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Prolog

Das Pferd ritt die Straße entlang. Es war ein schönes schneeweißes Pferd. Sein Fell besaß keinen einzigen Tupfer einer anderen Farbe. Es wirke äußerst gepflegt und sein Besitzer steckte offenbar viel Zeit in sein Pferd und der Tatsache, dass es ihm gut ging.

Sein Reiter trug einen braunen, eher älteren Kapuzenumhang, der sein Gesicht verdeckte.

An seiner Seite trug er ein schimmerndes Schwert. Er trieb das Pferd an und versuchte noch schneller zu reiten. Zwar waren dicke Stofflappen um die Hufe des Pferdes gebunden, um seine Hufgeklapper zu dämpfen, aber inzwischen war es dem Reiter egal, ob er gehört wurde. Er trieb das Pferd nochmals an, als wollte er es zu Tode reiten. Man konnte meinen, es ginge um Leben und Tod, so schnell preschte das Tier die Straße entlang. Auf einmal hielt der Reiter sein Pferd ruckartig an und lauschte. Das Geräusch von klappernden Hufen wurde herüber getragen. Lautlos glitten Ross und Reiter ins Unterholz des Waldes, durch den der Weg führte. Er suchte sich die Stelle an der die Bäume am dichtesten beieinander standen, um vom Weg aus nicht gesehen zu werden. Dann wartete er.

Nach ein paar Minuten kamen die ersten Pferde. Ganz vorne auf einem weißen Pferd mit schwarzen Flecken, saß ein Mann, eingehüllt in einer schwarzen Rüstung. Der Wartende im Wald erkannte ihn sofort trotz des Helmes, denn jener trug ein Wappen auf der Brust. Außerdem hatte er ihn schon oft genug gesehen. Man nannte ihn den Schwarzen Ritter.

Das lag nicht nur daran, dass er eine schwarze Rüstung trug, oder an seinem Wappen, das einen roten Drachen zeigte, der von einem schwarzen Schwert geköpft wurde, sondern daran, dass er der schlimmste Raubritter seiner Zeit war. Bedauerlicherweise war er noch dazu einer der besten Schwertmeister. So hinterließ er überall Angst und Schrecken. Da niemand seinen wirklichen Namen kannte, nannten sie ihn bloß den Schwarzen Ritter. Manche behaupteten sogar er sei der Teufel persönlich. Die wenigen die seinen wirklichen Namen kannten, waren entweder tot, gingen ihm aus dem Weg oder versteckten sich - so wie der Reiter im Unterholz.

Der Schwarze Ritter ritt an seinem versteckten Bekannten vorbei, ohne ihn zu bemerken, gefolgt von seinen zwölf Schülern, ebenfalls zu Pferd, und hinter ihnen kamen zu viele Soldaten auf Pferden, um sie zu zählen. Die einzigen Pferde, die gepflegt wirkten waren, die seiner Schüler und sein eigenes. Keines der Pferde der Soldaten wirkte nur annähernd gepflegt und man konnte ihnen ansehen, dass sie mindestens schon seit zwei Tagen ritten. Die Soldaten wirkten etwas wacher, jedoch nicht in Topform. Der Unbekannte vermutete, dass der Schwarze Ritter sie bis zum nächsten Dorf treiben wollte und erst dann direkt davor ihr Lager aufschlagen wollte um sein Kommen schon anzukündigen. Er liebte es Menschen schon so einzuschüchtern, dass sie aufgaben bevor er überhaupt da war.

Nach fünf Minuten kamen die ersten Fußsoldaten. Und er wartete fast 20 weitere Minuten, bis der Zug endlich vorüber war und die ersten Kutschen in Sicht kamen. Manche der Kutschen waren prachtvoll verzieht und hatten vermutlich so viel gekostet wie dazu nötig war um mehrere tausend Menschen mit Lebensmittel zu versorgen andere wirkten, als würden sie bald ein Rad verlieren. Offenbar hatte er inzwischen schon so viel Ausbeute, dass er es sich nicht leisten konnte nur die besten und prachtvollsten Kutschen zu verwenden. In ihnen wurde nicht nur die Ausbeute sondern auch die Verpflegung transportiert, außerdem waren sie außerordentlich gut bewacht. Der Reiter im Unterholz wartete ab, bis nichts mehr von den Pferden zu hören war. Dann lenkte er sein Pferd wieder auf den Weg. Nun hatte er es nicht mehr so eilig. Gemütlich begann das Pferd in einen Trab zufallen, aber der Reiter trieb es nicht mehr an, sondern fügte sich willig. Er wusste, dass er zu spät war. Er konnte nichts mehr tun.

Leo

„Nieder mit ihnen!“ Schrie Theon. Er war ein ganz passabler Kämpfer, zwar nicht besonders klug, aber wenn sie es mit jemandem wie den Schwarzen Ritter zu tun hatten, war Leo froh, dass Theon die Männer des Dorfes anführte. Er hatte die lange braune, verfilzte Haare und Bart und die Statur eines Kriegers. Obwohl er nur ein einfacher Bauer war hielt er das Schwert inzwischen schon so sicher in der Hand als hätte er noch nie in seinem Leben etwas anderes getan.

Leos kleine Schwester Maya lugte hinter ihm aus dem Haus. „Du solltest drinnen bleiben“ fuhr er sie an. „Komm mit hinein, bitte“ flehte diese. „Nein. Ich bin schon fast zehn. Ich werde mit den Männern kämpfen“, erwiderte Leo stur. Hinter ihnen prallten die ersten Soldaten des Ritters auf die Dorfbewohner. Ein Pfeil landete surrend eine Handbreit neben seinem Kopf im Holz der Tür. „Geh rein,“, fuhr er seine Schwester abermals an. Dann schnappte er sich den Sperr, den er selbst aus einem Stück Holz angefertigt hatte und stürmte ins Gedränge.

Noch hatten sie einen Vorteil. Durch die Barrikaden, die sie errichtet hatten, war vorerst nur ein Loch gesprengt worden und nicht mehr als zehn Männer konnten durch das Loch stürmen, um sogleich von den Dorfbewohnern niedergemetzelt zu werden. Sie hatten die ganze Woche an ihnen gebaut. Sie hatten alles angehäuft was sie finden konnten. So befand sich schlussendlich mehr außerhalb der Häuser, als in deren inneren.

„Wir können sie nie alle töten“, hatte Theon gesagt. „Aber wenn wir schon sterben müssen, werden wir es auf jeden Fall versuchen.“ Leo stimmte ihm zu. Sie hätten sich zwar ergeben und dem Schwarzen Ritter dienen können - als Sklaven natürlich. Aber die Männer würden mit ihm mit in die nächste Schlacht ziehen müssen, die Frauen würden vergewaltigt werden und die Kinder würden verhungern, da durch die Abgaben, die er verlangte nicht genug zu essen für sie übrig blieb. Da starb er auch lieber in der Schlacht gegen diese Barbaren.

Langsam wurde der Strom an Soldaten immer größer und Leo war längst nicht mehr in der dritten Reihe. Die Dorfbewohner wurden langsam aber sicher immer weiter zurück gedrängt. Dann fiel der Dorfbewohner vor ihm und Leo befand sich plötzlich an der Front. Er durchbohrte mit seinem Sperr den Bauch eines Soldaten, der ihn wegen seiner Größe nicht sah. Allerdings blieb der Sperr in der Rückseite des Kettenhemds stecken und Leo konnte ihn nicht mehr heraus ziehen. Er griff einfach nach dem Schwert des Soldaten. Es war so schwer, dass er es kaum anheben konnte. Er ließ es liegen und schnappte sich einen Sperr eines anderen Soldaten. Martin ein etwas älter Bauer, den Leo immer sehr gemocht hatte stellte sich schützend vor ihn und erledigte sogar gleich zwei weitere Soldaten auf einen Streich. Ein brennender Pfeil surrte über seinen Kopf und blieb im nächstgelegenen Haus stecken. Leo wandte sich um, um eine Möglichkeit zu finden das Feuer zu löschen.

Dann brachen die Soldaten auf der Rückseite und von links durch die Barriere und das reine Chaos brach aus. Theon war der erste der ihnen zum Opfer fiel. Das Schwert sank so tief in sein Brustkorb, dass es auf der anderen Seite wieder heraus kam. Röchelnd brach er zusammen. Dann wurde Leos Blick auf ihn von einem Soldaten verdeckt. Leo reagierte zu langsam und der Soldat schlug ihm den Sperr lachend aus der Hand. Er wollte schon zu einem Schlag ausholen um ihn zu köpfen, da sprang Leo vor und rammte ihm seinen Dolch in den Bauch. Dann rannte er so schnell er konnte, den Dolch fest umklammert. Das Feuer hatte sich schnell ausgebreitet und mehr als die Hälfte der Häuser brannten schon. Er versteckte sich hinter ein paar Fässern, um kurz einmal tief durchzuatmen, als eine neue Explosion den Wall erschütterte. Dieser erzitterte und fiel ganz in sich zusammen, wobei er einige Dorfbewohner erschlug, die dahinter Schutz gesucht hatten. „Wir werden nieder gerannt“ schoss es Leo durch den Kopf. Die anderen Dorfbewohner erkannten das wohl auch, denn es brach Panik unter ihnen aus und es war nun ein Leichtes für die Soldaten, sie zu entwaffnen. Die meisten ließen die Waffen fallen und bettelten um ihr Leben. Manche hatten Glück, aber etliche Soldaten stachen trotzdem auf sie ein. Dann sah er ihn.

Augenblickliche Stille machte sich breit. Er ritt mitten auf den Dorfplatz zu und die Menge wich wie von selbst zurück. In der Mitte blieb sein Pferd stehen. Eine Weile betrachtete er die um ihm stehenden Soldaten, die knienden Dorfbewohner und die Mütter, die mit ihren Kindern aus den brennenden Häusern gekommen waren. Dann stieg er ab und klappte sein Visier auf. Ein Kind weinte leise. Der Schwarze Ritter sah sich um, bis er das weinende Kind erblickte. „Komm her“ sagte er mit so sanfter Stimme zu dem weinenden Mädchen. Entsetzt stellte Leo fest, dass es Maya war. Als sie sich nicht von der Stelle rührte, riss ein Soldat sie aus den Armen ihrer Mutter und brachte sie nach vorne. Der Schwarze Ritter strich ihr sanft über den Kopf und sagte gerade laut genug, dass ihn alle hören konnten: „Ist ja gut, ich will euch bloß helfen.“

Er ging in die Knie um auf Augenhöhe mit Maya zu sein.

„Du möchtest das es aufhört, das du nicht ständig mit dieser Angst leben musst, dass jemand euch angreift oder dir und deiner Familie wehtut, richtig?“ fuhr er fort.

Er klang so sanft, als würde er nichts anderes wollen, als diesem kleinen Mädchen ein schönes Leben bereiten.

„Das möchtest du doch?“ er wartete ab, als wolle er, dass sie ihm die Frage beantwortete.

Zögernd nickte Maya schließlich.

„Keine Sorge. Ich werde dich von deinem Leiden erlösen“.

Er richtete sich wieder auf und seine Hand zog geschmeidig das Schwert aus der Scheide.

„Nein“ , schrie Leo, sprang mit gezücktem Dolch vor und rannte auf den Schwarzen Ritter zu. Dieser hielt inne und starrte ihn an.

Keiner der Soldaten hielt ihn auf, als Leo auf den Raubritter zu rannte. Sie waren wie erstarrt und so überrascht, dass sie ihn nur fassungslos anstarren konnten. Leo erreichte den Ritter und stach zu. Dieser wich mit Leichtigkeit aus und schlug ihm den Dolch aus der Hand. Dann beförderte er ihn mit einer einzigen fließenden Bewegung zu Boden und stieß Maya sein Schwert ins Herz.

„Nein“, schrie Leo und stürmte zu seiner toten Schwester. Ihr Kleid färbte sich rot, ihr Gesicht blass.

Tränen rannen ihm die Wangen hinunter und er sah nur noch alles verschwommen. Er saß bloß da und hielt weinend seine Schwester in den Armen. Ihr warmes Blut verteilte sich auf seiner Kleidung. Er bekam nicht mit, wie die Soldaten seine Mutter töteten, bei dem Versuch, zu ihrer Tochter zu kommen.

Dann, ohne jegliche Vorwarnung sprang er auf und stürmte auf den Ritter zu. Dieser hatte ihm den Rücken zugedreht und so traf sein erster Faustschlag das Ziel. Der Raubritter lachte und fing seine weiteren Angriffe ab, dann packte er ihn am Genick und schleuderte ihn so hart auf den Boden, dass er glaubte Sterne zu sehen.

„Du gefällst mir“ hörte er ihn sagen.

„Ihn nehme ich mit“, sagte der Schwarze Ritter.

Leo spürte wie er von mehreren Soldaten gepackt wurde.

„Aber bringt ihn nicht um“, lachte der Ritter. „Tötet den Rest“, fuhr er sachlich fort.

Dann wurde Leo schwarz vor Augen.

Vergangen

Leo erwachte gähnend. Heute hatte er wieder davon geträumt. Es war das erste Mal seit langem. Obwohl es schon vier Jahre her war, spürte er immer noch den Schmerz. Er fragte sich wieder einmal, wie ein so guter Mensch etwas so grauenvolles tun konnte.

Julian und Titus schliefen noch. Er schlüpfte aus dem Bett und kleidete sich an, möglichst darauf bedacht seine beiden Freunde nicht zu wecken. Er kroch aus dem Zelt und streckte sich. Von irgendwo her kam der Geruch von gegrillten Hühnchen. Sein Magen knurrte. Er schlenderte durch das Lager, vorbei an bunten Zelten und lachenden Soldaten auf der Suche nach etwas zu essen. „Hey Leo“ ,rief ihm einer der Soldaten zu „Setz dich doch zu uns“ „Vielleicht ein anderes Mal Reus“ rief er zurück. Heute hatte er das Bedürfnis alleine zu Frühstücken. Er holte sich aus dem Suppenzelt Gulasch und ein Stück Brot. Er setzte sich etwas abseits vom Lager an den Fluss, zog sich die Schuhe aus und ließ die Beine hinein baumeln. Er hatte es eigentlich nicht so schlecht. Früher hatte er nicht einmal Schuhe gehabt. Er musste sogar zugeben, dass es ihm jetzt besser ging. Er musste nicht hungern, konnte sich sogar soviel essen nehmen wie er wollte, die Leute respektierten ihn, luden ihn ein sich zu ihnen zu setzten als wäre er eine Berühmtheit. Und er hatte den besten Schwertmeister den es gab. Es machte ihm nichts mehr Spaß als sich mit Titus und Julian im Schwertkampf zu messen, durch die Ländereien zu ziehen, oder auf ihren Pferden um die Wette zu reiten. Trotzdem vermisste er Maya und seine Eltern. Mayas Lachen, ihre blonden Locken, genau die selben, wie die seiner Mutter, die Geschichten, die ihre Mutter ihnen immer erzählt hatte. Er wusste, dass er diese Liste immer weiter fortführen konnte, aber er versuchte sie Möglichst zu verdrängen. Er wusste, dass er diese Dinge nie wieder erleben würde sie gehörten seiner Vergangenheit an. Es würde nur weh tun sich daran zu erinnern.

Dennoch das würde er ihm nie verzeihen. Egal wie schön er es hier bei ihm hatte. Allerdings hatte sich seine Wut gelegt und das Bedürfnis ihm ein Schwert ins Herz zu rammen war verschwunden.

Er schlang den Rest des Essens hinunter, schlüpfte in die Schuhe und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Zelt. Er würde sonst noch zu spät zur nächsten Stunde kommen.

Gewonnen und verloren

Die Verwüstung war riesig. Überall lagen Tote. An ein paar Stellen brannte noch Feuer.

Dazwischen lagen Tote, ein paar wenige Verwundete, die noch nicht tot waren und tote Pferde.

Die noch lebenden Ritter, Soldaten und Kinder strömten in die Burg, die wenige Meter entfernt lag. Es waren nicht viele Überlebende.

Markus stand am Wehrgang der Burg und blickte hinunter auf das bunte Treiben. Sein Vater hatte den Überlebenden befohlen, den Wachen am Tor ihren Namen zu nennen, sodass diese ihn in eine Liste eintragen konnten. So wurde festgestellt, wer noch lebte und wer tot war.

Sie hatten gewonnen. Der Krieg gegen Hubertus dem Großen war vorbei und sein Vater hatte wirklich gute Laune. Warum freute er sich nur nicht? Jetzt konnte er wieder mit Maximilian auf der Wiese spielen und den Bauernkindern beim Beeren suchen helfen, auch wenn das ihrem Vater nicht gefiel.

Wo blieb Maximilian bloß? Er müsste doch schon längst da sein. Bevor ihn jemand aufhalten konnte flitzte er hinunter zum Tor. Als eine der Wachen ihn sah, verbeugte sie sich vor ihm und fragte: „Was macht Ihr den hier, Prinz Markus?“

„Ich wollte wissen ob du meinen Bruder gesehen hast“, erwiderte der achtjährige.

Der Wachmann schüttelte traurig den Kopf. „Aber du kannst die anderen beiden Soldaten fragen, vielleicht haben sie ihn gesehen.“

Markus bedankte sich bei dem Mann und fragte noch die anderen beiden Soldaten, aber er hatte kein Glück. Verzweifelt rannte er durch das offen stehende Burgtor hinaus auf das Schlachtfeld. Immer wieder rief er laut: „Max, Max wo bist du?“ Er erhielt keine Antwort.

Er murmelte ununterbrochen verzweifelt vor sich hin „Du darfst nicht tot sein. Sei nicht tot.“

Aber er hatte keinen Erfolg. Er rannte von einer Leiche zur nächsten, aber er fand seinen Zwillingsbruder nicht.

Vor einer Woche hatten er und Maximilian ihrem Vater und ein paar Bediensteten einen Streich gespielt. Der König hatte sie erwischt. Jedenfalls einen von ihnen: Maximilian. Er hatte daraufhin einen Wutanfall bekommen und gemeint, er müsse ihm eine Lektion erteilen. Deshalb hatte er ihn zusammen mit den anderen Kindern in den Krieg geschickt. Ohne diese Maßnahme hätten sie sicher verloren. Selbst wenn es grausam war, achtjährige Jungen in den Krieg zu schicken, aber so hatten sie mehr Soldaten.

Als die Sonne untergegangen war, gab Markus die Suche auf und trottete zurück zur Burg.

Er hatte Glück im Unglück, denn das Burgtor stand noch offen. Allen Anschein nach, hatte ihn niemand gesucht, denn alle schienen bester Laune und es gab reichlich Bier zu trinken.

Ohne die anderen Burgbewohner und Bauern zu beachten, rannte er zu einer zum Wehrgang führenden Treppe. Oben angelangt huschte er auf eine abgelegene Treppe, die in einen Turm führte zu. Mehr stolpernd als rennend wankte er die Wendeltreppe hinauf. Er öffnete die Tür und verriegelte sie hinter sich. Dann warf er sich auf einen der Strohsäcke und weinte.

Das kleine Turmzimmer hatte er mit Maximilian und ein paar Bauernkindern eingerichtet. Es war nicht besonders groß, war aber der einzige Ort, ausgenommen der Waldrand und die Wiese davor an dem sie ungestört spielen konnten. In dem Raum lagen ein paar Strohsäcke, mehrere Holzschwerter, die jedoch wesentlich kleiner waren als Echte und Holzschilde, die die Größe eines Tellers hatten. Ein paar wenig Bücher befanden sich ebenfalls im Raum. Maximilian und er hatten versucht, den Bauernkindern lesen beizubringen.

Nach etwa zwei Stunden klopfte es an der Tür. Markus sah von seinem Strohsack auf. Seine Tränen waren inzwischen versiegt, aber sie hatten Salzspuren auf seinen Wangen hinterlassen. Er schluckte.

„Prinz Markus, Prinz Markus seid ihr da drinnen?“ tönte eine Stimme durch die Tür.

Markus kannte sie nur allzu gut. Es war die Stimme Alexandrus, einem äußerst pingeligen Dieners seines Vaters, der immer mit ihm und Maximilian geschimpft hatte, wenn sie mit den Bauernkindern spielten. Er konnte die langen Vorträge, die er ihnen immer hielt fast auswendig und er war sich ziemlich sicher, dass in kürze so einer kommen würde. Markus antwortete ihm nicht.

„Soll der mich ruhig suchen“, dachte er.

Der Diener seufzte, dann entfernte er sich wieder. Markus schwieg.

„Er hat sicher bemerkt, dass die Tür verriegelt war. Vermutlich holt er jetzt Verstärkung um mich hier raus zu holen“, dachte er.

Markus schob den Riegel zur Seite und schlüpfte aus dem Zimmer. Von Alexandrus war weit und breit nichts zu sehen. Markus rannte die Treppe so leise er konnte hinunter und blieb auf dem Wehrgang stehen. Jetzt sah er seinen Vater. Er saß am Ende der langen Tafel und schien bei bester Laune zu sein. Dass einer seiner Söhne tot war, schien ihn nicht zu stören. Er schien auch den Tod seiner Frau, die ungefähr vor einer Woche gestorben war, vergessen zu haben. Er prostete ein paar Soldaten zu lachte laut auf und brüllte irgendjemanden etwas zu so das sich seine Speichel auf dem Tisch vor ihm dekorativ verteilte.

In diesem Moment kam ungeheuerer Hass in Markus auf. Er mochte seinen Vater noch nie besonders, aber in diesem Moment hasste er ihn über alles. Im kamen Tränen vor Wut.

„Ich will hier weg, einfach nur weg“ dachte er. „Alle die ich lieb habe, sind ohnehin schon tot.“ Dann fiel ihm seine kleine Schwester ein. Sie war erst ein Jahr alt. Er rannte vom Wehrgang zum Palas, dem Hauptgebäude der Burg und Markus Ansicht nach auch das schönste. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend erreichte er schließlich die Kemenate. Er klopfte vorsichtig und wartete.

„Ja“ ertönte eine Frauenstimme von drinnen. Markus öffnete die Tür.

In dem Raum saß eine Amme. Sie saß in einem Schaukelstuhl vor dem Kamin und vor ihr auf dem Boden spielte seine kleine Schwester mit ein paar Holzfiguren.

„Mein Vater hat gesagt er möchte dich sprechen“ log Markus.

Dann fügte er noch hinzu: „Er hat gesagt, ich soll inzwischen auf meine Schwester aufpassen.“

Die Amme nickte und ging aus dem Raum. Markus schloss die Tür. Dann rannte er zu seiner Schwester, kniete sich zu ihr auf den Boden und sah ihr in die Augen.

„Didia, ich muss weg von hier. Ich suche einen anderen Ort, an dem ich gut leben kann. Wenn ich einen gefunden habe, komme ich zurück und hole dich. Versprochen!“

Dann umarmte er seine kleine Schwester und verschwand, bevor die Amme seine Lüge durchschaut haben konnte.

Markus rannte in ihr Schlafzimmer. Er öffnete die große Kiste, in der Sachen von ihm und Maximilian aufbewahrt waren. Er stopfte seine Lieblingskleidung in einen Sack, den er in einem Gang gefunden hatte und hängte seinen kleinen Dolch an seinen Gürtel. Seinen dicken Lieblingsmantel warf er sich um. Einerseits, da es draußen sicher nicht wärmer werden würde andererseits passte er nicht mehr in den Sack, wenn er noch Proviant mitnehmen wollte. Den Weg in die Küche kannte er ausgezeichnet. Er machte sich nicht die Mühe sich dort zu verstecken, niemand würde hier sein, alle waren draußen und feierten. Die perfekte Gelegenheit, um Essen zu stehlen.

Gott sei Dank war die Küche wirklich leer. Markus wickelte ein paar Lebensmittel in ein Tuch und steckte sie ebenfalls in den Sack.

„Jetzt brauche ich nur noch ein Schwert“ dachte er. Der Junge lief so schnell er konnte zurück ins Turmzimmer. Dort angekommen warf er die Bücher in den Sack.

„Wer weiß. Vielleicht kann ich sie noch gebrauchen“ überlegte er.

Er steckte sich ein Holzschwert in den Gürtel und nahm sich ein Holzschild. Den Sack warf er sich über die Schulter. Er war inzwischen ganz schön schwer geworden. So angepackt rannte er, so gut es ging, die Treppe hinunter. Das Tor stand noch immer offen. Man hatte sich nicht die Mühe gemacht Wachen auf zu stellen. Leichtsinnig! Aber so war der König nun mal. Niemand beachtete Markus, als er durch das Burgtor sauste. Er rannte über das Schlachtfeld. Markus fiel hin und rappelte sich wieder auf. So schnell wie möglich wollte er den Krieg vergessen, alles hier vergessen! Aber wie könnte er das, denn Maximilian war ja tot.

Wieder kamen dem Jungen die Tränen, aber dieses mal versuchte er sie zurück zu halten, schließlich wollte er etwas sehen. Dann stolperte er in den Wald und die Bäume verschluckten ihn.

Zuhause

Er hörte ein Rascheln neben sich. Dann fuhr die Schwertklinge auf ihn nieder. Er wich aus und fiel vom Baum. Lautlos landete der Angreifer hinter ihm. Markus reagierte gerade noch rechtzeitig, um das Schwert zu parieren. Ein weiteres Schwert tauchte hinter dem Angreifer auf und der Angreifer wurde zum Angegriffenen. Er duckte sich weg und schlug dem Jungen, der hinter ihm aufgetaucht war, mit Leichtigkeit das Schwert aus der Hand. Dann wandte er sich wieder Markus zu und tat das nämliche.

„Ich hab schon wieder gewonnen. Also ehrlich Jungs, manchmal seid ihr viel zu langsam.“

Das Mädchen schüttelte den Kopf und ließ ihr Schwert zurück in die Scheide gleiten, während die Jungen ihre Schwerter aufhoben und es ihr gleich taten. Sie waren es gewohnt, gegen Flora zu verlieren. Dann machten sie sich gemeinsam zurück auf den Weg zur Höhle.

Sie schlüpften durch die Öffnung im Felsen, der den kleinen Platz vor ihrer Höhle wie ein Ring umgab. Wusste man nichts von der Öffnung hätte man sie nie gefunden. Sie gingen in die größere der beiden Höhlen. Kurz nach dem Eingang brannte ein gemütliches Feuer. Auf der rechten Seite war eine Einkerbung im Felsen. Dort schliefen sie. Der Fels dahinter war schon brüchig und sie hatten kleine Fächer hinein gemacht, um ihre Sachen verstauen zu können. Am Ende der Höhle führte ein Tunnel tief in den Fels hinein. Nach einigen Metern kamen jeweils links und rechts noch eine kleinere Höhle. Die rechte diente zur Aufbewahrung der Lebensmittel, die linke gehörte Peter. Auf der linken Seite neben der größeren Höhle war noch eine kleinere, die sie als Pferdestall nutzen.

Didia

Didia stand am Wehrgang und blickte hinunter ins Tal. Markus verspätete sich, wieder einmal.

„Was machst du da?“

Didia wandte sich um. „Rufus! Was willst du hier!“ fuhr sie den Fünfjährigen an.

„Warum stiehlst du dich eigentlich immer heimlich weg?“ überging er ihre Frage.

„Das geht dich nichts an. Du darfst hier überhaupt nicht rauf.“

„Du aber auch nicht.“

„Darf ich sehr wohl. Ich bin schließlich sechs Jahre älter als du. Und jetzt verschwinde sonst erzähle ich Vater, dass du hier warst.“

Trotzig starrte Rufus sie an, dann wandte er sich wortlos um und hüpfte die Stufen vom Wehrgang hinunter. Didia wartete bis sein blond gelockter Haarschopf verschwunden war, dann wandte sie sich wieder um und hoffte, dass Rufus das Seil nicht gesehen hatte.

„Bitte, nimm mich dieses Mal mit“, waren die ersten Worte, die sie sprach, als Markus seinen Kopf über die Zinnen der Burg streckte.

Er lachte leise, zog sich geschickt das letzte Stück hoch und landete geschmeidig wie eine Katze auf dem Wehrgang. „Du weißt doch, was Peter gesagt hat.“

„Aber du hast mir versprochen, dass du mich mitnimmst.“

Markus sah sie ernst an. „Hab noch ein bisschen Geduld, okay? Nur noch ein paar Wochen.“

„Das hast du schon vor ein paar Wochen gesagt“, erwiderte Didia betrübt.

„Ach komm schon. So schlimm ist es hier auch wieder nicht.“

„Du kannst leicht reden. Du bist ja abgehauen. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie anstrengend es ist, sieben Geschwister zu haben, die ständig etwas von dir wollen?“

Markus lachte wieder. „Oh ja, ich hab da so eine Schwester.“

Didia warf ihm einen bösen Blick zu und Markus lachte abermals.

Didia seufzte und meinte „Ich wünschte, du würdest mich einfach mitnehmen.“

„Du weißt doch...“

„Ja ja, ich weiß: der Schwarze Ritter ist bald da, im Winter gibt es nicht genug für uns alle zu Essen, wenn du mich mit nimmst. Ihr müsst noch dies und das tun… ich bin diese ganzen Ausreden so leid.“

Markus schwieg und sah sie schuldbewusst an. „Weißt du… jedes Mal, wenn ich Peter darauf anspreche, meint er bloß, du wärst hier sicherer... Und ehrlich gesagt, muss ich im Recht geben.“ „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht beschützen musst. Ich kann auf mich selbst aufpassen.“

Markus sah sie bloß zweifelnd an.

„Was?“

„Schön. Ich versuche es noch Mal.“ Er wirkte ziemlich unzufrieden.

„Gut!“

Sie saßen eine Zeit lang schweigend nebeneinander auf dem Wehrgang.

„Ich sollte dann mal wieder.“

Didia nickte. Markus umarmte seine kleine Schwester, dann kletterte er das Seil wieder hinunter. Didia beobachtete noch, wie er unten angekommen auf seinen schönen schwarzen Hengst stieg und im Galopp Richtung Wald verschwand. Wenn sie doch nur so frei sein könnte wie er.

 

„Ich muss mit dir reden“, mehr stand nicht auf dem Stück Pergament, dass der Rabe Markus gebracht hatte.

„Was ist?“ wollte Flora wissen und reckte den Kopf um zu sehen was Didia geschrieben hatte.

Er reichte es ihr wortlos.

„Hm. Sie drückt sich doch sonst nie so kryptisch aus.“

„Ja“ Markus sah sie nachdenklich an.

„Was ist los? Heckt ihr beiden schon wieder Pläne aus?“ sagte Maximilian und setzte sich neben sie.

„Didia will mit ihm reden.“

„Worüber?“

„Keine Ahnung, Max. Das hat sie nicht geschrieben“, seufzte Markus.

„Wir sollten sie da einfach raus holen“, meinte Flora. „Ohne Peter zu fragen. Sie einfach mitnehmen und dann nicht mehr gehen lassen.“

Maximilian schnaubte. „Das kannst du vielleicht machen, aber wir dürfen dann sicher für das nächste Monat Nachtwachen schieben und denn Stall ausmisten. Außerdem ist es für Didia viel sicherer, wenn sie dort bleibt wo sie gerade ist.“

Flora zuckte mit den Schultern „Dann halt nicht.“

„Ich werde mich auf jeden Fall mit ihr treffen und sie fragen, was los ist“, seufzte Markus.

Er kritzelte auf die Rückseite des Pergaments, dass er in der nächsten Nacht um die selbe Zeit kommen würde. „Übernimmt jemand von euch meine Nachtwache?“

Ein Stöhnen der beiden zeigte ihm ihre Begeisterung.

„Sie ist auch deine Schwester“, sagte er entnervt zu Maximilian.

„Ja. Deshalb finde ich es auch unfair, dass du dich ständig mit ihr triffst.“

„Wisst ihr was“, unterbrach Flora sie, bevor sie anfangen konnten zu streiten, „Ich übernehme und ihr geht beide zu ihr.“

 

Didia war noch nicht da, als sie die Burg erreichten. „Bist du sicher, dass das die richtige Stelle ist?“ fragte Maximilian, als sie schon etwas über einer Stunde gewartet hatten.

Markus warf ihm einen entnervten Blick zu und nickte. Er zog die Pferde noch in Stück näher in den Schatten der Burg. Er verstand Maximilians Unruhe. Er fragte sich auch langsam, ob etwas schief gegangen war. Didia hatte sich nie mehr als zehn Minuten verspätet und wartete meistens schon Stunden vorher auf seinen Besuch.

„Da!“ riss Maximilian ihn aus seinen Gedanken. Keine zwei Meter vor ihnen wurde ein Seil die Mauer hinunter gelassen. Erleichtert griff Markus danach und begann sich hoch zu ziehen. Maximilian folgte ihm zügig.

Didia trug ein Kleid. Eines dieser vornehmen Kleider in blau und rot mit einer Menge Spitze und Stickereien. Dazu noch eine Kette, die mit Rubinen besetzt war und eine zierliche Krone im Haar. Markus hatte sie eine Sekunde lang nicht erkannt. Seine Schwester hasste Kleider. Sie trug meistens eine Hose unter dem schlichten Kleid, das man sie gezwungen hatte zu tragen. Ihre Krone trug sie sonst nie und auf Schmuck legte sie keinen besonderen Wert. Sie wirkte auch entsprechend glücklich.

„Ich hatte dich nicht ganz so in Erinnerung“, waren Maximilians erste Worte.

„Du bist auch gekommen“, sagte Didia und schaffte es sogar zu lächeln, obwohl sie so aussah, als wäre ihr zum Heulen zumute.

„Was ist mit dir passiert?“ fragte Markus. „Hat Alexandrus dich gezwungen, dich endlich wie eine Dame anzuziehen?“

Didia öffnete den Mund, um ihm zu antworten, aber alles was herauskam war ein Schluchzen. Dann fing sie an, lautlos zu weinen.

„Hey ist ja gut“ Tröstend nahm Markus sie in den Arm und Maximilian strich ihr über den Rücken während er wachsam den Blick über den Wehrgang schweifen ließ. Nach dem sich Didia etwas beruhigt hatte, begann sie zu erzählen.

Ihr Vater hatte beschlossen, sie zu verheiraten. Mit Artus II., dem König von Burg Hohenstein, einem brutalen, trinksüchtigen, besitzergreifenden Mann, dessen Vater früh unter seltsamen Umständen verstorben war, womit er schon in jungen Jahren den Thron bestiegen hatte. Ganz zu schweigen davon, dass er ungefähr doppelt so alt war wie Didia.

Er hatte ihrem Vater entweder die Wahl gelassen, ihm seine älteste Tochter zur Gemahlin zu geben oder er würde sein Königreich dem Erdboden gleich machen. Natürlich hatte ihr Vater nach gegeben. Er bevorzugte es immer, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Und solange er König blieb, kümmerte ihn Didias Schicksal herzlich wenig. Artus II. war mit seinen Gefolge zu Besuch gekommen und habe die Hochzeit in einer Woche angesetzt. Dann wollte er sie mit auf seine Burg nehmen. Bis zur Hochzeit ließ er sie allerdings bewachen und sie hatte es nur durch Glück geschafft, sich weg zu schleichen, indem sie behauptet hatte, zu Bett zu gehen und sich dann leise aus der Kammer gestohlen hatte.

„Die einzige Möglichkeit ist, dass ihr mich mitnehmt, sonst muss ich ihn wirklich heiraten.“

Wieder rannen Didia Tränen über die Wangen. Markus hatte seine Schwester noch nie so verzweifelt gesehen.

„Wenn wir dich jetzt mitnehmen, wird er glauben, Vater hätte dich versteckt, bloß um dich nicht verheiraten zu müssen. Dann wird er alle töten“, sagte Maximilian tonlos.

„Und wenn du wegläufst, wird er das selbe tun“, meinte Markus niedergeschlagen.

„Ihr holt mich nicht raus“, flüsterte Didia und wurde blass.

„Doch. Wir werden dich raus holen. Wir lassen uns was einfallen. Wir werden…“

„Wir werden Peter um Rat fragen. Wenn dich einer hier raus holen kann, dann er“, vervollständigte Maximilian seinen Satz.

„Aber wie wollt ihr mir dann Bescheid geben? Ich kann mich nicht noch mal wegschleichen und ich bin mir ziemlich sicher, dass Artus II. jeden Raben abfangen lässt.“

„Wir finden einen Weg. Versprochen. Du solltest aber schnell wieder zurück, bevor jemand merkt, dass du weg bist.“

Didia nickte wieder etwas hoffnungsvoller und rannte, so schnell es in ihrem Kleid ging, wieder zurück, allerdings nicht, bevor sie ihre Brüder umarmt und das Seil wieder losgebunden hatte, nachdem sie beide unten waren.

Bedrückt stiegen die beiden auf ihre Pferde und ritten los.

„Ihr seht ja nicht besonders erfreut aus“, meinte Flora und ließ sich aus dem Baum fallen, auf dem sie Wache gehalten hatte.

„Vater will Didia zwangsverheiraten und wenn sie das nicht tut, bringt ihr Möchtegern Bräutigam alle in der Stadt um“, brummte Markus.

„Oh. Ich bin mir sicher, Peter hat eine Idee“, meinte Flora optimistisch.

„Hoffentlich hast du Recht“, seufzte Maximilian und stieg vom Pferd. „Nimmst du mein Pferd mit? Ich halte noch den Rest der Wache“, sagte Markus und drückte die Zügel seinem Zwillingsbruder in die Hand.

„Es ist eh nicht viel los“ gähnte Flora und verschwand mit Maximilian in Richtung Höhle. Er sah ihnen hinterher und dachte bei sich „Das ist es nie. Peter hat uns nur dazu verdonnert falls etwas passiert und das auch erst seit letzter Zeit.“

Neuankömmlinge

Markus nickte mehrere Male fast ein. Zu seinem Glück war er äußerst bedrückt und saß auf einem Baum. Daher konnte er nicht so einfach schlafen, sonst hätte er die beiden nicht gesehen.

Einer von beiden war verletzt, das konnte er trotz der Dunkelheit gut erkennen. So leise wie möglich kletterte er von seinem Baum und schlich näher. Sie hatten ein kleines Lagerfeuer errichtet und der Unverletzte der beiden starrte die ganze Zeit nervös in den Wald. Obwohl er etliche Meter entfernt kauerte, konnte Markus die schwere Wunde des anderen sehen. Er lag ziemlich nah am Feuer zitterte jedoch ununterbrochen. Die dreckigen Stofffetzen, die offenbar als hilfsmäßiger Verband verwendet wurden, waren blutdurchtränkt. Der Verletzte schien nicht bei Bewusstsein zu sein. In diesem Zustand konnte er nicht so schnell weiter, das wusste Markus. Der andere offenbar auch, aber Markus konnte das schlecht erkennen, da er sich im Schatten hielt und dadurch nur seine Kontur sichtbar war. Markus wagte es nicht näher heran zu gehen aus angst von ihm entdeckt zu werden. Er prägte sich die Stelle so gut ein, wie er konnte, dann schlich er aus der Hörweite der beiden und rannte so schnell er konnte zur Höhle. Er weckte alle.

„Muss das sein“ grummelte Maximilian und Flora gähnte. Als er ihnen von den Fremden erzählte, waren sie jedoch schnell wach und kleideten sich an.

„Glaubst du, dass sind die ersten Späher des Schwarzen Ritters?“ fragte Markus.

Peter schüttelte den Kopf. „Ich vermute eher, dass es die ersten Leute sind, die vor seiner Armee fliehen.“

Markus fand den Fleck ohne Probleme wieder. Sie kauerten sich alle nieder und beobachteten sie. „Die werden nicht mehr weit kommen“, stellte Peter leise fest. „Der eine ist ganz schön schwer verletzt. Ich könnte ihn vielleicht noch retten, aber ich bezweifle, dass der hier das schafft.“

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Maximilian.

„Nichts. Wir gehen zurück schlafen.“

„Aber wir können ihn doch nicht einfach sterben lassen!“

„Das werden wir auch nicht, aber jetzt können wir nichts tun. Sie werden Angst vor uns haben. Sie wissen schließlich nicht, auf wessen Seite wir stehen. Sie könnten uns genauso für Späher des Schwarzen Ritters halten. Nein, wir warten bis es hell wird und helfen ihnen dann. Sie können sowieso nicht weiter ziehen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und ging.

Flora und Maximilian folgten ihm stumm, während Markus seinen Platz im Baum wieder einnahm. Ihm gefiel die Tatsache nicht die beiden einfach alleine zu lassen. Er ließ sie die ganze Nacht über nicht aus den Augen.

 

„Ich finde trotzdem, dass wir sie einfach entwaffnen sollten und mitnehmen,“ murrte Flora.

„Das sagst du bloß, weil Peter dich gezwungen hat ein Kleid anzuziehen“, lächelte Markus.

Flora hasste Kleider und die Tatsache, dass immer sie auf fremde Leute zugehen musste und zwar lächelnd und in einem Kleid. Ihr war klar, dass Fremde schneller lächelnden, blonden, Mädchen vertrauten, als Schwert schwingenden Männern, aber sie hasste es, wie ein normales Bauernmädchen zu wirken. Mit denen hatte sie so gut wie nichts gemeinsam.

Sie seufzte und zog die Schnur aus ihren Haaren, die diese zusammen hielt. Sie schüttelte noch einmal ihre blonden Haarmähne und atmete tief durch. Dann trat sie auf die Lichtung. Der unverletzte der beiden wirbelte sofort herum und richtete ein Schwert auf sie. Erst jetzt erkannte Flora, dass er eigentlich ein Mädchen war, ein paar Jahre älter als sie, mit kurzen schwarzen Locken und einem verrosteten Kurzschwert in der Hand.

Flora starrte sie erschrocken an, woraufhin dies das Schwert ein wenig sinken ließ und sagte:

„Wir wollen nichts von euch. Wir wollen bloß weiter ziehen und mein Bruder...“

Ihre Stimme versagte. Sie räusperte sich und sagte: „Mein Bruder ist schwer verletzt. Wenn wir auf euren Ländereien sind tut es mir leid. Wir werden so schnell wie möglich verschwinden.“

Flora sah sie an und meinte:„Ich will euch bloß helfen. Ein Freund von mir könnte deinen Bruder wieder gesund pflegen. Wir sind nicht eure Feinde wir wollen euch nur helfen.“

„Wir?“ fragte die Fremde misstrauisch.

„Naja, ich und meine Familie“ antwortete Flora. „Ein Freund von mir steht da hinten zwischen den Bäumen“. Flora deutete auf den Punkt an dem Markus stand. „Wir wollten euch nicht erschrecken, deshalb bin ich alleine gekommen. Darf er seinen Bruder holen, damit wir deinen Bruder in unser Lager bringen können?“

Die Fremde überlegte einen Moment lang, dann nickte sie.

Flora gab Markus ein Zeichen und dieser lief zurück zur Höhle, um Maximilian und eine Trage zu holen. „Ich heiße Flora. Und wie heißt du?“

Die Fremde sah sie zögernd an, unschlüssig ob sie ihr trauen sollte oder nicht.

„Ines“ sagte sie schließlich „Und das ist Moritz.“

„Wie ist das passiert“ fragte Flora und deutete auf Moritz Verletzung.

Ines schwieg und bevor sie sich durchgerungen hatte Flora zu antworten, kam Markus wieder mit Maximilian und der Trage. Mit Ines Erlaubnis und nachdem Flora die beiden vor gestellt hatte, verfrachteten sie Moritz auf die Trage und brachten sie zur Höhle. Ines und Flora folgten ihnen.

Sie brachten Moritz in den hinteren Teil der Höhle.

Peter begrüßte sie mit einem Kopfnicken und rührte weiter die Suppe über dem Feuer um.

Dann gab er etwas davon in eine Schale und reichte sie Ines.

„Du musst hungrig sein. Keine Sorge. Ich kümmere mich schon um ihn“, fügte er hinzu, als er Ines besorgten Blick nach ihrem Bruder sah. Er ging in den hinteren Teil der Höhle. Ines wirkte etwas beruhigter und sie setzten sich mit den anderen gemeinsam auf die Baumstümpfe, die ums Feuer lagen.

„Wer ist er?“, wollte Ines wissen, nachdem sie ihre Schale gelernt hatte.

„Das ist Peter. Er hat uns im Grunde alle aufgezogen. Mich hat er als Waisenkind gefunden und Markus und Maximilian hat er aufgenommen, nachdem sie von ihrem Vater davon gelaufen sind“, erklärte Flora.

„Das stimmt nicht ganz“, verbesserte Maximilian sie. „Mich hat er gesund gepflegt, nachdem ich im Krieg verwundet worden war. Und ich wollte dann nicht mehr nach Hause. Vor allem nicht, nachdem er Markus vollkommen verdreckt und ausgehungert im Wald gefunden hatte.“ Maximilian lachte.

Markus stieg die Schamesröte ins Gesicht. Sein Zwillingsbruder hatte Recht. Hätte Peter ihn nicht gefunden, wäre er verhungert.

„Warum bist du weggelaufen?“ fragte Ines ihn. „Und warum wolltest du nicht zurück?“

„Du kennst unseren Vater nicht“ sagte Maximilian verbissen. „Du musst wissen, er ist eigentlich der König dieses Landes, aber seine Untertanen sind ihm egal, solange er König bleibt. Das selbe gilt auch für seine Kinder“.

Maximilian schwieg und starrte eine Zeit lang ins Feuer, dann fuhr er fort: „Ich hätte damals nicht im Krieg kämpfen müssen, er, unser Vater hat mich geschickt“.

Seine Stimme brach. „Ich war gerade mal acht. Ich wäre fast gestorben.“ Er zog sein Hemd hoch und zeigte ihr die lange Narbe an seinem Rücken.

„Ohne Peter währe ich tot und meinem Vater wäre es egal. Nicht zu ihm zurück zu gehen war das Beste, was ich tun konnte.“

Ines schwieg betroffen.

„Tut mir leid“ sagte sie schließlich. „Ich wusste das nicht. Weißt du, ich und Moritz hatten tolle Eltern und sie sind jetzt tot. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es Eltern gibt, die ihre Kinder nicht lieben.“ Sie schwiegen alle.

 

„So das war‘s“, seufzte Peter und setzte sich zu ihnen. Er hatte mehrere Stunden Moritzs Wunde versorgt und wirkte sehr müde.

„Danke“ sagte Ines.

„Ich helfe gerne Leuten, die vor dem Schwarzen Ritter flüchten“ erwiderte er.

„Woher weißt du das?“

„Wer tut das heutzutage nicht?“

Ines nickte bedrückt. „Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben ihn aufzuhalten.“

„Vielleicht“, meinte Peter, „aber wenn, dann habe ich sie noch nicht gefunden.“

„Peter?“ fragte Maximilian zögernd. „Wir haben da noch ein kleines Problem wegen Didia.“

Peter seufzte lächelte aber und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er fortfahren konnte. Nachdem Peter auf den neusten Stand gebracht worden war, seufzte er abermals.

„Wen soll sie heiraten?“

„Artus II.“

„Ich lass mir was einfallen. Aber jetzt mal die komplizierten Dinge beiseite. Wenn Ines und Moritz hier bleiben, brauchen wir dringend neue Vorräte. Und nehmen wir mal an, wir kriegen Didia da irgendwie raus, dann erst recht. Ihr könntet Ines gleich mitnehmen und ihr ein bisschen den Wald zeigen.“

„Gute Idee“ meinte Flora „Aber zuerst zieh ich dieses doofe Kleid aus.“

Wald

Sie gingen zu Fuß. Bei Tageslicht wirkte der Wald kein bisschen bedrohlich, aber bei Nacht konnte man sich mit Leichtigkeit darin verirren, wenn man sich nicht auskannte. Flora hatte Bögen und Pfeile mitgenommen. Sie ließ einen von ihnen vor Ines Nase hin und her baumeln „Kannst du mit so einem umgehen?“ „Nicht besonders gut“, gestand Ines unsicher. Man konnte ihr ansehen, dass ihr erst jetzt bewusst wurde, dass sie keine einfachen Bauern waren. „Keine Sorge“, meinte Flora trocken. „Wir können dir beibringen wie es geht.“ Sie führten Ines zu einem großen Baum, desen Blätter schön grün leuchteten und sich etwas über die Baumkronen der anderen Laubbäume erhob. Auf Augenhöhe war eine Zielscheibe in den Stamm geritzt. Flora konnte sich noch gut daran erinner, wie Peter sie gemacht hatte, als er ihr das Bogenschießen bei gebracht hatte. Sie reicht Ines einen der Bögen und einige Pfeile. „Dann zeig mal was du kannst. Ines erster Schuss ging mehrere Meter daneben, der zweite Pfeil blieb in einem anderen Baum stecken. Flora verbesserte ihre Haltung und zeigte ihr, wie sie verhindern konnte, dass ihre Hand zu sehr zitterte. Markus und Maximilian hatten sich die übrigen zwei Bögen geschnappt und verkündeten, dass sie auch ein bisschen Üben würden. Nur halt mit lebendigen Zielscheiben. Flora nickte bloß geistesabwesend und war zu sehr damit beschäftigt Ines Tipps zu geben, um sie weiter zu beachten. Ines nächster Pfeil flog nur wenige Millimeter rechts vom Baum vorbei. Den Nächsten schoß sie dafür zu weit nach links. Dann gingen ihnen die Pfeile aus und sie mussten die Verschossenen holen. Der Pfeil, der im Baum steckte war am einfachsten zu finden allerdings am schwierigsten wieder mit zu nehmen. „In der Richtung mehrere Meter entfernt liegt übrigens ein kleiner Teich“, sagte Flora beiläufig und zeigte in die Richtung. „Man kann ihn von hier aus nicht sehen“, fügte sie hinzu, als sie sah wie Ines angesträngt danach sucht. „Oh.“ „Wir können später noch dorthin schauen.“ Sie las den letzten Pfeil vom Waldboden auf und schritt zügig wieder zurück an den Punkt, an dem sie ihre Bögen abgelegt hatten. Ines folgte ihr etwas unmotiviert. Es dauerte nicht lange da streifte auch schon der erste Pfeil den Baum. Ines lächelte und angespornt durch ihren Fortschritt legte sie gleich den nächsten Pfeil ein und schoß. „Langsamer“, riet Flora ihr. „Du hast hier alle Zeit der Welt. Dein Ziel wird dir nicht davon laufen, also konzentrier dich und lass den Pfeil erst dann los wenn du weißt, dass du treffen wirst.“ Bedrückt antwortete Ines ihr „Aber die Ziele bei denen es darauf ankommt, dass ich sie treffe bewegen sich nun einmal.“ Flora lächelte „Nicht wenn sie dich nicht sehen.“ Ines sah sie verwirrt an. Flora schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln „Sorgen wir erst einmal dafür, dass du unbewegliche Ziele triffst.“ Ines gab sich geschlagen und richtete ihren Bogen wieder auf den Baum.“ Flora konnte sehen, wie sie sich anstrengend konzentrierte, dann ließ sie den Pfeil los. Surrend blieb der Pfeil am Rand der Zielscheibe stecken. „Ich habe es geschafft“, jubelte Ines. Sie nahm sich einen weiteren Pfeil und konzentrierte sich abermals. Dieses mal war der Pfeil der Mitte noch ein bisschen näher. Wegen ihrer Freude ging der letzte Pfeil jedoch wieder daneben und sie machten sich aufs Neue auf die anderen zu suchen.

Nach einiger Zeit beendete Flora den Unterricht. „Wieso? Ich könnte noch weiter machen.“ Flora schüttelte den Kopf. „So lange kann sich niemand konzentrieren. Je länger du jetzt noch übst desto öfter wirst du daneben schießen.“ Enttäuscht gab Ines nach. „Was machen wir jetzt?“ „Jetzt werde ich dir zeigen wo du Beeren und Nüsse finden kannst, wo der Teich liegt und wo es Obstbäume gibt, die im Moment Früchte tragen. Womit willst du anfangen?“ „Was ist am nächsten?“ „Dann ab zum Teich“, beschloss Flora. „Wow.“ War das erste das Ines sagte sobald sie den Teich sah. Er lag auf einer kleinen Lichtung und Schilf wuchs um ihn herum. Nur an einer etwas breiteren Stelle war er frei davon. Wenige Meter davor waren Steine im Kreis aufgetürmt und in der Mitte lag etwas Asche. „Hier grillen wir die Fische, die wir gefangen haben und die, die wir nicht essen nehmen wir zum trocknen mit“, Flora deutete auf die Steine. „Übrigens ist der Teich an heißen Tagen auch eine tolle Möglichkeit sich ab zu kühlen. Ansonsten würde ich dir nicht raten hinein zu gehen. Er ist ziemlich kalt. Komm ich zeig dir wo es Beeren gibt.“

Nur wenige Meter weiter fingen die Brombeer- und Heidelbeersträucher nur so an zu wuchern. „Dort hinten sind noch Himbeersträucher“, sagte Flora und wies in die Richtung. Sie reichte Ines einen Sack „Hier.“ Ines sah sie einen Moment fragend an. „An deiner Stelle würde ich anfangen zu pflücken, wenn du im Winter nicht verhungern willst.“

Nachdem die Säcke schon ziemlich voll waren deutete Flora Ines an ihr zu folgen. Sie führte sie zu ein paar riesigen Birnen- und Zwetschkenbäumen und reichte ihr noch einen Sack. Sie konnte sehen wie begeistert Ines wirkte und warf ihr ihren eigenen Sack zu. „Ich werde hinauf klettern und sie hinunter schmeißen, dann musst du sie nur noch aufsammeln. In Ordnung?“ Ines wirkte erleichtert und nickte. Flora schwang sich im Baum hin und her und Pflückte eine Birne nach der anderen. Ines kam mit dem aufsammeln gar nicht mehr hinter her. Als der eine Sack voll war kletterte Flora auf den ersten Zwetschkenbaum und tat das nämliche. So bald auch der zweite Sack gefüllt war machten sie sich auf den Rückweg.

 

Als es Abend war, kamen sie hungrig und müde, dafür aber mit jeder Menge Früchte, Beeren zurück. Kurz vor der Höhle trafen sie auf Markus und Maximilian die auch ganze Arbeit geleistet hatten. Sie hatten einen Rehbock, 2 Fasane und mehrere Hasen erlegt. Peter war nicht da. Auf Ines Frage wo er sei, zuckten sie bloß mit den Schultern.

Sie suchten Ines ein paar Decken heraus und Maximilian machte sich zu seiner Nachtschicht auf. Flora würde ihn um Mitternacht ablösen.

 

Sie verbrachten fast die ganze Woche damit, ihre Vorräte aufzustocken. „Wir haben jetzt schließlich zwei Leute mehr, die auch das Bedürfnis haben etwas zu essen und sobald wir Didia geholt haben sogar drei“, sagte Peter, als die Zwillinge sich anfingen zu beschweren. „Es wird jetzt schon schwierig in der geringen Zeit die wir noch haben so viele Vorräte zu bekommen,“ meinte er entschieden. „Aber Peter bis zum Winter dauert es noch Wochen“, erwiderte Markus. „Noch.“ Maximilian seufzte „Aber…“ „Lass es“, meinte Flora. „Er wird sowieso nicht nach geben und bis jetzt hat er doch immer gewusst wie viele Vorräte wir brauchen, um über den Winter zu kommen.“ Die beiden wieder sprachen ihr nicht, obwohl ihnen anzusehen war, dass sie nicht der selben Meinung waren. Sie wussten jedoch, dass es keinen Sinn machte weiter zu diskutieren, wenn Flora sich einmal auf Peters Seite gestellt hatte.

Peter hatte Ines gefragt, ob sie auch Interesse hätte, die Schwertkunst zu erlernen und alles was dazu gehörte. Ines hatte kurz überlegt und dann zugestimmt. So überlies er das Sammeln, Jagen und Salben herstellen seinen älteren Schülern und verbrachte die meiste Zeit damit, Ines zu unterrichten oder Moritz Verbände zu wechseln.

Sein Fieber war schon gefallen und er war einmal war kurz aufgewacht. Peter hatte ihm etwas Suppe und Wasser eingeflößt und ihm versichert, dass er nicht sein Feind sei. Dann war er wieder eingeschlafen.

Maximilians und Markus Nervosität wuchs mit jedem Tag, der verstrich. Als sie am Abend vor der Hochzeit in die Höhle kamen, erwartete sie Ines schon.

„Ich hab Suppe gekocht“ sagte sie freudig „Und Moritz ist wach. Er würde euch gerne kennenlernen.“

„Wo ist Peter?“ fragte Markus.

„Er ist in die Stadt gegangen. Er meinte er müsse noch etwas erledigen.“

Markus nickte. Ein Stöhnen drang aus dem hinteren Teil der Höhle. Schnell folgten sie ihm. Moritz hatte sich aufgesetzt. Seine grünen Augen wirkten jetzt wieder lebendiger, er hatte etwas mehr Farbe im Gesicht und es schien ihm eindeutig besser zu gehen.

„Danke, dass ihr mir geholfen habt“, sagte er müde und versuchte aufzustehen, woran ihn allerdings alle hinderten.

„Du solltest dich noch ein wenig ausruhen und warten bis es dir besser geht“, sagte Flora bestimmt. „Seid ihr sicher? Ich möchte eure Gastfreundschaft nicht ausnützen.“

Markus lacht „Wir sind hier so eine Art Auffanglager aller Hilfsbedürftigen, die sich in diese Wälder verirren. Ihr könnt hierbleiben, solang ihr wollt. Oder sogar hier leben, wie wir. Der Wald ist groß genug, um uns alle zu versorgen.“ Die andern beiden nickten.

„Danke“, murmelte Moritz verlegen. „Aber seid ihr sicher, dass ihr uns hier haben wollt? Auf uns ist ein Kopfgeld ausgesetzt.“

„Weshalb?“ fragte Flora.

Das näher kommen von Hufen bewahrte ihn davor ihre Frage beantworten zu müssen. Peters weiße Stute blieb vor der Höhle stehen.

Er stieg ab und ließ sie laufen.

„Ah ihr seid schon alle da“ begrüßte er sie. Mit einer Handbewegung brach er Maximilians und Markus Redeschwall ab, bevor sie überhaupt damit anfangen konnten, ihn mit Fragen über seinen Plan Didia zu befreien zu durchlöchern.

„Ich habe eine Idee, wie wir sie da raus holen können, aber wir müssen uns gedulden bis es soweit ist und ihr beiden werdet nicht dabei sein.“

„Was? Wieso nicht? Sie ist unsere Schwester.“

Peter seufzte und die Zwillinge verstummten.

„Die Gefahr, dass ihr erkannt werdet ist zu groß.“

„Wir waren das letzte Mal in der Stadt als wir acht waren“, entgegnete Markus, fassungslos darüber nicht mitkommen zu dürfen.

„Ja, aber bedauerlicher Weise schaut ihr eurem Vater viel zu ähnlich. Ihr bleibt hier. Flora wird sich darum kümmern.“

Damit war die Diskussion zu Ende und sie aßen schweigend ihr Abendessen. Als Markus am nächsten Morgen wach wurde, sah er Flora und Peter am Höhleneingang stehen und leise miteinander sprechen. Peter hatte ihnen nicht gesagt wie er Didia raus hohlen wollte, aber Flora wusste es mit Sicherheit. Schließlich sollte sie es erledigen.

„Warum vertraut er ihr mehr als uns“ dachte er mit Verdruss.

„Du solltest los“, hörte er Peter sagen, als er näher kam.

Flora nickte und rief mit einem Pfiff ihr Pferd herbei. „Wir sehen uns am Abend mit Didia“ rief sie ihm zu und stieg samt dem großen Beutel, den sie trug aufs Pferd.

„Viel Glück“ sagte Peter.

Flora lächelte und gab ihrem Pferd die Sporen.

Artus II

Als sie den Waldrand erreicht hatte holte sie ihr einfaches Kleid aus dem Sack, zog es über ihr Gewand und stieg vom Pferd.

„Du musst hier leider auf mich warten, Fidelius“, sagte sie und strich ihrem Pferd über den Hals.

Dann schnappte sie sich den Beutel und machte sich auf den Weg zur Burg. Sie hatte sich die Stelle Ausgesucht, die dem Wald am nächsten lag, dennoch war es ein großes Stück, dass sie über die Wiese gehen musste bis sie die Stadt erreicht hatte. Es machte sie unruhig ohne Deckung die verlassene Wiese zu überqueren, aber sie hatte keine andere Wahl. Flora zwang sich langsamer zu gehen. Es währe noch auffälliger gewesen zu rennen und das wollte sie auf keinen Fall.

Sobald sie in der Stadt war, war es einfach in der Menschenmasse zu verschwinden. Flora folgte einem Wagen, der wegen der vielen Menschen nur im Schritttempo fahren konnte. Kurz vor dem Tor legte sie ihren Beutel auf den Wagen. Eine Frau vor ihr wurde aufgehalten, weil sie einen Sack mit in die Burg nehmen wollte. Der Soldat fuhr sie barsch an und Flora verstand nur so viel vie verfluchtes Pack, bevor er den Sack in weitem Bogen in den Burggraben warf. Sie hörte noch wie die Frau verzweifelt „Nein“ schrie und zum Geländer rannte, um nach dem Sack Ausschau zu halten, dann wandte sie sich wieder ab und ging weiter. Die Soldaten beachteten Flora gar nicht als sie an ihnen vorbeiging. Unauffällig nahm sie den Beutel wieder von dem Wagen und verdrückte sich in eine Seitengasse. Sie suchte sich eine geeigneten Platz und versteckte den Sack. Dann machte sie sich auf die Suche.

 

 

„Ihr werdet sie nicht heiraten.“

Artus drehte sich um. Hinter ihm stand ein Mädchen, ungefähr sechzehn Jahre alt mit blonden Locken und so viel Selbstsicherheit, das sie die meisten des Adels darum beneidet hätten. Sie trug nur ein einfaches braunes Kleid, sauber aber ohne Wert. Er hätte sie sofort rausschmeißen lassen, aber ihr Selbstbewusstsein und die Tatsache, dass sie es überhaupt hier herein geschafft hatte hielten ihn davon ab.

„Und warum sollte ich das tun? Alle Gäste sind schon draußen, das Fest vorbereitet und meine Braut wartet schon sehnsüchtig auf mich. Warum sollte ich sie enttäuschen?“

„Ich bin mir sicher, es würde sie noch mehr enttäuschen, wenn sie nicht einen König heiraten würde, so wie sie es erwartet.“

„Wie bitte?“

Sie trat näher an ihn heran. „Ich bin mir sicher, dass sie nicht einen Verräter heiraten wollen würde, der seinen Vater ermordet hat, weil dieser ihm die Thronfolge absprechen wollte.“ Sie hob ein Fläschchen mit einer bräunlichen Flüssigkeit hoch.

Artus spürte, wie er blass wurde und noch bevor er ansetzen konnte, um ihr zu sagen, was für ein absoluter Schwachsinn das sei, fuhr sie fort.

„Was glaubt ihr, was wohl euer Volk dazu sagen würde, wenn sie das wüsste? Natürlich, ihr seid der König, aber euer Vater war beliebt. Bei einem Aufstand werdet Ihr die Krone nicht halten können und zweifellos würde kaum wer euch weiterhin so treu folgen.“

Artus schnellte vor, um dem frechen Weib eine Ohrfeige zu verpassen, aber sie wich elegant zurück und er verhedderte sich bloß in seinem Hochzeitsgewandt. Während er noch mit seinem Gewandt kämpfte, fuhr er sie an: „Dir wird sowieso niemand glauben. Du bist ein niemand“

„Vielleicht, aber ich bin gut darin, Dinge so zu beeinflussen, dass sie so enden, wie ich möchte. Schließlich bin ich auch hier hinein gekommen.“

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ ihn stehen, noch bevor er sich aus seinem Gewand befreit hatte oder ihm eine gute Erwiderung eingefallen war. Bedauerlicher Weise hatte sie Recht.

Hochzeit?

Flora klettert lächelnd aus dem Fenster und ließ sich durch das unter ihr in den darunter liegenden Raum fallen. Der erste Teil ihres Plans war erledigt. Jetzt musste sie nur noch Didia finden.

Das Problem war, dass sie weder wusste, wo sie suchen sollte, noch hatte sie Didia je gesehen.

Sie kannte sie bloß aus Maximilians und Markus Erzählungen.

Sie verließ den Raum und gelangte in einen langen Gang. Eine Zeit lang begegnete sie niemanden. Dann lugte sie um eine Ecke und sah mehrere Soldaten den Gang entlang kommen. Schnell öffnete sie die nächste Tür zu ihrer rechten und schlüpfte hinein. Mit angehaltenem Atem lauschte sie und hoffte, dass sie die Soldaten nicht gesehen hatten.

„Was machst du hier?“ Flora erstarrte und wirbelte herum, die Hand schon am Schwertgriff.

Hinter ihr stand ein Junge, nicht älter als fünf, mit blonden Locken und einem Spielzeugschwert in der Hand. Flora lächelte und nahm die Hand vom Schwertgriff.

„Ich habe gehofft, dass ich Didia hier finde“ sagte sie zu ihm.

„Wieso? Was willst du von ihr?“

„Ich bin eine Freundin von ihr und möchte ihr gratulieren, dass sie einen so tollen Gemahl gefunden hat.“

„Du lügst. Didia hasst ihn. Sie hat die ganze Zeit geweint und wollte nicht mehr mit mir spielen.“ Der Junge wirkte traurig.

„Wie heißt du?“

„Rufus.“

„Rufus, du möchtest doch, dass es Didia gut geht, richtig?“ Sie ging ein bisschen in die Knie um auf Augenhöhe mit ihm zu sein und legte eine Hand auf seine Schulter. „Ich möchte ihr helfen, aber dafür musst du mir sagen wo sie ist.“

Rufus sah sie lange aus seinen misstrauischen, blauen Augen an, dann nickte er.

„Sie ist im Westflügel des Palas, im dritten Stock, zweite Tür von links.“

Flora lächelte. „Danke“, und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Dann verließ sie den Raum und machte sich auf den Weg zu ihrem neuen Ziel. Bevor sie jedoch zu Didia ging, machte sie einen Stopp in der Seitengasse, in der sie den Sack versteckt hatte und holte diesen. Der Palas war streng bewacht, allerdings stand am Hintereingang nur ein Soldat und es war ein Kinderspiel, ihm weiß zu machen, dass sie der Amme nur ein paar wichtige Dinge bringen wollte. Im Inneren standen keine Soldaten und Flora musste nur die richtige Tür finden. Sie klopfte und trat ein.

Ein junges, zierliches Mädchen mit mittellangem braunen Haar blickte auf. Sie steckte schon in einem überladenen Hochzeitskleid und wirkte unglaublich zerbrechlich. Flora schloss die Tür hinter sich.

„Bist du Didia?“, fragte sie. Didia nickte.

„Ich bin Flora.“ Sie erkannte, dass Didia den Namen schon mindestens einmal gehört hatte, vermutlich von Markus.

„Ich werde dich hier raus hohlen, aber du musst dich noch ein bisschen gedulden. Artus wird die Hochzeit absagen. Dafür habe ich schon gesorgt. Vermutlich wird er dich vor dem Altar stehen lassen. Es wird dann alles im Chaos versinken. Du musst das hier unter deinem Hochzeitskleid anziehen“ Sie hielt ihr ein verdrecktes, abgenutztes, braunes Kleid hin, ungefähr in ihrer Größe. „Dann musst du dieses grässliche Kleid loswerden, sobald er verkündet hat, dass es keine Hochzeit geben wird. Mit diesem einfachen Kleid kannst du dann einfach in der Menge verschwinden. Ich warte auf dich bei der Fahnenstange, die dir am nächsten ist, okay?“

Didia sah sie ungläubig an. Langsam stahl sich ein erleichtertes Lächeln auf ihr Gesicht. Flora half ihr noch das dreckige Kleid unter ihrem Hochzeitskleid anzuziehen, dann machte sie sich auf den Weg zur ausgemachten Stelle.

 

Offenbar hatte Maximilians und Markus Vater einen riesigen Aufwand um die Hochzeit gemacht. Er hatte den Platz vor der Kirche räumen lassen und mit Rosenblättern bedeckt.

In der Mitte war ein kleines Podium für Priester, Braut und Bräutigam. Der Rand war mit Lilien und bunten Bändern geschmückt. Auf der Rückseite standen mindestens hundert Soldaten mit blank polierten Schilden, Kettenhemden und Schwertern, gefolgt von einer langen Reihe Ritter samt Pferden - alle samt in weiß. Ein kleines Orchester hatte sich rechts davon aufgestellt.

Flora sah mehrere Trompeten, Posaunen, Lauten und Geigen. Auf der linken Seite hatten sich Artus Soldaten versammelt. Der Rest des blumenlosen Teils war für das Volk bestimmt.

Es waren auch schon viele da. Sie hatten einen Gang vom Palas bis zum Podium frei gelassen. Manche waren auf die Fahnenstangen geklettert, die in wenigen Metern Entfernung über den Platz verstreut lagen und abwechselnd das Ambleu von Artus und Didias Vater trugen, um besser sehen zu können.

Flora kämpfte sich vor bis zu jener die sie Didia am nächsten vermutete. Sie hoffte, dass sie noch genug Zeit hatte zu einer anderen zu gelangen falls sie sich irrte. Sie wartete ungeduldig und fragte sich schon ob sie ebenfalls auf eine Fahnenstange klettern sollte um besser zu sehen, als die Menge zu johlen anfing. Flora stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können, aber die vielen Köpfe versperrten ihr den Weg.

Erst als Didia auf den freien Platz trat und auf das Podium zu ging, sah Flora sie. Didia wirkte nervös, aber gefasst, obwohl das aus der Entfernung schwer zu erkennen war.

Kurze Zeit später kam ihr Vater. Er ritt auf einem stolzen Schlachtross und hielt es neben dem Priester an. Zweifellos trug er seine besten Sachen, einen dicken Pelzumhang - rot natürlich, ein Hemd mit Perlen und Edelsteinen bestickt und eine Menge Ketten mit Rubinen und Smaragden.

Er hielt den Kopf mit der Krone stolz erhoben und Flora fragte sich, wie er es unter dieser Last überhaupt schaffte, sich am Pferd zu halten. Sie musste jedoch zugeben, dass Maximilian und Markus ihm sehr ähnlich schauten, wenn man sich den ganzen teuren prunk weg dachte.

Mehrere Minuten verstrichen und auch der König schien schon unruhig zu werden, aber Artus kam nicht. Nach einiger Zeit schickte der König ein paar Soldaten los um ihn zu holen.

Schlussendlich kam er doch. Er trug das Hochzeitsgewand, indem er sich bei dem Versuch Flora zu Ohrfeigen selbst gefesselt hatte, nicht mehr sondern ein einfaches Reisegewandt. Er ritt wenige Meter auf den leeren Platz, dann wanderte sein Blick zu Didia.

„Ich habe es mir anders überlegt. Ich will eure Tochter nicht heiraten“, verkündete er dem König zugewandt.

„Sie ist nicht nach meinem Geschmack. Wenn Ihr immer noch zu meinen Verbündeten gehören wollt, geht das in Ordnung. Ansonsten ist es mir Euer winziges Königreich nicht Wert, mir meine Finger schmutzig zu machen.“

Dann ließ er sein Pferd wenden und ritt durch das offene Burgtor. Seine Soldaten wirkten verwundert folgten ihm aber.

Dann brach heillose Durcheinander aus, wie Flora es vorhergesehen hatte.

Der König wurde furios und bestand darauf, dass Artus für die gesamte Hochzeit aufkommen müsse. Er brüllte ihm wüste Beschimpfungen hinterher, die dieser gar nicht mehr mit bekam.

Das Volk begann auf einmal laut ihre Meinung kund zu tun und dem König ihr Beileid oder ihren Glückwunsch auszusprechen, je nachdem wie sie es sahen. Die Soldaten hatten allerhand zu tun, um sie vom König fern zu halten.

Flora hatte Didia bald aus den Augen verloren.

„Didia war viel zu gut für dich!“, brüllte jemand links von ihr.

„Gar nicht war. Sie hatte es verdient Königin zu werden!“, brüllte ein bärtiger Mann unmittelbar vor Flora und schon bald entbrannte die erste Schlägerei. Flora wich instinktiv ein Stück zurück, als ein Schuh wenige Meter an ihr vorbeiflog.

Sie überlegte schon ob es nicht besser wäre, wo anders auf Didia zu warten, als diese plötzlich neben ihr stand. Sie hatte sich etwas Dreck ins Gesicht geschmiert und ihre Haare verwuschelt, aber sie strahlte übers ganze Gesicht. Schnell nahm Flora sie am Arm und zog sie Richtung Burgtor.

Sie umgingen die ärgsten Schlägereien und waren schon fast draußen, als ein Mann mit Halbglatze und einer Mistgabel auf sie losging. Flora fragte sich im Stillem, wie er Mitten auf einer Burg an eine Mistgabel gekommen war, und überwältigte ihn fast beiläufig.

Sie folgten der Masse an Frauen und Kindern, die vor der Prügelei davon liefen.

An der Stelle, die dem Wald am nächsten lag, bogen sie ab und begannen zu laufen. Sie hielten erst an, als sie den Waldrand erreicht hatten. Fidelius wartete schon auf sie. Flora schwang sich in den Sattel und zog Didia hinter sich aufs Pferd.

„Halt dich gut fest“ riet sie ihr noch, dann trieb sie Fidelius an und er galoppierte los.

Königskinder

Die Höhle war leer, als sie ankamen. Vermutlich übten sie sich wieder im Schwertkampf.

Flora sattelte ihr Pferd ab und ließ es laufen. Dann deutete sie Didia ihr zu folgen. Sie zog ihr Kleid aus und suchte ein paar ihrer alten Klamotten heraus, die Didia passen konnten. Sie reichte ihr einen Stapel und meinte, sie solle probieren, welche am besten passten.

Während Didia ihr Gewand begutachtete, räumte sie Fidelius Sattel und ihre Kleider weg. Dann richtete sie Didia einen Platz her, an dem sie schlafen konnte.

Moritz war wach und er bat Flora, ihm etwas zu trinken zu bringen. Sie folgte seiner Bitte und reicht ihm die Flasche.

„Also. Wie wurdest du verwundet?“

Moritz verschluckte sich fast. Flora sah ihn erwartungsvoll an.

„Es war ein fieser Hinterhalt. Wir konnten gerade noch entkommen, aber ich wurde verwundet und wir haben unser Pferd verloren.“

„Das ist eine sehr wage Beschreibung.“

Moritz seufzte „Die Soldaten haben uns entdeckt. Wir hatten gehofft an dieser Stelle noch durch zu kommen, aber offenbar haben wir uns geirrt. Wir sind los geritten so schnell wir konnten und dachten, wir hätten sie abgehängt. Dann wollten wir unser Lager für die Nacht in einer Senke aufgeschlagen. Wir dachten, wir würden sie gut sehen, wenn sie über die Kuppe kämen, aber sie waren schon vor uns dort. Zum Glück waren es nicht viele und wir konnten sie überwältigen, aber sie haben unser Pferd getötet und leider hatten sie selbst keine Pferde sonst hätten wir sie nehmen können um uns schneller von ihnen fort zu bewegen. Ines hat mich den Rest des Weges bis hierher geschleift. Frag mich nicht wie sie das geschafft hat.“

„Also kannst du gut mit dem Schwert umgehen, wenn du sie allein überwältigt hast.“

„Naja, ich kann mich verteidigen, außerdem waren das alles nur blutjunge Soldaten, die sie vermutlich im letzten Dorf rekrutiert haben und die das erste Mal ein Schwert in der Hand hatten. Mehr als die Hälfte von ihnen ist weggelaufen, als sie gemerkt haben, dass ich mich verteidigen kann.“

„Einer von ihnen hat dich aber doch erwischt.“

„Ehrlich gesagt, hatte ich gedacht er sei schon tot. Er hat mich überrascht und mir noch im Sterben einen Sperr in den Bauch gerammt.“

Moritz schwieg.

„Ich wollte sie nicht töten. Ich wollte nie irgendjemanden töten, aber sie hätten sonst mich und Ines getötet. Hätten sie sich nie dem Schwarzen Ritter angeschlossen, wäre das nie passiert.“

„Nein. Dann hätte er sie getötet und andere geschickt. Bedauerlicher Weise können sie nichts dafür. Sie wollten nur überleben und eben dadurch spielen sie ihm genau in die Hände. Würden sie alle aufhören, Angst vor ihm zu haben und seinen Befehlen nicht mehr folgen, hätte der Schwarze Ritter keine Armee mehr.“

Flora verstummte.

 

„Die passen.“

Didia trug jetzt eine braune Hose, die sie an den Beinen einmal umgeschlagen hatte und ein Hemd, das locker saß, aber nicht zu groß war. Sie wollte Flora den Rest zurückgeben, aber die meinte nur, sie solle sie behalten. Sie würden ihr sowieso nicht mehr passen.

Sie zeigte Didia wo sie schlafen und ihre Sachen hingeben konnte. Dann beschloss sie, ein Mittagessen zu kochen um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Didia half ihr und summte glücklich vor sich hin.

Als sie fertig waren ließen sie es noch ein wenig köcheln und halfen Moritz nach draußen.

Sie setzten sich in die Sonne und er begann ihnen lustige Geschichten zu erzählen, die ihm seine Mutter erzählt hatte, als er noch klein war.

Didia hing ihm an den Lippen, lachte aus ganzem Herzen und wirkte rundum glücklich.

Flora legte sich ins Gras, schloss die Augen und genoss es, einmal nichts zu tun.

Einige Stunden später kamen Peter, Maximilian, Markus und Ines zurück.

„Markus, Maximilian“ rief Didia begeistert aus und umarmte ihre Brüder, kaum dass sie vom Pferd gestiegen waren.

„Du hast es geschafft“, strahlte Markus, sobald er Didia losgelassen hatte und umarmt Flora ebenfalls. Sie erwiderte seine Umarmung freudig und lächelte stolz.

Hungrig machten sie sich über das Essen her und Ines erzählte in allen Einzelheiten, wie Peter Maximilian und Markus fertig gemacht hatte. Die beiden lächelten bloß. Für Ines war es noch neu, dass Peter zwei Leute besiegen konnte. Wenn man Peter nicht kannte, hielt man ihn einfach nur für einen liebenswürdigen, gutmütigen, etwas älteren Mann, aber keiner von ihnen hatte Peter je besiegt, nicht einmal Flora. Er kämpfte sogar regelmäßig gegen alle drei und gewann dabei immer. Er musste sich aber schon sehr anstrengen, worauf sie alle sehr stolz waren.

Anschließend erzählte Moritz noch einmal für die anderen, wie er zu seiner Verletzung gekommen war. Dann folgte ein unangenehmes Schweigen. Niemand wollte die Frage aussprechen, warum die beiden gejagt wurden.

Peter stellte sie schließlich.

Moritz und Ines tauschten kurz Blicke aus, während sie alle erwartungsvoll ansahen.

„Also genau genommen ist es nicht unsere Schulde - es ist eher so, dass, es hat eigentlich überhaupt nichts mit uns zu tun...“, begann Ines.

„Was sie sagen möchte ist, dass unser Vater der König des Königreiches war, dass den größten Widerstand gegen den Schwarzen Ritter geleistet hat“, sagte Moritz bestimmt.

Flora glaubte für eine Sekunde in Peters Augen ein Glitzern zu erkennen, aber es war so schnell wieder weg, dass sie sich nicht sicher war. Aber eines stand für sie fest: Peter wusste etwas darüber.

 

Die Münze

Mehrere Wochen vergingen ohne besondere Vorgänge. Meistens trainierten sie bis zum Nachmittag oder Peter zeigte ihnen eine weiter Pflanze zur Heilung eines Geschwürs oder zum Stoppen einer Blutung. Anschließend hatten sie Freizeit.

Maximilian verbrachte die meiste Zeit damit, Ines zu helfen, eines der Wildpferde zu fangen und zu zähmen. Flora, Markus und Didia trieben sich meistens im Wald herum, beobachteten die Eichhörnchen und die Rehherden oder gingen zum Teich schwimmen. Wenn sie nähere Ziele vor Augen hatten nahmen sie Moritz mit, der schon angefangen hatte herum zu meckern, dass er vor Langeweile sterben würde, wenn er noch länger in der Höhle tatenlos herum saß.

Die Wunde verheilte zwar gut, aber Peter hatte ihm verboten, sich mehr als nötig zu bewegen, solange noch die Gefahr bestand, dass sie wieder zu bluten anfing. Er war sogar mehrmals nahe dran, Moritz fest zu binden, da dieser meinte, er würde ohnehin aufpassen und keine zwei Minuten später Markus zum Schwertkampf aufforderte, oder versuchte zusammen mit Didia auf den nächsten Baum zu klettern.

Am gemütlichsten waren aber die Abende, die sie gemeinsam ums Feuer saßen und Geschichten erzählten. Da es schon langsam kälter und früher dunkel wurden saßen sie immer länger gemütlich zusammen und ab und zu kamen sie sogar in den Genuss, dass Peter etwas aus längst vergangener Zeit erzählte, als sie alle lange noch nicht geboren waren.

Eines Abends fragte Didia Moritz: „Wie war es eigentlich, als deine Eltern noch gelebt haben?“

Er starrte eine Weile gedankenverloren ins Feuer.

„Ich kann mich ehrlich gesagt, nicht mehr so genau daran erinnern. Ich war damals noch jünger als du jetzt - ich war erst sechs. Ich weiß noch, dass der Schwarze Ritter meinen Vater… überwältigen musste, weil sonst niemand anderer dazu in der Lage war.“

Stolz und Trauer schwangen in seiner Stimme mit.

„Es war ein riesen Gemetzel. Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie mich Ines aus der Stadt geschleift hat. Wir sind dann Dormeus, einem guten Freund unseres Vaters begegnet. Er hat uns in Sicherheit gebracht und nachdem er sicher war, dass niemand überlebt hat, ist er gemeinsam mit uns geflüchtet. Er ist vor einigen Jahren ebenfalls gestorben, bei dem Versuch ein Kind zu retten, dass an einer Klippe hing.“

Er verstummte.

„Wisst ihr, ich hatte noch eine kleine Schwester. Sie hieß Flora. Genau wie du.“

Er sah Flora an als könnte er dadurch seine Schwester wieder zum Leben erwecken.

Ines räusperte sich.

„Was er eigentlich sagen wollte ist, dass es wunderschön war. Wir haben in einer großen Burg gewohnt, wir waren eine glückliche Familie.“

Ihre Stimme erstarb und sie wandte den Kopf ab.

Maximilian legte tröstend einen Arm um sie.

„Alles was uns von damals geblieben ist, sind wir beide und das hier.“

Moritz holte eine kleine Goldmünze heraus und legte sie in Didias Hand. Sie war nicht größer als eine Fingerkuppe und etwas dicker als ein Stück Papier. Sie zeigte einen goldenen Drachen.

Didia glitt mit dem Finger darüber.

„Sie ist wunderschön.

„Sie zeigt das Wappen unserer Familie, von Burg Drachengold und gilt als Erkennungszeichen. Wann immer wir zu Feinden des Schwarzen Ritters kommen, können wir sie Vorweisen und bekommen dadurch Hilfe, denn viele kannten unseren Vater und helfen seiner Familie gerne, auch wenn er nicht mehr lebt.“

Didia reichte die Münze weiter, damit die andern sie auch betrachten konnten.

„Ganz schön praktisch“ meinte Markus, „obwohl, wenn wir so eine mit den Wappen unseres Vaters hätten, würden wir vermutlich verjagt werden.“

Maximilian lächelte. „Ja, mit Mistgabeln und Fackeln.“

Er reichte die Münze weiter an Flora. „Und jeder in deiner Familie hat so eine?“

„Ja, aber auch die engsten Freunde. Mit anderen Worten gesagt, die jenigen die unserem Vater etwas bedeutet haben und von denen er unter gar keinen Umständen wollte, dass ihnen etwas zustößt. Dormeus hatte auch eine, aber ich glaube, dass er der einzige außerhalb der Familie war, der eine besaß.“

Flora nickte gedankenverloren. „Ist sie etwas Wert? Ich meine, sie ist doch aus Gold. Habt ihr nie versucht sie zu verkaufen?“

Moritz lachte auf. „Verkaufen? Für jemanden, der nicht weiß, was sie bedeutet, ist sie höchstens ein paar Leibe Brot und etwas Fleisch Wert, aber wenn wir sie jemanden zeigen, der sie kennt, bekommen wir ein sicheres Lager und essen für Jahre. Warum sollten wir etwas so Wertvolles verkaufen?“

Die anderen nickten.

„Also hat Ines auch so eine?“

„Ja.“ Sie holte ihre hervor und hielt sie hoch.

Flora gab Moritz die Münze zurück. „Habt ihr so die letzten paar Jahre gelebt? Ihr seid von einem Verbündeten eures Vaters zum nächsten gezogen?“

„Ja, bis der Schwarze Ritter dahinter gekommen ist wo wir waren und den jenigen bei dem wir waren, getötet hat. Seid dem sind wir herumgezogen. Wir hatten gehofft, dass er uns so weit weg nicht finden würde. Schließlich reicht sein Einfluss nicht mehr bis hier her. Offenbar haben wir uns geirrt.“

„Er versucht schon seit Jahren dieses Königreich einzunehmen, aber Gott sei Dank, hält Karbus ihm immer noch stand und schützt uns dadurch. Allerdings ist es leider nur eine Frage der Zeit, bis er es auch einnimmt“, sagte Peter betrübt.

Er hatte bis jetzt nur schweigend zugehört. Dies war seine Art. Manchmal war er sogar so still, dass man sogar vergaß, dass er überhaupt da war. Vielleicht wusste er deshalb so viel über alles Bescheid. Weil er anderen lieber das Reden überließ, als über sich selbst zu erzählen.

„Wie kannst du da so sicher sein?“, fragte Ines besorgt. „Es hat ihm schon über fünf Jahre standgehalten. Vielleicht schaffen sie es sogar ihn zu besiegen“.

Flora konnte die Angst in ihren Augen sehen. Sie wusste zwar, dass der Schwarze Ritter gefährlich war, aber sie hatte ihn noch nie selbst gesehen. Sie verstand nicht, wie man nur so große Angst vor einem einzigen Mann haben konnte.

Peter ließ den Kopf sinken. „Ich habe Freunde in Karbus. Sie haben gesagt, sie würden ihn nicht mehr lange aufhalten können und mich gefragt, ob ich nicht einen Ort wüsste, an dem sie Frauen und Kinder verstecken könnten.“

Betretenes Schweigen folgte seinen Worten. Dann seufzte Peter abermals und schickte sie zu Bett.

 

Flora wühlte in ihren Sachen: sie hätte schwören können, sie hätte sie schon mal gesehen.

Ihre Finger glitten in die Tasche einer ihrer Hosen und berührten das kühle Metall. Sie zog es heraus. Die Münze schimmert rötlich im Schein des glimmenden Feuers. Jetzt fiel ihr auch wieder ein, dass Peter sie ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.

„Was ist, wenn sie eigentlich schon immer mir gehört hat und er sie mir bloß zurück gegeben hat“, schoss es ihr durch den Kopf.

Sie betrachtete die anderen. Maximilian schnarchte schon leise vor sich hin, Moritz schlief auch schon und Didia murmelte leise etwas im Schlaf vor sich hin. Markus hatte wieder Nachtschicht. Ines wälzte sich unruhig von einer Seite auf die andere.

Sie war sich sicher, dass Peter vermutlich noch wach war, aber sie konnte es nicht mit Sicherheit sagen, da er nie bei ihnen schlief, sondern zurückgezogen in seinem „eigenen kleinen Reich“, wie Flora es gerne nannte. Sie beschloss Peter morgen nach der Münze zu fragen. Sie hätte es auch gleich tun können, aber sie war sich nicht sicher, ob sie bei diese Unterhaltung ruhig bleiben konnte und sie wollte die anderen nicht wecken. Sie lag noch lange wach und schlief erst ein, als es fast schon dämmerte.

Wer bin ich?

Als Flora aufwachte, war Peter nicht da. Er hatte ihnen einen Zettel hinterlassen, obwohl er es auch bleiben lassen hätte können, denn auf dem Zettel stand bloß, dass er etwas erledigen müsse und bis zum Nachmittag zurück sei. Sie sollten sich einen schönen Tag machen und Moritz erhielt sogar die Erlaubnis auf zu stehen. Flora konnte das ungute Gefühl nicht los werden, dass Peter ihr aus dem Weg ging. Sie versuchte sich der guten Laune der anderen anzuschließen und schlenderte zusammen mit ihnen zum Teich.

Moritz fing einen großen Lachs und sie machten ein Lagerfeuer um ihn zu grillen. Sie fingen noch ein paar kleinere Fische und hielten sie zusammen mit dem anderen Fisch übers Feuer. Schon bald roch es köstlich. Sie warteten bis er durchgebraten war, setzten sich dann zum Teich und ließen die Füße ins Wasser baumeln. Dann schaffte es Moritz, sie zu amüsieren.

Er verkündete, er wolle sich auch ein Wildpferd fangen. Maximilian und Markus gaben ihm einen Strick zum Fangen des Pferdes und zeigten ihm nur allzu bereitwillig, an welchem Ort die Herde um diese Jahreszeit war. Sie schlichen sich alle gemeinsam an. Markus erklärte Moritz, dass er nur eine Schlaufe in den Strick machen und um eines der Pferd werfen müsse. Dann riet er ihm, es an einen Baum zu binden.

Moritz schlich sich noch ein Stück näher. Die Zwillinge deuteten den anderen hinter seinem Rücken an, auf die umstehenden Bäume zu klettern. Kaum waren sie oben, als Moritz mit Geschrei aus einem Busch stürmte und auf ein Pferd zulief. Er warf den Strick und erwischte erstaunlicherweise sogar ein Pferd. Die anderen Pferde flüchteten, so schnell sie konnten von der Lichtung.

Moritzs gefangenes Pferd bäumte sich auf und schleifte ihn, unter dem Gelächter der anderen auf der Lichtung herum. Schließlich bekamen Max und Markus doch Mitleid mit ihm und halfen ihm, das Pferd an einem Baum fest zu binden. Nachdem er wieder halbwegs normal atmen konnte, versuchte er aufzusteigen. Kaum hatte er den Rücken des Pferdes berührt, lag er schon wieder im Gras. Aber Moritz gab nicht so schnell auf. Er probierte es immer wieder und fluchte darüber, wie eigensinnig das Pferd war. Max und Markus versuchten ihm zu helfen, aber er lehnte es mit den Worten: „Ein wahrer Prinz zähmt sein Pferd allein“ ab.

So setzten sie sich in einigen Metern Entfernung hin und beobachteten, wie er versuchte, sich irgendwie am Rücken des Tieres zu halten. Er wurde immer kreativer bei den Versuchen, sich mit allen Tricks am Pferd zu halten. Und als er dann auf einmal am Bauch des Pferdes hing, mussten Max und Markus ihm doch zur Hilfe eilen.

Als es schon später Nachmittag war, verabschiedete Flora sich von den andern mit der Begründung, sie würde nachschauen, ob Peter schon wieder da sei. Sie rannte so schnell sie konnte zurück zur Höhle und holte die Münze hervor. Jetzt, als sie sie im Tageslicht sah, konnte sie erkennen, dass sie zweifellos identisch mit Moritzs war.

Sie ging auf den Tunnel zu und bog links ab. Nun stand sie in Peters „Zimmer“. Er hatte sorgfältig Regale in die Wände der Höhle gemacht, die übervoll mit Büchern waren. Man hatte fast den Eindruck, die Wände würden aus Büchern bestehen. Ein Bett stand in einer Ecke, ein Schreibtisch in der anderen. Peter saß davor, mit dem Rücken ihr zugewandt.

Als Flora eintrat wirbelte er herum.

„Ich muss mit dir reden“, sagte sie und wunderte sich dabei, dass ihre Stimme nicht zitterte.

Peter nickte und folgte ihr wieder zurück in den größeren Bereich der Höhle. Er deutete ihr sich zu setzen und begann das Abendessen vorzubereiten.

„Bin ich die Prinzessin. Bin ich ihre Schwester!?“ platzte es aus Flora heraus.

Peter seufzte, legte die Zutaten für ihr Abendessen, eine einfache Suppe mit etwas Fleisch, beiseite und wandte sich ihr wieder zu. Seine Ruhe brachte Flora zur Weißglut.

„Bin ich es oder nicht!?“ Verzweiflung lag in ihrer Stimme und sie wünschte sich nichts sehnlicher, als das er ihr sagte, dass das ganze nur ein Irrtum war und sie bloß seine Flora war: das Waisenkind, das er einst gerettet und groß gezogen hatte.

„Sie stand wieder auf und hielt ihm die Münze vor die Nase. Das war von Anfang an meine, richtig?“

„Setzt dich wieder hin“, sagte Peter bloß und wies mit der Hand auf den Baumstamm, von dem sie aufgesprungen war. Er fuhr erst fort, als sie sich gesetzt und etwas beruhigt hatte.

„Ich wusste das dieser Tag mal kommen würde. Ich werde dir die Wahrheit sagen. Auch wenn sie dir nicht gefallen könnte.“

 

Das Abendessen war schon fertig, als die anderen kamen.

Floras Gedanken überschlugen sich, aber sie hatte sich schon wieder ein bisschen gefasst.

Ihr war nicht mehr zum Heulen zumute und sie gab sich alle Mühe beherrscht zu wirken.

„Was ist los?“, fragte Markus, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

Peter antwortete statt ihr: „Ich habe mich entschlossen nicht mehr tatenlos herum zu sitzen. Ich habe eine Aufgabe für euch drei. Ihr werdet schon morgen früh los reiten.“

„Wohin? Was ist unser Ziel?“, fragte Max.

„Flora weiß Bescheid. Sie wird es euch sagen, wenn es soweit ist.“

„Warum können wir nicht mit. Warum dürfen nur die drei?“ maulte Moritz.

„Du und Ines seid noch zu unerfahren und ich möchte auf keinen Fall, dass Didia sich in Gefahr begibt.“

Die Zwillinge stimmten im stumm nickend zu.

Der Anfang

Leo blinzelte und kniff die Augen zusammen, als die Sonne sich in einem der Türme der Burg spiegelte und ihn blendete. Er war zum ersten Mal in Karbus. Die Burg gefiel ihm und er wurde nie müde, die vielen Türme zu zählen. Es war eine ganz schöne Herausforderung gewesen, in die Burg zu kommen. Die Wachen hatten ihn stundenlang gefilzt und ihm sein Schwert weggenommen, obwohl er ihnen beteuert hatte, dass er es bloß zu seiner Selbstverteidigung verwendete. Glücklicherweise hatte er nur ein einfaches Schwert eines Soldaten mitgenommen und sein eigenes im Zelt gelassen. Es fühlte sich seltsam an unbewaffnet zu sein, aber der Anblick war es wert.

Er ging noch einige Minuten bewundernd durch die Stadt, dann besann er sich eines besseren. Er war nicht als Tourist hier.

Unterwegs

Den Rest des Abends verbrachten sie mit packen. Peter hatte irgendwoher noch drei große Rucksäcke ausgegraben. Sie füllten sie mit Decken, einer Flasche, heilenden Kräutern, Nüssen, getrockneten Früchten und Fleisch.

Flora nahm widerwillig sicherheitshalber ein Kleid mit.

Peter gab ihnen noch dickere Kleidung und einen Schlafsack mit, falls sie keinen guten Platz zum Schlafen fanden.

Didia wirkte betrübt und Max und Markus versuchten, sie damit aufzuheitern, dass sie nicht lange weg sein würden. Da sie aber nicht einmal selbst das Ziel ihrer Reise kannten, wirkte es nicht wirklich überzeugend.

Flora saß noch lange gedankenversunken am Feuer, während die anderen schon schliefen. Peters Worte gingen ihr immer wieder durch den Kopf. Sie hörte es ihn noch klar und deutlich sagen: „Das Ganze ist ein wenig kompliziert. Um ehrlich zu sein, ist es zum Teil auch meine Schuld. Bevor ich deine eigentliche Frage beantworte, musst du ein paar Dinge wissen. Wichtige Dinge, ohne die du meine Beweggründe nicht verstehen würdest. Zuerst, und das aller Wichtige ist und das darfst du nie vergessen: Ich habe dich lieb und ich werde dich beschützen. Und egal was passiert, du wirst immer meine kleine Flora bleiben.“ Eine Träne rann ihr die Wange hinunter.

„Alles in Ordnung?“ Markus stand neben ihr. Als Flora bloß nickt und sich abwandte, setzte er sich neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

„Alles wird wieder gut.“

Sie wandte sich ihm wieder zu und noch eine Träne rann ihr über die Wange. Markus nahm sie in den Arm und ließ sie weinen, bis ihr Tränen versiegt waren. Er drängte sie nicht dazu, ihm zu sagen was los war. Er wusste, sie würde es ihm sagen, wenn sie dazu bereit war.

Er überredete sie jedoch, schlafen zu gehen und sie legten sich zu den anderen.

 

Am nächsten Morgen brachen sie früh auf. Sie sahen alle noch verschlafen aus und redeten kaum, während sie die Pferde sattelten und noch die letzten Reste ihres Gepäcks in den Rucksäcken verstauten.

Peter reichte Flora noch einen Beutel mit Münzen. „Nutze sie sparsam.“

Dann umarmte er Flora, Max und Markus. Didia wollte Max und Markus nicht mehr los lassen, als sie sich von ihr verabschiedeten.

„Ist ja nicht so, als würdest du uns nie wieder sehen“, meinte Max lächelnd und fuhr ihr durchs Haar.

„Genau“, pflichtete ihm Markus bei. „So schnell wirst du uns nicht los.“

Maximilian umarmte auch noch Ines.

Sie stiegen auf ihre Pferde, winkten zum Abschied und folgten Flora, die Fidelius zum Galoppieren brachte und offensichtlich schon ein klares Ziel vor Augen hatte.

Sie ritten eindeutig Richtung Grenze, stellte Markus nach einigen Stunden fest.

Sie machten nur einmal kurz Pause um etwas zu Essen und die Pferde grasen zu lassen.

„Reiten wir nach Karbus?“, wollte Maximilian zwischen zwei Bissen wissen.

„Komm schon, sag es uns einfach. Peter wird nie erfahren, dass du es uns gesagt hast“, bekräftigte Markus.

Flora seufzte und nickte. „Ja, das tun wir, aber mehr müsst ihr noch nicht wissen.“

„Ach, komm schon“

„Nein. Es geht hier nicht darum, dass ich euch einfach nicht sage, worum es geht. Es geht, darum, dass, falls uns jemand auf den Weg dahin erwischt, ihr nicht verraten könnt, warum wir hier sind.“ Markus seufzte. Die Zwillinge wurden ernster.

„Dann muss das, was wir tun, äußerst wichtig sein“, stellte Max fest.

„Und Peter hat es nur dir gesagt, weil niemand vermuten würde, dass ein Mädchen so etwas weiß“, ergänzte Markus.

Flora lächelte schelmisch. „Genau!“

Damit war die Diskussion beendet und sie ritten weiter.

 

Noch waren sie im Wald, aber auch hier veränderte sich die Landschaft. Der dichte Mischwald wurde immer lichter und der Anteil der Nadelbäume wurde immer mehr. Bald konnte man schon Meter weit zwischen den Bäumen sehen.

Der Wald bot ihnen nun nicht mehr viel Deckung, dennoch hatte Flora beschlossen, erst den Weg zu benützen, sobald sie sich im Wald nicht mehr auskannte. Sie wollte es vermeiden, irgendjemanden zu begegnen und sobald sie auf dem Weg waren, war das unmöglich.

Sie verbrachten die Nacht noch im Wald, einigten sich aber darauf, am nächsten Morgen den Weg zu benützen. Flora war zwar nicht begeistert, aber Markus Argument, dass sie viel schneller auffallen würden, wenn sie im Wald gesehen wurden, überzeugte sie.

Unter einem überhängenden Felsen fanden sie Schutz und schlugen ihr Lager auf.

Flora weckte sie früh und nach einem kargen Frühstück ritten sie weiter. Sie ließ ihnen kaum Zeit zum Rasten und als sie den Weg erreicht hatten, schlug sie sogar ein noch schnelleres Tempo an.

Je öfter sie durch kleine Dörfer ritten, dessen Hauptweg gut genutzt wurde, desto entnervter wurde sie. Ihr ging es in dem Gedränge eindeutig zu langsam voran und immer wieder wurden sie gefragt, wohin sie unterwegs waren.

So leierte sie, von einer Frau darauf angesprochen, zum mindestens hundertsten mal - ihrer Meinung nach - herunter, dass sie zur Hochzeit ihrer Cousine wollten, als Markus sie anstieß.

Er deutete auf mehrere Männer, die in einer Gasse lungerten.

Flora lächelte der Frau zu, die ihr gerade von ihrem Sohn erzählen wollte und wie gut sie nicht zu ihm passen würde, murmelte eine Entschuldigung und trieb ihr Pferd weiter. Sie blickte ebenfalls zu den Männern. Sie wirkten schäbig und lächelten hämisch. Sie hatten ebenfalls Pferde und waren bewaffnet. Das sah Flora von weitem.

„Lasst uns so schnell wie möglich verschwinden“, raunte Flora ihren Begleitern zu. „Ich möchte keinen Ärger.“

Die beiden nickten und sie lenkten ihre Pferde aus der neugierigen Menge von Dorfbewohnern, ohne deren Fragen zu beachten. Ohne Zweifel würden sie dadurch Aufmerksamkeit auf sich lenken, aber im Moment war es Flora egal.

Sobald sie das Dorf verlassen hatten, ließen sie ihre Pferde in einen Galopp fallen, als ginge es um ihr Leben. Flora hoffte, dass die Pferde der Männer nicht so gut in Form waren, denn sie waren ihnen gefolgt, als sie aus dem Dorf geritten waren. Jetzt waren sie allerdings verschwunden.

„Das ist zu leicht“, dachte sie und sprach ihr bedenken laut aus.

„Selbst wenn sie uns verfolgen und wir einen großen Vorsprung hätten, müssten wir sie nicht sehen?“ rief ihr Markus zu.

Flora nickte und hielt ihr Pferd an. „Du hast Recht. Die Straße hat keine einzige Biegung gemacht. Man kann sogar noch das Dorf erkennen. Man müsste sie sehen. Glaubt ihr, dass wir einfach nur zu Paranoid sind und sie uns gar nicht verfolgen wollten?“

Die Zwillinge warfen ihr zweifelnde Blicke zu.

„Dachte ich mir auch. Wir reiten weiter“ , entschied sie. „Aber wir sollten wachsamer sein.“

 

Sie erreichten das nächste Dorf ohne Zwischenfall.

Flora schickte Max und Markus los um ihre Vorräte aufzustocken. Sie hatten zwar noch genügend, aber sie wusste nicht, wie lange sie in Karbus bleiben würden und wollte ihre Zeit dort nicht mit Lebensmitteleinkäufen verschwenden. Die beiden gaben ihr die Zügel ihrer Pferde und machten sich auf den Weg.

Flora blieb am Rande des Dorfes und ließ die Pferde grasen. Sie fand einen kleinen Bach und füllte ihre Flaschen nach. Die Pferde tranken gierig und Flora ließ wachsam ihren Blick über die Landschaft gleiten. Wenn alles gut ging, würden sie morgen schon in Karbus sein.

Die Zwillinge kamen fast eine Stunde später und hatten ausgesprochen gute Laune.

„Wir sind einem Dieb begegnet“, erklärte Markus lächelnd während sich Maximilian noch immer den Bauch hielt vor lachen.

„Ja, aber nicht diese Art von Dieben, die stiehlt, weil sie sonst verhungern müssten. Nein, wir sind so einem reichen Schnösel begegnet, der nur auf der Durchreise war und die armen Dorfbewohner bestohlen hat. Als er das dann bei uns versucht hat, habe ich ihn abgelenkt und Markus hat ihm seine ganze Ausbeute abgenommen, ohne dass er es gemerkt hat. Der muss sich jetzt echt ganz schön ärgern!“

„Wir haben den Dorfbewohnern die Sachen wieder zurück gegeben. War ganz schön schwierig, den richtigen Besitzer zu finden und sie dann davon abzuhalten, uns gleich zum Essen einzuladen, nachdem wir ihnen alles erzählt haben. Die haben ausgesehen, als hätten sie seit Jahren nicht mehr gelacht. Und dabei ist dieses Königreich noch gar nicht vom Schwarzen Ritter angegriffen worden“, meinte Markus wieder etwas ernster.

„Vater ist hier König“, erwiderte Maximilian betrübt. „Hast du da ernsthaft erwartet, dass es ihnen gut geht?“

„Nein“, gab Markus niedergeschlagen zu.

„Vielleicht können wir das ja ändern, sobald wir den Schwarzen Ritter los geworden sind, aber jetzt sollten wir weiter“, sagte Flora mit einem traurigen Lächeln und schwang sich auf ihr Pferd.

Ihre Gedanken waren jedoch ganz woanders.

„Er ist ein Mensch“, dachte sie, „Ein Mensch mit Gedanken, Zielen und Gefühlen. Wir können ihn besiegen.“

Sie dachte wieder an Peter und ihre Unterhaltung mit ihm in der Höhle.

„Gut, fangen wir an“, hatte er gesagt.

„Das ganze liegt viele Jahre zurück. Ich war selbst kaum älter als du, aber ich hatte auch einen Lehrmeister, bei dem ich lebte und der mir alles beibrachte.“

„Rasohl“, hatte Flora genickt. Peter hatte immer wieder erwähnt, dass er genauso wie sie aufgewachsen war, auch als Waisenkind bei einem Meister. Peter hatte ein wenig gelächelt, offenbar erleichtert, dass sie endlich etwas gesagt hatte und nicht gebrüllt, wie zuvor, sondern sachlich wie in ihren Unterrichtsstunden.

„Genau Rasohl. Ich war aber auch nicht allein, ich hatte noch Freunde, Kollegen. Wir waren zu dritt. Ich, Richard, der letzte König von Burg Drachengold und Mernus oder wie du ihn heutzutage besser kennst „Der Schwarze Ritter“.

 

„Halt. Das ist ein Überfall“ riss sie eine brüllende Stimme aus den Gedanken.

Vor ihr sprangen mehrere Männer auf den Weg. Sie hielt Fidelius so scharf an, dass sie Schwierigkeiten hatte, nicht kopfüber über seine Hals geschleudert zu werden.

Sie sah aus den Augenwinkeln, dass Max und Markus das nämliche Problem hatten.

Sie wandte sich um.

Hinter ihnen waren die Männer aus dem anderen Dorf. Sie hatten ebenfalls Pferde.

Sie sahen herunter gekommen aus und verströmten üblen Geruch. Aus der Nähe konnte Flora sogar ihre verfaulten Zähen sehen, von denen vermutlich ein Teil des Geruchs stammte.

Sie warf ihren Begleitern einen selbstbewussten Blick zu. Sie nickten und fast gleichzeitig zogen sie ihre Schwerter.

Verunsichert starrten die Räuber sie an.

Ihr Anführer, ein rothaariger Man mittleren Alters, dem die Hälfte seines rechten Ohrs fehlte, war offenbar nicht gewohnt, auf Widerstand zu treffen, denn er starrte sie einige Sekunden sprachlos an. Dann fasste er sich wieder und fing laut zu lachen an.

„Glaubt ihr ernsthaft, uns besiegen zu können. Ihr seid eindeutig in der Unterzahl.“

„Mag sein. Aber können eure Leute überhaupt kämpfen?“ konterte Flora.

Sie ließ den Räubern kurz Zeit, an ihrer Kampffähigkeit zu zweifeln, dann fuhr sie fort.

„Das dachte ich mir. Wir sind ausgebildete Schwertmeister des Königs. Jeder von uns könnte euch mit Leichtigkeit alleine besiegen. Ihr scheint mir nicht ernsthaft jemanden verletzen zu wollen, deshalb lassen wir euch noch einmal damit davon kommen.“

Sie griff in ihre Tasche, holte ein paar Münzen hervor und warf sie vor ihnen auf den Boden.

„Da. Macht was anständiges aus eurem Leben, wenn ich euch noch mal bei so etwas erwische, kommt ihr nicht so einfach davon.“

Sie nickte den Zwillingen zu und trieb ihr Pferd an.

Die vor ihr stehenden Räuber sprangen aus dem Weg, ihre Augen fixierten gierig die Münzen. Keiner folgte ihnen und sie ließen ihre Schwerter zurück in die Scheide gleiten.

 

Wieder einmal war Flora froh, nicht als Mädchen erkannt zu werden.

Sie hatte nie eine besonders weibliche Figur gehabt. Sowohl ihr Verhalten als auch die Tatsache, dass sie gewohnt war, mit Männern gleich gestellt zu werden, hatten dazu geführt, dass Leute, die sie nur flüchtig kannten, sie niemals als Mädchen gesehen hatten.

Sie hatte nie dem Willen eines Mannes folgen müssen. Peter hatte sie immer nur um Dinge gebeten. Und wenn er einen Anführer ihrer Gruppe bestimmen müsste wäre es sie, dessen war sich Flora sicher. Schließlich war sie auch die einzige von den dreien, die ihr Ziel kannte.

Und doch wusste sie immer noch nicht, wie viel sie ihnen erzählen wollte.

 

Als es dunkel wurde, verließen sie den Weg und machten etwas abseits ein Lagerfeuer.

Vermutlich hätten sie im Wald eine bessere Übernachtungsmöglichkeit gefunden, aber keiner von ihnen hatte Lust, sich in der Dunkelheit im Wald zu verirren.

Da sie nur noch eine Tagesreise von der Grenze entfernt waren, teilten sie Schichten für die Nachtwache ein. Flora übernahm die erste und sollte Markus kurz vor Mitternacht wecken.

Wo?

Er hatte den Plan der Burg in und auswendig gelernt. Er kannte jede einzelne Kammer, jeden Turm, hatte sich jeden einzelnen Punkt genau eingeprägt. Er konnte ihn vor sich sehen wenn er die Augen schloss, in allen Details. Er schlenderte durch das zweite Tor und gelangte in den inneren Ring. Die Wachen schenkten ihm keine Beachtung. Sie nahmen an, dass niemand ihrer Feinde in den äußeren Teil der Burg gelangen konnte. Wie naiv von ihnen. Leo musste ein Lächeln unterdrücken, bei dem Gedanken daran was wohl die Wachen sagen würden, wenn sie wüssten wer er war. Er bog links ab und ging neben den Baracken der Soldaten vorbei. An ihm rannte ein Bauer vorbei der versuchte ein Schwein wieder ein zu fangen, dass ihm entwischt war. Er schlenderte gemütlich weiter, bis er zum Wirtshaus kam. Er trat ein und wurde von den Gerüchen überwältigt. Seine Augen mussten sich noch an das schummrige Licht gewöhnen. Ihm wurde fast schlecht von der Mischung aus Whisky-, Wein- und Biergeruch und er versuchte möglichst nicht durch die Nase zu atmen. Er ließ sich an der kleinen Bar nieder und sah sich um. Um diese Uhrzeit waren nur wenige im Wirtshaus. Ein betrunkener Mann mit langem Bart saß lallend an einem Tisch in der Ecke und unterhielt sich mit jemanden, der gar nicht dar war. In der Mitte des Raumes saßen zwei Männer ungefähr in Leos Alter, die betrübt in ihren Weinkrug starrten. Sie trugen beide Schwerter und eine Uniform, auf der das Wappen des Königs von Karbus prangte. Leo wandte sich von ihnen ab, als ihn der Wirt mit einem grunzen fragte was er haben wolle. Aus Neugier heraus bestellte Leo einen Rotwein. Er hatte noch nie Wein probiert. Der Schwarze Ritter hielt nicht viel von Alkohol. Er nahm den Becher, den ihm der Wirt reichte entgegen und nippte daran. Der herbe Geschmack ließ ihn das Gesicht verziehen. Der Wirt sah ihn säuerlich an, um seine Miene zu verbessern zahlte Leo gleich. Der Wirt brachte ein Lächeln zustande und ließ die Münzen gierig in seinem Kittel verschwinden. Leo saß noch eine Zeit lang da und wartete bis die beiden Männer das Wirtshaus verlassen hatten. Dann als der Wirt sich weigerte dem betrunkenen noch etwas zu bringen bevor er nicht bezahlt hatte und die beiden anfingen sich lauthals zu streiten stand er leise auf. Er ging hinter die Theke und schlüpfte durch die Tür, die in den Lagerraum führte. Drinnen war es kühl und dunkel. Leo tastet sich die Stiegen hinunter und merkte das sie feucht waren. Ab jetzt wurde er schwierig, denn von dem was er suchte hatte er keinen Plan. Er wusste nur, dass er hier irgendwo sein musste.

Nachdem er festgestellt hatte, dass es unmöglich war in dieser Dunkelheit irgendetwas zu finden, selbst wenn man so gut ausgebildet und auf so etwas trainiert war wie er, tastete er sich die Stiegen wieder hinauf. Er suchte bei der Tür nach irgend einer Lichtquelle und wurde fündig. Eine Öllampe stand am Stiegenabgang. Er entzündete sie und betrachtete mit einem Lächeln den Weinkeller vor sich.

Er hatte gedacht es wäre ein leichtes den Geheimgang zu finden, aber er hatte das ausmaß diese Vorhabens gewaltig unterschätzt. Der Keller war größer als er auf dem Plan gewirkt hatte. Außerdem war er sehr verwinkelt und die großen Fässer, die überall gestapelt waren hätten leicht eine Tunnelöffnung verbergen können. Nachdem er einige Stunden den Keller Ziellos durchsucht hatte beschloss er ihn gründlich von einer Ecke zur anderen abzusuchen. Er rollte, die Fässer auf die Seite untersuchte jede einzelnen Riss in der Wand und tastete nach verborgenen Mechanismen. Mehrere Male wurde er von Hilfskräften gestört, die neuen Wein holten. Er versteckte sich hinter einigen Fässern und wartete bis sie wieder nach oben verschwunden waren. Dann fuhr er fort. Leo verlor sämtliches Zeitgefühl. Er spürte nur, wie er Hunger bekam. Er ignorierte das nagende Gefühl in seiner Magengegend und machte weiter. Wenn er den Tunnel finden würde würde er ein Held sein. Er wäre der jenige, der ihnen den Sieg über Karbus ermöglicht hätte, nachdem sie schon so lange darauf warteten, dass sie sich ergeben würden. Er würde im ganzen Land bekannt werden.

Karbus

Maximilian weckte sie sobald es hell wurde. Sie aßen wortlos, dann brachen sie auf. Gegen Mittag kam die Burg in Sicht. Es dauerte noch mehrere Stunden, bis sie sie erreicht hatten. Mehrere Kilometer davor erstreckte sich das Lager der Soldaten. Das von König Nomerkus ganz in weiß und das dahinter ganz in schwarz, wie der Name ihres Anführers. Die Zugbrücke war heruntergelassen, wurde aber strengstens bewacht. Mehrere Reihen Sperre bedrohten sie, als sie darauf zuritten. „Was wollt ihr?“ fragte einer der Soldaten. „Wir möchten mit Obernok sprechen“ antwortete Flora ihm. Die Soldaten raunten einander etwas zu, dann verschwand einer von ihnen, um ihn zu holen. Die Soldaten betrachteten sie misstrauisch während sie warteten. Die Sperre immer noch auf sie gerichtet. Der Soldat kam wieder zurück, gefolgt von einem älteren Man. Er hatte graue Haare und trug einfache Bekleidung. Wie fast jedem Mann, dem sie begegnet waren trug er ein Schwert an der Hüfte. „Seid Ihr Obernok?“ fragte Flora und stieg vom Pferd. Max und Markus folgten ihrem Bespiel. Der Alte nickte. „Das ist für Euch“ ,sagte Flora und reichte ihm einen versiegelten Brief, durch die Speere, die auf sie gerichtet waren durch. Obernok nahm ihn entgegen und betrachtete erstaunt das Siegel, dann brach er es und las begierig den Brief. Als er fertig war lächelte er. „Lasst sie rein. Sie sind keine Feinde. Sie sind die besten Freunde, die wir im Moment haben können.“ Die Soldaten ließen die Speere sinken. Obernok winkte ihnen ihm zu folgen. Die Soldaten ließen sie zögerlich durch. „Ihr seid also Peters Schüler“, sagte er zu ihnen sobald sie außer Hörweite waren. „Wurde ja auch langsam Zeit, dass er endlich etwas unternimmt.“ Er zeigte ihnen einen Platz an dem sie ihre Pferde lassen konnten, dann führte er sie in den inneren Ring der Burg. Er führte sie zu einem kleine Häuschen zwischen einer Schmiede, die auf Hochtouren lief und einer Schneiderei. Er schob sie hinein und verriegelte die Tür hinter ihnen. Das innere erinnerte Flora an Peters Höhle. Das Haus war vollgestopft mit Büchern und überall lagen Pergamentrollen und Federn herum. Obernok kramte ein paar Rollen zusammen. „Hier das sind alle Informationen, die ich über den Schwarzen Ritter habe. Wo er sein Lager aufgeschlagen hat. Wer mit ihm reist und welches Zelt sie bewohnen. Ich habe sogar eine Liste der Dinge, die er und seine Schüler gerne essen, aber macht euch keine Hoffnungen ihn vergiften zu können. Ich habe schon alles versucht.“ „Danke“ sagte Flora zu überwältigt von den vielen Informationen, die sie bekamen, um mehr zu sagen. „Wir sind ja alle auf der selben Seite. Wenn ich noch etwas für euch tun kann sagt es einfach.“

Während sie sich durch die Bögen wühlten, versorgte Obernok sie mit Tee und einem Gulasch, das köstlich schmeckte. Er erzählte ihnen wie er Peter kennengelernt hatte und ihm dieser aus der Patsche geholfen hatte. „Die hätten mich direkt vor den Schwarzen Ritter geschliffen und mich enthauptet, wenn er nicht gewesen wäre.“ Obernok seufzte. „Ihr könnt euch geehrt fühlen ihn zu kennen. Glaubt mir, es gibt keinen besseren Manschen als ihn und ich bin schon alt. Ich weiß wovon ich spreche.“ Als sie fertig waren und ihm die Rollen zurückgeben wollten, winkte dieser bloß ab und meinte er hätte mehrere Kopien davon. Sie können sie behalten. Flora verstaute die Rollen in ihrem Rücksack und sie verabschiedeten sich.

„Sagst du uns jetzt was unsere Aufgabe ist?“ fragte Markus sie, als sie schon fast bei ihren Pferden waren. „Nicht hier. Ich sag es euch sobald wir draußen sind.“ „Wir bleiben nicht in Karbus?“ , fragte Maximilian verblüfft. Flora schüttelte den Kopf und holte Fidelius aus dem Stall. Sie dankte dem Mann der sich um ihre Pferde gekümmert hatte und stieg auf. Die Zwillinge folgten ihr verblüfft. Floras Gedanken rasten. Sie wusste immer noch nicht wie viel sie ihnen sagen wollte. Peter hatte es ihr überlassen wie viel sie ihnen erzählte. Ihre Gedanken wanderten wieder zu dem was er ihr gesagt hatte und sie durchlebte sie noch einmal.

 

Peter nahm einen Schluck aus seinem Becher und ließ ihr einige Sekunden Zeit diese Information zu verarbeiten. Er kannte den Schwarzen Ritter. Flora war einige Sekunden Sprachlos, dann schoss sie mit Fragen los „Du kennst den Schwarzen Ritter? Nein, du warst sogar mit ihm befreundet? Wie ist es möglich, dass er so böse wurde, wenn er von deinem Meister ausgebildet wurde? Wie...“ Peter brachte sie mit einer Handbewegung zum schweigen. Dann seufzte er abermals, stand auf und fing an in der Höhle unruhig herum zu gehen. Flora hatte ihn noch nie so gesehen. Er war immer der ruhige Peter, der immer einen Ausweg aus jeder Situation fand. Schließlich fuhr er sich durch den Bart und setzte sich wieder. „Ja. Ich kannte ihn. Sogar sehr gut. Er war wie ich ein Waisenkind. Wir hatten beide Glück, dass Rasohl uns aufgenommen hatte, denn zu dieser Zeit war es üblich, dass Schwertmeister wie Rasohl nur Könige und Prinzen höchstens Grafen oder hohe Adelige ausbilden, aber nie Kinder einer Bauernfamilie oder Waisen. Aber Rasohl hielt nichts davon. Er fand jeder hatte das Recht zu lernen wie man sich verteidigt oder in der Wildnis überlebt. Außerdem hatte er ein weiches Herz. Ich war mit Mernus befreundet genauso wie mit Richard. Vielleicht sogar noch besser. Aber als wir unsere Abschlussprüfung absolviert hatten zog er mich bei dem Abschlussfest auf die Seite und fragte mich ob ich mich ihm nicht anschließen wolle. Er wolle den Tot unserer Familien rächen. Er würde mit einer Armee gegen Bartimus, den Raubritter, der unsere Familien getötet hatte, ziehen. Allerdings wollte er dessen erobertes Land genau so plündern und ausbeuten, wie dieser es einst tat. Als ich ihn fragte mit welchem Recht er dessen Volk genauso ein grausames Schicksal bereiten wollte, wie das das uns bestimmt war, sagte er bloß Sie hätten es verdient. Frauen und Kinder, die nichts als in Frieden ihr Leben leben wollten hatte er vor einfach abzuschlachten. Ich sagte ihm, dass es Wahnsinn wäre und bat ihn es nicht zu tun, nein ich bettelte ihn an es nicht zu tun. Darauf schwieg er nur und ging wieder zurück zum Fest. Etliche Jahre vergingen und ich hatte nichts von ihm gehört. Ich hoffte er hätte meinen Rat angenommen und irgendwo eine Familie gegründet. Dann bekam ich die Nachricht, dass Ebersburg gefallen war. Gegen einen Ritter ganz in schwarz und ich wusste, dass es Mernus war. Ich ritt so schnell ich konnte zur Burg Drachengold. In der Hoffnung Richard um Militärischen Beistand zu bitten und Mernus aufzuhalten. Aber ich kam zu spät. Ich nehme an nachdem Richard ihm gesagt hatte er würde ihn nicht unterstützen hat er alles niedergebrannt. Ich nahm an er und seine ganze Familie wären in dem Feuer gestorben. Offenbar hatte ich mich geirrt. Einige Zeit später erfuhr ich, dass es eine überlebende gab. Flora. Mernus hatte sie mit genommen.“ „Also bin ich nicht Flora?“ „Nein. Du bist das Waisenkind das ich als einzige überlebende des Dorfes, dass Mernus niedergebrannt hatte damit der Rest des Volkes ihm dienen würde, gefunden habe. Ich wusste damals noch nicht, dass Flora überlebt hatte. Ich benannte dich nach ihr und hoffte, dass ich es eines Tages schaffen wurde die Dinge so zu drehen, dass das Volk von Drachengold dich eines Tages als sie sehen würden und dann dir folgen würden. Sie brauchen einen starken Führer der ihnen aus der Sklaverei hilft oder eine starke Führerin.“ „Du wolltest das ich eines Tages ein ganzes Volk anführe?“ brachte Flora schließlich fassungslos hervor. Ich wollte das jemand über es herrscht, der schwer zu manipulieren ist und nur das beste für das Volk will. Ich wollte dich nie zur Prinzessin machen. Ich wollte dich zur Königin machen. Denn du wärst ohne Zweifel eine gute.“

Flora stand auf und ging in kleinen Kreisen vor ihm herum. Schließlich blieb sie stehen und sagte: „Aber jetzt wo Flora, also die Prinzessin Flora noch lebt funktioniert dein Plan doch nicht mehr.“ Peter lächelte „Nicht unbedingt. Er hat sich bloß ein kleinwenig verändert.“

 

Flora ritt einen großen Bogen um das Lager des Königs. Dann überquerten sie die Front und näherten sich von hinten dem Lager des Schwarzen Ritters. Sie mussten dafür einen so großen Umweg machen, dass es schon dunkel geworden war. Flora hielt in einiger Entfernung an. „Also, was machen wir jetzt?“ Maximilian sah sie fragend an. „Wir retten Flora.“ „Was?“ ,fragten die beiden wie aus einem Mund. „Moritz und Ines Schwester. Sie wurde vor Jahren vom Schwarzen Ritter gefangen genommen und wir werden sie jetzt befreien.“ „Bist du sicher, dass sie hier ist? Es stand nichts von ihr in Obernoks Schriftrollen.“ „Peter ist sich sicher.“ „Und wie sollen wir sie finden?“ fragte Markus. „Ich bin mir noch nicht ganz sicher...“ „Wir beide könnten uns ja als freiwillige melden und uns mal dort umsehen“, schlug Markus vor. Flora überlegte eine Moment lang, dann nickte sie „Gute Idee, aber lasst eure Schwerter hier. Ich denke nicht, dass viele Leute solche Schwerter wie wir besitzen. Sagt ihr seid nur einfache Bauern.“ „Keine Sorge wir schaffen das schon“, meinte Maximilian. Die beiden stellten ihre Rucksäcke ab, gaben ihr ihre Schwerter und gingen los. Sie machten sich keine Sorgen, sie würden auch ohne sie zurecht kommen. Flora blieb alleine mit den Pferden zurück. Sie schnallte die Rucksäcke auf die Pferde und suchte sich einen Platz für die Nacht. Sie entschied sich am Rande des Waldes hinter einer Hügelkuppe ein Lager aufzuschlagen. Sie entzündete ein kleines Feuer und entlud die Pferde. Danach kontrollierte sie mehrfach, dass man das Feuer vom Lager aus nicht sehen konnte. Als sie sich halbwegs sicher fühlte holte sie die kleine Pergamentrolle heraus, die sie bei Obernok mit gehen lassen hatte. Sie wollte nicht das die Zwillinge sie sahen bevor sie sich sie nicht gut angesehen hatte. Es stand nicht viel darauf:

Der geheime Gast/Gefangene des Schwarzen Ritters

Name: Unbekannt

Alter: Unbekannt

Ort des Zeltes: meistens in der Nähe des Zelts des Schwarzen Ritters, Gut bewacht, mindestens von vier Soldaten

Sonstiges: Verlässt so gut wie nie das Zelt, die einzigen, die zu ihm dürfen sind die Schüler des Schwarzen Ritters

 

Flora drehte es um, als erwartete sie auf der Rückseite den Rest zu finden. Das Flora gut bewacht wurde und ihr Zelt in der Nähe des Zeltes des Schwarzen Ritter stand hatte sie erwartet. Schlecht gelaunt stopfte sie sie zu den anderen Rollen. Sie hasste es nichts tun zu können.

Der Geheimgang

Frustriert ließ Leo sich auf den kühlen Steinboden fallen. Er hatte nichts gefunden. Er hatte die ganze Wand abgesucht, aber da war nichts. Wenn es hier einen Geheimgang gab war er sehr gut versteckt. Unsicher was er jetzt tun sollte, betrachtete er das Muster im Marmorboden. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Der Geheimgang war unter ihm. Mit neuem Elan machte er sich an die Arbeit. Er stieß einen Freudenschrei aus als er die lose Bodenplatte fand. Er schob sie beiseite und legte unter ihm ein schwarzes Loch frei. Er lächelte und ließ sich langsam hinunter in das Loch. Er konnte bequem darin stehen. Er griff nach der Lampe, die er am Rand des Loches hingestellt hatte. Leo leuchtete mit ihr in den Tunnel. Wenn er es richtig einschätzte führte der Tunnel die Grenze entlang und würde dort irgendwo an die Oberfläche kommen. Er stellte die Lampe ab und zog die Marmorplatte wieder über das Loch. Er wollte die Burgbewohner ja nicht vorwarnen. Er nahm die Lampe wieder in die Hand und folgte dem Tunnel so schnell es ging ohne, dass die Lampe ausging.

Nach einiger Zeit begann der Tunnel anzusteigen. Leo wurde schneller und rannte die letzten Meter fast schon. Ein Windhauch löschte seine Öllampe. Er trat aus dem Tunnel und stand in einem kleinen Waldstück. Es war schon dunkel und er konnte die Lichter des nächsten Dorfes sehen, dass nicht weit entfernt lag. Er genoss den Wind einige Sekunden lang und merkte erst jetzt wie sehr er ihn vermisst hatte. Er stellte die Lampe achtlos auf den Boden. Er studierte seine Umgebung genauer. Die Burg war von hier nicht mehr zu sehen. Der Wald in dem er stand war von Felsen überseht und so war es kein Wunder, dass man den Eingang leicht übersehen konnte. Allerdings konnte er schon den Rand des Waldes sehen. Er ging eine Zeit lang herum und Prüfte, dass er den Eingang problemlos wieder finden konnte. Dann lächelte er breit und rannte in die Richtung los, in der er das Lager vermutete. Er blieb immer wieder stehen um sich markante Punkte genau einzuprägen. Nach einiger Zeit sah er die ersten Zelte. Er pfiff nach seinem Pferd und einige Minuten später sah er es auf sich zu galoppieren. Leo begrüßte es erfreut und schwang sich auf seinen Rücken. Es war schön den Rest des Weges nicht zu Fuß gehen zu müssen.

Er brachte sein Pferd erst direkt vor dem Zelt des Schwarzen Ritters zu stehen. Die Wachsoldaten begrüßten ihn mit einem Nicken und er stürmte an ihnen vorbei ins Zelt, ein siegessicheres Lächeln auf den Lippen. Er hatte seine Rüstung abgelegt und meditierte. Als er Leo erblickte lächelte er ebenfalls. „Ich wusste, dass du der Richtige für diese Aufgabe bist. Ruh dich aus. Wir haben morgen eine Stadt zu erobern.“

Flora

Maximilian und Markus kamen erst am frühen Morgen zurück. Sie waren blass wie ein Stück Papier. „Sie haben einen Geheimgang gefunden“ ,war das erste was Markus sagte. „Sie rüsten sich zur Schlacht. Sie wollen Die Stadt sofort angreifen.“ Flora wurde ebenfalls blass, „Wir müssen sie warnen. Was ist mit Flora? Habt ihr sie gefunden?“ Maximilian nickte, „Ihr Zelt ist ständig bewacht. Wir konnten zwar nicht hinein sehen, aber wenn sie in einem Zelt ist, dann in dem.“ Flora nickte „Gut, dann werdet ihr beide die Bewohner warnen und ich befreie Flora.“ „Du gehst da auf keinen Fall alleine hin“ widersprach Markus. „Er hat recht“ meinte Maximilian „Er wird mindestens einen seiner Schüler bei ihr lassen um sie zu bewachen, von den Soldaten mal abgesehen.“ Sie einigten sich darauf, dass Maximilian die Bewohner warnen und die anderen beiden Flora befreien würden. Sie ließen ihre Rucksäcke wo sie waren und Maximilian und Markus schnallten sich wieder ihre eigenen Schwerter um. Max stieg aufs Pferd und preschte los. Flora und Markus banden ihre Pferde los damit sie sie im Notfall rufen konnten. Dann schlichen sie sich nah genug ans Lager um gut sehen zu können und warteten bis sie aufgebrochen waren.

 

Flora hoffte, dass Maximilian genug Zeit hatte um sie zu warnen und dass er es schaffte da ohne Schwierigkeiten wieder raus zu kommen. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn sie alleine gegangen wäre. Sie machte sich keine Sorgen um die Soldaten, aber was wenn der Schwarze Ritter nicht mit ihnen in die Schlacht ziehen würde? „Da“ flüsterte Markus neben ihr und stieß sie mit dem Ellenbogen an. Flora folgte seinem Blick und erschauderte, dass sie mehr über ihn wusste, als die meisten Menschen ließ sie eher noch mehr schaudern, als das es sie beruhigte. „Er ist so gut wie Peter“ dachte sie und blickte ihm hinterher, wie er gefolgt von mehreren jungen Männern, den lange Zug führte. Vor ihm ritt ein junger Mann, ungefähr in Maximilians und Markus alter. Er hatte dunkle Locken und ein graues Pferd, mehr konnte Flora aus dieser Entfernung nicht erkennen. Sie warteten bis ihnen die letzten Soldaten gefolgt waren, dann rannten sie aus der Deckung die letzten paar Meter zum nächsten Zelt. Es standen keinerlei Wachen um das Lager. Flora vermutete, dass an der Front noch einige waren, aber sie trafen keinen einzigen Soldaten an, bis sie zu dem Zelt kamen. Vier einfache Wachsoldaten standen vor dem Eingang, außerdem ging ein junger Mann ungefähr in ihrem alter unruhig vor dem Zelt auf und ab. Er schien verärgert. „Kein Wunder“ dachte Flora „Ich würde mich auch ärgern, wenn ich als einziger hier bleiben müsste. Flora und Markus standen hinter einem gegenüberliegenden Zelt und berieten sich. „Das ist sicher einer seiner Schüler“ ,meinte Flora. „Entwaffnen wir sie einfach, holen Flora und verschwinden“, schlug Markus vor. „Nein.“ Flora schüttelte bestimmt den Kopf. „Er ist ein Schüler des Schwarzen Ritters. Peter hat uns zwar gut ausgebildet, aber das heißt nicht, dass wir ihn unterschätzen sollten.“ „Wie sollen wir sonst da rein kommen.“ „Du lenkst sie ab und ich schlüpfe an der Hinterseite des Zelts hinein.“ „Und wie soll ich das bitte machen?“ „Lass dir was einfallen“ sagte sie bloß, dann schlich sie vorsichtig zum nächsten Zelt. Markus fluchte stumm und beobachtet, wie sie von einem Zelt zum nächsten huschte. Als er sie nicht mehr sah zählte er stumm bis zehn, dann ging er aus der Deckung und ging auf die Soldaten zu. Er hatte sich kaum mehr als zwei Meter bewegt als sie auf ihn aufmerksam wurden. Sie zogen seine Schwerter und richteten sie auf ihn. Flora zog eine der Eisenstangen, die das Zelt am Boden hielten heraus. Sie hörte Markus noch „Wo sind denn alle auf einmal hin?“ fragen, dann schlüpfte sie unter der Plane durch ins Zelt. Flora stand am Eingang des Zeltes und späte durch den Spalt nach draußen. Sie hatte im Gegensatz zu Flora schwarze Haare eine wesentlich feinere Figur und eine blasse Haut. Sie wirkte fast zerbrechlich, allerdings war sie nicht gefesselt. Sie bemerkte Flora erst als sich diese langsam räusperte. Sie wirbelte herum und wollte schon schreien, aber Flora hielt einen Finger an den Mund. Sie fand, dass Flora Ines sehr ähnlich sah. „Ich will dich hier raus holen“ flüsterte sie „Dich befreien.“ Prinzessin Flora kam näher auf sie zu „Was meinst du mit befreien?“ fragte sie und ihre zarte Stimme verstärkte ihre Zerbrechlichkeit in Floras Augen. „Wir befreien dich aus der Gefangenschaft des Schwarzen Ritters“ „Ich bin nicht seine Gefangen. Er ist für mich wie ein Vater.“ Sie sah Flora verwundert an. Fassungslos starrte diese sie an. „Er hat deinen Eltern umgebracht“, hauchte sie fassungslos „Dann hat er dich einfach entführt. Wie kannst du da einfach sagen du seist nicht seine Gefangene?“ „Du lügst“ flüsterte die Prinzessin zurück. „So etwas würde er nie tun.“ „Er tötet jeden Tag Männer, Frauen, Kinder und Babys und wenn er es nicht selbst tut geschieht es in seinem Namen. Wie kannst du da sagen er würde so etwas nie tun.“ Erst jetzt wurde ihr klar, dass Flora vermutlich nicht viel Zeit im freien verbrachte und dadurch absolut keine Ahnung hatte was um sie passierte. „Du lügst. Das kann nicht wahr sein“ flüsterte sie leise. „Natürlich ist es wahr. Schau doch einfach mal aus dem Zelt. Den Mann der für dich wie ein Vater ist lässt Menschen niedermetzeln bloß weil er über sie herrschen möchte. Genau in diesem Moment führt er die Schlacht gegen die Bewohner von Karbus an. Und er wird sie alle töten. Tausende Leute werden abgeschlachtet bloß weil sie von ihm nicht schlimmer als Sklaven ausgebeutet werden wollen. Der Schwarze Ritter ist ein Monster.“ Flora sah sie an als würde ihre Welt vor ihren Augen zusammen brechen und wickelte nervös eine Locke ihres schwarzen Haars um den Finger. „Nein. Du lügst“, sagte sie schließlich mit zitternder Stimme. „Warum sollte ich dir glauben und nicht ihm. Nein. Er hat gesagt er würde gegen einen bösen Raubritter ziehen und seine eroberten Städte zurück erobern, damit sie endlich frei seien. Du lügst. Warum sollte ich dir auch glauben. Du stolperst einfach in mein Zelt und behauptest, dass du mich befreien möchtest, obwohl ich keine Gefangene bin. Ich werde jetzt die Wachen holen.“ „Warte“, flüsterte Flora schnell. „Ich werde dir Beweisen, dass ich nicht dein Feind bin. Ich kenne jemanden, der den Schwarzen Ritter kannte, der dir alles erklären kann. Lass mich dich zu ihm bringen.“ „Damit du mich einfach entführen kannst? Woher soll ich wissen, dass so jemand überhaupt existiert. Nein, ich bleibe hier.“ „Gut. Dann bleibe ich auch.“ sagte Flora stur. Die Prinzessin sah sie überrascht an. „Ich werde bei dir bleiben und dir beweisen, dass ich auf deiner Seite bin. Und wenn der Tag kommt an dem du dich gegen den Schwarzen Ritter stellst werde ich dich beschützen.“ „Wie willst du das anstellen?“ „Ganz einfach. Ich werde heute, wenn sie zurück sind einfach ins Lager kommen und du wirst behaupten, dass du eine Magd willst. Wenn du wirklich so viel zu sagen hast wie du behauptest sollte das kein Problem sein.“ Die Prinzessin sah sie verwirrt an, dann sah sie langsam, wie sie zur Erkenntnis kam, dass die Fremde in ihrem Zelt ein Mädchen war. Sie sah sie lange an, dann nickte sie „In Ordnung.“ Flora lächelte, drehte sich um und schlüpfte aus dem Zelt. Keiner der Soldaten bemerkte sie. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt Markus zu verprügeln. Der Schüler des Schwarzen Ritters stand mit einem Grinsen im Gesicht am Zelteingang und beobachtete das Knäul aus Fäusten. Flora blickte sich schnell um. Ihr Blick fiel auf eines der Zelte. Es stand halb offen. Im innern lagen mehrere Becher. Flora schlich hinein und ließ die Becher mit einem klirren zu Boden fallen. Das Kampfgeschrei erstarb. Flora schlüpfte schnell aus dem Zelt und rannte so schnell sie konnte Richtung Wald.

Markus erreichte das Lager wenige Minuten nach ihr. „Was hast du so lange gemacht und wo ist Flora?“ Er wirkte erschöpft, aber nicht verletzt. „Sie möchte nicht mit kommen.“ „Was? Warum hast du sie nicht einfach mit genommen?“ „Ich werde sie nicht entführen“ entgegnete Flora wütend. Markus seufzte und Flora berichtete ihm was geschehen war. „Du möchtest da wieder hin“ entfuhr es ihm als sie geendet hatte. „Das ist viel zu gefährlich.“ „Jetzt übertreibst du. Ich werde das schon schaffen. Außerdem hör auf dir ständig Sorgen um mich zu machen. Ich bin besser mit dem Schwert als du und Maximilian, das habe ich schon oft genug bewiesen.“ Markus wurde rot und senkte den Kopf. „Weißt du“, murmelte er verlegen „Ich mache mir nur Sorgen um dich, weil du mir wichtig bist“, er sah sie wieder an „Ich weiß, dass du gut bist.“ Flora sah ihn stumm an. „Tut mir Leid. Ich wollte dich nicht anfahren.“ „Schon okay. Und jetzt hilf mir die blauen Flecken mit Peters Salbe ein zu cremen. Ich hab ein paar echt fiese Schläge am Rücken abbekommen.“ Er lächelte und Flora erwiderte sein Lächeln. Sie holte die Salbe aus ihrem Rucksack und half ihm bei den Stellen, die er nicht selber erreichen konnte.

 

Maximilian kam einige Stunden später. „Karbus ist gefallen“ sagte er erschöpft und ließ sich neben ihnen nieder. Er wirkte niedergeschlagen. Etwas Blut klebt an seinem Hemd. „Hast du sie nicht mehr rechtzeitig warnen können?“ fragte Markus vorsichtig. Maximilian schüttelte den Kopf und hob bedauernd die Mundwinkel. „Ich war zwar früher als sie dort, aber ich hatte keine Ahnung wo der Geheimgang war und der König wusste es auch nicht. Also konnten wir nichts tun. Ich habe mit ihnen gekämpft, aber als klar war, dass wir verlieren habe ich die Kinder und Frauen mit ein paar anderen in Sicherheit gebracht. Zumindest die, die es bis dahin überlebt hatten. Ich habe ihnen geraten einfach immer weiter nach Süden zu ziehen.“ Er verstummte. Flora und Markus sahen ihn betroffen an. Flora ergriff als erste wieder das Wort. „Ihr müsst sofort wieder zurück. Warnt Peter. Helft den anderen. Peter weiß sicher was zu tun ist. Er braucht euch sicher dringender als ich.“ Maximilian öffnete den Mund und Markus erklärte ihm knapp warum sie nicht mitkommen würde. Sie versuchten Flora umzustimmen, aber sie blieb hart. Unzufrieden verabschiedeten sie sich von Flora und machten sich auf den Weg.

Sobald sie im Lager war würde sie vermutlich nicht mehr heraus kommen. Sie würden sie vermutlich auch durchsuchen. Schweren Herzens nahm sie ihr Schwert vom Gürtel und steckte es in den Rucksack. Sie zog sich um und gab ihr restliches Gewand ebenfalls hinein. Dann holte sie einen kleinen Dolch heraus und steckte ihn ein. Selbst wenn die Soldaten ihn finden würden, würde es ihr misstrauen nicht wecken. Wer heutzutage nicht bewaffnet war war dumm. Sie sattelte Fidelius ab und strich ihm zum Abschied durch die Mähne. „Wir werden hier ein bisschen bleib, ja? Ich werde dich vermutlich nicht besuchen können. Lauf ruhig herum und hab ein bisschen Spaß, aber geh nicht zu nahe ans Lager.“ Das Pferd sah sie ruhig aus seinen klugen, braunen Augen an und wieherte leise. Flora seufzte und ließ ihn laufen. Dann suchte sie ein gutes versteck für den Rucksack. Sie fand einen Felsspalt, der nur einen Meter tief und ungefähr so breit war wie der Rucksack. Flora stellte ihn hinein und verschloss ihn mit mehreren mittelgroßen Felsbrocken. Anschließend machte sie sich auf den Weg. Sie blieb in Sichtweite des Lagers stehen. Sie hatte sich noch gar nicht überlegt, wie sie möglichst unauffällig dort auftauchen könnte.

In der Höhle des Löwen

Sie konnten ihr Glück kaum fassen. Dort stand sie. Eine Frau, fast noch ein Mädchen. Ein weibliches Wesen. Ach wie lange war es her seit sie das letzte Mal eines gesehen hatten? Monate, Jahre, sie wussten es nicht mehr. Sie stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen an und deuteten lächelnd auf sie. Noch hatte sie sie nicht gesehen. Ohne auf ihren Befehlshaber, ein Schüler des Schwarzen Ritters zu achten gingen sie auf sie zu. Als sie sie bemerkte fuhr sie erschrocken herum. Angsterfüllt starrte sie sie an und wollte davon laufen, aber die Soldaten hatten sie schnell erreicht. Leo wandte sein Pferd, als er ihr Gelächter hörte und ritt auf sie zu. Die Soldaten lachten und hielten das Mädchen fest, dass verzweifelt versuchte sich aus ihren Griffen zu befreien, „Wir werden heute Nacht etwas Spaß haben.“ „Nein werdet ihr nicht“, sagte Leo bestimmt. „Wir werden sie zum Schwarzen Ritter bringen. Er wird entscheiden was mit ihr passiert.“ Die Soldaten murrten folgten, aber seine Befehlen. Er zog das blonde Mädchen hinter sich aufs Pferd und trabte mit ihr zum Lager. „Vielleicht macht er sie zur Magd“, dachte er hoffnungsvoll „Oder er lässt sie für uns kochen.“ Er würde sie auf jeden Fall nicht den Soldaten überlassen. Er schluckte. Sie war ungefähr so alt wie Maya jetzt wäre, wenn sie noch leben würde. Ein Stich fuhr ihm durchs Herz und er zwang sich an etwas anderes zu denken.

„Manchmal muss man auch etwas Glück haben“, dachte Flora während sie sich an dem jungen Mann vor ihr festhielt, wenn sie sich richtig daran erinnerte war er derjenige gewesen, den sie dabei gesehen hatten, wie er die Soldaten nach Karbus geführt hatte. Sein Pferd trabte auf das Lager zu und ließ die Soldaten weit hinter sich zurück. Sie hoffte, dass Flora sich an ihren Teil der Abmachung hielt und widerstand dem Drang das Pferd etwas mehr anzutreiben. Sie würde jetzt eine Zeit lang die Ängstliche und Hilflose spielen müssen. Das Lager hatte sich seit ihrem letzten Besuch verändert. Geschäftiges treiben herrschte und mindestens die Hälfte der Zelte war schon abgebaut. Außerdem schienen alle bester Laune zu sein. Soldaten lachten und winkten dem Mann vor ihr auf dem Pferd zu. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck von hinten nicht sehen, aber er nickte ihnen zu.

Der Mann hielt einige Meter vor dem Zelt des Schwarzen Ritters an und half ihr vom Pferd. „Keine Sorge. Er wird dir nichts tun. Sei respektvoll und dankbar und es wird dir bei uns gut gehen“ sagte er leise zu ihr. Flora war sich nicht sicher ob er die Worte nicht gesagt hatte um sich selbst zu beruhigen, denn er wirkte äußerst besorgt. Sie setzte schnell eine besorgte und ängstliche Mine auf und fragte: „Seid Ihr sicher?“ Ihre Vermutung traf ins schwarze. Er begann nervös an seinem Schwertknauf herum zu fummeln, nickte und schob sie Richtung Zelt. Die Wachen ließen sie ohne Probleme passieren. Als sie ihn das erste Mal sah verstand Flora nicht warum die Menschen so viel Angst vor ihm hatten. Er war ungefähr so alt wie Peter und hatte dunkle gelockte Haare und freundliche Augen. Er lächelte als er den jungen Mann sah. „Leo, wen hast du mir den heute mitgebracht?“ Seine Stimme klang sanft und Flora hatte das Gefühl sie würde bloß einem Freund vor gestellt und nicht dem gefährlichsten Mann des Landes. „Wir haben sie im Wald gefunden. Sie schien verängstigt. Ich dachte wir könnten sie vielleicht als Magd mitnehmen“, fügte er hinzu und es klang so belanglos als hätte er vorgeschlagen ihm beim anziehen seiner Rüstung zu helfen oder sein Pferd zu bürsten. Aber er stand so nahe an Flora, dass sie spürte wie sein Herz raste. Der Schwarze Ritter nickte nachdenklich. „Ich möchte mit ihr alleine sprechen. Hilf Julian und Titus euer Zelt ab zu bauen.“ Leo nickte ehrfürchtig und verließ das Zelt. Flora konnte spüren, dass er lieber dabei geblieben wäre. Sie blickte ihm ängstlich nach. Der Schwarze Ritter stand auf und betrachtete sie, als wäre sie Ware. Sie fühlte sich unwohl unter seinem Blick und verkrampfte sich unmerklich. „Wie heißt du?“ fragte er und blieb dicht hinter ihr stehen. „Ines“ hauchte sie leise. Es war vielleicht nicht klug ihm diesen Namen zu nennen, aber es war der einzige, der ihr auf die schnelle ein fiel. Sie konnte seine Reaktion nicht sehen, wagte es aber nicht sich um zu drehen. Langsam ging er weiter und schlenderte zu seiner Rüstung, die paar Meter entfernt lag. Eine Zeit lang beachtete er Flora gar nicht. Er legte die einzelnen Metallplatten schön säuberlich vor sich auf. Als er damit fertig war wandte er sich wieder Flora zu. Er setzte sich und forderte sie auf das selbe zu tun. Sie ließ sich auf die trockene Erde nieder. Er sah sie eine Weile schweigend an und sie wich seinem Blick aus. „Erzähl mir mehr von dir. Woher kommst du? Wo ist deine Familie? Wie hast du gelebt bevor du von meinen Soldaten aufgegriffen wurdest?“ Er klang wirklich interessiert. Flora täuschte Schüchternheit vor während sie fieberhaft nach dachte was sie ihm erzählen sollte. Er lächelte ihr aufmunternd zu. „Ich habe auf einem Bauernhof gelebt bevor ihr her kamt und ich mit meiner Familie auf die Burg geflüchtet bin“ ,begann sie stockend. „Meine Mutter ist schon bei der Geburt meines kleinen Bruders gestorben und mein Vater kämpfte in der Armee“ fuhr sie schon etwas flüssiger fort. „Mein Bruder, Daniel ist vor einigen Monaten verhungert, weil wir seit dem mein Vater gefallen ist nicht mehr so viel zu essen bekommen haben. Und ich musste doch im Stall arbeiten...“ Sie schaffte es sogar, dass ihr eine Träne die Wange hinunter rann. Vorsichtig sah sie auf. Der Ritter betrachtete sie immer noch und hatte ihr aufmerksam zu gehört. „Du wurdest also nicht beachtet und deshalb ist dein Bruder verhungert. Weil sie dich nicht als wichtig genug empfunden haben und dir deshalb nicht genug Lebensmittel gegeben haben“ sagte er schließlich ruhig. Es klang eher wie eine Feststellung als eine Frage. „Möchtest du wichtig sein? Eine wichtige Aufgabe übernehmen?“ Sie sah ihn unsicher an und nickte langsam. „Ich habe eine wichtige Aufgabe für dich. Ich würde dich sofort schicken um sie zu übernehmen, aber ich bin von Natur aus ein misstrauischer Mensch. Ich werde dich zuerst ein wenig in der Küche arbeiten lassen. Wenn du deine Aufgabe gut meisterst werde ich dich wichtigeres übernehmen lassen.“ Sie nickte abermals und flüsterte leise „Danke.“ Er pfiff nach einem Soldaten, dem er auf trug sie in die Küche zu bringen.

Er sah ihr noch lange hinterher, obwohl das Zelt sie schon längst verdeckt hatte. Er konnte nicht sagen woran es lag, aber sie gefiel ihm. Sie hatte etwas außergewöhnliches an sich. Er rief einen der Soldaten. „Hol Leo“ blaffte er sobald dieser den Kopf ins Zelt gestreckt hatte. Der Soldat verbeugte sich und eilte davon. Leo kam einige Minuten später. „Behalte dieses Mädchen im Auge. Du sagst mir sofort Bescheid falls sie irgendetwas Verdächtiges macht.“ Auf Leos frage wo sie sei antwortete er bloß er solle den Soldat fragen, den er geschickt hatte. „Und hol Julian und Titus. Sie sollen mir in die Rüstung helfen.“ Leo nickte und verließ das Zelt.

Er ging zurück zu dem Platz an dem ihr Zelt gestanden hatten. Julian und Titus waren mit dem abbauen schon fast fertig und rollten nur noch die letzten Planen zusammen. „Er möchte euch sehen“ ,sagte Leo. „Ihr sollt ihm in die Rüstung helfen. Geht, ich verstaue den Rest des Zelts.“ Die beiden nickten ihm dankbar zu und machten sich auf den Weg. Leo verstaute das Zelt auf ihren Pferden, die schon abmarschbereit waren. Er achtete kaum darauf was er tat. Seine Hände taten es wie von selbst, schließlich war er es gewohnt. Aber er hatte es geschafft. Die Soldaten würden dem Mädchen nichts tun. Sie würde mit ihnen ziehen anstatt im Wald zu verhungern. Er fühlte sich gut und summte leise vor sich hin. Als er fertig war fragte er den Soldat nach dem Weg. Er folgte seiner Beschreibung und schlenderte gut gelaunt zum Suppenzelt, oder besser gesagt dorthin wo es mal stand. Sie waren auch schon am Aufbruch und das blonde Mädchen half ihnen fleißig die großen Suppentöpfe und noch vorhandenen Lebensmittel auf die Kutschen zu beladen. Leo beobachtete sie eine Weile. „Du kommst zu spät“, rief ihm Norbert, der Chef der Suppenzelte zu „Wenn du noch etwas zum essen willst musst du dich mit einer Scheibe Brot begnügen.“ Er kam mit seinem watschelnden Gang auf Leo zu. Er war etwas kleiner und äußerst ungeschickt im Umgang mit Waffen, was ansich kein Problem wäre würde er nicht auch die Soldaten in den eigenen Reihen gefährden. Deshalb hatte man ihn in die Suppenküche versetzt. Hier machte er seine Aufgabe viel besser. Seit sie ihn dabei hatten plünderten die Soldaten wesentlich seltener die umliegenden Dörfer um etwas essbares zu finden.

Leo lächelte ihm zu „Ich bin nicht wegen dem Essen hier, sondern wegen ihr. Natürlich hab ich nie etwas gegen dein Essen, aber du weißt doch, dass mir bei längeren Reisen immer so schlecht wird wenn ich zu viel esse“, fügte er noch schnell hinzu, als er dessen Gesicht sah. Norbert lächelte wieder „Du bist also wegen dem Mädchen hier?“ Leo nickte. „Sie hat eindeutig Angst, wenn du mich fragst, obwohl man ihr das hier nicht verübeln kann. Sie ist schließlich das einzige weibliche Wesen weit und breit.“ Leo nickte stumm. Natürlich wusste Norbert nichts von Flora. Er konnte nicht wissen, dass das blonde Mädchen gar nicht so alleine war. „Sie heißt übrigens Ines und ist fleißiger, als die meisten Männer, die hier arbeiten.“ „Wie wird sie sich fortbewegen?“ „Sie fährt mit einer der Kutschen mit. Wir können sie doch nicht reiten lassen.“ „Gut.“ „Kann ich sonst noch etwas für dich tun? Wir müssten weiter aufladen und du weißt doch wie wütend der Schwarze Ritter wird, wenn er wieder auf uns warten muss“, fragte ihn Norbert und Leo konnte sehen wie er erschauderte allein bei dem Gedanken daran. „Nein. Das wäre alles. Tut einfach so als wäre ich nicht da. Ich werde sie noch eine Weile beobachten.“ „Natürlich“, Norbert lächelte ihm noch im gehen verschwörerisch zu und murmelte leise, aber noch laut genug, dass Leo es hören konnte etwas von junger Liebe. „Ich bin nicht...“ setzte Leo an, aber Norbert war schon zu weit weg um ihn zu hören. Leo spürte wie seine Wangen glühten und verwünschte Norbert im Stillen.

Als sie mit dem Einladen fertig waren, wandte er sich ab und ging zurück zu seinem Pferd. Julian und Titus waren schon da. „Wo warst du?“, wollte Titus wissen. „Sie haben ein Mädchen im Wald gefunden. Der Schwarze Ritter möchte, dass ich sie überwache“, erklärte Leo ihnen. „Uhh. Ist sie hübsch?“ fragte Julian. „Sie sieht doch sicher gut aus, oder?“ folgte Titus seinem Beispiel. „Hört auf. Ich weiß genau woran ihr denkt. Der Schwarze Ritter wird uns nie an sie rann lassen. Er verfolgt eigene Ziele mit ihr, ich weiß nicht welche, aber wenn wir ihm da rein pfuschen wisst ihr genau was er mit uns macht.“ Sie ließen die Köpfe hängen. „Aber sie ist doch hübsch“, fragte Titus verstohlen. „Ja ist sie“, antwortete Leo und spürte wie er rot wurde. Er wandte schnell den Kopf ab, damit sie es nicht sahen. Er war sich sicher Titus und Julian hätten weiter nachgebohrt, wäre nicht der Ruf zum Aufbruch erschallt. Sie schwangen sich auf die Pferde und ritten zum Schwarzen Ritter. Oscar und Lukas, die anderen beiden Schüler, des Schwarzen Ritters warteten dort schon auf sie. Sie begrüßten sich gegenseitig mit einem Respektvollen nicken. Oscar war zwei Jahre älter als Leo hatte eine breite Statur, kurzes schwarzes Haar und blickte meistens so drein als hätte man sein Haustier ermordet. Leo sprach nicht viel mit ihm, aber er war ihm sympathisch, ein guter Schwertkämpfer und gab ihm stets gute Rückendeckung. Lukas war etwas jünger als Leo, war groß gewachsen mit blonden Haaren und äußerst jähzornig. Er beneidete Oscar nicht mit ihm ein Zelt zu teilen und er ging Lukas so gut es ging aus dem Weg.

Kaum hatten sie den Schwarzen Ritter erreicht ritt dieser schon los und führte den langen Zug an. Leo trieb sein Pferd an und freute sich darauf wieder eine längere Strecke Reiten zu können. Er hatte die lange flache Ebene mit den kleinen Waldstücken schon satt und war froh Karbus endlich zu verlassen.

Nächtliche Unruhe

Flora holte ihren Rucksack in der Nacht. Sie hatte ein eigenes Zelt zur Verfügung bekommen, deshalb konnte sie sich unbemerkt weg schleichen. Es war nicht besonders schwer raus zu kommen. Sie trug einfach eine der Uniformen der Soldaten, die sie am Vortag gestohlen hatte. So konnte sie ohne Probleme durchs Lager spazieren. Sie machte sich keine Sorgen darüber nicht wieder schnell genug zurück im Lager zu sein. Sie hatten sich im Schneckentempo fortbewegt und nicht einmal ein Viertel des Weges geschafft, den sie an einem Tag hinter sich gebracht hatte, als sie noch mit Max und Markus unterwegs war. Außerdem hatte sie den ganzen Tag dazu genutzt sich zu überlegen wie sie weiter vor gehen wollte. Sie musste unbedingt an ihre Sachen kommen, dass wurde ihr klar. Vor allem jetzt, da sie noch nah genug dran waren war es ideal. Sie hatte sogar unter der Kutsche einen ungenutzten Hohlraum entdeckt an dem sie ihn verstecken konnte.

Sie schlenderte in Soldatenuniform durch das Lager. Nur am Rand musste sie aufpassen. Es war nicht schwierig heraus zu kommen, da die Soldaten eher auf Eindringlinge achteten und dem Lager den Rücken zugewandt hatten. Sobald sie draußen war entfernte sie sich aus der Sichtweite und rief Fidelius. Das Pferd hörte sie sofort und machte sich auf den Weg zu ihr. Sie schwang sich in den Sattel und war froh wieder reiten zu können. „Du weißt gar nicht wie wahnsinnig mich diese Kutsche gemacht hat“, flüsterte sie Fidelius ins Ohr während sie auf den Wald zu preschten.

Sie hatte Glück, denn sie fand das Versteck nach einigem suchen, trotz der Dunkelheit. Erleichtert entfernte sie die Felsbrocken und holte den Rucksack heraus. Sie schulterte ihn und schwang sich wieder aufs Pferd. Auf dem Weg zurück ritten sie um ein Haar in eine Gruppe Soldaten, die zu dem Bataillon gehörten, die der Schwarze Ritter zu Sicherung der Stadt zurück gelassen hatte. Wenn Flora es richtig verstanden hatte sollten sie „Freiwillige“ für die Armee finden und sobald sie sicher waren, dass es keinen Widerstand mehr gab nachkommen.

Sie schafften es gerade noch im Schatten der Bäume zu verschwinden. Die Soldaten zogen lachend an ihnen vorbei und Flora verzog die Nase als sie ihre Alkoholfahne erreichte. Sie wartete bis sie außer Sicht waren und ritt dann erst weiter, obwohl sie sich sicher war, dass sich die Soldaten am Morgen sowieso an nichts mehr erinnern konnten. Sie wollte keinen Ärger.

Sie stieg erst kurz vor dem Lager ab, allerdings zwischen den Bäumen des umliegenden Waldes und somit unsichtbar für die Augen der Soldaten. Sie verstaute die Lebensmittel, die sich noch im Rucksack befanden in Fidelius Satteltaschen. Sie würde sie im Lager nicht brauchen. Sie schärfte Fidelius ein in der Nähe zu bleiben und machte sich auf den Weg. Sie fand einen Wache habenden Soldaten, der offenbar zu viel getrunken hatte und eingenickt war. Sie schlich sich ohne weiteres an ihm vorbei und ging zu ihrem Zelt. Nicht weit davon entfernt standen die Kutschen. Sie waren unbewacht und Flora versteckte den Rucksack in dem Hohlraum. Sie überlegte ob sie ihr Schwert mit nehmen sollte, entschied sich aber dann doch es dort zu lassen. Sie schlüpfte wieder in ihr Zelt und zog sich um. Die Uniform vergrub sie, dann legte sie sich hin und schlief ein.

Ein flüstern weckte sie. Jemand war in ihrem Zelt. Sie öffnete die Augen einen Spalt weit. Vor ihr standen drei Soldaten, kaum zu erkennen in der Dunkelheit. „Ihr beide haltet sie fest während ich meinen Spaß habe, dann wechseln wir“ flüsterte der Mann direkt vor ihr und leckte sich über die Lippen. Flora sah seine Augen begierig aufblitzen. Floras Hand schloss sich um den griff ihres Dolches. „Sollten wir sie nicht vorher knebeln. Sie wird sicher ne Menge Lärm machen“, entgegnete ein anderer Soldat. Die anderen beiden stimmten ihm zu. Während sie noch nach etwas geeigneten suchten um sie zu knebeln sprang Flora auf und stieß dem Mann vor ihr den Dolch in den Bauch. Verblüfft starrte der Man abwechselnd den Dolch und sie an. Flora riss ihn wieder heraus und rannte zum Zelteingang. Ein Soldat versperrte ihr den Weg, aber sie trat ihm zwischen die Beine und er brach lautlos am Boden zusammen. Sie rannte nach draußen und rief um Hilfe. Bald standen mehrere Soldaten kampfbereit um sie versammelt. Flora deutete mit zitternden Fingern auf die Eindringlinge und erzählte was passiert war. Manche glaubten ihr andere nicht. Sie wurde zusammen mit zwei der Eindringlinge unter Bewachung fest gehalten. Der dritte wurde zu einem Arzt gebracht, der versuchen sollte die Wunde im Bauch zu schließen.

Sobald der Schwarze Ritter am nächsten Morgen aus seinem Zelt trat wurden sie vor ihn geschleift. Flora erzählte zitternd was passiert war. Er hörte aufmerksam zu. Als sie an der Stelle angelangt war an der sie dem Soldaten den Dolch in den Bauch gerammt hatte rief einer der Soldaten in der Menge „Sie hat ihn umgebracht. Sie hat Mert ermordet.“ Der Schwarze Ritter brachte ihn mit einem Blick zum schweigen. „Er ist tot“ flüsterte Flora und eine Träne rollte ihr über die Wange. „Das wollte ich nicht, ehrlich.“ „Was ist dann passiert“, fragte der Schwarze Ritter als hätte sie nichts gesagt. Flora fuhr fort. Als sie geendet hatte lächelte er. „Gut. Sehr gut.“ Er wandte sich den versammelten Soldaten zu. „Ihr solltet euch das gut merken. Denn mit jedem der das versucht wird das selbe geschehen. Tötete sie“, fügte er hinzu und deutete auf die beiden Soldaten. Die umstehenden starten ihn verblüfft an. Als sie nichts taten zog er selbst sein Schwert und köpfte die beiden. Flora zuckte zusammen als einer der Köpfe ihr direkt vor die Füße rollte. Sie war sich sicher, dass sie seine angstverzerrten Gesichtsausdruck nie wieder vergessen würde. „Was steht ihr da noch so rum“, fuhr der Schwarze Ritter die übrigen Soldaten an, nachdem er fertig war sein Schwert an einem der Leichname abzuwischen und sie sich immer noch nicht gerührt hatten. „Du bleibst hier“, sagte er zu Flora als diese gehen wollte. Sie folgte ihm vorsichtig ins Zelt.

Er wirkte entspannter sobald sie alleine waren. „Ich wusste, dass du mir gefällst“, sagte er und lächelte. „Es sieht so aus als wärst du so weit. Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen.“ Er führte sie hinaus und zu einem anderen Zelt. Flora erkannte es sofort. Es war gut bewacht, wie an dem Tag an dem sie sich hinein geschlichen hatte. Der Schwarze Ritter trat ein und Flora folgte ihm zögerlich.

Flora saß am Bett und kämmte ihr langes schwarzes Haar. „Das ist Flora“ ,sagte der Schwarze Ritter. „Sie ist die Tochter eines guten Freundes, der leider verstorben ist.“ Flora stellte bedrückt fest, dass er nicht einmal log. Er verschwieg bloß, dass er ihn getötete hatte. „Ich möchte, dass du ihre Magd wirst. Was hältst du davon?“ Er stellte die Frage, als könnte Sie sie ablehnen, aber Flora war sich sicher, dass er sie dann genau wie die beiden Soldaten ohne zu zögern töten würde. „Klingt gut“ ,sagte sie. „Gut“ der Schwarze Ritter und lächelte wieder. „Dann lass ich euch beide mal alleine.“

„Du hast es wirklich geschafft?“ Fassungslosigkeit und Überraschung mischten sich im Blick der Prinzessin. Flora lächelte „Ich hab doch gesagt, dass ich bei dir bleiben werde. Und jetzt kann ich das sogar ganz offiziell.“ Offenbar verunsicherte ihre gute Laune die Prinzessin, denn sie stand auf und ging nervös im Zelt auf und ab. Sie blieb stehen und fragte: „Und was willst du jetzt mit mir tun? Möchtest du so lange auf mich einreden bis ich ihn verrate?“ Flora seufzte und sah ihr direkt in die Augen „Nein. Ich werde dir die Wahrheit erzählen und dir dann die Wahl lassen. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass du dich dann gegen ihn stellen wirst. Solltest du dich aber aus irgendeinem Grund anders entscheiden akzeptiere ich das und gehe.“ Die Prinzessin wirkte wieder etwas beruhigt und setzte sich auf das Bett. Sie deutete Flora an ihr gegenüber Platz zu nehmen. „Wie heißt du?“ wollte die Prinzessin wissen. Flora zögerte einen Moment „Für alle im Lager heiße ich Ines.“ „Aber das ist nicht dein richtiger Name.“ „Nein. Ich heiße Flora. Genau wie du.“ Die Prinzessin sah sie überrascht an. „Ich wurde eigentlich nach dir benannt“, erklärte sie „Ein guter Freund deines Vaters hat mich als Waisenkind gefunden und sich entschlossen mich nach dir zu benennen. Er wusste nicht, dass du noch lebst. Er dachte du wärst gestorben.“ „Ist er derjenige zu dem du mich bringen wolltest?“ Flora nickte, „Ja, er ist auch derjenige, der mich geschickt hat dich zu befreien.“ „Nur wusste er nicht, dass ich keine Gefangene bin.“ „Ja. Ich vermute, dass er es für möglich gehalten hat, dass du noch am leben bist nachdem wir auf dein beiden älteren Geschwister getroffen sind.“ „Ich habe Geschwister?“ „Ja, sie heißen Ines und Moritz und sie können sich noch gut an dich erinnern.“ Prinzessin Flora schien hin und her gerissen zwischen dem Wunsch ihr zu glauben oder sie eine Lügnerin zu nennen. „Sie sind noch bei uns. Wenn du mit kommst kann ich sie dir vorstellen.“ „Du kannst das nicht irgendwie beweisen, oder?“ Flora überlegte Fieberhaft, „Was hat der Schwarze Ritter dir über deine Herkunft erzählt?“ „Nicht besonders viel, bloß dass er meinen Vater gut kannte und das ich eine Prinzessin sei.“ „Mehr nicht?“ „Nicht wirklich“ „Warst du denn nie neugierig?“ „Er hat gesagt er redet nicht gerne darüber, aber er hat mir das gegeben. Er sagte es sei das Symbol meiner Familie.“ Sie hielt Flora eine Münze hin. Ein breites Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, „Ich kann es dir beweisen.“

Wie geht es weiter?

Als sie ankamen war es schon dunkel. Hätten sie den Wald nicht so gut gekannt hätten sie nie zurück gefunden. Die beiden stiegen von ihren Pferden, sattelten sie ab und ließen sie laufen. Ihre Pferde waren so müde, dass sie einfach nur in den Stall trotteten. Müde gingen sie in die Höhle. Die anderen waren noch wach. Sie saßen auf den Baumstümpfen um das Feuer und es sah so aus, als wenn sie gerade mit dem Essen fertig geworden waren. Sobald Didia sie sah sprang sie auf um sie zu umarmen, ein Lächeln im Gesicht. „Ihr seid wieder da.“ Abwechselnd umarmte sie Maximilian und Markus. „Wo ist Flora?“, fragte Moritz. „Sie wollte nicht mit kommen“ beantwortete Markus seine Frage. Er konnte Peters Sorge förmlich spüren. Sie stellten ihre Rucksäcke ab und setzten sich zu den anderen. Sie erzählten abwechselnd, bis ins kleinste Detail und als sie fertig waren fing es schon zu dämmern an. Es herrschte bedrückendes Schweigen. „Also ist er auf dem Weg zu uns“ durchbrach Didia die Stille. Die Angst in ihren Augen war nicht zu übersehen. „Ja, sieht ganz so aus.“ „Bevor wir irgendetwas beschließen oder Pläne schmieden sollten wir alle etwas schlafen“, sagte Peter. „Ich wusste, dass der Tag an dem Karbus fällt kommen würde und ich bin gut darauf vorbereitet. Schlaft erst mal ein bisschen und macht euch keine Sorgen. Wir besprechen Morgen alles in Ruhe.

 

Peter war schon wach. Er reichte ihnen ein Frühstück. Als sie anfangen wollten ihm Fragen zu stellen sagte er bloß sie sollten fertig essen. Sie schlangen das Essen hinunter. Sobald sie fertig waren breitete sich eine erwartungsvolle Stille aus. Alle Blicke ruhten auf Peter. „Unser erster Schritt ist es nach Verbündeten zu suchen. Wir können nur gemeinsam gewinnen“, fing er an. „Wir müssen die Bauern an einem Ort zusammen bringen an dem sie sicher sind, ihnen helfen Verteidigungsanlagen zu bauen und Unterstützung zukommen lassen. Ich habe Gestern noch Raben an die größeren Städte geschickt um sie vor zu warnen, aber Gebiete, die nicht so dicht besiedelt sind haben vermutlich noch keine Ahnung das er kommt. Ines, Moritz und Didia ihr werdet so gut ihr könnt dabei helfen die Menschen in Sicherheit zu bringen. Reitet so bald wie möglich los. Ihr kümmert euch um die Bauernhöfe im Osten, die sehr weit von einander verstreut sind. Bringt die Bewohner in die nächste größere Stadt und helft diese zu befestigen. Maximilian, Markus ihr beide kümmert euch um unseren wichtigsten Verbündeten. Er ist vielleicht ein Idiot, aber er wird euch zu hören.“ „Du meinst unseren Vater“, sagte Maximilian trocken. Markus kannte seinen Bruder gut genug um zu sehen, dass das das letzte war was er tun wollte. Auch wenn er es gut verbarg. Peter nickte „Ja, er ist der König dieses Landes, zwar kein guter, aber die Menschen werden auf ihn hören.“ „Was sollen wir ihm sagen? Dass der Schwarze Ritter auf dem Weg zu ihm ist und alles zerstören wird?“ „So ungefähr, macht ihm klar, dass er nicht König bleiben wird, wenn der Schwarze Ritter zu ihm kommt, dann wird er schon auf unserer Seite sein.“ „Was machst du inzwischen, während wir das erledigen?“ „Ich werde dafür sorgen, dass die Menschen im Notfall hier im Wald Schutz suchen können. Und ich werde ein paar alte Freunde verständigen und dafür sorgen, dass sie uns helfen. Hoffen wir, dass Flora mit guten Neuigkeiten zurück kommt“

 

Seit sie ihr die Münze gezeigt hatte glaubte sie ihr jedes Wort. Sie hing an Floras Lippen und wollte alles wissen. Es war leicht sie davon zu überzeugen, dass der Krieg real war. Sie hatte sie einfach in der Nacht mit ins nächste Dorf geschleift und ihr die Dorfbewohner gezeigt. Ihre müden, verzweifelten Gesichter hatten ihr Tränen in die Augen getrieben. „Du hast recht“, hatte sie gesagt „Niemand der so etwas tut ist ein guter Mensch.“ Flora sah, dass es ihr schwer fiel den Schwarzen Ritter von dieser Seite zu sehen. Und dennoch wollte sie alles von Flora wissen. Wo sie davor gelebt hatte? Wie ihre Geschwister waren und wie lange sie wohl noch brauchen würden bis sie dort waren. Flora schätzte, dass sie ungefähr die Hälfte des Weges zurück gelegt hatten. Aber durch den vielen Widerstand der Bauern und kleineren Adeligen kamen sie nur sehr langsam voran.

Als der Schwarze Ritter an diesem Abend in ihr Zelt kam, war das erste das ihn die Prinzessin fragte warum er den Krieg führen würde, es wurden dadurch doch so viele Menschen verletzt. Der Schwarze Ritter wurde gefährlich ruhig. „Das habe ich dir schon etliche Male erklärt“, sagte er kühl. „Aber ist es nicht falsch Menschen für etwas büßen zu lassen, dass sie nicht einmal getan haben? Diese Menschen wollen doch nur in Frieden leben“, fragte die Prinzessin. Der Schwarze Ritter wurde rot im Gesicht und begann sie anzubrüllen wie sie es wagen konnte ihn in Frage zu stellen und das er sein Leben lang geschuftet hatte, damit es ihr gut ging. Sie wurde blass und entschuldigte sich etliche Male. Flora stand in einer Ecke und beobachtete sie stumm. Sie hätte ihr nicht zu getraut so etwas zu fragen. Der Schwarze Ritter beruhigte sich wieder etwas. „Ich tue das nur damit wir alle in Frieden leben können.“ Mit diesen Worten verließ er das Zelt. Flora konnte sehen wie die Prinzessin zum ersten Mal erkannte warum Flora ihn einen grausamen Menschen genannt hatte. „Hol mich hier raus“ flüsterte die Prinzessin Flora zu.

Flora wusste noch nicht wie sie es anstellen wollte sie raus zu schleusen. In das Dorf zu gelangen war einfach, aber die Soldaten waren betrunken gewesen und der Schwarze Ritter war einige Tage nicht da gewesen. Außerdem hatte niemand ihr fehlen bemerkt und nach dem die Prinzessin ihm so eine Frage gestellt hatte würde er sicher doppelt so wachsam sein. Sie hatte ihren Rucksack sicherheitshalber schon wieder aus dem Lager geschleust und an Fidelius Sattel gebunden, nicht aber ohne vorher ihr Schwert heraus zu nehmen. Sie hatte es unter ihrem Kleid befestigte.

Am nächsten Tag kam der Schwarze Ritter wieder. Er schickte die Magd aus dem Zelt. Flora vermutete, dass er sich ihren Namen nicht einmal gemerkt hatte. Sie blieb draußen stehen und wartete. Nach einiger Zeit kam der Ritter wieder heraus. Flora verbeugte sich leicht vor ihm und ging wieder ins Zelt. „Was wollte er von dir?“ Die Prinzessin saß stumm am Bett. „Er hat sich entschuldigt, dass er mich angebrüllt hat. Er sagte ich wüsste zu wenig um die Situation zu beurteilen. Und dass er sich etwas ein fallen lassen würde um es wieder gut zu machen.“ „Du willst doch deshalb nicht hier bleiben?“ „Auf keinen Fall.“

Willkommen zurück

Sie brachen so schnell wie möglich auf. Ines, Moritz und Didia ritten nach Osten. Peter verschwand mit Pergament und Feder nach draußen, um die Raben zusammen zu rufen und ihnen Briefe mit zu geben. Markus fand Maximilian im Stall. Er sattelte Rabin, seine schwarze Stute so langsam wie möglich und war in Gedanken versunken. Er schrak zusammen als Markus ihn ansprach. „Ich kann auch alleine zu Vater gehen. Ich bin mir sicher Peter hat nichts dagegen, wenn du den anderen hilfst.“ „Nein“ ,entschlossen schüttelte Maximilian den Kopf. „Mir geht’s gut. Ich komme mit.“ „Wie du meinst.“ sagte Markus und war insgeheim froh nicht alleine gehen zu müssen. Im nächsten Moment schallte er sich dafür. Maximilian hatte wenigstens einen guten Grund warum er nicht zu ihrem Vater wollte. „Ich bin einfach nur weg gelaufen“, dachte Markus und schämte sich dafür Maximilian dazu zu zwingen wieder zurück zu kehren. Er sah auf und bemerkte, dass Max ihn beobachtet hatte. Er zwang sich zu einem Lächeln „Können wir?“ Maximilian lachte bitter „Du hast genau so wenig Lust wie ich ihn um etwas zu bitten, geschweige ihn zu treffen.“ Markus sah ihn eine Weile schweigend an „Kann man uns das verübeln? Schließlich war er ja nicht unbedingt der beste Vater.“ Maximilian lachte abermals, jedoch klang es schon wesentlich fröhlicher. „Komm machen wir ihn fertig“ sagte er und klopfte Markus aufmunternd auf den Rücken. Markus lächelte und sie führten ihre Pferde hinaus. Dann stiegen sie auf und ritten gemütlich los. Sie ließen sich Zeit. Keiner von ihnen war erpicht darauf möglichst schnell zu ihrem Vater zu kommen.

Dieses Mal ritten sie einfach zum nächsten Weg und folgten ihm. Bald wich dem Wald eine grüne Wiese und ihnen begegneten immer mehr Leute. Sie ignorierten die Blicke, die andere Reisende ihnen zu warfen genauso wie das Getuschel. „Ja ich weiß wir ähneln unserem Vater“ dachte Markus verärgert als eine Frau sie aufhalten wollte um ihnen eine Frage zu stellen. Sie ritten einfach an ihr vorbei und beschleunigten ihr Tempo etwas. Bald kam die Burg in Sicht. In dem Gedränge um die Burg kamen sie nur im Schritttempo voran.

Endlich schafften sie es durch den äußeren Ring der Burg zu kommen. „Sieht ganz so aus als hätten sie Peters Warnung schon erhalten“, raunte Maximilian ihm zu. Markus nickte und betrachtete die Bauern, die hektisch versuchten ihre Besitztümer in die Burg zu schaffen. Vor ihnen blockierte ein Wagen, der von einem Ochsen gezogen wurde, den Weg und sie waren gezwungen stehen zu bleiben. „Hey sind das nicht die Söhne des Königs“ ,rief jemand aus der Menge. „Na toll“, murmelte Markus. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Die Menschen rissen die Köpfe hoch und es dauerte nur wenige Sekunden bis sie sie erblickt hatten. „Das könnten wir auch nützen“, raunte Maximilian ihm zu und lächelte. Er hob die Stimme. Sofort war es totenstill. „Ja das stimmt. Wir müssen dringend mit unserem Vater sprechen. Währt ihr so freundlich uns ein wenig Platz zu machen, damit wir durch können?“ Sie starrten sie ein paar Sekunden lang an. Dann tat sich vor ihnen ein Weg in der Menge auf. Maximilian dankte ihnen und sie ritten los. Die Menge jubelte hinter ihnen, aber Markus nahm es kaum war. Sein Herz raste und er wischte sich die schweißnassen Hände in seinem Gewand ab.

Wenig später erreichten sie das Tor zum inneren Ring der Burg. Die Soldaten ließen sie ohne Probleme passieren. Im inneren war es im Vergleich zu draußen beängstigend still. Hinter ihnen schloss sich das Tor mit einem Knall, der auf dem ganzen Platz widerhallte. Vor dem Pallas standen einige Soldaten, ansonsten war kein Mensch weit und breit zu sehen. Sie sahen sich kurz an, dann ritten sie zügig auf sie zu. Vor ihnen blieben sie stehen und stiegen ab. Es dauerte einige Sekunden bis die Soldaten sie erkannten. Sofort strafften sie sich und neigten ihre Köpfe ehrfürchtig vor ihnen. „Wir möchten mit unserem Vater sprechen“ erhob Maximilian das Wort. „Er ist in der großen Halle mit seine höchsten Generälen und Rittern und berät sich, mein Prinz“, sagte der Soldat sofort. „Ihr könnt gerne hier bleiben und auf ihn warten. Soll ich euch irgendetwas bringen lassen?“ „Wir haben keine Zeit zu warten“, sagte Markus bestimmt. Bevor der Soldat, oder einer seiner Kollegen etwas erwidern konnten, drückten sie ihm die Zügel ihrer Pferde in die Hand, wandten sich um und gingen auf den Bergfried zu.

Er wurde nicht bewacht. Vermutlich hielt ihr Vater es nicht für nötig. Schließlich war er auch für seinen Leichtsinn bekannt. Zum Glück kannten sie den Weg und mussten nicht erst jede Tür öffnen sondern gingen gleich zügig in den dritten Stock. Sie blieben vor der großen Eichentür stehen. Markus holte tief Luft, „Bist du bereit?“ „Ich hoffe es. Was ist mit dir?“ Markus lachte nervös. Max lächelte, „Ja. Geht mir genau so.“ „Denkst du wir sollten klopfen?“ Max zuckte mit den Schultern. Dann öffnete er kurzerhand die Tür und trat ein. Markus folgte ihm. Die große Halle hatte sich nicht verändert, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, der große lange Tisch in der Mitte, der Thron am gegenüberliegenden Ende und die edlen Wandteppiche an den Wänden. Das Wachspapier vor den Fenstern zitterte, als der Wind dagegen drückte. Es kam kaum Licht durch, vor allem zu dieser Jahres Zeit. Markus fröstelte, der Raum erinnerte ihn immer an das Verlies. Am und rund um den Tisch standen Kandelaber und unterstrichen die angespannte Stimmung im Raum. Die Männer, die um den großen Tisch vor ihnen saßen, bemerkten sie erst als die Tür schallend hinter ihnen zu fiel.

 

Sofort verstummten alle. Als keiner der Zwillinge etwas sagte begannen sie miteinander zu tuscheln. Markus sah hinüber zu Maximilian. Sein Bruder war erstarrt und er konnte die Angst in seinen Augen sehen. Ihr Vater erhob sich langsam, „Ruhe!“ Als die Männer seinem Befehl nicht folgten, schlug er mit der Hand auf den Tisch. Sie verstummten und wandten sich wieder ihm zu. Markus atmete ein paar Mal tief durch, dann ging er auf seinen Vater zu. Aus den Augenwinkeln sah er wie Maximilian ihm folgte. Als er ungefähr bei der Hälfte des Tisches war begann ihr Vater wieder zu sprechen. „Was wollt ihr?“ Er klang barsch und ungeduldig und es war ihm anzuhören, dass sie das Letzte waren mit dem er sich beschäftigen wollte. Mit Genugtun stellte Markus fest, dass sie ihn nervös machten. „Wir möchten uns mit dir unterhalten. Es geht um den Schwarzen Ritter. Wir hätten dich gerne als Verbündeten“, sagte Markus als er kurz vor ihm stand. Er war stolz darauf, dass seine Stimme kein bisschen zitterte.

Der König sah in kurz fassungslos an. Dann begann er laut zu lachen. „Ihr meint wohl, dass ich euch jetzt beschützen soll, nachdem ihr Jahre lang so undankbar wart?“ „Nein“, sagte Markus knapp und lächelte „Wir bieten an dich als unseren Verbündeten zu nehmen und das wir dich dann beschützen.“ Ihr Vater lächelte wieder amüsiert und hob eine Augenbraue „Ihr beide wollt mich beschützen?“ Markus seufzte und ließ den Kopf hängen. Er versuchte die Blicke der anderen zu ignorieren, dann blickte er seinem Vater direkt in die kalten Augen und erwiderte „Du hast heute morgen einen Brief bekommen, richtig?“ Er redete weiter bevor sein Vater es bestätigen konnte „Dieser Brief stammt von jemanden Namens Peter. Er hat dir gesagt, dass Karbus gefallen ist und dass der Schwarze Ritter nun auf den Weg zu euch ist. Aus diesem Grund hast du auch hier alle versammelt.“ „Nein“ unterbrach ihn sein Vater „Ich habe zwar diesen Brief erhalten, aber ich vermute, dass es nur ein dummer Streich war, vielleicht sogar von euch, ich habe meine Leute nur zu einem Lagebericht zusammen gerufen. Ich bezweifle sogar, dass es stimmt, dass Karbus gefallen ist“ „Karbus ist gefallen“, fuhr Maximilian ihn an. „Wir waren dort wir haben es mit eigenen Augen gesehen.“ Der König lächelte amüsiert, bevor er jedoch etwas erwidern konnte begann Markus wieder zu sprechen. „Ich glaube nicht, dass du so dumm bist diese Warnung nicht ernst zu nehmen. Ich glaube, dass du uns nur los werde willst, da wir ja so undankbar sind. Aber glaub mir, wir sind im Moment das geringste Problem, dass du hast. Wir sind hier, weil wir wissen möchten ob du im schlimmsten Fall auf unserer Seite bist und nicht einfach den Schwarzen Ritter dein ganzes Königreich überlässt. Wir wurden von Peter geschickt und glaube mir, er hat wesentlich mehr Einfluss als du. Außerdem ist er der wertvollste Verbündete, denn du haben kannst, denn der Schwarze Ritter fürchtet ihn. Und sobald er hier ist wird er sich ihm in den Weg stellen. Wir möchten, bloß wissen auf wessen Seite du stehst.“ Ihr Vater schwieg lange „Dieser Peter“ sagte er schließlich „Kann er den Schwarzen Ritter besiegen?“ „Ja“ „Und wenn er das getan hat, was hat er dann vor. Möchte er sich dann zum König krönen lassen...?“ Ein verärgertes Grinsen huschte über Markus Gesicht. „Keine Sorge du wirst König bleiben“, sagte er so herablassend wie möglich. „Also? Sind wir nun Verbündete?“ Der König sah ihn lange an. „Sind wir“, sagte er und klang dabei äußerst verbittert. „Gut“, sagte Markus, wandte sich um und ging, gefolgt von Maximilian. „Warte“ rief ihnen ihr Vater nach. Sie wandten sich beide um. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte der König und Markus konnte die Verzweiflung in seiner Stimme nicht überhören. „Bringt alle Leute in die Burg und richtet euch für eine Belagerung ein. Es wäre nicht schlecht wenn ihr auch noch eine Armee bereit stellen könntet. Nur für den schlimmsten Fall“, sagte Markus ruhig. „Wenn alles gut geht sollten sie euch allerdings nicht einmal erreichen.“ Mit diesen Worten verließen sie die Halle.

 

„Tut mir Leid“ ,sagte Maximilian sobald sie die Halle verlassen hatten und die Treppe hinunter stiegen. „Ich war einfach erstarrt ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Das einzige an das ich noch denken konnte war, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe...“ ,seine Stimme versagte. „Es tut mir unglaublich Leid.“ „Schon in Ordnung“, erwiderte Markus ohne ihn anzusehen. „Es hat schon funktioniert. Ich hoffe bloß, dass Peter wirklich einen Plan hat.“ Maximilian lachte nervös „Hoffe ich auch. Glaubst du wirklich, dass er ihn besiegen kann?“ Markus sah bedrückt über den Platz der Burg, dann sah er Maximilian fest in die Augen „Ja. Er muss es einfach“, fügte er leise hinzu. Sie holten ihre Pferde von dem Soldaten, die sie nur nervös ansahen und verließen die Burg. Markus beobachtet Maximilian immer wieder, der wenige Meter vor ihm ritt und unglaublich aufgebracht wirkte.

Dieses Mal machten ihnen die Menschen schon Platz ohne, dass sie etwas sagen mussten. Der erste, der sie sah deutete auf sie und schon bildete sich eine Gasse in der Menschenmenge. Erst als sie die Stadt verlassen hatten, gewann Maximilian seine Gelassenheit zurück und man konnte ihm die Erleichterung direkt ansehen.

Entführt?

Leo hatte ewig gebracht ihn dazu zu überreden. Der Schwarze Ritter hatte lange überlegt, aber schließlich hatte er zugestimmt. Er hatte ihm erlaubt mit Flora zum See zu gehen. Er überbracht ihr die Nachricht sofort und sie zogen am nächsten Morgen los – er, Flora und ihre Magd, die ihr nicht mehr von der Seite gewichen war. Er hatte für die Magd ein Pferd besorgt, dass er jetzt hinter seinem führte. Erstaunlicher Weise hatte sie keinerlei Schwierigkeiten sich auf dem Pferd zu halten. Flora saß hinter ihm auf Grewer und hielt sich an ihm fest. Er hätte ja für sie alle eine Kutsche besorgt, aber in der kurvenreichen Hügellandschaft hätten sie einen riesigen Umweg machen müssen, um den See damit erreichen zu können.

Es war ein sonniger Morgen und Leo hatte gute Laune. Sie erreichten den See nur wenige Minuten später. Er half den Frauen aus dem Sattel. Er blieb etwas abseits stehen und beobachtete, wie die beiden zum Wasser gingen und sich leise lachen unterhielten. Er seufzte und atmete tief ein. Es war schon lange her, dass er Freizeit hatte. Er betrachtet die grünen Wälder um sie herum und lächelte. Er ließ sich ins weiche Gras sinken und summte ein Lied vor sich hin. Er wandte sich wieder den Mädchen zu als Flora aufschrie und aus dem Wasser sprang. Leo rannte sofort zu ihnen. „Alles in Ordnung?“ ,fragte er besorgt. „Ja, ja ich hab mich nur erschreckt. Der war auf einmal da“, Flora deutete auf einen großen Fisch, der langsam wieder im tiefen Wasser verschwand. Er lächelte erleichtert und wollte schon wieder zu seinem Platz zurück gehen, als er einen Schmerz am Hinterkopf spürte und das Bewusstsein verlor.

„Wir können ihn doch nicht einfach so zurück lassen?“ Prinzessin Flora sah die andere an, die den Holzscheit, den sie ihm auf den Kopf geschlagen hatte fallen ließ. Sie nahm ihn kurzerhand am Kragen seines Hemdes und zog ihn aus dem seichten Wasser. „Er ist ein ausgebildeter Kämpfer. Er wird mit einer Beule davon kommen.“ Sagte sie sachlich und ließ ihn am Ufer liegen. Flora pfiff schrill und wenig später erschien Fidelius zwischen den Bäumen. „Glaubst du nicht das wilde Tiere ihn angreifen könnten?“ „Nicht um diese Tageszeit. Komm jetzt.“ Sie schwang sich in den Sattel und reicht ihr die Hand um sie aufs Pferd zu ziehen. „Bist du dir sicher“, fragte die andere. „Ja und jetzt komm. Er wird nur ein paar Stunden bewusstlos sein.“ Zögernd griff sie nach ihrer Hand und ließ sich hinauf ziehen. Kaum war sie oben preschte Fidelius los. Flora trieb ihn noch mehr an. Sie hatten nicht viel Zeit. Zumindest nicht so viel wie sie gerne hätte. Sie wollte einen möglichst großen Abstand zwischen sie bringen bevor der Schwarze Ritter merkte, dass sie weg waren.

Die Sonne stand schon hoch als er wieder zu sich kam. Er sprang panisch auf und sah sich um. Flora war weg. Natürlich. Sogar ihre Magd war nicht mehr zu sehen. Er hatte sie letztendlich doch nicht beschützen können und er hatte genau das getan was er unter keine Umständen hätte tun sollen. Er hatte Flora verloren. Nervös ging er herum und wusste nicht was er tun sollte. Der Schwarze Ritter würde ihn umbringen, aber er konnte auch nicht einfach abhauen. Er wusste nicht einmal wohin er gehen sollte. Lange lief er einfach nur verzweifelt am Seeufer hin und her. Dann rief er Grewer und schwang sich in den Sattel.

 

„Sir…“ „Verschwinde!“ „Es tut mir unglaublich Leid.“ „Ich hab gesagt du sollst verschwinden. Nur wegen dir bin ich jetzt in Schwierigkeiten. Ich hätte dir nie vertrauen sollen.“ Leo zuckte zusammen und verließ das Zelt. Er hatte sich doch entschieden zurück zu kommen. Der Schwarze Ritter war stink sauer. Er hatte ihn bis jetzt zwar noch nicht bestraft, aber Leo war sich sicher, dass er dies noch tun würde. Schließlich hatte er den Mensch verloren, der ihm am wichtigsten war. Er war dafür verantwortlich, dass Flora ihren Feinden in die Hände gefallen war. Er raufte sich die Haare und ging zurück zu Julian und Titus. „Was hat er gesagt?“ wollten die beiden wissen. „Nichts. Er hat mich bloß angefaucht.“ „Hat er gesagt wie er dich bestrafen will?“ „Lasst mich in Frieden“, fuhr Leo sie schlecht gelaunt an. Wütend ging er zu Bett. Er lag noch lange wach und hörte noch wie Julian und Titus sich leise über die Konsequenzen seiner Tat unterhielten. Leo war kurz davor auf zu springen und auf sie los zu gehen, als es still wurde und er bald darauf ihr leises Schnarchen vernahm.

 

Der Schwarze Ritter trieb sie an wie Tiere. Seit Flora entführt worden war ließ er ihnen kaum Zeit zum ausruhen. Die Fußsoldaten waren erschöpft und ließen sich nur noch müde ins Gras fallen, sobald sie anhielten. Sie machten sich nicht die Mühe für die drei, vier Stunden, die sie halt machten ein Zelt aufzubauen. Der Schwarze Ritter selbst war der einzige, der noch in einem Zelt schlief. Er schien möglichst schnell voran kommen zu wollen, als wüsste er, dass Flora irgendwo in dieser Richtung zu finden sein. Die kleinen Dörfer ließ er sie nicht einmal mehr einnehmen. Sie zogen an ihnen vorbei und hielten nur an um Lebensmittel zu „besorgen“.

Leo vermisste die Ruhe und Gelassenheit mit der der Schwarzen Ritter sie sonst anführte schon in der ersten Nacht. Sie wurden von einem Regenguss überrascht und waren innerhalb von Sekunden bis auf die Haut durchweicht. Überall im Lager sprangen Soldaten panisch auf und breiteten Planen über ihren Köpfen aus. Leos Gewand war am nächsten Morgen noch immer feucht. Sie brachen sofort auf. Der Schwarze Ritter hatte alle Pausen gestrichen. Für seine Schüler gab es jetzt nicht einmal mehr Übungskämpfe. Sie bekamen zwar mehr schlaf als die Fußsoldaten, da sie den Luxus hatten Reiten zu können, aber sie hatten wesentlich schlechtere Laune. Lukas ging fast jeden Tag auf Leo los und brüllte wüste Beschimpfungen. Meistens endeten diese Auseinandersetzungen damit, dass Oscar Lukas Bewusstlos schlug. Oscar ging zwar nicht auf ihn los hatte aber aufgehört mit ihm zu sprechen. Nur Julian und Titus hielten zu ihm. Sie waren zwar ein bisschen sauer auf ihn, da er ihnen ja das ganze eingebrockt hatten, wussten jedoch, dass es die Situation nicht besserte. „Weißt du, ich hätte es vermutlich auch vermasselt zu verhindern, dass Flora entführt wird“, sagte Julian eines Abends zu ihm, als er wieder einmal nicht schlafen konnte. Leo sah ihn überrascht an. „Naja, eigentlich ist es ja die Schuld des Schwarzen Ritters schließlich hat er dich alleine mit ihr gehen lassen.“ Als Leo nichts sagte wurde er rot. Er wandte sich ab und legte sich schlafen, den Rücken Leo zugewandt. „Danke“, sagte Leo leise. Julian bewegte sich nicht, aber Leo hätte schwören können, dass er lächelte.

 

Flora lachte auf, als der Wind durch ihre Schwarzen Locken fegte. Sie waren schon fast da. Der Wald fing endlich an Flora wieder vertraut zu sein. Erleichterung durchfuhr sie und sie stellte überrascht fest, dass sie Heimweh hatte. Prinzessin Flora wurde immer ausgelassener, je weiter sie sich vom Schwarzen Ritter entfernten. Sie bat immer öfters Halt zu machen um die Umgebung zu erkunden. Sie machte damit Flora unglaublich nervös. Sie beobachtete fasziniert Schmetterlinge und versuchte Kaulquappen in dem Fluss zu fangen, an dem sie kurz halt gemacht hatten, um Fidelius trinken zu lassen und ihre Wasserschläuche auf zu füllen. Das Pferd war schon ziemlich erschöpft. Flora war bis spät in die Nacht geritten und war aufgebrochen sobald es wieder hell wurde. Die Angst vom Schwarzen Ritter verfolgt zu werden nagte an ihr, auch wenn sie es niemals zugeben würde. Die Prinzessin beschwerte sich zwar so früh aufstehen zu müssen, aber sie liebte die Sonnenaufgänge. Nach einiger Zeit döste sie meistens hinter Flora im Sattel ein.

Sie hatten die Dörfer gemieden. Flora hatte so viel wie möglich an Vorräten mitgenommen und sie waren äußerst sparsam damit umgegangen, trotzdem hatten sie jetzt nur noch zwei Scheiben Brot und einen Apfel. Flora gab der Prinzessin bei ihrer nächsten Paus eine der Scheiben und den Apfel. Sie begnügte sich selbst mit einer halben Scheibe und verstaute die andere Hälfte in ihrem Rucksack. Sie blickte sich um und entdeckte einen Brombeerbusch. Sie deutete der anderen ihr zu folgen und zeigte ihr den Strauch. Gemeinsam pflückten sie ihn leer und teilten ihre Ausbeute. Flora lächelte „Wir müssten ungefähr Morgen gegen Mittag ankommen.“ „Aber wir haben gar nichts mehr zu essen“, rief die Prinzessin erschrocken aus. „Keine Sorge. Hier kenne ich mich aus. Ich kenne den Großteil der Pflanzen und im schlimmsten Fall kann ich auch jagen gehen. Ab hier werden wir sicher nicht verhungern. Komm jetzt. Wir sollten weiter reiten.“

Sie schlugen ihr Nachtlager in einer kleinen Höhle auf. Flora lenkte Fidelius zielsicher darauf zu. Der Eingang lag gut versteckt in einer Senke und die Prinzessin stellte verdutzt fest, dass es im inneren schon einen gut befestigten Lagerfeuerplatz gab und eine Menge fein säuberlich aufgestapeltes Brennholz. „Das ist eines unsere kleineren Verstecke“, erklärte Flora während sie das Feuer in Gang brachte. „Wir haben welche davon im ganzen Wald, falls wir hier in der Gegend mal bleiben möchten oder auf der Durchreise sind. Sie sind meisten ziemlich gut ausgerüstet.“ Sie stand auf und sah sich in der Höhle um. „Aha“, rief sie triumphierend aus und hielt mehrere Decken und etwas getrocknetes Fleisch hoch. Sie breiteten die Decken vor dem Lagerfeuer aus und verdrückten das Fleisch. Dann legten sie sich schlafen, froh ein Dach über dem Kopf zu haben.

Als sie aufwachten regnete es. „Warten wir bis es aufhört?“ fragte die Prinzessin und schaute unbehaglich nach draußen. Es schüttete und in der Mulde vor der Höhle hatte sich schon eine große Lacke gebildet. Flora wusste, dass es unterirdisch abrann. Sie konnte sich noch gut an die Tage erinnern an denen es noch keinen Abfluss gab und an denen die Höhle bei Regen halb überflutete wurde. Peter hatte ihn mit ihr gemeinsam gebaut, weil es ihn genervt hatte ständig im nassen auf zu wachen.

Flora stand auf und ging zum Ausgang. Ein eisiger Wind blies ihr Regentropfen ins Gesicht. Sie seufzte und wandte sich um „Ich fürchte wenn wir heute noch ankommen wollen müssen wir da durch.“ „Du möchtest bei diesem Unwetter weiter reiten?“ Sie klang äußerst besorgt. „Was ist wenn ein Blitz in einen Baum einschlägt oder wir uns verirren?“ „Das wird nicht passieren. Ein Teich ist in der Nähe von uns. Wenn der Blitz wo einschlägt, dann dort. Außerdem kenne ich mich hier schon sehr gut aus. Hier werden wir uns nicht einmal verirren, wenn es stockfinster ist.“ Sie seufzte. „Ich glaube nicht, dass das Wetter besser wird. Lass uns aufbrechen.“ Sie sattelt Fidelius und löschte das Feuer. Dann zog sie sich ihre Kapuze über den Kopf und deutete der Prinzessin es ihr gleich zu tun. Sie stiegen auf und preschten los.

Sobald sie die Höhle verlassen hatten traf sie der Regen hart. Sie hatten, dass Gefühl jemand würde kübelweise Wasser über ihnen ausleeren und sie waren schon nach wenigen Sekunden bis auf die Haut durchnässt. Hin und wieder blies der Wind durch den Wald und Flora hätte schwören können, dass sich eine Eisschicht auf ihnen bilden würde. Sie wünschten sich nichts sehnlicher als ein warmes Feuer. Nach einiger Zeit begann der Hunger an ihnen zu nagen und Flora begann hinter ihr zu niesen. Keines von beiden steigerte ihre Zuversicht.

Floras Laune begann jedoch zu steigen, als sie erkannte, dass sie nur noch eine halbe Stunde von der Höhle entfernt waren. Sie trieb Fidelius erneut an und das Pferd spürte ihre Freud und galoppierte noch schneller. Flora stieß einen Freudenschrei aus als sie den Höhleneingang sah. Die Prinzessin straffte sich hinter ihr im Sattel und fragte müde „Was ist los?“ Flora antwortet indem sie Fidelius durch den Felsspalt trieb. Sie sprang vom Pferd und half Flora hinunter. Dann führte sie Fidelius in den Stall und sattelte ihn ab. Anschließen ging sie mit der Prinzessin in die Haupthöhle. „Ich bin wieder da“, rief sie laut erhielt aber keine Antwort. Das Feuer brannte zwar, aber es war niemand da. „Na toll. Das ist aber eine nette Begrüßung“, murmelte Flora vor sich hin. Erleichtert ließ die Prinzessin sich vor dem Feuer nieder. Flora ging zu ihrer Nische und holte ein paar trockene Kleidungsstücke hervor. Sie gab der Prinzessin ebenfalls welche. „Zieh das an sonst verkühlst du dich noch.“ „Noch mehr als du ohnehin schon bist“, fügte sie in Gedanken hinzu. Sie legte ihre nassen Sachen zum trocknen auf, dann holte sie mehrere Decken. Sie legten sie sich um die Schultern und setzten sich vor das Feuer. So saßen sie da bis die Kälte auch die letzte Zelle ihres Körpers verlassen hatte.

Flora zeigte Flora die Höhle und machte ihnen etwas zum essen. Die anderen kamen sobald es dunkel war. Sie wirkten alle äußerst erschöpft. „Flora“, riefen die Zwillinge wie aus einem Mund und umarmten sie. Ines und Moritz blieben wie angewurzelt stehen und starrten die schwarzhaarige Flora sprachlos an. „Du musst Flora sein“ begrüßte Peter sie lächelnd. „Ich bin Peter.“ „Bist du derjenige, der meinen Vater kannte?“, fragte die Prinzessin unsicher. Peter lächelte und nickte. „Du kanntest unseren Vater?“ platzte es aus Ines heraus. „Natürlich. Wir wurden zusammen ausgebildet.“ Flora musste beim Anblick ihrer verdutzten Gesichter lächeln. Dann fiel ihr wieder ein, dass nur sie das wusste und blickte schnell hinüber zu Maximilian und Markus. Sie wirkten ebenfalls überrascht. „Und du kennst auch den Schwarzen Ritter?“ ,fragte Prinzessin Flora weiter. Dieses Mal waren es Maximilian und Markus die anfingen Fragen zu stellen. „Beruhigt euch“ ,sagte Peter und hob abwehrend die Hände. Warum setzt ihr euch nicht und ich erzähle euch alles in Ruhe.

 

Sie ließen sich um das Feuer nieder und Peter begann zu erzählen. „Ich wurde damals zusammen mit eurem Vater und dem Schwarzen Ritter ausgebildet. Und ja, ich war mit beiden befreundet. Sehr gut befreundet. Der Schwarze Ritter hat nach unserer Ausbildung...“ Floras Gedanken schweiften ab. Sie kannte die Geschichte ja schon. Für eine Sekunde lang bekam sie Panik, dass Peter ihnen auch von ihrer Rolle erzählen würde. Dann beruhigte sie sich wieder. Peter würde so etwas nie tun. Wollte sie überhaupt Königin werden. Allein der Gedanke daran beunruhigte sie. Was wenn jemand heraus fand, dass sie nicht wirklich Flora war? Was wäre wenn sie es nicht schaffen würde das Königreich nicht mehr auf zu bauen? Was wenn sie versagte? Oder die wirkliche Flora regieren wollte und sie als Lügnerin hin stellte?

„Und was machen wir jetzt?“, hörte sie Markus fragen. „Wir werden ihn zwingen zu uns zu kommen. Und dann werden wir ihn besiegen“, antwortete Peter so entschlossen als wüsste er schon im Vorhinein, dass er gewinnen würde. „Und wie sollen wir das anstellen?“, fragte Maximilian. Flora fiel erst jetzt auf, dass er seinen Arm um Ines gelegt hatte. Es störte sie offenbar kein bisschen den sie hatte sich an ihn gelehnt und ihren Kopf auf seine Schulter gelegt. „Es sollte nicht schwierig sein, ihn dazu zu bringen zu uns zu kommen. Schließlich haben wir sie“, Peter deutete auf Prinzessin Flora. „Aber ich bin doch weg gelaufen. Warum sollte er sich um mich kümmern?“, fragte sie verwirrt. „Ja das stimmt, aber das weiß er nicht. In seinen Augen wurdest du entführt und genau das werden wir ihm jetzt bestätigen.“

 

Peter saß noch lange an diesem Abend wach. Er hatte die anderen schon zu Bett geschickt. Den Brief hatte er schon ab geschickt. Er war sich zwar sicher, dass der Schwarze Ritter nicht alleine kommen würde, wie er es ihm geschrieben hatte, aber wenn er unauffällig sein wollen würde, konnte er nicht viel Verstärkung mit nehmen. „Und dank Flora wissen wir auch wer das sein wird“, dachte er mit einem Lächeln. Sie hatte sich wirklich selbst übertroffen, indem sie Flora dazu überzeugt hatte mit zu kommen und es auch noch so elegant geschafft hatte sie zu befreien.

Ein klopfen an der Tür unterbrach seine Gedankengänge. „Ja“ ,er drehte sich um. Langsam öffnete sich die Tür und Prinzessin Flora trat ein. Peter lächelte „Setzt dich doch. Wo auch immer du Platz findest“, fügte er auf ihren umherwandernden Blick hinzu. Sie schob ein paar Pergamentbögen vorsichtig beiseite und bahnte sich einen Weg zu einem klein Hocker, auf dem sich Bücher stapelten. Sie hob sie auf und legte sie behutsam auf den Boden. Dann ließ sie sich nieder und wandte sich Peter zu. Er hatte sie stumm beobachtet und fragte nun „Was kann ich für dich tun?“ Flora senkte verlegen den Blick, dann holte sie tief Luft und sagte leise „Könntest du den Schwarzen Ritter wenn möglich nicht töten? Ich weiß, dass ist eine großer Gefallen“, fügte sie hinzu als Peter ernst drein schaute. Er wandte den Blick ab. „Weißt du. Er ist kein guter Mensch. Er hat dich vermutlich nur mitgenommen um dich später als Königin von Drachengold einsetzen zu können. Die Menschen würden dich als Königin akzeptieren und er könnte dich einfach als Marionette benützen.“ „Ich weiß“, murmelte Flora. „Aber er ist mir trotzdem wichtig. Ich weiß ich hab keinen Grund ihn zu mögen, aber ich kann das nicht einfach so ein und ab schalten. Er hat mich praktisch groß gezogen.“ „Ja. Er hat dich gut isoliert, so dass du von ihm abhängig wirst.“ Peter sah sie jetzt wieder an. Flora schluckte und er konnte sehen, dass sie mühsam versuchte Tränen zurück zu halten. „Also wirst du ihn töten“, schluchzte sie und die Tränen kamen jetzt doch. Peter seufzte, stand auf und setzte sich auf den Bücherstapel neben ihr. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter und Flora blickte auf. „Ich hatte nie vor ihn zu töten. Und wenn es mir möglich ist werde ich das auch vermeiden“, sagte Peter sanft. „Schließlich war er auch einmal mein bester Freund.“ „Danke“, flüsterte Flora unter Tränen. Peter seufzte und nahm sie in den Arm.

Entführt!

Der Rabe kam einige Tage später. Er erkannte ihn sofort. Außer ihm und seinen Schülern gab es nur noch eine Person die Raben als Postboten verwendete. Peter. Der große Vogel landete neben ihm und ließ den Brief vor ihm fallen. Dann krächzte er zweimal und hob wieder ab. Er musste ihn nicht einmal aufheben um das Siegel zu erkennen. Das Blatt einer Eiche, dass vom Wind verweht wurde. Ihm wurde schlecht und eine ungute Vorahnung machte sich in ihm breit. Der Schwarze Ritter bückte sich und hob ihn auf. Er war froh, dass er einen Helm trug und seine Schüler seinen Angstschweiß nicht sehen konnten. Er schlitzte das Kuvert auf und begann zu lesen. Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrten sich. Er hatte Flora. Er hatte ja gewusst, dass Peter nicht so einfach aufgeben würde, aber das er zu solchen Mitteln griff…

„Sir, was ist geschehen?“, fragte Titus ihn verunsichert. Er konnte nicht anders als sich zu denken wie erbärmlich der Junge war, dass er nicht einmal das Zittern in seiner Stimme verbergen konnte. Seine anderen Schüler sahen ihn ebenfalls fragend an. Sie waren gerade dabei gewesen etwas zu trainieren. Etwas weiter weg vom Lager auf einem kleinen Erdhügel. Sie waren mitten in einem Übungskampf. Alle gegen ihn. Sie hatten noch nie gewonnen. Die Jungen konnten in etwa so gut zusammen arbeiten wie eine Katze und eine Maus. Sobald der Rabe den Brief fallen gelassen hatte, hatten sie ihre Schwerter zurück in die Scheide gleiten lassen. Was für ein Haufen Versager. Bevor sie wussten wie ihnen geschah, hatte er Titus, Julian und Lukas hart zu Boden geworfen und Leo einen so starken Tritt in die Magengrube verpasst, dass er in die Knie ging und keuchend nach Luft schnappte. Nur Oscar war auf seinen Angriff vorbereitet und zückte sein Schwert. „Gut gemacht Oscar“, sagte er lächelnd „Ihr seid echt erbärmlich“ wandte er sich an die anderen und musterte sie herablassen. „Der Kampf ist zu Ende wenn ich es sage oder ihr tot seit. Merkt euch das gefälligst.“

Dann ließ er sie stehen und ging zu seinem Pferd. Er stieg auf und wandte sich im Sattel um. Die anderen hatten sich nicht von der Stelle bewegt. „Worauf wartet ihr“, fuhr er sie an, dann ohne auf sie zu warten ritt er los Richtung Lager.

Er wurde nicht langsamer als er das Lager erreicht hatte und so mussten ihm die Soldaten aus dem Weg springen. Einer war zu langsam und sein Pferd traf ihn im Rücken. Der Soldat schrie vor Schmerz auf, aber er kümmerte sich nicht weiter um ihn und ritt weiter als wäre nichts geschehen. Er stürmte in sein Zelt und musste sich erst mal setzten um sich zu beruhigen. Es hatte gut getan die Jungen Mal wieder fertig zu machen. Für eine Sekunde hatten sie die Sorgen um Flora vertrieben. „Peter wird sie nicht töten“, sagte er sich. „Bist du sicher“, sagte eine Stimme in ihm. „Er hat sich auch verändert. Woher willst du wissen, dass er sie nicht tötet bloß um dir weh zu tun?“ Wütend hieb er mit der Faust auf seinen Schreibtisch. Der Schlag war so fest, dass das Holz unter seiner Faust splitterte. Fluchend zog er den Splitter aus seiner Hand, den er sich dabei eingezogen hatte. „Er wird sie nicht töten solange er nicht mit mir gesprochen hat. Er wird sicher noch einmal versuchen mich umzustimmen“, versuchte er sich zu beruhigen. Er konnte nicht anders als zu denken wie naiv Peter war. Gleichzeitig verfluchte er sich dafür, dass er die Zeit vermisste als sie noch befreundet waren. „Wir waren wie Brüder“, dachte er wehmütig. „Und jetzt hast du Flora entführt.“ Er schwor sich Peter dafür büßen zu lassen.

 

Zögernd öffnete sich der Zelteingang. Seine Schüler kamen einer nach dem anderen herein. Leo kam als letztes und wirkte äußerst schuldbewusst. Wäre er nicht sein Liebling hätte er ihn dafür, dass er Flora verloren hatte vermutlich umgebracht. Er war nicht so muskulös und grob wie Oscar, sondern wesentlich klüger und auch geschickter. Außerdem konnte er seine Angst am besten verbergen. Er hätte einen einfachen Bauernjungen oder einen König darstellen können und wenn er ehrlich mit sich selbst war, war er der einzige seiner Schüler, denn er vermutlich als würdigen Kandidaten ansah. Er hätte einen großartigen Ritter abgegeben, wäre da nicht die Sache mit Flora.

Sie ließen sich im Halbkreis um ihn nieder. Er nahm den Helm ab und sah sie der Reihe nach an. Jeder von ihnen senkte nach einigen Sekunden den Blick, nur Leo sah ihm nicht in die Augen. „Sie mich an“, sagte er eisig. Leo hab den Kopf und sah ihn an. Er hielt dem Blick stand und der Schwarze Ritter musste sich mühe geben nicht zu lächeln. Leo sah der Angst immer ins Auge, schätzte die Situation meistens Richtig ein und handelte dem entsprechend. Das hatte er schon immer an ihm gemocht.

Er wandte den Blick von Leo ab. „Dieser stammt von Floras Entführern, wie ihr sicher schon erahnen konntet“, begann er und wedelte mit den Brief vor ihrer Nase herum. Sie nickten zustimmend, obwohl er sich sicher war, dass zumindest einer von ihnen über das was er soeben gesagt hatte überrascht war. „Sie schreiben, dass wenn ich sie je wieder sehen möchte, ich alleine zu einer bestimmten Stelle im Wald kommen soll“, fuhr er fort. „Aber das werdet ihr nicht tun, Sir?“, sagte Leo ruhig. Oja, er war ein guter Kandidat. „Natürlich nicht“, sagte er mit einem Lächeln. „Ihr werdet mich begleiten und der Rest der Soldaten wird die Stadt überrollen.“

Echt gemein

Didia hasste seinen Plan. Ja er war nicht schlecht und wenn alles gut ging sollte das Ganze schnell und ohne viel Blutvergießen statt finden. Das was sie eigentlich störte, war das sie kein Teil davon war. Sie sollte brav in der Höhle sitzen und stumm ins Feuer starren und genau das tat sie gerade. Moritz und Ines teilten ihre Begeisterung. Peter hatte zu ihnen gesagt sie wären für diese Aufgabe noch nicht gut genug ausgebildet. Sie hatten zwar mit helfen dürfen die Dörfer zu befestigen, aber für Peters großen Plan waren sie nicht gut genug. „Zumindest hat er zu ihnen nicht gesagt sie wären zu jung“, dachte Didia verärgert. Sie hörte Moritz kaum zu, der neben ihr am Baumstamm saß und versuchte sie aufzuheitern. Sie seufzte und hoffte, dass die anderen bald zurück kamen.

Peters Schüler

Sie brachen auf als es dunkel wurde. Leo fragte sich wie sie es schaffen wollten eine ganze Armee unauffällig vor die Burg zu bringen. Der Schwarze Ritter schien sich darüber keine Sorgen zu machen. „Oder aber es ist gerade das geringste seiner Probleme und er macht sich gerade wegen etwas anderem Sorgen. Oder um jemanden“, dachte Leo und sein schlechtes Gewissen machte sich wieder in ihm breit. Eines stand fest, wenn Flora nicht überleben würde, würde er es auch nicht.

Sie trennten sich von der Armee ungefähr bei der Hälfte der Strecke. Der Schwarze Ritter führte seine Schüler zielsicher in den Wald. Leo hoffte, dass er sich auskannte, wagte es aber nicht zu fragen. Er persönlich hatte jedenfalls keine Lust sich im Wald zu verirren. Nach einiger Zeit blieben sie stehen. „Wir machen eine Pause. Schlaft. Wir reiten weiter sobald es hell wird“, waren die einzigen Worte, die der Schwarze Ritter zu ihnen sagte. Sie banden ihre Pferde fest und folgten seinem Ratschlag. Leo suchte sich das weicherste Fleckchen Gras und legte sich hin. Er fragte sich ob er den morgigen Tag überleben würde. Er beobachtete den Schwarzen Ritter beim ausziehen seiner Rüstung und wie er anschließend an fing zu Meditieren bis ihm die Augen zufielen.

Der Schwarze Ritter weckte ihn am nächsten Morgen mit einem Fußtritt. Er setzte sich verschlafen auf und blickte sich um. Sie waren in einem schönen Mischwald mit vielen Heidelbeer- und Brombeersträuchern. Leo war froh nicht auf einen davon geschlafen zu haben. Irgendwo zwitscherte ein Vogel. Sie brachen sofort auf und frühstückten im Sattel. Müde stopfte sich Leo das trockene Stück Brot in den Mund und trank einen Schluck Wasser nach. Grewer hatte im Gegensatz zu ihm gute Laune und trabte ausgelassen hinter dem Pferd des Schwarzen Ritters her. Leo überließ es ihm dem Schwarzen Ritter zu folgen und döste noch etwas dahin.

 

„Halt.“ Sie blieben stehen. Für eine Sekunde erkannte Leo sie nicht. Dann wurde ihm klar, dass Floras Magd vor ihm stand. Mit einem Schwert auf sie gerichtet. Links und rechts neben ihr standen zwei Jungen, die sich bis aufs Haar glichen. Sie waren vielleicht etwas älter als sie und ebenfalls bewaffnet. „Kümmert euch um sie“, sagte der Schwarze Ritter zu ihnen. Stumm stiegen sie von ihren Pferden. Oscar, Lukas, Titus und Julian nickten und kamen einen Schritt näher an die drei heran. Leo folgte ihnen zögerlich. „Aber sie will ich lebendig“, fügte der Schwarze Ritter hinzu und deutete auf das Mädchen. An sie gewannt fuhr er fort: „Wo finde ich Peter?“ „Hinter dem Hügel bei der großen Eiche. Ihr könnt ihn gar nicht verfehlen“, lächelte sie. Der Schwarze Ritter nickte und folgte ihrer Anweisung.

Sie waren ihnen zahlenmäßig überlegen und trotzdem lächelte sie das Mädchen herausfordernd an. „Sie hat einen Soldaten mit einem einfachen Dolch getötet und mich vermutlich überrumpelt. Sie ist vermutlich wesentlich gefährlicher als sie aussieht“, rief sich Leo ins Gedächtnis. Lukas stürmte als erste auf sie los. Offenbar hielt er das Mädchen für keine Gefahr, denn er stürmte auf einen der Zwillinge los. Auf dem Weg zu ihm musste er allerdings an dem Mädchen vorbei. Ihr Bein schnellte vor und Lukas fiel der Länge nach hin. Sein Schwert glitt ihm aus der Hand und er lag völlig wehrlos am Boden. Sofort war einer der Zwillinge bei ihm und fesselte ihn während die anderen ihm Deckung gaben. Leo stellte überrascht fest, dass sie sie nicht töten wollten. „Mich zu fesseln ist total bescheuert“, brüllte Lukas den Jungen auf sich an. „Stimmt“, meinte dieser bestimmt und ließ seinen Schwertknauf auf dessen Schläfe donnern. Bevor er wusste wie ihm geschah war er bewusstlos. „Wir wollen euch nichts tun“, sagte das Mädchen „Ergebt euch, dann müssen wir es nicht.“ Oscar lachte und stürzte sich auf sie. Sie wich blitzschnell aus und traf in hart in die Seite. Nur sein Kettenhemd schützte ihn vor dem sicheren Tod. Fasziniert beobachtete Leo wie das Mädchen spielend leicht Oscar entwaffnete, der immer noch wie betäubt von dem Schlag am Boden lag. Julian und Titus hatten sich inzwischen die beiden Zwillinge vorgenommen. Titus erwischte einen der beiden am Schwertarm, wobei der nur das Schwert von der einen Hand in die anderer wechselte. Sie tauschten einige Schläge aus, dann erwischte sein Bruder Titus mit dem Schwertknauf am Kopf und er ging bewusstlos zu Boden. Zu dritt trieben sie Julian in die Enge. Sie schafften es ihn mit einem Schlag in die Seite zu besiegen. Sein warmes Blut tropfte auf die Erde. Sie wandten sich Leo zu. „Ich werde nicht gegen euch kämpfen“, sagte er ruhig und warf ihnen sein Schwert vor die Füße. Erleichtert ließen sie ihre Schwerter in die Scheide gleiten. Kaum hatten sie das getan sprang Leo vor und stieß den Dolch nach dem Mädchen. Sie schaffte es gerade noch seine Hand zu ab zu fangen und brach sie ihm mit einem Ruck, dann erreichten ihn die Zwillinge und ihm wurde schwarz vor Augen.

Peter

Er musste nicht lange warten. Der Schwarze Ritter kam pünktlich. Er hatte sein Schwert gezogen und trug es hoch erhoben. Er blickte sich wachsam um. Peter fragte sich nicht zum ersten Mal, wie er mit dem Helm überhaupt etwas sehen konnte. Wenn er einen Hinterhalt geplant hätte hätte Mernus das nie durch das Visier des Helmes gesehen. Er war noch einige Meter entfernt, als dieser ihn auch bemerkte. Er kam noch ein Stück näher und blieb zwei Schwertlängen von ihm entfernt stehen. Er nahm den Helm ab und lächelte, „Peter. Hast du dir mein Angebot überlegt?“ Peter sah ihn nur stumm an. „Sieht ganz so aus als wäre das einen nein. Ich möchte dich nicht töten, also gib mir einfach Flora zurück und verschwinde und ich werde dich verschonen.“ Peter seufzte „Ich und meine Schüler…“, setzte er an. „Deine Schüler sind schon so gut wie tot. Meine Schüler kümmern sich gerade um sie und sie sind ihnen zahlenmäßig überlegen. Aber fahr fort. Peter konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. Es war so typisch für Mernus ihn zu unterschätzen. Als wenn er seine Schüler ihr Leben lang nicht genau auf diesen Kampf vorbereitet hätte. Und er wusste mit Sicherheit, dass seine Schüler wesentlich besser zusammen arbeiten konnten. „Ich werde nicht weiter untätig zu sehen wie du ganze Länder niedermetzelst. Du sagst zwar du möchtest den Tod deiner Familie rächen, aber das was du tust ist das genaue Gegenteil. Du tötest genauso Familien wie Bartimus. Du bist sogar noch schlimmer als er.“ Mernus Gesicht wurde hart und seine gute Laune war wie weggeblasen. „Wie kannst du es wagen so etwas zu sagen. Ich möchte alle Länder vereinen und dafür sorgen, dass wir alle in Frieden leben können. Bartimus war ein Monster. Das bin ich nicht. Ich möchte Frieden für alle. Er wollte nur Krieg und Leiden. Ich bin kein schlechter Mensch. Das weißt du!“ Peter senkte den Kopf, „Nein, du bist zu einem geworden und das ist zum Teil auch meine Schuld. Ich hätte nie zulassen sollen, dass du mit diesen Wahnsinn anfängst. Ich hätte bei dir bleiben sollen und dafür sorgen, dass du es nicht tust. Du hast einen neuen Krieg angefangen anstatt einen alten zu beenden. Und ich glaube, dass du dir dessen gar nicht bewusst bist, aber ich vermute, dass wenn man sich etwas lange genug einredet man irgendwann wirklich daran glaubt. Es war richtig gegen Bartimus zu ziehen. Irgendjemand musste ihn aufhalten, aber sobald du ihn besiegt hattest hättest du aufhören sollen. Du hättest nicht auch noch gegen die anderen Königreiche ziehen dürfen. Die Dinge haben sich geändert. Jetzt bist du derjenige der aufgehalten werden muss Mernus. Und ich werde zu sehen, dass ich nicht den selben Fehler wie du mache.“ Mit diesen Worten zog Peter ebenfalls sein Schwert aus der Scheide. „Ich möchte dich auch nicht töten. Wenn du so freundlich wärst dich zu ergeben.“ Mernus lachte ein kaltes freudloses Lachen. Peter lief ein Schauder den Rücken hinunter. Dieser Man hatte rein gar nichts mehr von seinem besten Freund. Die Wärme und Lebenslust waren ganz aus seinen Augen verschwunden und für eine Sekunde fragte er sich ob Mernus wahnsinnig geworden war und wie viel er wohl dazu beigetragen hatte.

Mernus sah ihn für einige Sekunden stumm an, dann sprang er vor und ließ sein Schwert auf Peter niederfahren. Peter wich blitzschnell aus. Er hatte geahnt, dass er so reagieren würde, außerdem waren Überraschungsangriffe schon immer seine Spezialität. Er griff ebenfalls an, aber Mernus wehrte den Stoß mit Leichtigkeit ab. Sofort griff er abermals an, Mernus lächelte und parierte. Dann setzte er zum Gegenschlag an. Sie versuchten verbissen die Gegenwehr des anderen zu durchbrechen und Peter fühlte sich in eine ihrer Übungsstunden zurückversetzt. Sie waren einander ebenbürtig gewesen. Wer verlor kam nur darauf an wer als erstes einen Fehler machte. Aber das hier war kein Übungskampf. Sie kämpften hier um Leben und Tod. Hier wurde der Gewinner nicht lachend sagen „Ha ich habe gewonnen“ und dem anderen wieder auf die Beine helfen. Allerdings hatte Peter dieses Mal einen Vorteil. Er kannte den Wald besser als Mernus. Heute würde er keinen Fehler machen. Er durfte keinen Fehler machen.

Er lenkte Mernus langsam von der großen Eiche weg. Besser gesagt wich er rückwärts zurück. Er hatte keinerlei Schwierigkeiten dabei. Allerdings liefen ihm schon Schweißtropfen die Stirn hinunter. Befriedigt stellte er fest, dass Mernus auch schon schwitzte. Lächelnd wich er noch ein Stück zurück. Sein Fuß traf auf einen Stein und er musste sich anstrengen das Gleichgewicht zu halten. Allerdings hatte er mehr Glück als Mernus, der bis zum Knöchel im Morast versank. Er fluchte und versuchte sein Bein wieder heraus zu ziehen. Peter nutzte die Gelegenheit und griff an. Mernus reagierte gerade noch rechtzeitig und riss das Schwert hoch. Peters Schwert traf mit voller Wucht und erzeugte ein quietschendes Geräusch als es die gegnerische Klinge ein Stück hinab rutschte. Er konnte sehen wie Mernus Arme unter dem Schlag zitterten und er krampfhaft versuchte nicht weiter ein zu sinken. Peter sprang geschickt noch etwas weiter in den Morast. Er sah die Erleichterung in Mernus in Gesicht als er schnell sein zweites Bein auf den Stein stellte den Peter wenige Sekunden zuvor benutz hatte. „Ja gut so“ dachte Peter „Komm noch etwas mehr hinein.“ Mit einem Schmatz befreite sein Gegner sein Bein aus dem Morast und stellt es zu dem anderen auf den Stein. Kaum hatte er das geschafft griff Peter erneut an. Mit Mühe konnte sich Mernus auf dem Stein halten, aber Peter tänzelte elegant um ihn herum, schön bedacht auf den Steinen zu bleiben. Mernus konnte den Schlag zwar abfangen rutschte allerdings ab und landete rücklings im Schlamm. Als Peter zum Schlag ausholte um ihn zu entwaffnen sprang er blitzschnell auf und stieß sein Schwert nach Peters Bauch. Der sah den Schlag kommen und wich instinktiv nach hinten aus. Er rutschte dabei von den Steinen und konnte sich gerade noch auf den Beinen halten. Allerdings war er nicht weit genug hinten und die Spitze von Mernus Schwert glitt in seinen Bauch. Es war nicht tief, aber als Mernus das Schwert erneut hob tropfte Blut von der Spitze. Sie standen jetzt beide bis zu den Knöcheln im Morast. Peter wich ein Stück zurück und stieg auf weiter Steine hinter ihm. Mernus folgte ihm. Auf Grund des vielen Schlamm konnte er sich aber nicht so schnell bewegen wie dieser. Allerdings hatte sein kleiner Erfolg ihm wieder etwas Zuversicht gegeben, denn er lächelte und wirkte entschlossener als je zuvor. Zielsicher kam er auf Peter zu, sein Schwert vor sich schwingend. Peter war gezwungen immer weiter zurück zu weichen. Angestrengt versuchte er seine Position zu halten, aber Mernus hatte es offenbar geschafft besseren Halt im knöcheltiefen Schlamm zu finden als er auf den Steinen. Sein einziger Nachteil war, dass er sich nicht so schnell fortbewegen konnte wie Peter, allerdings glich er das aus indem er sein Schwert wild vor sich her kreisen ließ. So machte er es Peter unmöglich an ihm vorbei zu kommen ohne einen großen Bogen zu machen. Peter wich nach hinten und nahm ein paar Steine zu seiner Rechten. Mernus lächelte siegessicher und bevor Peter ihn erreichen konnte hatte er sich wieder ihm zugewandt. Peter erkannte, dass es unmöglich war ihn weder von der Seite noch von hinten anzugreifen und ließ sich weiter von ihm nach hinten treiben. Er warf einen kurzen Blick nach hinten, wobei er es nur um eine Haaresbreite schaffte Mernus Klinge auszuweichen. Er lächelte innerlich und machte einen großen Satz nach hinten. Zielsicher landete er auf dem großen Stein, der nur wenige Millimeter von der Oberfläche entfernt war. Mernus ignorierte den großen Abstand, der nun zwischen ihnen entstanden war und stapfte schwertschwingend weiter. Kurz bevor er Peter erreicht hatte sank er plötzlich bis über die Knie ein. Verzweifelt versuchte er wieder ein Stück nach hinten zu gelangen, aber er hatte Peter vergessen. Der schlug ihm das Schwert aus der Hand und hielt ihm die Klinge an den Hals. Mernus fluchte während er langsam immer tiefer im Morast versank. Peter ließ sein Schwert zurück in die Scheide gleiten. Er ging vorsichtig um Mernus herum und tastete im Schlamm nach dessen Schwert. Als er es fand hängte er es sich ebenfalls an den Gürtel. Mernus war inzwischen schon bis zur Hüfte eingesunken. Seine Versuche aus dem Loch zu gelangen führten nur dazu, dass er schneller versank. „Halte still“, riet Peter ihm und stellte sich wieder auf den Stein vor ihm. Er reichte ihm die Hand. Mernus zögerte einige Sekunden dann ergriff er sie.

Peter kämpfte einige Sekunden mit der Schwerkraft, dann zog er Mernus mit einem Schmatz aus dem Loch. Zitternd stand er einige Sekunden neben ihm, dann holte er aus und stieß Peter auf den Fleck an dem er gerade noch selbst fest gesessen hatte. Peter rechnete nicht mit dem Schlag und fiel hin. Instinktiv versuchte er sich ab zu stützen mit dem Effekt, dass seine Hände ebenfalls im Morast versanken. Mernus blickte auf ihn eine Zeit lang herab, wie er versuchte seine Hände zu befreien und nicht weiter zu versinken. Er lächelte höhnisch und meinte „Du hättest mein Angebot annehmen sollen Peter. Das brauche ich übrigens noch.“ fügte er hinzu und griff nach seinem Schwert an Peters Gürtel. Dieser nutzt die Gelegenheit und hielt sich an seinem Arm fest. Mernus rutschte aus, verlor das Gleichgewicht und landete neben ihm im Schlamm. Peter verwendete ihn als Stütze und zog sich dank ihm aus dem Loch, wobei er Mernus tief in den Morast drückte. Er schnappte nach Luft und sein Gesicht verschwand für einige Sekunden unter der Oberfläche, dann tauchte er prustend und spuckend wieder auf. Peter hatte inzwischen halt an den daneben liegenden Steinen gefunden. Er kam möglichst nah an den jetzt schon fast versunkenen Mernus und schlug ihn mit einem gezielten Schlag bewusstlos. Dann griff er nach einem seiner Arme und begann ihn aus dem Morast zu ziehen. Teilweise konnte er es nicht vermeiden, dank seiner zusätzlichen Last, nur die Steine zu benutzen und so sank er immer wieder ein. Schließlich schaffte er es den Rand zu erreichen. Er hievte Mernus auf den festen Untergrund. Er kontrollierte ob er noch Atmete, was er noch der Fall war, obwohl das wegen des vielen Schlammes schwer festzustellen war. Dann ließ er sich völlig erschöpft neben ihm nieder. Er hatte es geschafft.

Gewonnen?

„Das war leicht“, stellte Flora fest. „Zu leicht“, meinte Markus „Er muss doch gewusst haben, dass Peter jemanden schickt, der seine Schüler abfängt.“ „Vielleicht hat er das auch“, sagte Maximilan und blickte Gedankenverloren durch den Wald. „Denkst du wir sollten Peter helfen?“ „Ich denke wir würden eher im Weg herum stehen. Peter kann auf sich selbst aufpassen. Wir sollten eher schauen ob noch mehr von seinen Schülern hier herum laufen“, antwortete Flora. Die anderen beiden nickten. „Davor sollten wir aber noch dafür sorgen, dass die hier nicht abhauen“, meinte Maximilian mit einem Nicken auf Mernus Schüler. „Wir könnten sie einfach hier fest binden“, schlug Flora vor. Markus wiegte den Kopf von einer Seite auf die andere, „Vielleicht ist es besser, wenn wir sie in einen unserer Kerker bringen. Sie könnten sich sonst befreien.“ „Bis zu unserer Höhle ist es aber noch ziemlich weit“, warf Flora ungeduldig ein. „Vielleicht wäre das keine so schlechte Idee“, meinte Maximilian. „Dann können wir den Einen, der etwas abbekommen hat gleich verbinden. Sonst verblutet er am Ende noch.“ Widerstrebend gab Flora nach. Sie riefen ihre Pferde herbei, da es unmöglich für sie war alle fünf Schüler zu tragen. Sie wuchteten die drei ältesten auf ihre Pferde und banden sie fest. Behutsam hoben sie den Verletzten auf und brachten ihn in die Position in der Maximilian ihn am besten tragen konnte ohne ihn noch weiter zu verletzen. Markus warf sich den noch am Boden liegenden, wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter. Flora schnappte sich die Zügel der Pferde der Schüler, da es ihnen unmöglich war sich ihnen bis auf zwei Meter zu nähern und schwang sich in den Sattel. Sie trieb die Pferde an und verschwand bald aus Maximilians und Markus Sicht.

Sie schaffte es in Rekordzeit die Höhle zu erreichen. Fidelius war kaum angehalten, als sie schon von seinem Rücken sprang. Ines, Moritz, Flora und Didia sahen auf, als sie sie erblickten und waren innerhalb von Sekunden bei ihr. „Geht es meinen Brüdern gut“, waren Didias erste Worte. „Ja. Helft mir die in unserem Kerker zu verstauen“, Flora deutete auf die gefesselten, die zum Glück immer noch bewusstlos waren. Sie lösten die Schnüre, die sie auf den Pferden hielten nicht jedoch die Fesseln. Gemeinsam schleiften sie die Drei immer weiter in den Tunnel hinein. Flora warf sie wahllos in eine Zelle. Sie waren sowieso alle leer, da machte es keinen Unterschied. Sie verschloss die Tür und sprintete wieder zurück in den großen Teil der Höhle. Versucht die irgendwie in den Stall zu bekommen rief Flora den anderen zu und gestikulierte in Richtung der Pferde der Schüler. Sie schwang sich abermals auf ihr Pferd und trieb es an.

Maximilian und Markus waren nicht weit gekommen. Sie sahen beide erleichtert aus, als sie sie erblickten. Sie hievten die letzten beiden Schüler auf ihre Pferde und ritten los. Zurück in der Höhle, sorgten sie gleich dafür, dass ihre unverletzter Begleiter Zellengenossen der anderen Schüler wurden. Den anderen legten sie auf eine Decke, um die Blutung zu stoppen. „Lasst das“, meinte Ines, als sie sah wie Flora und Maximilian sich um die Wunde kümmern wollten. „Ich habe Peter oft genug zu gesehen, wie er Moritz Wunde behandelt hat. Ich denke ich kann sie auch versorgen.“ Flora nickte und überreichte Ines den Schlüssel. „Falls Peter vor uns zurück kommt gib ihm den. Er weiß sicher was zu tun ist.“ Ines nickte. Didia wollte ihre Brüder gar nicht mehr gehen lassen und versuchte sie krampfhaft mit einer Umarmung fest zu halten. „Wir kommen ja wieder“, meinte Maximilian lächelnd. Markus zog nur zischend die Luft ein, als sie seinen verletzten Arm berührte. Er hatte ihn in der Zwischenzeit mit Salbe und einem Verband versorgt, wirkte aber genervt, dass es ihm überhaupt passiert war verwundet zu werden. Didia entschuldigte sich sofort und gab ihnen damit die Möglichkeit sie abzuschütteln. Sie nutzten sie sofort und stiegen auf ihre Pferde.

An der Stelle, an der sie den anderen begegnet waren stiegen sie wieder ab und ließen die Pferde frei und machten sich auf den Weg. Sie streiften in Sichtweite von einander durch den Wald in Richtung Stadt. Die Drei kamen unbewusst immer näher an den Rand des Waldes. Dann hörten sie es. Das Kriegsgeschrei wurde vom Wald verschluckt und erst als sie es schon fast sehen konnten drang es zu ihnen. Markus fluchte. „Das war also sein Plan.“ Flora reckte den Hals „Noch sind sie nicht in der Burg. Sorgen wir dafür, dass es so bleibt.“ Sie riefen ihre Pferde wieder zurück und trieben sie so schnell es ging an.

Im Vergleich zur Burg war die Armee riesig. Das Schauspiel erinnerte Flora an einen Ameisenhaufen, in den man eine Himbeere fallen gelassen hatte.

Sie hielten wenige Meter davor an. „Was machen wir jetzt?“, fragte Markus. Ratlos betrachteten sie das Kampfgeschehen. Die Soldaten hatten einen Rammbock herbeigeschafft und versuchten das Burgtor einzuschlagen. Sie versuchten mit Leitern die Mauer empor zu klettern, aber sie hatten weder Leitern, die lang genug wären, um bis nach oben zu gelangen, noch Erfolg an der glatten Burgmauer hinauf zu klettern. Von oben wurde ihnen heißes Pech entgegen geleert und ein Pfeilhagel regnete auf sie herab. Das Burgtor ächzte und gab leicht nach. Die Soldaten des Schwarzen Ritters jubelten.

„Wir müssen doch irgendetwas tun können?“, fluchte Maximilian. Der Rammbock traf erneut auf das Burgtor. Es ächzte abermals und gab noch ein bisschen mehr nach. „Beim nächsten Mal wird es brechen“, dachte Flora. „Wir können nicht zu dritt eine ganze Armee angreifen“, sagte sie verzweifelt. „Wir können sie auch nicht einfach so in die Stadt lassen!“, erwiderte Markus. „Was hast du vor? Einfach in die Menge hinein reiten und gegen sie kämpfen?“, fragte Flora. „Genau“ Maximilian starrte seinen Bruder ungläubig an. „Wir werden sie nie alle besiegen können.“ „Das müssen wir auch nicht“, sagte Flora bestimmt, die langsam begriffen hatte worauf Markus hinaus wollte. „Wir müssen sie nur vom Rammbock fern halten.“ Das Burgtor ächzte wieder, hielt aber noch stand. „Dann sollten wir uns beeilen bevor es zu spät ist“, sagte Maximilian. Die drei nickten einander zu und ritten los. Sie beachteten die Soldaten vor ihnen gar nicht. Und sobald sie den ersten nieder geritten hatten bemerkten sie die anderen auch und sprangen aus dem Weg.

Kurz bevor sie den Rammbock erreichten gab das Burgtor nach. Das Holz splitterte und die ersten Soldaten stürmten ins innere. Sie rannten geradewegs in eine Reihe Sperre. Nur wenige bemerkten sie schnell genug und diejenigen die es taten wurden von den hinteren nach vorne geschoben, so dass sie ebenfalls in den Speeren landeten. Flora fluchte und trieb Fidelius auf das Burgtor zu. „Was hast du vor?“, brüllte Markus ihr hinterher. Die Soldaten des Schwarzen Ritters sprangen ihr aus dem Weg. Sie wurde nicht langsamer sondern trieb Fidelius noch mehr an. Die Soldaten des Königs wichen instinktiv zurück. Dann hab Fidelius ab und sprang elegant über die Reihe Soldaten hinweg. Sie wendete ihr Pferd und sprang aus dem Sattel. Die Soldaten wandten sich zu ihr um, aber Flora ignorierte sie und stürmte mit gezogenen Schwert direkt auf die hereinströmenden Soldaten des Schwarzen Ritters zu. Sobald die Soldaten des Königs merkten, dass sie auf ihrer Seite stand unterstützten sie sie tatkräftig. Sie schafften es die Soldaten zurück zu drängen. Dann erklang ein Jubelschrei von draußen. Flora wandte sich um und erschrak. Die Soldaten des Schwarzen Ritters hatten es geschafft an einer Seite die Mauer zu erklimmen. Sie hatten schon einen Turm erobert und strömten nun über den Hof auf den inneren Ring zu. Der Soldat neben ihr hatte sich auch umgewandt und bekam Sekunden später ein Schwert in den Rücken. Flora wirbelte herum und tötete den Angreifer mit einem gezielten Schlag.

Sie musste diesen Wahnsinn irgendwie stoppen. Flora wandte wieder sich um und rannte den anderen feindlichen Soldaten entgegen. „Stop!“, rief sie laut. Zu ihrer Überraschung blieben sie wirklich stehen. Sie waren kaum älter als sie selbst. „Wir sind nicht eure Feinde. Wir haben den Schwarzen Ritter schon besiegt. Hört auf für ihn zu kämpfen.“ In Wahrheit wusste sie nicht ob Peter ihn schon geschlagen hatte, aber wenn sie sie irgendwie dazu bringen konnte aufzugeben und dem Schwarzen Ritter nicht mehr treu zu sein, würde sie jede Chance nutzen. Die Jungen sahen sie perplex an. „Wo her weißt du das?“, fragte sie der Junge, der ihr am nächsten stand. „Peter hat ihn besiegt ich habe es selbst gesehen.“, log Flora. „Ihr müsst nicht mehr kämpfen. Ihr könnt zurück nach Hause gehen zu euren Familien.“ „Wir können zurück nach Karbus? Toll.“, rief einer der Jungen aus und auch die anderen begannen zu lächeln. „Erzählt es herum. Dann können wir dieses Gemetzel beenden.“ Die Jungen rannten in heller Begeisterung in alle Richtungen davon. Flora musste lächeln. Sie kamen aus Karbus. Das war vermutlich ihr erster größerer Kampf für den Schwarzen Ritter. Sie dazu zu überreden aufzugeben war leicht. „Jetzt kann ich nur hoffen, dass sie die anderen auch überzeugen“, dachte Flora und wandte sich um. Erschrocken stellte sie fest, dass die Soldaten es schon in den inneren Ring geschafft hatten. Es waren nicht viele aber es genügte. Flora rannte auf sie zu und schlug die ersten drei mit ihrem Schwertknauf bewusstlos. Sie wollte es vermeiden sie zu töten. Schließlich hatten auch sie Freunde und Familie. Und ein Großteil von ihnen folgte dem Schwarzen Ritter sicher nicht freiwillig. Zusammen mit einigen Soldaten des Königs schob sie eine umgefallene Ochsenkarre vor das zerstörte Burgtor, damit nicht noch mehr feindliche Soldaten hinein gelangen konnten. Sieben Soldaten waren trotzdem hinein gelangt. Sie sahen sich jetzt der gesamten Leibgarde des Königs gegenüber. Sie wichen zurück, aber Flora versperrte ihnen den Weg nach draußen. Sie wurden umzingelt. Der König saß lächelnd vor ihnen auf seinem Schlachtross. Er betrachtete sie eine Zeit lang bloß herablassend, dann sagte er hämisch grinsend „Ergebt euch ihr habt keine Chance gegen mich zu gewinnen. Dazu seid ihr viel zu schwach und armselig.“ Die Soldaten schauten ihn fassungslos an unsicher, ob er das gerade wirklich gesagt hatte. Sie hoben ihre Schwerter stur noch ein Stück höher. Der König verdrehte die Augen und stieg vom Pferd, schön darauf bedacht seinen Pelzmantel nicht dreckig zu machen. Er ging auf die Soldaten zu und blieb vor einem von ihnen stehen. „Ich werde euch für euren Starrsinn bestrafen.“ Er zog langsam sein Schwert und hob es weit nach oben. Viel zu weit nach Floras Gefühl und auch viel zu langsam wenn er vor gehabt hatte den Soldaten zu köpfen. Sie vermutete, dass er so etwas noch nie zuvor getan hatte. Der Soldat erahnte was er vor hatte, sprang vor und rammte ihm sein Schwert in die Brust. Der König schrie vor Schmerz auf und sein Schwert fiel ihm klappernd aus den Händen. Er hustete und brach zusammen. Sein Pelz färbte sich langsam rot. Die Leibgarde des Königs starrte abwechselnd den König und den Soldaten an der immer noch das Schwert in der Hand hatte mit dem er den König getötete hatte. Der Soldat blickte auf die Spitze seines Schwertes sah das Blut davon herunter tropfen und ließ es zitternd fallen. Er wirkte geschockt, als würde ihm erst jetzt bewusst werden was er getan hatte. Flora war sich sicher, dass die Leibgarde jede Sekunde auf die feindlichen Soldaten los gehen würde. „Wir ergeben uns“ ,rief einer der Männer panisch in die Stille. Er ließ sein Schwert fallen und seine Kollegen folgten seinem Beispiel. Die Leibgarde das Königs stand regungslos da, unsicher was sie jetzt tun sollten. Ein Quietschen riss sie alle aus der Starre. Jemand versuchte die Ochsenkarre vom Tor weg zu schieben. Es ertönte noch ein Quietschen und die Karre wurde ein Stück beiseite gezogen, gerade weit genug, dass sich jemand durchquetschen konnte. Maximilian zwängte sich durch den Spalt und blieb angewurzelt stehen als er seinen Vater am Boden liegen sah. Er hatte sein Schwert in der Hand und etwas Blut an der Hose schien, aber sonst unverletzt. Die Blicke der Leibgarde ruhten auf ihm. Dann knieten sie vor ihm nieder und der Hauptmann sprach laut: „Wir sind euch zu Diensten, da euer Vater nun tot ist sind wir eure Leibgarde mein Prinz. Was sollen wir mit den Verrätern tun?“ Sie erhoben sich wieder.

Flora war sich ziemlich sicher, dass er nicht wusste welchen der beiden Zwillinge er vor sich hatte. Maximilians Blick wandte sich den Soldaten des Schwarzen Ritters zu. „Bitte“ ,flehte der Soldat, der den König getötet hatte. „Es tut mir Leid. Ich wollte ihn nicht töten. Er wollte mich töten. Ich konnte doch nicht…“ Maximilian schnitt ihm das Wort ab. „Bringt sie in den Kerker. Wir werden weiter sehen was wir mit ihnen machen sobald wir mit den anderen fertig geworden sind.“ Der Hauptmann nickte und einige der Soldaten nahmen auf seinen Wink hin die Männer fest und führten sie zu den Kerkern.

„Was sollen wir jetzt tun?“, wandte sich der Hauptmann wieder an Maximilian. Er tauschte einen Blick mit Flora. „Wir müssen die Bevölkerung in Sicherheit bringen. Wir werden sie hier her bringen. Schaut einfach, dass niemand sonst hier herein kommt.“ Der Hauptmann nickte. Maximilan und Flora quetschten sich wieder durch den Spalt nach draußen. Der Karren wurde hinter ihnen wieder an seinen Platz geschoben.

„Wo ist Markus?“ ,wollte Flora wissen. „Er hilft den anderen das große Tor zu sichern“ ,antwortete Maximilian ihr. „Sie müssten die Frauen und Kinder in den Häusern entlang des Ringes versteckt haben. Bringen wir sie so schnell wie möglich von hier weg.“ Flora nickte und sie teilten sich auf. Sie kam an einer Gruppe diskutierender Soldaten des Schwarzen Ritters vorbei. Sie ignorierten sie und Flora eilte auf ein kleines Mädchen zu, dass weinend mitten auf der Straße zwischen Kämpfenden Soldaten stand. Sie ging auf es zu. Als es sie bemerkte, versuchte es weg zu laufen, aber Flora hielt sie am Handgelenk fest. „Beruhig dich. Ich möchte dir helfen. Zeig mir wo deine Familie ist und ich bringe euch in Sicherheit. Versprochen.“ Das Mädchen sah sie aus großen Augen an, dann schrie sie auf. Ein Soldat kam von hinten auf Flora zu. Sie wirbelte gerade noch rechtzeitig herum und schlug ihm das Schwert aus der Hand. Dann stieß sie ihm die Klinge in die Seite. Sie prallte an seinem Kettenhemd ab, aber der Mann fiel dank der Wucht des Schlages auf den Boden und blieb dort benommen liegen. Das Mädchen sah sie mit vor Angst geweiteten Augen starr an. Flora zog das Mädchen weg von der offenen Straße. „Ich will dir bloß helfen“, sagte sie so sanft wie möglich. Das Mädchen schien aus seiner Starre zu erwachen und rannte los. Flora folgte ihr. Sie zischte zwischen mehreren Häusern hindurch und verschwand dann in einem. Flora stieß die Tür auf und blinzelte. Ihre Augen brauchten einen Moment sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sie konnte das Mädchen nirgendwo entdecken. Sie hörte einen leisen Aufschrei im Keller und folgte ihm mit erhobenen Schwert. Sie rechnete jeden Moment mit einem Angriff. Die Treppe knarrte leise unter ihren Füßen, als sie sie hinunter stieg. Mit einem Aufschrei stürzte sich eine alte Frau mit einer Bratpfanne auf sie. Flora wich gerade noch rechtzeitig aus. Sie steckte ihr Schwert zurück in die Scheide und wand der Frau die Pfanne aus der Hand, mit der sie immer noch verzweifelt versuchte Flora zu erschlagen. Eine junge Frau weiter hinten umklammerte das Mädchen, das Flora auf der Straße gesehen hatte, zusammen mit zwei Jungen die sogar noch jünger als das Mädchen waren. „Ich möchte euch helfen“ ,sagte Flora ruhig. „Ich werde euch in Sicherheit bringen, aber ihr müsst mir vertrauen, okay?“ „Du bist nicht vom Schwarzen Ritter?“, fragte die junge Frau zögerlich, lockerte den Griff um ihre Kinder jedoch nicht. Flora lächelte. „Nein.“ Nach etlichen zureden schaffte sie es die Familie dazu zu bewegen mit ihr nach draußen zu kommen. Sie zog ihr Schwert wieder, sobald sie das Haus verlassen hatten und führte sie durch verlassene Seitenstraßen. Auf den Weg zum inneren Ring fanden sie noch einen kleinen Jungen weinend hinter einer Mülltonne sitzen. Sie nahmen ihn mit. Sie trafen erst auf Widerstand, als sie auf die Hauptstraße, die um den inneren Ring führte gelangten. Flora schickte den Soldaten mit einem einfachen Schlag zu Boden.

Der Karren war schon ein Stück auf die Seite gezogen worden. Maximilian quetschte sich gerade durch den Spalt, als sie vor dem Tor zu stehen kamen. Er nickte ihr kurz zu und verschwand schnell wieder im Getümmel. Flora schickte die Familie und den kleinen Jungen schnell hinein, dann machte auch sie sich wieder auf den Weg. Die nächste Familie lief ihr Buchstäblich in die Hände. Flora schaffte es sie ohne Zwischenfälle zum Tor zu bringen.

Je mehr Familien sie in Sicherheit brachte desto mehr streitenden Soldaten begegneten sie. Sie hörte wie einer der Soldaten den einen anbrüllte „Niemand kann den Schwarzen Ritter besiegen.“ Flora konnte die Erwiderung des anderen Soldaten nicht mehr verstehen hörte, aber dass er auch brüllte. Sie lächelte stumm vor sich hin und half einer jungen Frau, die gerade von zwei Soldaten belästigt wurde. Bevor sie wussten wie ihnen geschah lagen sie schon bewusstlos am Boden. Die Frau bedankte sich etliche mal, als Flora sie jedoch zum inneren Ring bringen wollte bestand sie darauf vorher noch bei ihr Zuhause vorbei zu schauen. „Vergiss deine Besitztümer“, fuhr Flora sie barsch an „Du könntest bei dem Versuch sie zu holen getötet werden.“ Die junge Frau schüttelte verunsichert, aber bestimmt den Kopf, „Ich will nicht meine Besitztümer holen sondern mein Baby.“ Floras Ärger verflog schlagartig, „Wo ist dein Haus?“ Die Frau führte sie durch mehrere Gassen. „Oh nein.“ Die Frau blieb stehen und starrte verzweifelt auf ein Haus. Mehrere Soldaten hatten sich davor versammelt. Es wirkte wie eine Art Stützpunkt der feindlichen Soldaten. „Wo genau ist dein Baby?“, fragte Flora bestimmt. „Im Zimmer links hinten in seinem Bett. Wieso?“ „Ich werde es dir holen. Warte hier.“ Flora ging die Straße, die sie gekommen waren zurück und ging um den Häuserblock herum. Sie näherte sich dem Haus der Frau von hinten. Sie kletterte durch das Fenster auf der Rückseite und landete im innern. Der Raum war nicht leer. Mehrere Frauen und Kinder drängten sich im inneren zusammen. Flora entdeckte das Kind der jungen Frau etwas weiter hinten im Raum. Es schlief seelenruhig. Alle starrten sie an. Eine der Frauen rief um Hilfe und wenige Sekunden später standen vier Soldaten des Schwarzen Ritters im Raum. Als sie Flora sahen zückten sie ihre Schwerter. Flora tat es ihnen gleich. „Lass das Schwert fallen“, sagte einer der Soldaten ruhig. „Der Schwarze Ritter ist gefallen. Unsere Pflicht ist es jetzt die Bewohner zu schützen damit wir nach dieser Schlacht nach Hause zurück kehren können.“ Flora ließ verblüfft das Schwert sinken, „Ihr beschützt die Menschen hier?“ Ihr Blick fiel auf die Uniform des Mannes. An der Stelle an der sonst das Wappen des Schwarzen Ritters prangte, war jetzt ein großes Loch. Die Männer hinter ihm hatten ebenfalls das Wappen aus ihrer Uniform entfernt. Der Mann sah sie verwirrt an. „Du gehörst nicht zur Armee des Schwarzen Ritters“, stellte er fest. „Nein. Aber ich bin froh, dass ihr das auch nicht mehr tut.“ Sie ließ ihr Schwert zurück in die Scheide gleiten. Das Mann lächelte und tat es ihr gleich. „Wir haben hier einen Stützpunkt auf gebaut an dem wir alle Bewohner, die wir finden konnten beschützen. Wir hoffen somit das Wohlwollen des Königs zu erlange und dann nach dieser Schlacht nach Hause zurück zu kehren.“ „Der König ist tot“, sagte Flora leise. Sie sah die Panik und die Erleichterung in den Augen der Bewohner. Der König war wahrlich nicht beliebt gewesen. „Was!“, entfuhr es dem Soldaten „Das ist ja schrecklich. Heißt das dass jetzt sein Sohn die Kontrolle hat? Er arbeitet schon mit uns zusammen.“ „Ja, vermutlich“, sagte Flora überrascht „Welcher Sohn?“ „Markus. Hat er denn noch einen?“ Flora lächelte „Oja. Wo ist Markus?“ „Zwei Türen weiter. Er muss sicher unglaublich bestürzt und traurig sein wenn er erfährt, dass sein Vater tot ist.“ Flora lachte trocken auf „Das bezweifle ich“ Der Soldat sah sie verwirrt an. „Unser König war ein Arsch“, sagte eine der Frauen laut und die anderen stimmten ihr zu. Flora lächelte und schob sich an den Soldaten vorbei. Sie folgten ihr den Gang hinunter und zeigten ihr den Weg. Markus stand an einem Tisch über eine Karte der Stadt gebeugt und unterhielt sich mit mehreren Soldaten. Sie blickten auf als sich die Tür öffnete. „Sir, wir haben jemanden gefunden. Er behauptet er wäre kein Feind… und das der König tot ist“, sagte einer von Floras Begleitern zu Markus. Markus lächelte als er Flora sah. „Sie ist auf unserer Seite“, sagte er. An Flora gewandt fuhr er fort, „Ist es wahr das mein Vater tot ist?“ „Ja, sagen wir einfach er hat sich nicht besonders geschickt angestellt bei dem Versuch einen Soldaten zu enthaupten.“ Markus schwieg. Er schien weder traurig noch bedrückt oder erleichtert. Es schien eher so als hätte man ihm gesagt jemand völlig Fremder wäre gerade gestorben und er würde gerade überlegen, wie man als nächstes vor gehen sollte. „Schön“ ,sagte er schließlich. „Wir müssen trotzdem dafür sorgen, dass diese Schlacht hier aufhört. Sorgt dafür, dass sich noch mehr Soldaten uns anschließen. Wenn wir es schaffen alle zu überzeugen oder zumindest die meisten können wir verhindern, dass wir uns weiter gegenseitig abschlachten.“ Die Männer nickten und verließen den Raum. „Jemand sollte dafür sorgen, dass das Fenster durch das ich herein gekommen bin auch bewacht wird sagte Flora und schlenderte zu dem Tisch. Markus nickte und rief einen der Soldaten herein. Markus trug es ihm auf und er verließ den Raum wieder. „Du hast dir sozusagen deine eigene kleine Armee geschaffen“, sagte Flora mit einem Lächeln. Markus erwiderte es „Ja stell dir vor irgendjemand hat angefangen den Soldaten zu erzählen der Schwarze Ritter wäre schon besiegt.“ Floras Lächeln wurde breiter. Markus lächelte verschmitzt „Das war ein kluger Schachzug.“ Sie lächelten sich eine Weile einfach nur an, dann räusperte sich Markus, „Ich habe unseren Soldaten gesagt sie sollen die Soldaten des Schwarzen Ritters nicht angreifen wenn sie kein Wappen mehr tragen. Ich hoffe so kann ich vermeiden, dass sie aufeinander los gehen.“ „Wie viele Soldaten haben sich schon gegen den Schwarzen Ritter gestellt?“ Markus zuckte mit den Schultern „Ich weiß es nicht, aber wir sind jetzt sicher schon in der Überzahl.“ Flora nickte, „Gut, was kann ich tun?“ „Das was du bis jetzt gemacht hast war nicht schlecht, also überlasse ich dir mal selbst was du tun möchtest.“ Flora nickte, „Maximilian und ich haben die Bewohner die wir gefunden haben in den inneren Ring bringen und von der Leibgarde bewachen lassen.“ „Ich kann noch Soldaten dorthin schicken, wenn ihr Unterstützung braucht.“ „Wäre vielleicht nicht schlecht.“ „Gut die nächsten, die zurück kommen werde ich dort hin schicken.“ „Danke.“ Flora wandte sich um und wollte gehen. „Flora?“ „Ja.“ „Pass auf dich auf.“ Sie lächelte „Keine Sorge mich bringt man nicht so leicht um“ Dann verließ sie das Gebäude.

Gewonnen!

Die Fremde die ihr geholfen hatte war immer noch nicht zurück. „Vielleicht haben sie sie erwischt“, dachte Lina sorgenvoll. Sie fühlte sich schuldig, als ihr klar wurde, dass ihr ziemlich egal war ob es der Fremden gut ging oder nicht solange sie ihr nur Simon brachte und sie dann an einen sicheren Ort bringen würde. Sie fragte sich bestimmt zum hundertsten mal ob sie ein schlechter Mensch war ,als sie sie aus dem Haus kommen sah. Durch den Haupteingang. Sie ging die Stufen hinunter und die Soldaten nickten ihr höflich zu. „Sie gehört zu denen“, fuhr es ihr durch den Kopf. „Ich habe ihr gesagt wo Simon ist. Sie hat ihn vermutlich gerade umgebracht.“ Bei dem Gedanken schossen ihr Tränen in die Augen. Sie sollte weg laufen und sich verstecken, aber die Fremde hatte sie schon gesehen. „Lauf weg“, sagte sie sich, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht. Die Fremde hatte sie schon fast erreicht. „Wo ist Simon?“, brüllte sie ihr entgegen so laut, dass es die ganze Straße mitbekam. „Es geht ihm gut. Er ist drinnen. Die Soldaten haben die Seite gewechselt und beschützen jetzt alle Bewohner, die sie finden können. Sie haben die ganze Zeit auf Simon aufgepasst“, sage die Fremde ruhig. „Du lügst“ ,flüsterte Lina, obwohl sie sich nichts mehr wünschte, als das die Fremde die Wahrheit sagen würde. „Tue ich nicht, aber wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht dem Sohn des Königs. Er führt die Soldaten hier an.“ Lina traute ihren Ohren nicht. Der Sohn des Königs. Soweit sie wusste hatte der König seine zwei ältesten Söhne vertrieben. Sie bezweifelte, dass die Fremde jemand anderen meinte, denn wenn man die beiden nicht mit rechnete war sein ältester Sohn gerade erst mal sieben. Sie sah die Fremde unsicher an. „Er ist drinnen.“ Sagte diese bloß. Das ist eine Falle sagte eine Stimme in ihr, aber Lina ignorierte sie. Wenn Simon noch lebte war ihr das egal. Selbst wenn die Chance, dass die Fremde die Wahrheit sagte noch so gering war, aber wenn es die Wahrheit war konnte sie jetzt nicht einfach davon laufen und ihn alleine lassen. Und wenn er tot war, was hätte sie dann noch für Gründe weiter zu leben?

„Ich muss jetzt weiter“, riss die Fremde sie aus den Gedanken. „Geh einfach hinein. Sie werden dir nichts tun.“ Dann wandte sie sich um und ging einfach. Lina holte tief Luft, dann ging sie auf ihr Haus zu. „Simon lebt“, sagte sie sich mit jeden Schritt, denn sie näher kam.

 

Markus Soldaten waren überall. Sie diskutierten lautstark mit ihren ehemaligen Kollegen auf der Straße und versuchten sie zu überreden Seite zu wechseln. Sie eskortierten verängstige Bewohner durch die Stadt zu ihrem sicheren Hauptquartier und sie unterstützten die Soldaten in der Stadt tatkräftig. Soldaten die sich weigerten sich zu gegen den Schwarzen Ritter zu stellen entwaffneten sie einfach und nahmen sie fest. Flora hatte kaum etwas zu tun. Sie entwaffnete bloß einen Soldaten und schlug ihn bewusstlos. Neugierige geworden machte sie sich auf den Weg zum Tor um zu sehen wie viele Soldaten sich noch dort gegen sie stellten.

Das große Burgtor war verschlossen. Jemand hatte die Teile des alten Tores davor aufgestapelt und mit einer menge anderen Krempel verstärkt. Davor standen etliche Soldaten und achtete ja darauf, dass niemand mehr hinein kam. Sie schienen zurecht zu kommen, deshalb ging Flora auf den Wehrgang um sich einen Überblick zu schaffen. Ungefähr ein Drittel der Ursprünglichen Armee des Schwarzen Ritters war noch außerhalb der Burg. Sie hatten sich zu den Zelten zurück gezogen. Der Rest der Armee befand sich in der Burg. Flora sah etliche von ihnen reglos am Boden liegen. Der Rest irrte zusammen mit den Soldaten des Königs durch die Stadt und suchte nach Bewohnern. Flora vermutete, dass die meisten von ihnen schon auf ihrer Seite waren. Sie blickte hinunter und entdeckte Fidelius. Sie rannte den Wehrgang hinunter und rief ihn zu sich. Liebevoll strich sie ihm über die Mähne, dann schwang sie sich in den Sattel. Sie ritt zum Tor des inneren Ringes. Die Leibgarde ließen sie hinein. Sie versuchte dem Hauptmann zu erklären, dass die meisten Soldaten des Schwarzen Ritters schon die Seite gewechselt hatten und woran er sie erkennen konnte, aber er glaubte ihr kein Wort. Sie wartete ungeduldig auf Maximilian und erzählte ihm alles. Max nickte und gab es an den Hauptmann weiter. Ihm glaubte er es natürlich. Flora verfluchte Männer und ihre sexistische Einstellung gegenüber Frauen im allgemeinen stumm, verdrängte es jedoch schnell wieder aus ihren Gedanken. Sie hatten wichtigere Dinge zu tun.

Sie ritten gemeinsam zu Markus. Die Soldaten staunten nicht schlecht als sie Maximilian sahen. „Warst du nicht gerade noch drinnen Markus?“, rief einer von ihnen ihm zu. Maximilian lächelte bloß und meinte gelassen „Ja, ich habe gelernt mich in Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen.“ Markus unterhielt sich gerade mit einem der Soldaten, als sie hinein kamen. Sobald er Maximilian erblickte starrte er fassungslos von einem Zwilling zum anderen. „Du hast nicht erwähnt, dass du einen Zwillingsbruder hast“, sagte er schließlich. Markus lächelte „Das ist Maximilian.“ Er stellte den Mann als Edward vor, seinen Befehlshaber. „Wir müssen die Leute irgendwie versammeln. Wir wissen ja nicht einmal mehr ob noch jemand herinnen ist, der nicht auf unserer Seite steht“, sagte Maximilian. Markus nickte „Darüber habe ich gerade mit Edward gesprochen. Wir halten es für das beste alle auf dem Platz vor dem großen Tor zu versammeln und jemanden auf dem Wehrgang zu postieren, um die zu finden die noch nicht auf unserer Seite sind.“ „Gut worauf warten wir noch.“ Sie gaben die Nachricht an alle weiter, denen sie begegneten. Flora hatte beschlossen ebenfalls am Wehrgang Ausschau zu halten.

Sie schafften es innerhalb einer Stunde die feindlichen Soldaten entweder auf ihre Seite zu ziehen oder sie festzunehmen. Sobald das geschafft war versammelten Markus und Maximilian den Hauptmann der Leibgarde, den Befehlshaber der Armee des Königs und Edward in der großen Halle. Niemand von ihnen schien der Meinung zu sein, dass sie nicht die würdigen Nachfolger des Königs wären. Sie diskutierten eine Zeit lang darüber was nun zu tun sein. Schließlich nahmen sie Floras Vorschlag jemanden zu dem Rest der Armee des Schwarzen Ritters zu schicken, um mit ihnen zu verhandeln an. Edward schlug vor einen seiner Männer zu nehmen „Wir kennen uns schon und sie werden uns schneller vertrauen.“ „Ja oder sie sagen ihr seid schmutzige Verräter und werden euch zum Teufel schicken“, meinte Herbert, der Hauptmann der Leibgarde grimmig. „Die sind doch keine Idioten. Keiner von uns hat dem Schwarzen Ritter je freiwillig gedient. Wir haben das bloß getan um zu überleben“ fuhr Edward ihn an. „Klar“ ,erwiderte Herbert trocken. „Was hätten wir sonst tun sollen. Er hätte unsere Familien getötet.“, sagte Edward wütend. „Dann hättet ihr sterben sollen anstatt andere mit ins Verderben zu ziehen“, sagte Herbert kühl. Edward funkelte ihn wütend an, dann stürzte er sich auf Herbert. Mit Mühe schafften die Zwillinge es sie auseinander zu bringen. Markus zog zischend die Luft ein als einer der beiden dabei seinen verletzten Arm streiften. Edward entschuldigte sich viele Male und Herbert ließ bloß betreten den Kopf hängen. „Wir werden jemanden von deinen Leuten schicken Edward. Wir überlassen dir wen du schickst. Suche jemanden aus der beliebt war. Jemanden auf den sie hören würden“, sagte Markus. Edward nickte und verließ den Raum. An Karl, den Befehlshaber der Armee des Königs gewandt sagte er „Du kümmerst dich um die Aufräumarbeiten in der Stadt. Sammelt die Verletzten ein und bringt sie in die unteren Stockwerke des Bergfried. Edward und seine Männer sollen dir dabei helfen. Schick auch noch ein paar Frauen hin. Sie werden sich dann um sie kümmern. Bringt die Toten möglichst nah ans Burgtor. Wir werden sie bestatten sobald wir die Burg verlassen können. Für dich gilt das selbe“, sagte er zu Herbert. Die Männer nickten und verließen den Raum. „Wir sollten uns um die Verletzten kümmern. Ich bin mir sicher die haben hier keine Ahnung wie man so etwas behandelt“, meinte Flora, die die Diskussion bis jetzt nur stumm beobachtet hatte. Markus lächelte „Ich fürchte du hast recht.“

Zu Floras Überraschung gab es nicht viele Tote. Die meisten waren nur verletzt. Einige Frauen hatten sich freiwillig zur Pflege der Verletzten gemeldet. Darunter auch die Frau mit dem Baby, der Flora geholfen hatte. Maximilian, Markus und Flora hatten alle Hände voll zu tun. Sie zeigten den Frauen wie man die Wunden richtig säuberte und verband, trugen ihnen auf alle möglichen Heilkräuter zu besorgen und wie man Salben daraus herstellte. Nach einiger Zeit holte Edward Maximilian und Markus. Flora blieb weiterhin bei den Verletzten.

„Wir haben es geschafft.“ ,strahlte Edward. Die meisten haben sich uns angeschlossen und die anderen haben wir fest genommen. Was sollen wir jetzt mit ihnen machen?“ „Sag ihnen sie können nach Hause gehen.“ „Wir sollen nach Hause gehen? Braucht ihr den gar keine Hilfe mehr?“ „Wir werden nicht alle ernähren können. Außerdem habt ihr alle Familien. Ihr ward schon lange genug weg.“, erklärte Maximilian. „Natürlich haben wir nichts dagegen, wenn du und ein paar deiner Männer hier bleiben und uns unterstützen“, fügte Markus hinzu. Edward nickte „Ich werde den Großteil nach Hause schicken, aber glaubt ja nicht, dass ihr mich so schnell wieder los werdet.“ Die Zwillinge lächelten.

Am Abend wurde offiziell beschlossen, dass die Zwillinge gemeinsam regieren würden. Sie wurden beide zum König gekrönt, da keiner von ihnen diese Aufgabe alleine übernehmen wollte. Sie bestimmten, dass Edward und Karl das regieren übernehmen sollten wenn keiner von beiden da war. Sie beschlossen die Aufräumarbeiten morgen fortzusetzen und schickten alle nach Hause. Wer kein Zuhause mehr hatte durfte im Bergfried schlafen.

Sie hatten der Frau des Königs erlaubt weiterhin mit ihren Kindern im Palas zu wohnen, obwohl ihr Gemahl gestorben war. Sie hatte das Angebot dankbar angenommen und wirkte genau so traurig wie die Zwillinge über den Tod ihres Mannes.

„Wir sollten Peter morgen zu den Verletzten schicken. Manchen geht es echt schlecht. Mal sehen ob er da noch etwas tun kann“, meinte Flora als sie gemeinsam den Bergfried verließen. Die Zwillinge hatten der Leibgarde strikt verboten ihnen überall hin zu folgen und beschlossen fürs erste weiterhin in der Höhle zu schlafen. Sie mochten die Burg noch immer nicht. Sie riefen ihre Pferde und machten sich auf den Weg nach Hause.

Was jetzt?

Als er wieder zu sich kam waren sie weg. Er lag auch nicht mehr im Wald, sondern in einer Höhle. Es war dunkel und feucht. Sein Hände waren mit Ketten an der Wand gefesselt und er spürt, dass er auf einer Decke lag. Sein gebrochener Arm steckte in einer Schiene. Auf der Seite war die Handschelle gepolstert worden. Offenbar damit er sich nicht noch mehr verletzte. Er hörte Oscar laut neben sich fluchen. Er erkannte, dass Lukas und Titus auch rechts neben ihm in der kleinen Höhle waren. Der Ausgang war mit einer Tür verdeckt und das einzige Licht kam von einer kleinen Öllampe, die daneben stand. Die Ketten waren nicht lang genug um die Tür oder die Öllampe zu erreichen.

Lukas begann laut zu schimpfen und trat wütend gegen die Höhlenwand. Kurze Zeit später schrie er vor Schmerz auf und ließ sich zu Boden sinken. Immer noch vor Wut kochend rieb er sich das verletzte Bein. „Die haben uns einfach fertig gemacht“, fauchte er wütend. „Wir haben sie einfach unterschätz. Und bevor wir realisiert hatten wie gut sie sind haben sie uns schon ausgeschalten“, erwiderte Leo trocken. „Die sind nie besser als wir“, fuhr Lukas ihn an und wollte sich auf ihn stürzten, aber die Ketten verhinderten es und so konnte er nur einen Meter vor ihm mit den Händen in der Luft herum fuchteln. „Ich habe nie gesagt, dass sie besser sind ich habe bloß gesagt, dass es leichtsinnig war sie zu unterschätzen“ sagte Leo kühl. Lukas begann ihn wütend zu beschimpfen. „Halts Maul“, fuhr Oscar ihn an „Leo hat Recht wir waren zu unvorsichtig. Wir sollten aufhören uns zu streiten und besser schauen, dass wir da raus kommen.“ „Was ist mit Julian?“, fragte Titus. „Es hat ihn ganz schön erwischt“, sagte Leo bedrückt und senkte den Kopf. „Meinst du er ist…“ seine Stimme brach ab. Manchmal vergaß Leo, dass Titus erst vierzehn war. „Wenn er es nicht wäre, wäre er doch hier“, sagte Oscar barsch. „Wir werden ihn rächen sobald wir hier draußen sind. Versprochen“. Leo sah wie Titus krampfhaft versuchte Tränen zu unterdrücken. Er verstand ihn gut und auch seine Augen waren feucht. Auch für ihn war Julian, wie ein kleiner Bruder gewesen. Er schwor sich, dass sie es noch bereuen würden ihn getötete zu haben. Wild entschlossen Rache zu üben suchten sie eine Möglichkeit aus der Zelle zu kommen. Ihre Waffen wurden ihnen ab genommen. Genau wie alle anderen Gegenstände, die sie noch bei sich gehabt hatten. Titus fand einen rostigen Nagel und versuchte damit das Schloss zu knacken. Er rutschte ab und fuhr sich tief ins Fleisch. Er schrie laut auf. Oscar, der ihm am nächsten war half ihm die Wunde zu desinfizieren und zu verbinden. Er nahm ihm den Nagel aus der Hand und versuchte es ebenfalls. Nach einiger Zeit gab er fluchend auf und reichte den Nagel weiter an Leo. Er gab schon fast auf als der Nagel durch Zufall ein Stück weiter in das Schloss glitt und sich die Handschelle an seinem linken Handgelenk mit einem Klicken öffnete.

Es dauerte fast eine Stunde bis er es geschafft hatte die anderen ebenfalls von den Fesseln zu befreien. „Wir müssen zusammen bleiben“, flüsterte er den anderen zu. Er ging zur Tür und drückte die Schnalle hinunter. Sie war nicht verschlossen. „Wer sperrt die Tür zu einer Gefängniszelle nicht zu“, dachte er und ein ungutes Gefühl beschlich ihn. Das ganze roch ihm zu sehr nach Falle. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich er hätte eine Waffe, zumindest einen Dolch. Er bückte sich und hob die Öllampe auf, dann öffnete er die Tür. Sie schwang mit einem leisen Knarren nach außen auf. Neben ihnen waren noch mehrere Türen, aber sie waren alle verschlossen. Leo wandte sich von ihnen ab und führte die kleine Gruppe den Gang entlang. Er war gerade groß genug, dass sie aufrecht gehen konnten und so breit, dass zwei Leute gut nebeneinander gehen konnten. Der Tunnel stieg leicht an und je weiter sie nach oben kamen desto trockener wurde es. Nach einiger Zeit sahen sie einen leichten Schimmer am Ende des Ganges. Sie gingen behutsam weiter. Darauf gefasst jeder Zeit angegriffen zu werden. Sie stießen auf zwei weitere Türen, die links und rechts in der Tunnelwand eingelassen waren und sich gegenüber lagen. Sie waren ebenfalls verschlossen. Der Gang mündete in eine große Höhle. Ein gemütliches Feuer brannte in der Mitte. Julian lag in einer Ecke, seine Wunde war verbunden. Titus rannte mit einem Aufschrei auf ihn zu ohne die anderen Menschen in der Höhle zu beachten. Niemand hielt ihn auf. „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun“ sagte ein Mann mittleren Alters der am Feuer stand, als Titus Julians Verband öffnen wollte. „Die Wunde könnte sonst wieder zu bluten anfangen.“ Titus sah ihn überrascht an. Leo sah sich in der Höhle um. Der Mann schien offenbar das Sagen zu haben. Er griff blitzschnell nach einem der Holzscheite, die neben dem Tunnel gestapelt waren und stürmte auf ihn zu. „Nicht“ rief Prinzessin Flora und stellte sich ihm in den Weg. Zögernd blieb er stehen. Warum schützte sie ihre Entführer? Der Mann lächelte. „Ich bin Peter. Warum setzt ihr euch nicht. Dann kann ich euch alles erklären.“ Leo sah aus dem Augenwinkel. Wie er Floras Magd und die Zwillinge mit einem einzigen Blick davon ab hielt ihn zu entwaffnen. „Möchtet ihr Tee“, fragte er und deutete abermals auf die Baumstämme um das Lagerfeuer. „Wo ist der Schwarze Ritter“ ,frage Leo ohne sich von der Stelle zu bewegen. Peter seufzte „Du meinst Mernus? Er ist in einer unserer Zellen.“ „Mernus?“ „Oja, das ist sein Name. Wir waren mal sehr gut befreundet.“ Peter senkte den Kopf und fügte hinzu „Als er noch ein anderer Mensch war.“

Langsam ließ Leo das Holzscheit sinken und setzte sich zu ihm ans Feuer. Wenn er ihnen etwas hätte tun wollen hätte er es schon getan. Zögernd setzten sich die anderen zu ihm. Auch Flora und ein Mädchen, dass ihr zum verwechseln ähnlich sah, bis darauf, dass sie etwas muskulöser war, kurze Haare hatte und etwas älter als sie war. Ein junger Mann etwa in seinem Alter mit dem selben schwarzen Haar, wie Flora und das Mädchen setzte sich ihm gegenüber. Ein Mädchen ungefähr zwölf Jahre alt und mit braunen Haaren ließ sich neben ihm nieder. Sie lächelte Leo schüchtern an und er musste sich Mühe geben ihr Lächeln nicht zu erwidern. Nur die Zwillinge und Floras Magd blieben stehen. Peter deutet auf den Mann und das ältere Mädchen, „Das sind Ines und Moritz, Floras ältere Geschwister. Die Zwillinge, Maximilian und Markus kennt ihr ja schon. Das ist ihre Schwester Didia“, er deutete auf das zwölfjährige Mädchen. „Das ist Flora“, fuhr er fort und deutete auf Floras Magd. „Und wie heißt ihr?“ Als sie nicht antworteten stellte Prinzessin Flora sie vor. Peter nickte und betrachtete sie der Reihe nach. Im Gegensatz zu Mernus war sein Blick, aber nicht herablassend sondern warm und einladend. „Was wollt ihr von uns?“ fragte Leo schließlich. „Ich glaube nicht, dass ihr grundsätzlich schlechte Menschen seid“, antwortete Peter. „Wir haben nicht vor euch gefangen zu halten. Wenn ihr nicht vor habt irgendjemanden zu gefährden oder selbst eine Armee anzuführen und den nächsten Krieg an zu fangen, setzten wir euch im nächsten Dorf ab und ihr könnt gehen. Falls das aber nicht zu trifft sind wir gezwungen euch wieder in diese Zelle zu stecken.“ „Wir werden uns nie jemanden wie dir unterordnen“, fuhr Lukas ihn an und sprang auf. Peter seufzte und gab den Zwillingen und Flora ein Zeichen. Blitzschnell waren sie neben Lukas und packten ihn. Während er Peter verwünschte und versuchte sich aus ihrem Griff zu befreien, schleiften sie ihn den Gang zurück. Titus wollte aufspringen und ihm helfen, aber Leo hielt ihn am Handgelenk fest und schüttelte stumm den Kopf. Oscar war ebenfalls sitzen geblieben. Peter wandte ihnen wieder den Blick zu. „Was ist mit euch?“ „Ihr wollt uns einfach gehen lassen?“, fragte Oscar. „Warum sollten wir das nicht tun. Ihr seit Mernus doch auch nicht freiwillig gefolgt, oder?“, stellte Peter die Gegenfrage. „Wir haben in seinem Namen viele Menschen getötet“, sagte Leo ruhig. „Warum wollt ihr uns gehen lassen?“ „Hättest du die Leute getötet, wenn er dich nicht dazu gezwungen hätte?“ Leo biss sich auf die Lippe und blickte zu Boden. „Eben.“ „Ich möchte bei Julian bleiben“, meldete sich Titus. „Du kannst natürlich solange bei ihm bleiben wie du möchtest“ ,sagte Peter ruhig. „Heißt das ich könnte einfach hinunter ins Dorf und dort meinen eigenen Hof bauen und das Leben führen, dass ich immer wollte?“, fragte Oscar als hätte Titus nichts gesagt. „Wenn es das ist was du willst und dabei niemanden schadest, natürlich.“ Oscar lächelte breit und zum ersten Mal seit Leo ihn kannte, wirkte er glücklich. Aus den Augenwinkel sah er wie Max, Markus und Flora wieder aus dem Tunnel kamen. „Wann kann ich dort hin?“ „Maximilian, Markus, bringt ihn hin.“ Oscar sprang auf und umarmte die Zwillinge so stürmisch, dass Leo für eine Sekunde befürchtete er würde ihnen etwas brechen. Die beiden befreiten sich aus seinem Griff und verließen die Höhle. Oscar wandte sich zu ihnen um „Hey kommt mich mal besuchen, ja“ Dann winkte er ihnen zum Abschied und verschwand aus ihrem Blickfeld. „Was ist mit dir?“ Fragend sah Peter Leo an. „Warum habt ihr uns dann in die Zelle gesperrt?“, wollte Leo wissen. „Wir wollten nicht ungut überrascht werden. Du zum Beispiel hättest dich noch bewusstlos gestellt und bei der ersten Möglichkeit, die sich dir geboten hätte, versucht einen von uns zu töten. So musstet ihr aus dem Tunnel heraus kommen und konntet das nicht mehr tun.“ „Also habt ihr den Nagel absichtlich da gelassen und alle anderen Türen versperrt so das wir nur hier her kommen konnten.“ Peter lächelte und nickte. Leo überlegte kurz „Fürs erste bleibe ich bei Titus und Julian.“ „Gut. Dann wäre das ja geklärt. Ihr könnt euch da einrichten.“ Er deutete auf mehrere Nischen auf einer Seite der Höhle. „Falls ihr Lust habt könnt ihr euch unserem Trainingsprogramm anschließen, obwohl das im Moment nur daraus besteht die umliegenden Dörfer aufzubauen und die Verletzten zu pflegen.“ Leo nickte.

Ihre Pferde standen in der kleineren Höhle daneben. Sie waren gut versorgt worden und warteten nur darauf von ihnen geritten zu werde. Leo lächelte und strich Grewer durch die Mähne. Sie sattelten ihn und trabten los Richtung Burg. Den Rest des Tages halfen sie die Häuser wieder auf zu bauen. Markus und Maximilian plünderten die Vorratskammern ihres Vaters und verteilten alles unter den Überlebenden. Sie sahen Oscar in einem der Dörfer, wie er vergnügt die Felder pflügte und Samen in die Erde säte.

Es war schwierig mit nur einer Hand zu arbeiten, aber Leo tat es gut einmal etwas reparieren zu können anstatt es zu zerstören. Er half ein Haus, dass kurz vor dem Einsturz stand, ab zu sichern. Flora reichte ihm neue Steine um die umgefallene Mauer wieder auf zu bauen. „Tut mir leid, dass ich dich umbringen wollte“ rief Leo ihr zwischen ein paar Steinen zu. Sie lächelte ihn an und winkte ab „Schließlich habe ich dich bewusstlos geschlagen. Ich denke wir sind jetzt quitt.“ Leo lachte Laut auf und fühlte sich zum ersten Mal seit er dem Schwarzen Ritter begegnet war wieder frei.

 

Als es Abend war kehrten sie in die Höhle zurück. Sie aßen zu Abend und legten sich schlafen. Flora schlich sich leise nach draußen, setzte sich auf den Felsen und betrachtete die Sterne. „Auch noch wach?“ Markus trat aus der Höhle und setzte sich neben sie. Flora lächelte „Ja, es ist ein bisschen langweilig jetzt wo wir den Schwarzen Ritter besiegt haben. Keine tödliche Bedrohung mehr. Ist echt unheimlich.“ Markus lachte „Keine Sorge wir werden noch genug zu tun haben.“ Er legte einen Arm um sie und sie lehnte sich gegen seine Schulter. Eine Zeit lang betrachteten sie stumm den Mond. Dann hab Flora den Kopf „Schau, eine Sternschnuppe.“ Markus folgte ihrem Blick „Wünsch dir was.“ Flora verdrehte die Augen „Das funktioniert doch nicht. Bloß weil da eine Sternschnuppe ist wird mein Wunsch nicht in Erfüllung gehen.“ Markus musste lächeln und verdreht die Augen „Du bist furchtbar das weist du, oder?“ Flora lächelte ebenfalls. Dann küsste sie ihn und er erwiderte ihren Kuss. Sie wusste nicht ob sie Peters Plan befolgen wollte und Königin von Drachengold, oder was davon noch übrig war, werden würde oder wie es jetzt weiter ging. Aber in diesem Moment war es ihr auch völlig egal.

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Tag der Veröffentlichung: 03.06.2020

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