Prolog
Ein leichter Wind wehte mir durch die langen, schwarzen Haare, als ich am Rande der Klippe stand. Ich spannte die Sehne meines Bogens und fixierte den roten Punkt in den Wellen. Meine Augen waren, trotz der untergehenden Sonne vor mir, weit aufgerissen. Noch einmal versicherte ich mich, dass ich den Punkt genau treffen würde, dann ließ ich den Pfeil vorschnellen.
Er flog über das Meer, in die Sonne hinein, und verschwand zwischen den Wellen.
Nun wartete ich. Hinter mir war es still. Alle standen andächtig da. Der letzte Teil der Prüfung, dann hätte ich es geschafft. Nun hoffte ich auf das Zeichen. Das Zeichen, das mein Jahrelanges schuften für beendet erklären würde. Mein Herz pochte mir bis zum Hals.
Ich starrte in die Sonne. Und plötzlich sah ich es. Es war das richtige Zeichen. Es war mein Zeichen. Ein Fuchs in einem ovalen Kreis. Seine Nase berührte die Vorderseite, seine Pfoten die Unterseite und der lange, buschige Schwanz die Rückseite des Kreises. 'Das Tier versprüht ein Eleganz, dessen kein anderer Mensch mehr gewachsen ist als du', hörte ich die Stimme von Ilaine in meinem Kopf. Ich jubelte und sprang in die Luft. Ich hatte es geschafft. Nichts war umsonst gewesen.
Ich hatte es geschafft...
1. Kapitel
Ich rannte durch die Nacht. Das Reh war um einiges schneller, doch ich würde es zuerst kriegen. Ich sah wie es auf den Wasserfall zu rannte. Ich hörte die Schritte des Orks. Er war laut und schwerfällig. Ich blickte nach rechts. Midas war direkt hinter ihm. Da erreichte das Tier den Fluss. Verängstigt stand es am Rand des reißenden Wassers. Ich versuchte noch einmal mein Tempo zu verstärken. So erreichte ich als erste die Lichtung am Wasserfall und warf mich vor das Reh. Es sah mich dankend an."Alles wird gut", flüsterte ich ihm zu. Dann stellte ich mich schützend vor es und nahm meinen Bogen vom Rücken.
Plötzlich sprang der Ork vor mir aus dem Gebüsch. Es war ein großes, widerliches Geschöpf. Es brüllte laut. Seine tierischen Beine passten nicht zum Rest des Körpers. Er hatte einen breiten, leicht grünlich behaarten Oberkörper. Sein Kopf saß ihm im Nacken. Je länger die Haare, desdo älter war der Ork. Dieser hatte Haare, die ihm bis zu den Ohren hingen und sie waren fettig und verklebt. Er dürfte nicht älter als 5 Jahre sein. Noch einmal brüllte er laut, dann schoss ich ihm einen Pfeil in die Brust.
Midas kam aus dem Wald auf mich zu gerannt. Er jaulte laut. Der Ork fiel vorn über ins Gras. Ich hatte seine Lunge zerstört. Man hörte das Röcheln, wenn er versuchte Luft zu holen. Ich ging auf ihn zu und nahm noch einen Pfeil. Diesen schoss ich ihm Mitten in den Kopf. Er war sofort tot. Keiner hatte einen solch grausamen Tod verdient. Nun nahm ich ein kleines Fläschchen aus einem Lederbeutel, der um meine Hüfte gebunden war und lies einen Tropfen auf die Leiche fallen. Jetzt würde sie sich von selbst auflösen. Ich drehte mich zum Reh um. Midas saß neben ihm und versuchte es zu beruhigen. Der Fuchs schaute zu mir hoch. Er zeigte mit seiner Pfote auf das Bein des Rehs. Es hatte sich verletzt. Ich nahm es in meine Arme und ging mit ihm zurück in den Wald. Midas folgte mir. Wir liefen zurück zu unserer kleinen Höhle. Dort legte ich das Tier auf den Boden.
Ich zündete ein Feuer und rührte in einem Topf eine Salbe an. Diese strich ich dem Reh auf die Wunde. Midas hatte sich auf seinem Platz zusammen gerollt und betrachtete uns schweigend. Er war genauso still wie ich. Ich redete nicht viel. Das war mal anders gewesen. Doch das ist eine Ewigkeit her...
Das Reh gab einen laut von sich, als die Salbe einzog.
"Alles wird gut", sagte ich nochmals. Ich strich ihm langsam über den Kopf. Es schloss die Augen. Nach einer Weile war es eingeschlafen. Ich ging nach draußen."Die Wunde wird heilen, oder?", fragte eine tiefe Stimme. Ich nickte. Salim kam auf mich zu. Er humpelte immer noch.
"Wird das überhaupt noch mal besser?", fragte ich ihn. Er lachte. "Ich würde nicht darauf wetten", meinte er.
Er setzte sich zu mir. Ich schaute in die Ferne. Er folgte meinem Blick. "Was siehst du?" Ich sagte nichts. Das Ende meiner Ausbildung war nun 2 Jahre her. Der Tod unserer Eltern auch. Eine Träne lief mir übers Gesicht, als ich mir bewusst machte, was heute für ein Tag war. Salim nahm mich in seine starken Arme und drückte mich an sich. "Ich vermisse sie genauso wie du. Aber wir müssen begreifen, dass sie nie wieder kommen werden. Du bist stark. Ich weiß, dass du es schaffen wirst." "Und was ist mit dir?", fragte ich ihn und schaute auf.
"Ich werde sie immer als Helden in meiner Erinnerung behalten. Ich trauere genauso wie du. Doch auch ich werde darüber hinweg kommen." Ich stand auf. "Wo willst du hin?", fragte mein Bruder. "Ein bisschen spazieren", meinte ich und rannte in den Wald hinein...
2. Kapitel
"Komm schon!", rief ich Midas zu. Er war weit hinter mir und Salim. Er rannte mit dem Reh um die Wette. Ich und Salim ritten auf Pferden vorne weg. Das Reh hatte sich erholt. Vor einer Woche hatte es das Laufen wieder angefangen. Ich hatte es Lucy genannt. Nun war es fast schneller als Midas. Das konnte er sich natürlich nicht gefallen lassen. Man sah, dass er außer Puste war. Doch wir mussten weiter. Er wusste das. Wir mussten uns beeilen. Gestern Abend hatte ich einen Brief von Elain erhalten, in dem stand, dass ich so schnell wie möglich nach Iona kommen solle.
Eigentlich wollte ich nie wieder in diese Stadt zurück. Elain wusste das und sie hätte mich nie einfach so zurück gerufen. Irgendetwas war passiert.
Doch was war, wenn ich Jack begegnen würde?
Ich blickte zu Salim. Er sah müde aus. Mittlerweile waren wir schon über 23 Stunden unterwegs und Salims Körper verlangte gerade zu nach Schlaf. Er war ein Krieger. Er war nie darin ausgebildet worden, in der Wildnis zu überleben. Ich hatte kalte Winter aushalten und hungern müssen.
Und das war nur ein kleiner Teil meiner Ausbildung gewesen...
Ich zügelte mein Pferd. Auch die anderen hielten an. Dann stieg ich ab und ging zu Salim. Aus seiner Satteltasche holte ich mir ein langes Seil. Damit band ich seine Hände um den Hals seines Pferdes und seine Füße an die Steigbügel.
"Schlaf ein bisschen", flüsterte ich ihm zu. Er sah mich dankend an als ich seine Zügel nahm. Er wollte ungern schlafen während wir ritten. Er meinte, er müsse auf mich aufpassen. Seit dem ich weggelaufen war, und er 1 Jahr nicht gewusst hatte wo ich war, ließ er mich nicht mehr aus den Augen.
Ich stieg wieder auf und trieb mein Pferd an. Wir hatten noch eine weiten Weg vor uns. Doch wir mussten weiter.
Alle wussten das...
"Layla! Layla ist da!", hörte ich jemand rufen. Ich nahm kaum war, wie warme Hände mich vom Pferd zogen und wegtrugen. Die Hände drückten mich an sich. Kurze Zeit lag ich in den mir vertrauten Armen, dann wurde ich auf ein hartes Bett gelegt. Er legte seine Hände um meine. Ich verkrampfte mich in ihnen. Doch sie wurden nicht zurück gezogen.
"Alles ist gut, Layla"; flüsterte seine Stimme. Seine Stimme. Seine. Seine...
Jack strich mit seiner Hand über meine Wange. Dabei fielen einige meiner Haare zurück. Ich versuchte mich seiner Berührung zu entziehen, doch er hatte sie schon gesehen. Die hässliche, große Narbe, die über meine Backe bis in den Nacken und über meine Schulter verlief.
"Was haben sie nur aus dir gemacht?", sagte er leise. Er klang traurig. Ich öffnete langsam die Augen und drehte meinen Kopf in seine Richtung. Ich lächelte schwach.
"Ich hätte dich niemals gehen lassen dürfen", meinte er selbstkritisch. "Ich wollte aber. Du konntest nichts tun", entgegnete ich. "Doch. Du bist wegen mir gegangen. Ich wünschte, ich könnte alles, was ich damals sagte, zurück nehmen."
Ich streckte meine Hand aus und berührte seine Wange. Er legte seine Hand auf meine und schloss die Augen. Wir rührten uns nicht. Irgendwann zog ich meine jedoch zurück.
"Du musst kein Mitleid mit mir haben", meinte ich. Er verkrampfte sich. "Ich glaube es ist besser, du gehst jetzt."
Jack stand langsam auf. "Ich habe kein Mitleid mit dir. Ich liebe dich...", flüsterte er. "Ja", entgegnete ich,"wie eine kleine Schwester."
Er küsste mich kurz auf die Stirn, dann verließ er den Raum. Ich ließ mich in die Kissen fallen. Tränen liefen mir übers Gesicht. Ich hasste das...
Dieses mitleidige Gesicht. Wieso konnte er nicht sagen, das er mich nicht liebte. Diese Freunde Nummer war das schlimmste, was mir passieren konnte. Jede seiner Berührungen schmerzten auf meiner Haut. Noch jetzt brannte mein ganzes Gesicht. Midas sprang auf das Bett. Er leckte meine brennenden Stellen ab und rollte sich auf meinem Bauch zusammen. Ich kraulte ihn.
"Wo sind Lucy und Salim?", fragte ich ihn.'In einem anderen Haus', hörte ich seine Stimme in meinem Kopf. Ich lächelte in mich hinein. Es fröstelte mich immer noch ein bisschen, doch Midas warmes machte es ein wenig erträglicher.. Midas schloss die Augen. Auch ich versuchte einzuschlafen...
In dieser Nacht träumte ich wie immer von Jack. Jede vermalledeite Nacht hatte ich diese Szene vor mir. Wie er mich anschrie und weg stieß. Mein weinendes Gesicht. Und wie jede Nacht wachte ich mit einem lauten Schrei auf. Midas rieb seine Schnauze an mein Gesicht und versuchte mich zu beruhigen. Ich blickte mich um. Salim saß neben meinem Bett und strich mir übers Haar.
Plötzlich stürzte Jack ins Zimmer.
"Ist alles in Ordnung?", fragte er. Midas knurrte. Mein Bruder stand auf. "Nein, aber das braucht dich nicht mehr zu interessieren! Verschwinde!", sagte er und versuchte seinen Zorn zu zügeln. Jack erschrak. Er ging nach draußen. "Das wäre nicht nötig gewesen", sagte ich mit aller Stärke die ich aufbringen konnte. Ich wirkte so schwach. "Dieser Kerl hat dir das Herz gebrochen! Er ist schuld an deinem Zustand!", entgegnete Salim zornig. "An welchem Zustand?", fuhr ich ihn an.
"Ich...das war nicht so gemeint. Es...es."
"Verschwinde Salim! Ich bin keine alte Oma, die gepflegt werden muss!" Ich funkelte ihn an. Nur wenn ich wütend war spürte man meine frühere Stärke. Salim sah mich entschuldigend an, dann verschwand auch er. "Bin ich dazu verdammt, alle Männer zu vertreiben?", fragte ich Midas und seufzte. Doch der Fuchs blieb stumm.
Langsam stand ich auf und ging zu einem kleinen Wandspiegel um mich zu betrachten. Meine Haare waren wüst durcheinander und in ihnen hingen Blätter. Ich trug mein Ledernes, braun-grünes Kleid. Es ging mir nur bis zu den Knien. Ich hatte keine Schuhe an. Mein Gesicht hob ich mir bis zum Schluss auf. Es sah abgekämpft und sehr müde aus. Früher muss es mal hübsch gewesen sein, doch die Narbe zeichnete es. Ich ging zu einer kleinen Wasserschüssel und wusch mich. Dann ging ich hinaus. Es war noch früh. Ich sah Salim, der an einem Baum gelehnt döste. Ich atmete die frische Luft ein. Die Vergangenheit hing zwischen diesen Straßen. Überall sah ich mich und Jack. Ich ging die kleinen Gasse entlang. Die Holzhütten hatten sich nicht verändert. Mir war nicht bewusst gewesen wo ich hinlief, bis ich das Haus sah. Es war das größte von allen. Es war Elains. Hier hatte ich alles verloren. Das Kind...
Das Kind von mir und Jack. Das einzige, an das ich mich klammern konnte. Es war eine schreckliche Totgeburt gewesen. Ich erinnerte mich noch gut an diese Nacht. Jack und Salim hatten vor der Hütte gewartet.
Alles verlief wie bei einer normalen Geburt. Ich hatte das Kind nicht gesehen. Nur Elain, die mir sagte, dass es Tod ist. Als ich nach Stunden hinaus kam und weglief kam mir niemand hinterher. Wäre jemand gekommen und hätte mich in den Arm genommen, wäre die ganze Geschichte vielleicht anders verlaufen. Aber es kam niemand. Also bin ich in mein Zimmer gerannt und habe meine Sachen gepackt. Danach bin ich abgehauen...
"Layla! Schön dich wieder zu sehen!", rief Elain. Sie umarmte mich. "Es ist lange her!", meinte sie. "Ja", stimmte ich ihr zu. "Komm rein! Ich habe Tee gemacht", zu meiner Narbe sagte sie nichts. Ich war sicher, dass sie sie gesehen hatte. Ich ging hinter ihr ins Haus und setze mich auf meinen gewohnten Platz, neben dem Kamin.
"Layla. Was bin ich froh, dass du meine Nachricht erhalten hast. Es ist sehr wichtig. Es...es ist. Wie soll ich es nur sagen?" Elain atmete tief durch." Ich glaube, du bist jetzt reif genug die Wahrheit über dich und deine Familie zu erfahren. Es beginnt bei deiner Geburt. Du kennst die Geschichte über den dunklen Lord? Natürlich kennst du sie. Jeder bekommt sie irgendwann zu hören. Er wurde von einem Mann namens Salim damals umgebracht...so heißt es zumindest. Deine Eltern nannten deinen Bruder Salim. Sie kannten die alten Geschichten nicht. Natürlich wusste ich auch nicht sofort, dass er der Auserwählte ist...“
Nachdenklich schaute sie sich um. Anscheinend überlegte sie, wie sie es am besten erklären sollte.
„Kannst du dich noch an den kleinen Test erinnern, den du mit ca. fünf Jahren gemacht hast?“
Ich nickte kurz. Damals musten wir uns aus 300 Dingen die uns am liebsten heraussuchen. Ich habe mir einen Bogen, ein Bild mit einer weinenden Frau und eine Halskette genommen...
„Es war ein Test. Er wird nur zu bestimmten Zeitpunkten und nicht an jeden Generationen durchgeführt. Dein Bruder nahm sich ein Schwert, das Bild eines Hundes und einen Stein. Das Schwert steht für die Waffe, mit der er den Lord besiegen wird. Der Hund steht für seine Treue dem Schicksal gegenüber und der Stein war ein kleiner Grabstein und steht für den Tod des Lords. In einer sehr alten Inschrift werden uns diese drei Gegenstände offenbart...
Möchtest du, dass ich weiter erzähle oder willst du morgen wieder kommen?“
„Morgen ist gut“, sagte ich und versuchte die Fassung zu bewahren. Sie schaute mir in die Augen. Mindestens 20 Sekunden, dann nickte sie. Ich rannte fasst nach draußen. Vor dem Haus sah ich Gesichter, die mir bekannt vorkamen aber ich wollte nicht reden. Keine alten bekannten wiedertreffen. Ich rannte durch die Menge und die Straßen und raus aus der Stadt. Meine Füße trugen mich in den Wald und hielten erst an, als ich keinen einzigen weiteren Schritt mehr hätte gehen können. Zittrig kniete ich auf dem Boden und starrte den Himmel an.
„Warum!!“, schrie ich, „was hat er getan, dass ihr ihm das antut?“ Zorn stieg in mir auf. „Wofür schickt ihr ihn auf die Welt, wenn er zum sterben verdammt ist.“ Elain hatte es nicht ausgesprochen doch es lag auf der Hand. Der Bezwinger des Lords starb. In jeder Geschichte.
Ich spürte, dass Elain mir nicht alles erzählt hatte.'Es beginnt mit deiner Geburt'. Was hatte meine Geburt damit zu tun? Sie verschwieg mir etwas. Doch ich hatte nicht nachgefragt. Warum? Aus Angst vor noch schlimmeren Nachrichten? Ich legte mich ins Gras und schloss die Augen. Im Schlaf würde ich zur Ruhe kommen. Das hoffte ich zumindest...
Salim erzählt...
Spät Abends, als die Sonne schon lange hinterm Horizont verschwunden war, fing ich an mir Sorgen zu machen. Wo könnte Layla bloß sein?
War sie wirklich so sauer auf mich, weil ich heute morgen ein wenig Mist gemacht habe?
Unentschlossen, ob ich sie suchen oder doch lieber allein lassen sollte setzte ich mich auf ihr Bett.
Midas, der darauf gedöst hatte schreckte hoch.
Ein Jahr war sie allein zurecht gekommen. Sie würde sich doch nichts getan haben, oder?
Ich hielt es nicht mehr aus, nicht zu wissen wo sie war.
Also stand ich auf und ging aus dem Haus. Auf dem Weg durchs Dorf begegnete ich Jack. Er stand am Rande des Waldes und schien auf etwas zu warten. Ich lief auf ihn zu.
„Was ist?“, fragte ich ihn.
„Nichts, es ist hier nur viel ruhiger und angenehmer als im stickigen Dorf. Warum?“
„Layla...sie ist weg. Ich kann sie nicht finden.“
Jack starrte mich an. „Wie lange?“, fragte er.
„Ich...ich weiß nicht genau. Ich glaube ich habe sie seit heute morgen nicht mehr gesehen.“
„Und du hast erst jetzt das suchen angefangen?“
„Naja...wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.“
Jack verdrehte die Augen und lief dann in den Wald.
„Wo willst du hin?“, rief ich ihm nach.
„Sie suchen. Ich glaube ich weiß wo sie ist!“
Ich versuchte ihm hinterher zu rennen, aber er war schon weg. Also lief ich allein in den Wald...
Langsam öffnete ich die Augen... Ich blinzelte ein paar mal. Es war dunkel. Bestimmt schon sehr spät. Unbeholfen richtete ich mich auf. Ich hatte das Gefühl, im Schlaf um mindestens zehn Jahre gealtert zu sein. Wo ich war wusste ich nicht mehr also entschied ich mich einfach in eine Richtung zu laufen. Ich kämpfte mich durch dickes Geäst und holte mir dabei einige Kratzer. Irgendwann kam ich zu einer kleinen Lichtung. Besser gesagt einem Wasserfall.
Unserem kleinen Wasserfall. Zwischen Dickicht und Gestrüpp hörte man nur das leise Plätschern des Wassers. Ich setzte mich an den Rand des Wasserfalls . Alles roch nach nassem Laub und Gräsern. Trauerweiden standen überall und ließen kein bisschen Licht des Mondes durch. Das einzige, was ihn erhellte waren kleine Glühwürmchen. Sie tanzten über das Wasser als ob es kein morgen gäbe. Es war wunderschön. Die Luft war nicht ganz klar, ein leichter Dunst lag über der kleinen Oase wie wenn man diesen Ort im Schatten der Welt lassen wollte. Der Dunst fühlte sich warm auf meiner Haut an.Unter mir war weißer Schaum zu sehen. Das Wasser stürzte in die Tiefe. Es zog mich an. Was wäre, wenn ich einfach springen würde? Ich könnte mein ganzes Leid sofort beenden. Ich müsste Jack nie wieder in seine blauen Augen blicken. Blau...wie das Wasser. Ich würde mit dem Wasser in den Tod fallen...
Ich entschied mich gegen den Tod und für das Leben. Ich ließ meine Füße baumeln und döste. Das sich jemand neben mich setzte nahm ich zuerst gar nicht war. Es war Jack. Er legte seinen Arm um meine Hüfte. Ich zuckte zusammen. "Ich wollte dich damals nicht verletzen. Du weißt, dass ich dich liebe." Ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. "Das macht das ganze doch noch schlimmer. Du liebst mich nicht genug", sagte ich. "Nein, du verstehst nicht. Ich war damals ein Idiot. Ich lieb dich. Genauso stark wie damals. Stärker." Ich blickte zu ihm auf. Das konnte er nicht ernst meinen. Das Wort Hoffnung hatte ich aus meinem Wortschatz verbannt. Er konnte mich nicht mehr lieben. "Es ist zu spät", entgegnete ich,"es ist einfach schon zu viel passiert." Die Wahrheit war, dass ich es nicht ertragen würde, noch einmal von ihm fallen gelassen zu werden. Es würde mich zerstören. In wieweit das überhaupt noch möglich war...
"Das sagt du vielleicht jetzt. Aber ich werde um dich kämpfen! Ich habe damals alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann. Ich habe dein sanftes Wesen nicht gesehen. Ich habe es zertrampelt. Es tut mir so leid", Jack drehte meinen Kopf und nahm ihn zwischen seine Hände. "Sie mich an", sagte er,"sie mich an!" Ich blickte in seine tiefen, blauen Augen und eine Träne kullerte mir über die Wange. Dann küsste er mich...
3. Kapitel
Es war ein tiefer, inniger Kuss. Ich hatte das Gefühl, unsere Lippen verschmolzen miteinander. Was hatte ich mir das so sehnlichst gewünscht. Noch einmal seine Lippen auf meinen zu spühren. Mein Herz setzte für einen kurzen Moment aus. Langsam löste er sich von mir. Ich blinzelte meine Tränen weg. Sollte ich lachen oder weinen? Ihn schlagen oder in noch einmal küssen? Ich entschied mich für die goldene Mitte. Also stand ich auf. "Was ist?", fragte Jack. "Ich habe nicht vor, mich wegen eines Kusses, der wie ich zugeben muss nicht schlecht war, wieder auf dich ein zu lassen. Es ist dein gutes Recht, dich von mir zu trennen, aber danach wieder zu kommen...was mein Bruder wohl dazu sagen wird?" Mit diesen Worten ließ ich den komischer Weiße immer noch lächelnden Jack am Wasserfall sitzen. Ich war vollkommen aufgewühlt. Es war egal. Es bedeutete nichts. Er liebte mich nicht. Verbanne dieses Gefühl 'Hoffnung' aus dir. Er wird dich wieder fallen lassen. Dieser Monolog lief während ich zurück nach Iona lief andauernd in mir ab. In meinem Zimmer angelangt wartete mein Bruder schon auf mich. Er sah mich und wurde ein bisschen kleiner. "Es tut mir leid", nuschelte er. Ich sah in seine Augen. Irgendetwas in mir sagte, dass ich es mir nicht leisten konnte, mich mit meinem Bruder zu zerstreiten. Also umarmte ich ihn. "Schon verziehen", sagte ich und lächelte. "Was hast du denn, dass du so gut drauf bist?", fragte er. "Ach nichts", entgegnete ich. 'HOFFNUNG', schrie es in meinem Kopf. Ich drehte mich um. Midas stand hinter mir. "Warst du das gerade in meinem Kopf?" Midas ließ die Ohren hängen und schaute mich mit diesem schrecklichen Blick an, dem man nicht wieder stehen konnte. Ich musste laut loslachen. Ich wusste nicht, wann ich das letzte mal gelacht hatte, doch in meinem Kopf schrie immer wieder das selbe Wort vor sich hin. HOFFNUNG!..
Texte: Coverfoto mit freundlicher Genehmigung von cassyk
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch meiner Familie, die immer für mich da ist, auch wenn ich manchmal ein richtiges Bist sein kann.