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--> Die Geschichte spielt ungefähr im Jahre 1860 ab. Handlung,Orte und Personen sind frei erfunden. <--

Prolog

Ich fühlte mich vollkommen taub. Ich stüzte seinen Kopf an meine Beine ab und starrte ihn schweigend an.
Monate lang habe ich darauf gewartet ihn wieder zu sehen, allerdings nicht auf diese Weise.
Jetzt war sein Leben vorbei.
Und meins auch.


Kapitel 1

- Elizabeth -

Mein Herz raste. Jedes mal wenn ich an diesem Handwerksladen vorbeikam wurde ich unruhig und nervös. „Beruhige dich doch
mal! Das macht mich vollkommen verrückt!“ schrie mich Mary an.
Ich hätte ihr gerne gesagt wie sehr sie mich jeden Tag mit ihrer Art verrückt machte, aber ich wollte keinen unnötigen Streit anfangen. „Soll… Soll ich reingehen und ihn ansprechen?“ fragte ich ängstlich. „Mach doch einfach. Wird schon schief gehen.“
„Ich weiß nicht genau, was soll ich denn sagen?“ Wie wär’s mit „Hallo“ oder so was“, lachte sie. Jetzt war ich sauer. Meine beste Freundin machte sich tatsächlich über meine Ängste lustig.
„Du hast leicht reden! Du hast das ja hinter dir. Dein Verlobter vergöttert dich!“, motzte ich sie an.
„Elizabeth, was willst du von mir hören? Glaubst du etwa Howard und ich haben uns einfach so verlobt oder was? Alles fängt mit einem „Hallo“ an. Trau dich doch einfach“, erwiderte Mary.
Das machte mir zwar nicht wirklich Mut, aber sie hatte Recht.
Wie lange hatte ich diesen Jungen schon heimlich beobachtet?
Ich wusste noch nichtmal seinen Namen! Jetzt musste ich meine Chance ergreifen und ihn ansprechen.
„Machst du’s?“ fragte Mary verwirrt.
„Ja“, antwortete ich so überzeugend und selbstsicher wie nur möglich. Ich ging auf den Laden zu. Mit jedem Schritt kam ich der Tür näher und näher. Mein Herz überschlug sich als ich meine Hand zur Tür ausstreckte.
Ich drehte mich ein letztes Mal zu Mary um.
Wie immer grinste sie mich breit an. Ihre großen, blauen Augen zwinkerten mir zu. Ich widmete mich wieder der Tür.
Ich schloss die Augen und brachte es einfach hinter mich.
Als ich die Tür öffnete und den Raum betrat konnte ich den starken Duft von Holz riechen. Ich atmete tief ein und schloss die Augen. Als ich die Augen wieder geöffnet hatte, bereute ich es sofort. Er stand auf einmal vor mir und lächelte mich warm an.
„Kann ich Ihnen helfen, Miss?“ fragte er mich.
„Wieso helfen“, antwortete ich schnell und nervös.
Er hob eine Augenbraue und grinste mich breit an. „Na gut, von mir aus können Sie auch einfach hier stehen bleiben. Ich hab nichts dagegen“, lachte er. „Nein, Ich...“. Mir fiel nichts ein. Ich hatte alles versaut. Ich hätte mich am liebsten in ein tiefes Loch verkrochen. „Ich… Ich wollte „Hallo“ sagen!“ antwortete ich
Noch nervöser. „Hallo“, antwortete er verwirrt. Ich senkte meinen Kopf. In diesen Moment war es mir egal wie peinlich ich mich gemacht hatte. Ich wollte einfach verschwinden und mich nie wieder blicken lassen. „Darf…darf ich Ihren Namen wissen?“ fragte er mich. Ich blickte wieder auf und schaute ihn an.
„Entschuldigen Sie bitte! Ich hätte mich zuerst vorstellen sollen.
Mein Name ist Elliot Johnson. Ich lächelte. „Elizabeth Cole“, antwortete ich. Jetzt war es still. Als ich ihn anlächelte schaute er verlegen weg. Ich hätte vor Freude schreien können. Er durchbrach die Stille. „Würden Sie vielleicht mal…mit mir ausgehen?“, fragte er stotternd. „Unter einer Bedingung“. Hör auf so höflich zu mir zu sein. Nenn mich Elizabeth“, antwortete ich.
Er grinste mich breit an. „Sicher doch, Elizabeth!“.
Ich grinste zurück. Plötzlich ertönte am Fenster ein klopfen.
Mary winkte mir zu, ich solle mich beeilen.
„Ich muss jetzt gehen“.
„Darf ich morgen wieder vorbeikommen?“, fragte ich ängstlich.
„Sicher! Wann immer du willst“, antwortete er fröhlich.
„Bis Morgen“. Ich drehte mich um und öffnete leicht die Tür.
Ich lächelte ihn ein letztes Mal an. „Bis Morgen“, lächelte er zurück.


Kapitel 2 - Elizabeth -

Mein Herz überschlug sich vor Freude während ich wieder zu Mary ging. „Diesen Blick kenne ich ja gar nicht von dir! Wie ist es gelaufen?“ fragte mich Mary ungeduldig. „Fantastisch! Er hat mich gefragt ob ich mal mit ihm ausgehen will!“ Meine Freude wurde noch größer als ich es aussprach. „Hab ich dir nicht gesagt, dass alles gut gehen wird?“ „Nein du hast gesagt es wird schon schief gehen“, korrigierte ich sie. „Ach das ist doch egal! Wann trefft ihr euch denn?“ Jetzt wurde ich wieder ruhiger. „Das… das weiß ich noch nicht“, antwortete ich nervös. Mary schaute mich ratlos an.
„Ich werde morgen noch mal bei ihm vorbeikommen“, sagte ich.
„Das heißt also ihr werdet euch so oder so wiedersehen. Das ist doch schön!“ sagte Mary. Ich kannte sie nur zu gut, deshalb wusste ich, dass sie mir das nur sagte um mich zu beruhigen.
„Wie heißt er denn eigentlich?“ fragte sie mich um abzulenken.
„Elliot Johnson“, antwortete ich. Sie schaute rüber in den Laden, was mich nervös machte. „Jetzt guck doch da nicht so rein!“ schimpfte ich. „Ganz ruhig, ich wollte ihn mir nur besser ansehen. Er sieht wirklich aus wie ein Elliot, findest du nicht?“
Ich verdrehte die Augen. So was konnte nur von Mary kommen.
Mary lächelte mich fröhlich an. „Also, es wird Zeit. Lass uns Heim gehen. Ich werde meiner Mutter noch bei der Zubereitung des Abendessens helfen. Hast du Lust mit zu Essen?“ fragte mich Mary. „Gerne doch. Aber ich muss noch etwas erledigen.“
„Kein Problem. Komm einfach heute Abend um acht zu uns nach Hause“, antwortete Mary. „Dann bis heute Abend und danke für die Einladung.“ Mary lachte. „Das ist doch kein Problem. Bis heute Abend!“ Ich nickte sie an und ging. Ich dachte noch darüber nach was passiert war. Elliot Johnson. So hieß er. Er sah wirklich gut aus. Er hatte genauso strahlend blaue Augen wie Mary. Seine kurzen braunen Haare sahen sehr weich aus. Ich hätte sie am liebsten berührt. Ich hätte ihn am liebsten tausend Fragen gestellt. Zum Glück würde ich ihn wieder sehen. Meine Gedanken waren nur bei ihm.
Ich ging die Straße immer weiter runter, bis ich am östlichen Stadttor angekommen war. Ich verließ das Dorf und ging den Weg lang der in den Wald führte. Dann bog ich nach rechts auf und ging den kleinen Hügel hoch. Oben befanden sich eine einziger großer Baum und ein Grabstein. Bei Sonnenuntergang war es hier oben wunderschön. Alles schien in einem orange-rötlichen
Farbton, wie der Himmel. Ich schaute runter zum Grabstein.
„Allen & Sue Cole“, las ich. Meine Eltern.
Sie starben vor zehn Jahre als ich acht war. Damals gab es einen schrecklichen Bürgerkrieg. Es starben sehr viele Menschen. Unter anderem meine Eltern. Sie wurden getötet. Zuerst meine Mutter, die versuchte mich mit allem Mitteln zu beschützen. Ich sah es vor mir, wie sie schrie und mich in ihren Armen hielt. Irgendein Soldat schoss alles und jeden ab der sich ihn in den Weg stellte. Meine Mutter sagte ich solle weglaufen, mich in Sicherheit bringen. Ich rannte aus dem Haus so schnell ich konnte. Ich rief meinen Vater. Ich sah wie er gegen einen Soldat kämpfte. Als er mich sah schrie er meinen Namen.
Ich konnte mich daran erinnern, wie mich Matthew Jones, Marys Vater, in den Arm nahm und beschützte. Mein Vater lief zurück ins Haus zu meiner Mutter. Eine endlos lang erscheinende Kanonade an Schüssen folgte. Ich schrie unter anderem, weil ich wusste was geschehen war.
Jeden Tag erinnerte ich mich an dieses Ereignis. Der Krieg hat mir meine Eltern weggenommen. Der Wind wehte mir ins Gesicht und ich schaute wieder hinauf. Inzwischen fiel es mir leichter meine Tränen zu unterdrücken. Am Anfang war es schwerer. Der Schmerz war unerträglich.
Ich schaute noch einmal auf den Grabstein, dann drehte ich mich um und ging den Weg zurück ins Dorf. Mary wusste, dass ich bei dem Hügel war. Deswegen fragte sie auch nie nach, wenn ich sagte ich hätte etwas zu erledigen. Sie wusste, dass ich nicht gerne darüber sprach. Sie hatte damals alles miterlebt. Sie hörte nachts, wie ich schrie und sah mich täglich weinen. Sie war immer für mich da gewesen und das würde sie auch immer sein.
Danke.


Kapitel 3 - Elliot -

Mein Herz klopfte. Heute war das geschehen was ich mir schon immer gewünscht hatte. Elizabeth Cole. So hieß sie. Sie war wunderschön. Mehr als das. Sie hatte lange, dunkelbraune, lockige Haare die mit einem Haarband geschmückt waren.
Ihre Augen waren groß und hatten denselben Farbton wie ihre Haare. Und ihr Lächeln… Sie war unbeschreiblich schön.
Ich konnte es kaum erwarten sie wieder zu sehen.
Ich löschte das Licht im Raum, verriegelte die Ladentür und stieg die Treppe hinauf in mein Zimmer.
Bis spät in die Nacht dachte ich nur an Elizabeth. Wenn ich schlafen gehen würde, wäre sie in meinen Träumen.
Und das war auch gut so.


Kapitel 4 - Elizabeth -

Ich klopfte an der Tür von Marys Haus.
Marys Mutter Dolly öffnete mir die Tür. „Guten Abend meine Liebe!“, sagte sie fröhlich, gab mir einen Kuss auf die Stirn und bat mich ins Haus. „N’abend Elizabeth“, begrüßte mich Matthew, Marys Vater, der auf einem Sessel saß und ein Buch las. „Guten Abend“, antwortete ich und lächelte.
Plötzlich erschien Marys Verlobter, Howard Boston, mit einer Salatschüssel aus der Küche. „Guten Abend, Elizabeth“, sagte er ruhig und höflich. „Hey Elizabeth! Endlich bist du da! Jetzt steh doch da nicht so dumm rum Howard, sondern stell die Schüssel auf den Esstisch“, sagte Mary. Howard gehorchte mit einem Lächeln. Mary und Howard waren ein wirklich seltsames Paar.
Mary war ein sehr fröhlicher Mensch. Sie lachte ständig über alles und jedem. Sie war ein kleiner Wirbelwind. Eine Verrückte.
Howard war das genaue Gegenteil. Er war eine sehr ruhige und ernste Person, das kam davon, dachte ich, weil er Arzt war.
„Das Abendessen ist gleich fertig“, verkündete Dolly. „Das wird aber auch langsam Zeit, ich sterbe vor Hunger“, beschwerte sich Matthew. Er legte sein Buch weg und setzte sich an den Esstisch. „Nehmt doch schon mal Platz“, sagte Dolly. „Kann ich vielleicht helfen?“, fragte ich. „Nein! Setz dich auf deinen Hintern und lass uns nur machen. Und du auch Howard!“ befahl Mary und grinste stolz. Ich streckte ihr die Zunge raus und gehorchte wie Howard es schon getan hatte. Wenig später kam Mary mit einem Braten ins Esszimmer. „Guten Appetit“, sagte sie.
Matthew nahm ein Messer und schnitt während Dolly ihn permanent sagte er solle vorsichtiger und ordentlicher arbeiten.
Das Essen war fantastisch. Es war ein schöner Abend.
Nach dem Essen stand Matthew als erster auf und setzte sich wie üblich auf seinen Sessel und nahm diesmal eine Zeitung in die Hand. Ich half Dolly und Mary mit dem Abräumen des Tisches.
Als Dolly mit dem Abwasch beschäftigt war, setzten sich Mary und ich zu Matthew und Howard ins Wohnzimmer.
„Und? Gibt es irgendwas Besonderes?“, fragte Mary gelangweilt.
„Kommt drauf an ob du das Besonders findest meine Liebe“, antwortete Matthew. Mary starrte ihn nur ratlos an.
„Im Nachbarsdorf gibt es Probleme. Die Bürger protestieren Es gibt zu viele Wirtschaftliche und Soziale Spaltungen“, sagte Matthew. Ich verstand das nicht. Proteste gab es immer.
Warum sollte es jetzt auf einmal ein Problem sein?
„Ist das nur im Nachbardorf so oder auch wo anders?“, fragte Mary. Sie schien genauso ratlos zu sein wie ich.
„Die Zeitung redet nur vom Nachbarsdorf, da diese Probleme ihrer Meinung nach noch unwichtig sind. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass es überall so ist“, antwortete Matthew. „Na wenn das deine Meinung ist“, sagte Mary lachend.
„Das ist nicht witzig, so was könnte ein schlechtes Ende nehmen wenn die Proteste nicht aufhören“, sagte Howard ernst.
Mary schaute ihn seltsam an. Sie schien das ernst zu nehmen was er sagte. „Aber in Sundown Hill gibt es doch auch keine Proteste, warum sollte es dann in anderen Dörfern anders sein?“, fragte ich. „Du vergisst, dass Sundown Hill sehr klein ist und sich aus fast allem politischen raus hält“, sagte Matthew.
Ich schaute auf die Zeitung. Bei uns war es so friedlich und ruhig.
Es war kaum vorstellbar, dass sich dies verändern könnte.
„Dieses Thema gibt es schon seit langem“, sagte Dolly, die mit dem Abwasch fertig war und sich zu uns gesellte. „Sich jetzt plötzlich ernste Gedanken darüber zu machen ist dumm. Für uns heißt es einfach leben, abwarten und Tee trinken.“
„Wenn wir schon mal beim Thema Tee sind, ich hätte gerne einen“, erwiderte Matthew. „Noch jemand?“, fragte Dolly.
Mary und Howard schüttelten den Kopf. „Du vielleicht Elizabeth?“
„Nein, danke. Ich müsste jetzt nach Hause gehen, es ist schon spät“, antwortete ich. Ich stand auf und machte mich auf dem Weg zur Tür. „Bis Morgen“, rief Dolly. Matthew nickte mich kurz an. Howard lächelte und winkte mir zu. „Bis Morgen Elizabeth“, sagte Mary. „Bis Morgen“, antwortete ich allen.
Ich ging aus dem Haus. Ich musste nur über die Straße gehen, da ich nebenan wohnte.
Nachdem ich mich Bettfertig gemacht hatte, ging ich in mein Zimmer und öffnete die Gardinen vom Fenster. Dann legte ich mich auf das Bett und schaute zum Mond
„Elliot…“, flüsterte ich und lächelte.


Kapitel 5 - Elizabeth -

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich gut.
Ich war ausgeruht und entspannt. Auch war ich aufgeregt.
Ich würde heute Elliot wiedersehen. Das machte mich etwas nervös. Wie jeden Morgen setzte ich mich ans offene Fenster und schaute auf die Straße. Ab und zu begrüßten mich einige Dorfbewohner die an meinem Haus vorbeikamen.
Gegenüber sah ich Dolly, die sich mit dem „Zeitungsjungen“ unterhielt. Sein richtiger Name war Samuel „Sammy“ Olsen.
Als ich ein kleines Klopfen an der Tür hörte, wusste ich, dass die Zeitung auch bei mir angekommen war.
„Vielen Dank, Sammy!“ rief ich ihm zu. „Ist mein Job“, lachte er und ging weiter zum nächsten Haus.
Während ich die Zeitung ins Haus brachte, überflog ich die einzelnen Schlagzeilen…

~ Der Beginn einer neuen Revolution ? ~

~ Blutiger Protest – 7 Menschen erschossen ~

~ Streit breitet sich über den Osten aus ~

… Eine Weile lang starrte ich die Zeitung an, ohne wirklich etwas gelesen zu haben, dann legte ich sie weg und setzte mich erneut ans Fenster und schaute nach draußen. Einen Moment lang dachte ich an den Krieg vor zehn Jahren. Ich war noch klein und wusste nicht wie er ausgebrochen war.
Waren Proteste der Grund? Eine schrille, laute Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Guten Morgen Elizabeth!“, begrüßte mich Mary die sich an mein Fenster gelehnt hatte und mich anschaute.
„Guten Morgen“, begrüßte ich zurück. „Gibt es einen Grund weshalb du wie eine Leiche ins Leere starrst?“, fragte sie mich, wie immer überaus freundlich. „Nein, es ist nichts, wieso sollte ich auch wie eine Leiche gucken?“, antwortete ich munter.
„Hätte ja sein können das du in Gedanken bei deinem heutigen Treffen mit Elliot warst“, erinnerte sie mich. Ich schaute sie erschrocken an. „Du glaubst doch nicht etwa, dass ich nur vorbei gekommen bin um „Guten Morgen“ zu sagen! Na los komm schon, wir gehen jetzt zu ihm“, sagte Mary. „Jetzt?“ fragte ich immer noch erschrocken. „Wann denn sonst? Außerdem wollte ich heute noch Juliett besuchen gehen. Da kommst du doch mit, oder?“, fragte Mary mich. „Ja na klar“, antwortete ich. Ich machte das Fenster zu und ging aus dem Haus. Zusammen gingen wir zum Handwerksladen. Zwischendurch musste Mary mich ziehen als ich mit Absicht rumtrödelte. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich so tat als würden mich Marys Traumdeutungen zur letzten Nacht interessieren. „So da wären wir“, sagte Mary und hielt an.
Ich verstummte. Jetzt ging es mir genau wie am Vortag. Nicht besser und nicht schlechter. „Jetzt geh schon!“, schrie sie mich an. „Ich kann das nicht! Er wird sicher beschäftigt sein…“, antwortete ich fast weinend, wie ein kleines Kind.
„Gestern war er auch beschäftigt und außerdem hat er dich ja gefragt, ob du mit ihm ausgehen willst“, sagte Mary.
„Ich kann das nicht! Lass uns zurückgehen“.
„Auf keinen Fall!“.
„Jetzt sieh mich doch an, Mary!“ Ich deutete auf mein Kleid und dachte daran, wie ich heute Morgen versucht hatte eine schöne Hochsteckfrisur hinzubekomme. Was rausgekommen war, war meilenweit davon entfernt eine Hochsteckfrisur zu sein. Aber ich konnte mich damit blicken lassen. „So kann ich mich nicht blicken lassen!“, schrie ich sie an.
„Also ich finde, dir steht dieses Kleid wundervoll“, sagte eine unbekannte und doch vertraute Stimme.
Ich schaute rüber zur Tür des Handwerkladens und sah Elliot der mich mit einem breiten Grinsen anschaute.
„So, das wäre geklärt. Wie sieht’s aus? Traust du dich immer noch nicht reinzugehen? Du könntest dich ja auch wie sonst immer in der Ecke verstecken und ihn heimlich observieren“, sagte Mary. „Halt die Klappe!“, zischte ich sie böse an.
Elliot lachte. Mir war das alles unglaublich peinlich.
Wieder dachte ich daran mich in ein Loch zu verkriechen.
„Wollt ihr reinkommen?“, fragte er höflich und schaute dabei vor allem mich an. „Gerne doch!“, antwortete Mary und zog an meinem Arm. Elliot hielt uns die Tür auf und ging leise hinter uns her. „Fühlt euch wie zuhause. Kann ich euch etwas anbieten?“, fragte Elliot. „Mir nichts, was ist mit die Elizabeth?“, fragte mich Mary mit einem hinterhältigen Blick. „Nein, danke“, antwortete ich und schaute sie böse an. Sie zwinkerte mir zu.
Eine Weile lang beobachtete ich ihn, wie er Holz an seinem Arbeitsplatz trug und ein wenig aufräumte.
„Als was arbeitest du eigentlich?“, fragte Mary gelangweilt.
„Handwerker“, antwortete Elliot lachend.
Mary starrte ihn genervt an. Ich lachte schadenfroh, weil ich sie kannte und wusste was sie von solchen antworten hielt.
„Ich repariere allerlei Möbel, wie Tische, Stühle, Schränke und so weiter“, fügte er hinzu. Mary schaute sich um. So wie ich sie kannte interessierte sie das ganze nicht. Ich schaute mich ebenfalls um. Mein Blick wanderte zu einem kleinen Schaukelpferd. „Hast du den gemacht?“, fragte ich begeistert.
Er lächelte mich verlegen an und ich wusste, dass es ein „Ja“ war.
„Der ist wunderschön“, sagte ich. „Vielen Dank“, antwortete er immer noch verlegen.
„Na was ist jetzt mit der Verabredung?“, fragte Mary. Ich schaute sie wütend an. „Also wirklich! Kannst du nicht einfach…“
„Nein sie hat schon Recht“, unterbrach mich Elliot.
Er stand auf und blickte mich lächelnd an. „Hättest du heute Abend Zeit? Wir könnten etwas zusammen essen gehen“, fragte er mich verlegen. Mein Herz raste. Ich lief knallrot an. „Ger…“
„Sie sagt JA!“, schrie Mary durch den Raum. Elliot schaute sie erschrocken an. Ich hätte sie am liebsten umgebracht.
„Dann trefft ihr euch heute Abend!“, legte Mary fest. „Am besten um acht vor dem Brunnen am Hauptplatz“, sagte sie.
„Klingt toll“, sagte Elliot. „Dann bis um acht?“, fragte er mich.
„Bis um acht“, bestätigte ich und lächelte ihn an.
Eine Weile lang schaute wir uns nur und bis Mary dazwischenkam. „Spart euch das für heute Abend auf, wir müssen jetzt los“, sagte sie und zog mich nach draußen.
„Bis dann“, sagte ich flüchtig. Als wir draußen waren konnte ich sein Lachen hören. Ich fing auch an zu lachen.
„Hat doch geklappt“, sagte Mary ruhig, und ging die Straße entlang. Ich hätte vor Freude schreien können, das einzige was mich davon aufhielt war die Tatsache, dass wir in der Öffentlichkeit waren. „Gott, bist du Peinlich, Mary“, sagte ich zu ihr, in Wahrheit war ich ihr sehr dankbar. Wenn sie nicht wäre, dann hätte ich mich wahrscheinlich nicht mal in den Laden getraut. „Gerne doch“, antwortete Mary.
Gemeinsam gingen wir zu Juliett nach Hause.
Juliett Masen war eine Freundin von uns. Sie war eine sehr liebenswürdige, schüchterne und ruhige Person. Sie hatte zwei ältere Brüder, Henry und Billy, die Zwillinge waren. Die Zwillinge waren sehr lustig und machten ständig irgendwelchen Unsinn. Mary kam sehr gut mit ihnen klar, was mich nicht wundert. Ihre Eltern waren Charles und Diana Masen. Charles war ein sehr strenger und ernster Mann. Diana war eine einfache, liebevolle Mutter. Sie war das, was man sich unter „Perfekte Hausfrau“ vorstellen konnte. Ich dachte oft daran, dass Juliett wohlmöglich wegen ihrem Vater so eingeschüchtert geworden war. Ihre Mutter konnte nämlich nicht der Grund gewesen sein.
Irgendwie tat sie mir immer Leid.
Das Haus der Masen’s war unglaublich schön und groß.
Es war das letzte in der Straße, umgeben von Bäumen.
Julietts Familie war sehr wohlhabend.
Als wir an ihrer Haustür klopften, machten und die Zwillinge die Tür auf. „Hallo…“, begann Billy, „Ihr beiden“, vollendete Henry.
„Hallo Jungs“, sagte Mary. „Ist Juliett da?“
„Na klar ist die kleine da“, antwortete Billy.
„Hey Juliett, du hast Besuch!“, rief Billy. „So wir müssen jetzt los, die Arbeit ruft!“, verkündete Henry. Die beiden arbeiteten außerhalb des Dorfes auf einem Bauernhof. Ich musste immer lachen als ich an ihrer Arbeit dachte, immerhin hatten sie viel Geld und trotzdem arbeiteten sie als Bauern.
Die Zwillinge verabschiedeten sich und gingen los.
Mary und ich gingen den Flur entlang ins Wohnzimmer.
Dort, saß Juliett auf einem Stuhl und trank einen Tee.
„Hallo Juliett“, sagte Mary. In Julietts Nähe verhielt sie sich immer höflicher als sonst. Ich tat dasselbe. Es schien uns beiden angebrachter. „Hallo“, antwortete sie ruhig.
„Lange nicht gesehen, wie geht es dir?“, fragte ich.
„Mir geht es gut, kann ich euch etwas anbieten?“, fragte sie.
„Gerne“, sagte ich. Obwohl Mary, Tee hasste, nahm sie lächelnd auch einen an. Juliett stand auf und ging in die Küche.
Als wir alleine waren, lachte ich Mary aus. Die sonst so starke und selbstbewusste Mary Jones, traute sich nicht Juliett eine Absage bezüglich des Tees zu geben. „Halt die Klappe“, sagte sie frech.
Juliett kam mit einem Tablett rein, den sie auf dem Tisch abstellte.
Sie sah wunderschön aus wie immer. Juliett hatte langes, gold-blondenes Haar und grüne Augen. Sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich. „Bitteschön“, sagte sie und nahm wieder Platz.
„Also, gibt es irgendwas Neues?“, fragte Mary.
„Nichts besonderes“, antwortete Juliett kurz.
„Wo sind eigentlich deine Eltern?“, wollte Mary wissen. „Die sind bei den Nachbarn zum Essen eingeladen worden. Was habt ihr so gemacht?“, fragte Juliett. „Das übliche“, antwortete ich. In Sundown Hill gab es wirklich nichts besonders zu tun. Es war sehr ruhig und friedlich. Den ganzen Tag verbrachten Mary und ich bei Juliett. Wir redeten über die verschiedensten Dinge. Ein Hauptthema war Marys Hochzeit. Sie und Howard hatten beschlossen im September zu heiraten. Wir hatten erst April, aber Mary zählte bereits die Sekunden. Ich erinnerte mich an den Tag, als sie zu mir kam und mir sagte sie sei verlobt. Ich wusste es schon vorher, da mich Howard schüchtern nach meiner Meinung gefragt hatte. Ich hatte erwartete, dass sie vor Freude schreit. Das tat sie aber nicht. Stattdessen war sie ganz ruhig. So wie Juliett es immer war. Während wir redeten schaute ich ab und zu auf die antike Standuhr. Jetzt war es wichtig ruhig zu bleiben.


Kapitel 6 - Elliot -

Klopf. Klopf. Klopf. „Aua!“, schrie ich. So unkonzentriert hatte ich noch nie gearbeitet. Mit Holz kam ich wirklich gut klar. Mir fiel es einfach Gegenstände zu reparieren oder neue zu bauen.
Aber je mehr ich an den heutigen Abend dachte, desto nervöser wurde ich. Ich war grade dabei einen Stuhl zu reparieren. Keine große Herausforderung. „Aua!“, schrie ich erneut. „So ein Mist, verdammt…“. „Also so wird das nichts“, lachte mein bester Freund, John, mich aus. John und ich waren bereits Freunde seitdem ich denken kann. „Halt deine Klappe“, zischte ich.
„Jetzt lass deine Wut bloß nicht an mir aus! Beruhige dich doch mal… Du hast noch ein paar Stunden“, sagte er.
„Ja, ja… Ich bin einfach etwas nervös. Ich… Ich habe sie wirklich gerne. Ich will mir das mit ihr nicht versauen“, murmelte ich.
„Ja, sie ist wirklich ein hübsches Ding diese… äh… wie hieß sie doch gleich? Alice? Betty?“, fragte er. „Elizabeth“, korrigierte ich und versuchte dabei meine Wut zu unterdrücken. Wie konnte man sich ihren Namen nur nicht merken? Ich konnte ihn mir leicht merken, weil ich ständig nur an sie dachte. „Ach so, Elizabeth.
Und wo wollt ihr heute Abend hin gehen?“
„Na ja, ich dachte da an das Restaurant „Romance“.
„Wow ! Du meinst es also wirklich ernst was? Sonst hättest du nicht das beste Restaurant im Dorf gewählt“, lachte er mich erneut aus. „Ich sagte doch, dass ich sie gern hab!“, wiederholte ich gereizt. „Ist ja schon gut“, beruhigte er mich, „ Kannst du dir das überhaupt leisten?“ „Ich habe jahrelang nur dafür gespart“, antwortete ich halb stolz. Zwar war das nicht ganz wahr, weil ich einerseits gedacht hatte, dass ich mich nicht trauen würde sie auszubitten aber ab und zu hab ich dann doch ein wenig Geld für meinen „kleinen Traum“ zur Seite gelegt.
Ich fing wieder an, an meinem Stuhl rumzuhämmern, während ich an sie dachte. „Autsch!“, schrie ich bereits zum dritten Mal.
„Also jetzt reicht es mir, so kannst du nicht arbeiten. Ich schaff das auch alleine. Du kannst ruhig nach oben gehen“, sagte John und nahm mir den Hammer weg. Ich sagte nichts und machte mich auf den Weg nach oben. „Danke“, sagte ich. John winkte mit dem Hammer und machte sich an „meine“ Arbeit. Ich fing an nachzudenken während, ich die Treppe hinauf in mein Zimmer ging. John und ich lebten zusammen. Wir wurden beide von meiner Tante Rose aufgezogen. Im Krieg vor zehn Jahren verloren John und ich unsere Eltern. John befand sich allein in seinem Haus, als ein feindlicher Soldat eine Bombe auf das Haus warf. Seine Eltern waren bei den Nachbarn. Bei uns. Sie wollten nicht lange bleiben. Johns Mutter war sehr fürsorglich und wollte ihn keine zwei Sekunden alleine lassen. Als die Bombe explodierte, rannten seine Eltern sofort in ihr Haus. Unser Haus wurde von drei Soldaten gestürmt, die auf meine Eltern schossen. Ich sah sie vor meinen Augen sterben. Ich fragte mich oft, ob Johns Eltern das Selbe geschehen war. Als John aus den Trümmern von seinem Haus gerettet worden ist, konnte er sich so gut wie an nichts erinnern was damals geschehen war. Er erinnerte sich nur an eine Frau die ihm sagte, dass sie ihn lieben würde. Nach dem Krieg, kamen wir beide ins Waisenhaus.
Meine Tante Rose verlor im Krieg ihren Ehemann.
Sie adoptierte uns beide zusammen, weil sie der Meinung war das es schlecht wäre und zu trennen. So lebten wir drei zusammen. Die drei, die geliebte Menschen im Krieg verloren hatten. Wir wuchsen im Haus über den Handwerksladen auf.
Rose lies uns nie spüren wenn sie Sorgen hatte. Sie war immer liebevoll und stark, wie eine Mutter und ein Vater zusammen.
Ich riss mich aus meinen Gedanken und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich legte mich auf meinem Bett und entspannte mich. Danke, Tante Rose.


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Tag der Veröffentlichung: 17.02.2011

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