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Eins, zwei, drei...




Verstört blickte ich in den Spiegel.
War das wirklich ich, der mir da entgegen blickte, mit blutunterlaufenen Augen und den dunklen Schatten darunter? War es wirklich ich dessen Haare Schweiß nass an der Stirn klebten und das bleiche, starre Gesicht umrahmten, als Läge ein feuchtes, dunkelrotes Herbstblatt darauf?
Mein Blick verschwamm für einen Augenblick und meine Gedanken wollten sich ordnen, immer und immer wieder versuchten sie eine klare Linie zu fassen, doch es misslang ihnen, jeden verdammten schwachen Versuch.
Mein Körper war leer und ausgelaugt und ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ich versuchte mich wieder zu sammeln und sah abermals auf um mich im Spiegel zu betrachten. Meine Augen wanderten zu der Stelle, an der mein Handgelenk wund aufgerieben war und dann durchzuckte mich die schmerzvolle Erinnerung an das stramme Seil, das vor wenigen Stunden daran befestigt gewesen war. Ich weitete die Augen und trat zur Seite. Ich konnte mich nicht mehr ertragen, meinen erbärmlichen Anblick, wie ich dastand und hoffte, dass alles besser wurde. Aber es wurde nicht besser.
Mein Leben schritt dem Ende zu, von Sekunde zu Sekunde und ich konnte nichts dagegen tun.
Ich war hilflos, war gefangen im Mitleid und dem Schatten meiner selbst. Ich stand mir im Weg und das musste man ändern, am besten, so schnell es ging. Die halbe Nacht konnte ich nicht einschlafen, überlegte hin und her was ich tun konnte, um meinem Leiden ein Ende zu setzten.
Doch ich ertrug es nicht mehr, den Druck der auf mir lastete und die Schuld die auf meinen Schultern saß. Völlig verzweifelt hatte ich versucht, mir meine Pulsader abzubinden.
Ein schwacher Versuch seinem Leben ein Ende zu setzten, das wusste ich selbst.
Noch ein einziges Mal sah ich mir entgegen, sah, wie zerstört und zerbrochen ich war und ich war mir sicher das richtige zu tun.
Ich griff nach der spitzen Nagelschere, die vor mir auf einem kleinen Beistelltisch lag. Zitternd näherte ich mich mit der Schere meinem Handgelenk.Ich hatte keinen Mut. Der Schritt war so groß, es war eine Entscheidung des LEBENS.
Heiße Tränen bildeten sich in meinen Augen, flossen an meiner Backe hinab und tropften dann auf den Boden. Was tat ich hier bloß? Was war ich nur für ein Schwächling, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte?
Plötzlich wurde ich wütend, meine Hand zitterte immer stärker und dann stach ich zu.
Stach mit voller, letzter Lebenskraft auf mein Handgelenk ein und der Schmerz, der darauf folgte war wie eine Befreiung für mich. Auf einmal zitterte mein ganzer Körper, warmes Blut schoss aus der gestochenen Wunde und floss an meinem Körper hinab auf den Boden, wo es sich mit meinen Tränen vermischte. Ich ging in die Knie, setzte mich auf den kalten Parkett und lehnte mich mit dem Rücken an den Beistelltisch. Mir wurde kalt, auf meinem Körper bildete sich eine Gänsehaut.
Endlich war ich frei. Ich war glücklich, aus meiner trockenen Kehle drang ein erlöstes Lachen. Es war zwar leise, aber ehrlich.
Ich schloss die Augen und ich spürte die Kälte, die sich durch meinen Körper schlängelte, hinauf zu meinem Herzen. Ich zuckte und starb … mit einem Lächeln auf den Lippen.

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Tag der Veröffentlichung: 20.02.2012

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Widmung:
Man muss sich das Leben hart erkämpfen

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