Cover

Höher, Schneller, Weiter


-
Diese Worte spielen nicht nur im Sport eine besondere Rolle, sondern auch beim ‚Wäschewaschen’.
Höher, Schneller, Weiter – Ohne diesen Leitgedanken besäßen wir heute weder eine Waschmaschine, noch einen Wäschetrockner.

Damals war die ‚große Wäsche’ noch echte Knochenarbeit. Umfangreiche Vorbereitungen waren nötig, bevor mit dem eigentlichen Waschen überhaupt begonnen werden konnte.

Als erstes heizte meine Mutter den Waschkessel in der Waschküche an. Der Kessel war in einem Behälter über der Feuerung angeordnet. Gleichzeitig wurde der Kessel über einen Wasserschlauch, der an der Wasserleitung angeschlossen war, mit kaltem Wasser gefüllt.

Während sich der Kessel aufheizte, stellte meine Mutter vier schwere in einander gestellte Zinkwannen nebeneinander auf. Sie benötigte die Wannen zum Spülen der mit Lauge getränkten Wäsche und füllte sie mit kaltem Wasser.

Danach trug meine Mutter die zu waschende Wäsche in Waschkörben in die Waschküche.

Sobald das Wasser im Waschkessel kochte, zogen wegen des Wasserdampfes dichte Nebelschwaden durch die Waschküche. Vor allem im Winter, wenn wegen der Kälte die Türe zum Hof zum Abziehen der Schwaden nicht geöffnet wurde, wurde die Sicht, die wegen der spärlichen Beleuchtung ohnehin gering war, nochmals erheblich eingeschränkt.
Meine Mutter tastete sich vorsichtig an die Wannen heran, wobei sie die wasserschwere Wäsche in der Holzzange eingeklemmt hatte. Sie musste aufpassen nicht zu rutschen, was geschehen ist und zu Verletzungen geführt hat. Dennoch setzte sie ihre Arbeit unermüdlich fort, indem sie dem Waschkessel Waschpulver hinzufügte und stückweise die Wäsche entnahm.

Während meine Oma noch mit einer langen Holzzange die gekochte Wäsche auf ein Waschbrett legte und durch reiben, stampfen und kneten versuchte, den Schmutz von der Wäsche zu lösen, erledigte diese harte Arbeit zwischenzeitlich das Schmuckstück in unserer Waschküche, die Bottichwaschmaschine.
Diese musste jedoch von Hand mit Wasser gefüllt werden. Zum Ablassen der Waschlauge gab es im unteren Bereich des Troges einen Wasserhahn mit angeschlossenem Schlauch.
Unter dem Bottich befand sich der Motor zum Antrieb. Auf der Achse im Innern erzeugte ein Drehkreuz die zur Reinigung erforderliche Bewegung der Wäsche. Die gewünschte Temperatur des Wassers in der Bottichwaschmaschine sowie die Waschzeit konnten an dieser Maschine durch entsprechende Vorkehrungen bereits eingestellt werden.

Nach einem Waschvorgang wurde die Wäsche wieder mit der großen Holzzange aus der Bottichwaschmaschine entnommen und in eine der Zinkwannen hinein gelegt. Da bei diesem Vorgang stets heißes Wasser, das wieder ergänzt werden musste, über den Waschküchenboden floss, trug meine Mutter spätestens bei diesem Vorgang Holzschuhe, um nicht auszurutschen.
In der ersten Wanne wurde die Wäsche kräftig durchgespült, von Hand ausgewrungen und anschließend in die zweite Zinkwanne gelegt, um sie immer mehr von der Restlauge zu befreien, was sich bis zur vierten Wanne so fortsetzte.

Danach wurde die triefend nasse Wäsche in einer elektrischen Schleuder tropffrei geschleudert, so dass sie bei schönem Wetter auf der Wäscheleine im Garten bzw. bei schlechtem Wetter auf dem Speicher zum Trocknen aufgehangen werden konnte


Bis die gesamte Wäsche von 14 Tagen gewaschen war, wiederholte sich der beschriebene Vorgang oftmals. Erst am Abend hing endlich das letzte Wäschestück auf der Leine. Beendet war der Waschtag damit allerdings noch nicht.
Die Bottichwaschmaschine musste mit Leitungswasser ausgespült und gereinigt werden, ebenso die vier Zinkwannen von Laugenresten befreit, die Asche aus dem Aschekasten des Waschkessels entsorgt und zum Schluss noch der Boden der Waschküche geputzt werden.

Etwa von Anfang der 50-ziger Jahre bis Anfang der 60-ziger Jahre sollte dieser Waschtag den Stand der Technik für meine Mutter bedeuten.

Getreu dem Motto – höher, schneller, weiter – änderte sich mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts durch die Anschaffung einer Waschmaschine mit revolutionierender Technik das ‚Wäschewaschen’ dramatisch. Bei dieser Waschmaschine handelte es sich um eine Wäschetrommel, die als Toplader ausgeführt war, kombiniert mit einer Wäscheschleuder. Diese Maschine stand von nun ab nicht mehr in der Waschküche, sondern im Badezimmer. Das Frischwasser wurde der Wasserleitung durch einen Hahn entnommen, während sich das Abwasser in der Badewanne ergoss.
Das Waschen war nun nicht nur eine wesentliche körperliche Erleichterung. Die einzige Arbeit bestand noch darin, die Wäsche der Trommel zu entnehmen und damit die Schleuder zu bestücken.
Während der Zeit des programmierten Waschvorgangs konnte sich meine Mutter anderen Tätigkeiten zuwenden, was in früheren Zeiten unmöglich gewesen war. Lediglich das bisherige Wäschetrocknen nahm noch seinen gewohnten Lauf.

War der neue Waschautomat bereits ein für damalige Verhältnisse unvorstellbarer Sprung nach vorne gewesen, so sollte seine Zeit im Vergleich zu seinem Vorgänger, der Bottichwaschmaschine, nur eine kleine Episode darstellen.

Der nächste Fortschritt unter dem Slogan „höher, schneller, weiter“ entwickelte sich somit in einem bisher nicht gekannten rasanten Tempo fort und sollte in einer vollautomatisch arbeitenden Waschmaschine und einem Wäschetrockner einen neuen Höhepunkt finden, der mit Sicherheit aber noch nicht das Ende der ‚Fahnenstange’ bedeuten wird.

Auf die Funktionsweise dieser Maschine will ich nur ansatzweise eingehen:
Sobald die geladene Maschine gestartet wird, holt sie eine gewisse Menge Wasser. Der Wasserstand wird mit einem Druckwächter genau überwacht. Abhängig von der zu waschenden Kleidung und der eingefüllten Wäschemenge saugt die Wäsche einen gewissen Teil des eingelaufenen Wassers auf.
Nach einer Laufzeit von weniger als einer Minute fragt die Elektronik den Druckwächter ab und ermittelt so die genaue Differenz des Wasserstandes. Durch diese Differenz ermittelt die Elektronik tabellarisch, um welche Wäschemenge es sich handelt.

Im Ausblick lässt sich feststellen, dass die Anforderungen des Wäschewaschens sich zwischen früher und heute total verlagert haben. Während früher die schwere körperliche Arbeit den Menschen voll in Anspruch nahm und Unfälle durch Verbrühen am heißen Wasser und Ausrutschen auf nassem Boden sich ereignen konnten, liegt heute die Problematik, entsprechend der stets weiter fortschreitenden Entwicklung – „höher, schneller, weiter“ – neben dem Verständnis der komplizierten Technik der Maschine in der richtigen Anwendung der einzelnen Temperaturprogramme, sowie der speziell entwickelten, auf die Wäsche abgestimmten Waschpulver. Auch die Trocknerprogramme bedürfen einer sachgerechten Anwendung, soll die Wäsche nicht Einlaufen oder sonstige Schäden davontragen.

Das illustrierte Beispiel ‚Wäschewaschen’ zeigt anschaulich, wie ohne den Ehrgeiz – „höher, schneller, weiter“ – die Menschheit nicht auf dem technischen und gesellschaftlichen Stand der heutigen Zeit wäre.

Impressum

Texte: Wettbewerbsbeitrag Text Copyright by Helga Salfer
Tag der Veröffentlichung: 23.06.2009

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /