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Ein Kampf




Sand stob in durchsichtigen Wolken auf, als ich meinen Fuß darauf absetzte. Ich befand mich inmitten einer Kampfarena, in der schon bald ein alles entscheidendes Gefecht stattfinden würde.
Massen von Menschen waren angereist, um dieses Schauspiel zu verfolgen, schließlich war es ein ganz besonderes Ereignis.
Denn stets, wenn ein Mitglied aus der Reihe der Lordschaft verstarb, wurde ein Nachfolger gekürt. Er musste sich jedoch vorerst in einem Kampf beweisen, damit ihm die Anerkennung dieses hohen Ranges zurecht wurde. Und zwar spielte ich in diesem Theaterstück, wie es der Kaiser gerne nannte, die Hauptrolle.
Nun war endlich der Zeitpunkt angerückt, mich der Lordschaft zu behaupten, und ihnen das Gefühl zu geben, dass ich einen Platz unter ihren altehrwürdigen Reihen verdient hatte. Nicht umsonst hatte ich die letzten drei Jahre damit verbracht, als Lehrling bei einem der gnadenlosesten Meister meine Fähigkeiten zu verbessern. Ich hatte an meiner Ausdauer gearbeitet, meine Kondition erweitert und penetrant darauf geachtet, nie mehr von mir preis zu geben als meinen Namen.
Ich wollte nicht, dass man mich kannte. Ich wollte nur, dass ich als Mitglied der Lordschaft über die Bestimmungen des Landes mitentscheiden durfte. Als Kind aus einem Waisenheim hatte ich früh gelernt, dass man sich Ansehen und Respekt hart erkämpfen muss. Zu lange war ich das fünfte Rad am Wagen gewesen, fühlte mich unnütz und klein. Doch nun soll sich alles ändern...
Um mich herum konnte ich vereinzelte, bunte Flecken auf den Zuschauertribünen ausmachen, die vor kurzem noch menschenleer gewesen waren. Zwar existierten noch immer einige kahle Stellen, doch die Großzahl der Stühle waren besetzt. Musik, Gelächter und ein Schrei nach dem anderen dröhnte von der Menge zu mir hinunter auf den Fechtplatz.
Ich war aufgeregt. Wurde ich von der Lordschaft beobachtet? Würden sie mir zusehen, wenn der Kampf begann?
Mit Bedauern musste ich feststellen, dass meine Hände anfingen zu zittern. Ich musste mich beruhigen, ansonsten könnte ich mehrere Stellungen nicht ausführen, oder Schwerthiebe gingen daneben und das würde mich meinen Sieg kosten. Außerdem bekam ich das beklemmende Gefühl nicht los, dass ich töten musste.
Zwar waren meine Gegner keine echten Menschen, sondern Vacapuse, die mit Hilfe der Farbenspieler erschaffen wurden, doch hatten sie dennoch dessen Aussehen und Körper. Sie waren Klone von bereits verstorbenen Menschen, waren weder tot noch lebendig, hatten keine eigenen Gedanken und befolgten nur das, was ihr Schöpfer ihnen aufgetragen hatte.
Plötzlich wurden am hintersten Feldrand zwei riesige Gittertüren geöffnet. Mehrere blau gekleidete Gestalten kamen daraus hervor und bewegte sich zielstrebig auf mich zu. Meine Gegner. In Eile überflog ich die übermalten Gesichter der vier Vacapuse, die von schweren Eisenhelmen eingerahmt, in meine Richtung zeigten. Ich versuchte, in dem ich fest den Griff meines Schwertes umschloss, Fassung zu bewahren.
„Was glotzt ihr denn so?“, brüllte ich ihnen im Strudel meines Adrenalins entgegen und hörte, wie meine Stimme schrill und fiepend klang. Der Ausruf wirkte auf meine Gegner fast wie ein Kommando. Ihre Pupillen begannen wild zu leuchten und ich hätte mich am liebsten an den Rand zu den Zuschauern geflüchtet. Dann verteilten sich die vier Krieger in irrsinniger Geschwindigkeit auf ihren Posten und nahmen eine Art Formation ein. Ich hörte ein gedämpftes Surren von der Mitte des eingezäunten Areals und senkte meine Lieder.
Bald würde es losgehen... ich nahm einen tiefen Atemzug.
Eine Sekunde später ertönte ein ohrenbetäubender Knall und die Krieger stürmten mit eisernen Mienen auf mich zu. Sie sahen aus wie verhungerte Fleischhunde, die sich auf ihr Fressen stürzten. Doch ich durfte mich von ihnen nicht verunsichern lassen und dachte daran, was ich gelernt hatte. Als der erste Krieger mich erreichte, musste ich viel Beintechnik anwenden. Seine Stöße waren geradlinig und genau. Ich umrundete ihn mehrmals, bis ich die geeignete Chance wahrnahm und ihm mit einem kräftigen Hieb mitten ins Herz traf. Er hielt augenblicklich in seinen Bewegungen inne und starrte mich ausdruckslos an, ehe er zu feinem Staub zerrieselte.
Ich hatte gerade genug Zeit, meine Haare aus der Stirn zu streichen, da versuchte auch schon der nächste Krieger, mich von hinten zu Fall zu bringen. Allerdings hatte ich diese Situation schon so oft mit meinem Meister durchgekaut, dass ich sie im Schlaf konnte.
Mit einer flinken Handbewegung hob ich meinen Arm und der Krieger rannte direkt in die Spitze meines Schwertes hinein. Ich befreite die Klinge aus dessen Kehle und wendete mich bereits dem Dritten zu, der mich von oben zu überraschen versuchte. Ich erkannte einen blassen Schatten im Sand und war davon überzeugt, dass er Flügel besaß. Als ich meinen Kopf in den Nacken legte und in Richtung Horizont sah, bestätigte sich mein Verdacht. Zwei lange, ausgebreitete Schwingen gingen von dem Rücken des Kriegers aus und hielten ihn mit taktvollen Schlägen in der Luft.
Wie sollte ich da herankommen?
Ich ließ den schwebenden Krieger nicht aus den Augen und ging mehrere Schritte rückwärts, um ihn besser betrachten zu können. Er schien auf etwas zu warten. Mit einem dumpfen Schrecken wurde mir klar, worauf. Ich konnte gerade noch das Atmen des letzten Kriegers hinter mir vernehmen, bevor ich mich auf den Boden schmiss und ein Schwerthieb über mir hinweg sauste. Ich rollte mich auf den Rücken und trat dabei nach seinen Knien. Er schrie auf und fiel nach hinten, landete im aufwirbelnden Sand und regte sich nicht mehr. Ich rappelte mich hastig auf und stellte mich über ihn, wollte keine unnötige Zeit verschwenden und beendete sein Leben mit einem kurzen, aber starken Stich.
Mir rann mittlerweile der Schweiß von der Stirn und meine Kräfte ließen nach, aber ich hatte nur noch diesen einen Krieger vor mir. Danach würde ich ein Mitglied der Lordschaft sein.
Der Mann, der noch immer auf dem gleichen Punkt segelte, beobachtete mich. Er zeigte keine Anstalten, sich zu mir auf den Erdboden zu begeben, sondern steckte sein Schwert zurück an den Gürtel.
„Was soll das werden?“, brüllte ich zu ihm hinauf und merkte, wie ich ungeduldig wurde. Ich konnte den Kampf nicht beenden, wenn der Krieger noch weiterhin in der Luft herum baumelte. Schließlich hatte ich selbst keine Flügel! „Ich werde dich nicht töten.“
Der Satz des Kriegers verwunderte mich. Wer zum Teufel hatte ihn erschaffen, dass er so unsinniges Zeug schwafelte?
„Aber ich muss dich töten. Wieso stellst du dich mir nicht? Komm herunter und kämpfe wie ein Mann.“ Doch der Krieger dachte überhaupt nicht daran, zum Erdboden zu gleiten. Stadtessen umkreiste er den Kampflatz und suchte nach einem Ausgang, aber der Bereich war mit Stacheldraht eingegrenzt und es gab kein Einkommen, außer den Tod.
Ich dachte angestrengt nach. Auf einmal kam mir eine Idee, die zwar einen erheblichen Kraftaufwand mit sich bringen würde, dennoch meine letzte Aussicht auf Gewinnen war. Ich erfasste mein Schwert mit beiden Händen und hob es über den Kopf, nahm Anlauf, zielte direkt auf den Krieger und schleuderte es in seine Richtung. Mit einem jubelnden Aufschrei stellte ich fest, dass ich getroffen hatte. Das Schwert steckte im Rücken des herabsinkenden Kriegers und als er am Boden ankam, rannte ich auf ihn zu. Er lag gekrümmt da und starrte mich aus olivgrünen Augen an, seine Haut war ebenmäßig und glatt.
„...es schmerzt so...bitte, bitte beende es schnell.“
Der Klang seiner Stimme schmeichelte meinen Ohren und ich konnte nicht glauben, dass ich in diesem Moment Mitleid empfand. Irgendetwas an dem Krieger faszinierte mich. Ich zog mein Schwert aus seinem Rücken, um es kurz darauf in sein Herz zu stemmen. Er röchelte und zitterte am ganzen Leib, ehe er reglos liegen blieb.
Ich sah, wie das Leben aus ihm wich und sein Augenlicht verschwand. Doch er löste sich nicht auf, sondern blieb in seiner wahren Gestalt erhalten.
Das konnte nicht wahr sein...er war ein Mensch gewesen.

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Tag der Veröffentlichung: 01.04.2012

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