende nicht viel gebracht..“ setzt Eric seine wirren Erklärungsversuche fort. Ohne einen Funken von Reue oder Bedauern blendet er alles aus was gerade um ihn herum passiert ist. „Sie wollte einfach keine Abtreibung machen lassen. Sie meinte das wäre Mord. Ich hab ihr jedes Horrorszenario erzählt und ausgeschmückt was mir eingefallen ist. Sie hatte es nicht interessiert. Ihr Interesse lag daran wieder gut schlafen zu können und wieder in den Spiegel blicken zu können. Also blieb mir keine andere Wahl. Sie oder Ich. Bevor man in so eine Situation kommt fragt man sich immer was würde man machen, aber wenn du in so einer Situation bist… dann weist du es. ICH! Leider war sie misstrauisch geworden und sie hat gemerkt das ich etwas vor hatte. Ich wollte sie vor der Schule abfangen, aber sie hatte mich gesehen und rannte weg. Zurück zur Bushaltestelle. Wohl in der Hoffnung das du, Hans oder sonst wer noch da wart. Ihre Panik war so groß das sie gar nicht auf ihre Umgebung achtete- Ihr Pech. Sie Stolperte über ihre eigenen Füße. Direkt vor den heranfahrenden Bus. Noch im Fallen drehte sie sich und strecke die Hand aus. Meine Chance! Königzufall war auf meiner Seite. Hätte ich nach ihr gegriffen hätte ich sie vor dem Sturz bewahren können.“

Während seiner Ansprache hat sich Eric durch das Wohnzimmer bewegt. Er stellt sich vor Chris und drückt ihm den Lauf gegen den Kopf, der heiße Mündung verbrennt sofort seine Haut, aber das realisiert Christopher noch gar nicht. Er ist immer noch vom Schock paralysiert.

„Der Versuch auf die Eisen zu steigen war zwecklos. Wie geschockt der Fahrer geschaut hat. So einen Ausdruck im Gesicht vergisst man nie wieder genau so wie den Anblick von Jolie nach dem sie der Bus erfasst hat. Ihre Beine und Arme standen in einem bizarren Winkel vom ihrem Körper ab. Die Augen nach hinten in den Kopf verdreht, dass man nur noch das Weiße erkennen konnte. Das Gesicht von Schmerzen verzerrt, den sie beim Aufprall auf den harten Asphalt spürte. So schnell haben sich meine Probleme in Luft aufgelöst. Zu mindest so lange bis ich ihr Tagebuch gefunden hatte. Ich hab angeboten ihr Zimmer mit auszuräumen und da ist es mir in die Hände gefallen. Alles hatte sie aufgeschrieben, dass ich sie geschwängert habe und du einen FREUND hattest. Etienne! Perfekter Name für eine Schwuchtel. Wenn man darüber nach denkt war es nicht verwunderlich. Deine Vorliebe für Musicals, oder schmalzige Filme, dein Sinn für Ordnung. Alles Anzeichen die ich nicht wahrgenommen habe. Am einfachsten wäre es gewesen ich hätte das Buch einfach verbrannt oder weg geworfen, aber naja am Ende ist man ja immer schlauer.“

 

Unbekümmert gibt er die Ereignisse wieder die Christopher so lange zu schaffen machten. Dinge die ihn an sich selbst hat zweifeln lassen. An denen er sich fast selbst zugrunde gerichtet hätte- In ihm steigt die Wut auf und er kann sie nur schwer unter Kontrolle halten. Wieso hat er diese Seite nicht eher an seinem Besten Freund erkannt? Oder wollte er sie nicht erkennen? Wollte er ihn nur so sehen wie er ihn gerne sehen wollte? Oder hat er sein wahres Gesicht nur überspielt. Überspielt mit einer Fassade aus schlechten Witzen, einer angesagten Frisur und modischer Kleidung. Hat er nur geglaubt mit jemanden befreundet zu sein der in Wirklichkeit nicht existiert? Dem Menschen welchem er wie keinem zweiten vertraut hat hält ihm jetzt eine Waffe an den Kopf, hat seine beste Freundin einfach sterben lassen, seine eigene Freundin die Treppe hinunter geworfen und den Menschen erschoss der ihn aus seinen Tal geholt hat. Er kann seine Tränen schon lange nicht mehr zurück halten. Ungebremst lässt er seiner Trauer freien lauf. Die Tränen laufen über seine Wangen und fallen in Tropfen in das Blut von Julian. Mit zitternder Stimme wendet er sich an Eric. „Wie…Wie… Wieso?“ stottert er. Er schluckt jegliches Gefühl was gerade in ihm tobt herunter und wenigsten ein paar Antworten will er noch! „Wieso!?“ schreit er. „Wieso!? Juli und Kira? Wieso? Du hast alles gewusst und hast trotzdem versucht mir zu helfen! Warum? Aus Mitleid oder wolltest du nur aus erster Reihe zusehen wie ich mich selbst zu Grunde richte?“

Eric schmunzelt wieder, aber diesmal nicht auf seiner überlegenen Art. Dieses Lächeln kannte Chris nur zu gut. Immer wenn er ihn bei einer Lüge erwischt hatte schmunzelte er so. Er setzt die Pistole ab und nimmt den Lauf hin die Hand, bevor er mit einer flinken Handbewegung Christopher mit dem Griff niederschlägt.

„Wie sehr ich es hasse wenn du in mir liest wie in einem billigen Groschenroman. Als ich herausgefunden habe dass du schwul bist und mit jemanden zusammen warst, war ich völlig geschockt. Nicht nur das du eine Schwuchtel bist, nein! Du hast mir auch nicht genug vertraut um es mir zu sagen! Im Gegenteil du hast mir vorgespielt das du eine Freundin hast! Von da an war es mir egal, was aus dir wird. Ich wollte es nur miterleben. Irgendwie hab ich gehofft du sagst es mir und wir könnten noch mal von Vorne anfangen, aber du bist in deinem Selbstmitleid versunken. Hast dich Tag für Tag mit Vodka, Whisky und anderen Sachen zu geschüttet nur um der Realität zu entfliehen. Da war meine Rolle leicht zu spielen.“ Mit einer Platzwunde an der Stirn richtet sich Chris wieder auf. Vom Schlag ist er spürbar benommen. Sein Blick ist verschwommen und sein Oberkörper schwankt von der einen auf die andere Seite, so dass er nur noch mit größter Kraft sich aufrecht halten kann. Sofort bekommt er wieder die Pistole gegen den Kopf gedrückt.

„Als sich dann Kira in mich verliebte war es noch einfacher, die passende Ausrede dafür keine Zeit zu haben. Sie war Mittel zum Zweck, der Sex war zwar nicht der Beste, aber was soll es. Immer noch besser als kein Sex. Du warst wieder allein. Dann kamen mir aber Hans und Vic mit ihrer Idee von einem Urlaub in die quere. Den beiden etwas auszureden ist sowieso unmöglich also hab ich zugestimmt. Jetzt musste ich mitfahren. Du hattest schon immer einen Bezug zum Meer. Ich hatte gehofft du ertränkst dich vielleicht, aber dann kam dieser Typ und hat alles ruiniert! Da kommt einer mit hübschen Augen und schon hat’s dir den Kopf verdreht.“

„Du hast sie einfach geopfert? Ihn kanntest du nicht mal!“ stammelt Chris vor sich hin.

„Bauern opfert man! Ich bin mir zwar noch nicht sicher wie ich aus der Sache rauskomme, aber mir wird schon was einfallen. Ich könnte jetzt eigentlich lachen wie in einem James Bond Film, aber das wäre albern und unpassend. Wir bringen es jetzt einfach hinter uns.“

 

Nun will Eric es zu Ende bringen. Erneut setzt er die Pistole an der Schläfe von Christopher an, dieser kniet in dem Scherbenhaufen vor seinem besten Freund in Erwartung auf das Ende. Resignierend senkt er seinen Kopf und wischt sie die Tränen aus dem Gesicht, diese Genugtuung will er Eric nicht auch noch geben. Ein letztes Mal atmet er ein so tief das sich sein Brustkorb aufbläht wie ein Luftballon.

Das kann es doch nicht sein!

denkt er sich. Seine Lungen schwellen wieder ab als er die Luft wieder aus seinen Körper hinaus bläst. In diesem Moment fasst er seinen Mut zusammen und schlägt die Waffe zur Seite. Flink greift nach einer großen Glasscherbe und stürzt sich auf Eric, welcher erschrocken zurück weicht und sich versucht zu verteidigen. Es bleibt im nur diese eine Chance um sich selbst zu retten, dass ist Chris bewusst und er schießt mit der Scherbe heran und trifft seinen ehemaligen Kumpel am Hals. Das Blut spritzt in einer geschwungen Line an die Wand. Geistes gegenwärtig drückt sich Eric die Hand auf die Wunde, aber das Blut schießt zwischen seinen Finger hin durch. Wütend über seine Unachtsamkeit versucht er zu fluchen, aber es kommen nur röchelnde Laute, Blut und Speichel aus seinem Mund. Durch die Wunde verliert er langsam das Gleichgewicht benommen auf der Stelle. Eric versucht halt zu finden und lehnt sich anegeschlagen gegen die Schrankwand. Gerade noch rechtzeitig! Chris versucht ihn ein zweites Mal mit der Scherbe zu verletzen, nur lässt er sich diesmal einfach fallen. Noch im Flug nach Unten gibt er zwei Schüsse ab, die Christopher an Brust und Schulter treffen. Von der Wucht der Schüsse aus nächster Nähe stürzt auch Chris zu Boden. Ungebremst kanllt sein Kopf auf den harten Boden und sein Sichtfeld verdunkelt sich. Nur noch Schemenhaft kann er die Hand von Eric erkennen, die sich nach ihm ausstreckt, bevor er das Bewusstsein verliert.

 

>> Ring <<< >>> Ring <<< >>> Ring <<< >>> Ring <<< schrillt das alte, olivfarbene Telefon was schon seit 20 Jahren in dem Büro steht. Hartnäckig ignoriert er das Klingeln und blättert weiter den Sportteil seiner Zeitung durch. Entspannt trinkt er einen Schluck des schlecht gebrühten Kaffees, der aus der noch älteren Kaffeemaschine stammt die hinter ihm steht. „Endlich!“ stöhnt er als das Telefon aufhört zu klingeln. „Ging mir ja langsam auf den Sack!“ Er wirft einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr und muss feststellen, dass er noch 7 Stunden und 30 Minuten Dienst hat. Er legt die Zeitung weg und lehnt sich in seinem Stuhl zurück, als er schon wieder gestört wird. Es klopft an der Tür und eine junge schwarzhaarige Frau, mit brauen Augen und dunklem Teint betritt, den mit Schalosien abgedunkelten Raum, welcher nach alten Rauch und Schweiß stinkt. Ihre schlanken Beine werden von den hellen Jeans nur noch mehr betont und ihre üppige Oberweite durch die Bluse hervorgehoben. Skeptisch verschränkt sie die Arme vor sich. „Schön dass man dich auch mal in der Arbeit vertieft findet.“ Grinst sie ihn an und fährt fort. „Der Boss hat dich versucht an zu rufen. Es gibt einen neuen Fall für uns.“ Nur mit Überwindung wuchtet er seinen massigen Körper aus dem Stuhl. Mit der einen Hand greift er nach seiner alten, fast schon zerlumpten Jacke und mit der anderen zieht er sich seine Hose wieder zu recht. Noch nicht mal aus dem Büro heraus muss er sich den Schweiß von seiner Glatze wische. Gemeinsam geht das ungewöhnliche Pärchen durch die Tiefgarage zu ihrem Dienstwagen. Sie setzt sich ans Steuer, während er ohne zu murren auf dem Beifahrersitz platz nimmt.

 

Nach einer knappen fünfzehnminütiger Fahrt kamen sie bei einem Strandhaus an. Vor Ort waren die Streifenpolizisten damit beschäftigt die Schaulustigen zurück zu halten und den Tatort abzusperren. Durch den Vorgarten, wo von der Spurensicherung schon Fotos gemacht werden. gelangen sie ins Haus wo sie ein Polizist aufhält. Die Beiden zücken ihre Dienstmarken „Hauptkommissarin Robin Perona und das ist mein Partner Oliver Broh.“ Der Polizist tritt bei Seite und lässt sie durch. Kaum haben sie die Tür durchschritten stehen sie vor Gerichtsmedizinerin Amanda Kramer, die sie in Empfang nimmt.

„Ihr beide bekommt auch immer die leichten Fälle oder?“ Stolz grinsend nickt Robin ihr zu. „Wir haben 3 Tote und einen schwer verletzten, dieser befindet sich gerade auf den Weg ins Krankenhaus. Der Notarzt war sich nicht sicher ob er durch kommt.“ erklärt die Ärztin die Situation.

„Armes Ding…“ unterbricht der Kommissar sie. „Kira Frank. 16 Jahre Alt. Sie gehörte zu den Vier Kids die hier einen Kurzurlaub gemacht haben. Starb vermutlich an einem massiven Schädeltrauma. Mehr kann ich aber erst nach der Obduktion sagen. Der Junge hier vorne wurde in den Rücken geschossen, der starke Blutverlust wird zum Tod geführt haben.“

„Und das dritte Opfer? Ich sehe nur zwei Leichen?“ stell Robin fest als sie sich umschaut. „Der Junge der auf dem Weg ins Krankenhaus ist lag dort drüben bei der großen Blutlache. Christopher Clay. Zwei Einschüsse. Das letzte Opfer haben wir unten am Strand gefunden. Ein 54 Jahre alter Mann, der Nachbar der die Polizei alarmiert hat. Mit einer Schuss nieder gestreckt… direkt ins Herz.“

In diesem Moment tritt ein Mitglied der Spurensicherung an die Drei heran. „Entschuldigen sie bitte, aber wir konnten noch keine Tatwaffe finden. Es wird noch etwas dauern bis wir alles durchsucht haben. Der Sturm hat auf der Veranda fast alle Spuren unbrauchbar gemacht. Bis auf eine tote Seemöwe und ein Buch, was vom Regen fast ausgewaschen ist, haben wir noch nichts gefunden.“

„Und warum sprichst du uns dann überhaupt an du Rettich! Komm gefälligst wenn du uns was zu erzählen hast!“ mault Kommissar Brohs ihn an. „Ja, natürlich entschuldigen sie! Wir können ihnen sagen dass dieses Haus einem Herren Peter Holdenbusch gehört. Sein Sohn Eric Holdenbusch wollte mit seinen Freunden hier für ein paar Tage ausspannen. Nur haben wir von ihm noch nichts gefunden.“

Eifrig notiert sich die schöne Kommissarin die wichtigsten Stichpunkte in ihr kleines Heftchen und schaut sich am Tatort um. „Was für ein Chaos. Da kommt noch einiges an Arbeit auf uns zu Oli.“

„Das ist doch alles Scheiße!“ und wischt sich die Schweißperlen mit seinem Stofftaschentuch von der Stirn.

 

EDNE

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Tag der Veröffentlichung: 17.03.2013

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