Cover


Vorwort



Ich wurde zu dieser Geschichte von einem wunderschönen Lied inspieriert, und möchte allen danken, die mich bei der Geschichte unterstützt haben :)

Das Cover habe ich von dieser Seite: http://th05.deviantart.net/fs12/300W/i/2006/262/3/1/The_Fiddler_on_the_Green_by_kairelld.jpg

Alle Rechte, bis auf dass Cover ;), liegen bei mir!


The Fiddler


Der zarte Klang einer lieblichen Melodie tantzte sanft in ihre Ohren und lockte sie zu der Quelle dieser magischen Töne. Der ruhige, weise Wind dieser unendlichen Weiten des Meeres, spielte der Melodie zu, verführte sie, der Sand leitete ihre Schritte, ihre Gedanken und Instinkte ließen sich weg wehen und verhauchten bei dem Klang, dem unmenschlich schönen Klang.
Und da, am Horizont, wo der nachtschwarze Himmel und das dunkle Meer ineinander lieblich verschmolzen, funkelte und strahlte, so schön wie nur möglich, so voller Amut und Grazie, der junge Geiger und entlockte seiner silbernen Geige solch Klänge, dass die Sterne tantzten.
Sie streckte ihre Hände weit aus, wollte mehr, wollte sehen, wollte spüren. Die Wellen spülten ihre Füße an, zogen sie immer weiter ins Meer, bis sie von dem Spiel des jungen Gottes so berauscht war, dass sie sich im Meere alle Kleider vom Leibe riss, knurrte, fauchte und kreischte vor Verlangen. Doch der junge Spieler behielt das ruhige Lächeln im Gesicht, spielte weiter seine Töne und würdigte die gepeinigte Jungfer nicht eines Blickes.
Die Nacht war schwarz, kein einziger Strahl eleuchtete diesmal die dunkle Welt und der Geiger dachte, während das Mädchen einpaar letzte faucher gurgelte und schließlich in dem Ozean versank, der ihr doch so viel Glück versprochen hatte, dass er Heute doch besonders einsam sei. Nicht mal der Mond besuchte sein heutiges Schauspiel, lauschte nicht einmal seinen perfekten Klängen, die er doch so für ihn geübt.
Der junge Mann blickte in den Himmel und stieß einen stummen Schrei der Verzweiflung aus. Wann wird mein Mond kommen, rief er. Wann wird er die einsamen tiefen meiner dunklen Seele erhellen und mich von den Ketten meiner tödlichen Geige befreien....


1. Abbey Pumpkin- ein Traum, ein Traum, man glaubt es kaum!


Ich heftig riss sie ihre Augen auf. Ihr Brustkorb hob und senkte sich einen Takt zu schnell, und kalter Schweiß verursachte bei ihr ein unangenehmes Gefühl von Ungeborgenheit in ihrem Bett.
Leicht verzogen sich ihre Mundwinkel und sie hob ihren Oberkörper an. Dieser Alptraum machte ihr zu schaffen. Sie wusste nicht, was genau sie geträumt hatte, aber zerrissene Bildfetzen flog in ihrem Kopf und hinterließen ein schauriges Gefühl in ihrem Magen. Sie zog Reflexartig Arme und Beine an, drückte sie für einen kurzen Moment an sich, und entspannte sie wieder.
An was schönes denken... Blumen. Blumen waren schön. Sofort kamen ihr Rosen in den Sinn. Magentablumen, Löwenzahn, Orchideen... Sie seuftzte leicht und dachte an den alten Garten ihrer Oma.
Sie schloss für einen Moment die Augen, um zu merken, dass sie hellwach war. Ihr Kopf drehte sich leicht nach links, sie erblickte ihre kleine Digitaluhr, doch sie konnte aufgrund der Dunkelheit nichts erkennen. Sie wartete unendliche Augenblicke lang, bevor sie schließlich träge ihre Hand hob und auf den Lichtknopf drückte. Neongrün glühte die Uhr auf. 6.58 Uhr Morgens.
Sie lächelte und lobte ihren inneren Wecker, dass er sie doch immer so pünktlich für die Schule weckte, obwohl doch Sommerferien waren. Sie stellte die kleine Uhr aus und schwang übermütig ihre langen Beine aus ihrem kleinen Holzbettchen. Ihre Fußsolen trafen auf glatten Holzboden und trugen sie ins Bad.
Sie blickte aus dem Fenster, auf den dämmernden Himmel und suchte aus irgendeinem Grund überbliebene Spuren des Mondes. Da war er. Ein Gefühl von Zufriedenheit breitete sich in ihr aus und plötzlich dachte sie an das Meer.

" Mamaaaaa, aufwacheeeeen!", rief sie energiegeladen und rüttelte ihre Mutter munter an der Schulter. Ihre Mutter verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse und drehte sich mürrisch zur Seite, weg von ihrer Tochter.
Enttäuscht betrachtete Alberta den zusammen gerollten Klumpen, der regungslos auf dem Bett ihrer Mutter schlief. Naja, sie hatte es versucht. Nicht dass es je möglich gewesen wäre, ihrer Mutte vor 9 Uhr aufzuwecken. Mit einem Seufzer schlürfte sie in die Küche um sich ihre, für eine Abbey Pumpkin typische, Tasse Kaffee zu machen. Sie goss Wasser in den Wasserkocher und lauschte dem immer lauter werdenden Brubbeln des kochenden Wassers. Ihr Alptraum war schon vergessen, sie war Alpträume gewöhnt. Sie mochte Blumen.
Sie hatte gestern welche aus dem Garten ihrer Oma gepflückt, bevor sie mit ihrer Mutter wieder nach Hause gefahren war. Oma's Garten war an einer kleinen Küstenstadt in England, nicht weit weg von dem Ort, wo sie zurzeit mit ihrer Mutter und ihren zehntausend Geschwistern wohnte. Aber eigentlich waren es nur vier Schwestern und ihr gottverfluchter Name Alberta, die ihr das Leben schwer machten.
Abbey schluckte ihren Kaffe schnell runter, nicht ohne ein Stück überzuckerten Apfelkuchen zu sich zu nehemen, und rannte in ihr Zimmer, um ihre Sachen zu Packen. Als sie ihr " kleines Kämmerchen", wie sie es zu nennen pflegte, betrat, erblickte sie eine beruhigende Ordnung.
Ihr Zimmer bestand praktisch nur aus Holz, der kleine alte Holzschrank, den sie von ihrem Opa geerbt hatte, der kleine Nachttisch aus unbehandelter Buche, und schließlich ihr Bett, dass vor ihrem bodenlangen Fenster stand. Da sie im Obersten Geschoss wohnten, war die Decke schief, was sie nicht stören würde, wenn sie nicht so groß wäre.
Abbey hüpfte zu ihrem Schrank, wo alle Kleider schön ordentlich sortiert und frisch duftend auf einem Stapel lagen, und nam sich soviele Sachen raus, wie man halt braucht, wenn man für fünf Wochen zur Oma fährt. In ihrem Bauch machte sich Vorfreude breit, und sie malte sich aus, wie schön es am windigen Strand von Hastings und im üppig bewachsenen Garten sein würde. Sie malte sich aus, wie sie über den dunklen Holzboden gehen würde, wie sie Morgens, vollkommen ausgeschlafen, in Ruhe mit ihrer Oma und ihrem Opa ein langes Frühstück genießen würde, dass mit Liebe für sie zubereitet worden war.
Abbey presste ihre Kleider ganz fest an ihre Brust und lehnte sich mit dem Rücken an ihre Bettkannte. Ganz still war es noch in ihrer Wohnung. Kristel war auf ihrem Austausch mit Frankreich und Rachel, ihre Zwillingsschwester in der Sommerschule. Rachel war noch nie besonders gut in der Schule gewesen, nicht so wie ihre Einser-Zwillingsschwester. Mandy jagte gerade im Haus Freundin wahrscheinlich den armen alten Familienkater, Maleficent. Abbey mochte ihre kleine Schwester Mandy eigentlich ganz gerne, sie war stiller und netter als die Zwillinge.
Alberta Pumpkin hatte das Glück, als Älteste der Familie geboren zu werden, so dass sie ihren Vater noch etwas gekannt hatte. Samantha, und Abbey fand diesen Namen fast so schlimm wie ihren, die nur 2 Jahre jünger war als Abbey, schlief seelenruhig in ihrem Zimmer. Diese Morgenmuffeligkeit hatte sie von ihrer Mutter geerbt. Abbey seuftzte laut auf und rappelte sich vom Boden auf, um die Sachen in ihre große Reisetasche zu packen.
Eins muss man aber sagen, selbst an einem frühen Sonntagmorgen ist London rappelfoll, und Abbey wusste dass, als sie mit der Tasche aus ihrer Wohnung rausging, raus auf die Trafalger Road, in Greenwich. Sie hatte sich ihre dunkelbraunen Haare zu einem dicken Pferdeschwanz zusammen gebunden und trug einfache, dunkelblaue Jeans mit einem einfachen grauen T-Shirt und einem einfachen braunen Sweater darüber.
So schleppte sich die ziemlich einfach gekleidete Abbey die Road entlang, bis zu dem Bahnhof, wo sie sich ein Ticket nach Hastings kaufte. Sie setzte sich in den Zug und starrte aus dem Fenster. Betrachtete die saftig grünen Bäume, dass im Winde tanzende Gras und die alten Häuser, die schon so vieles erlebt hatten.
Ihre Oma empfing sie am Bahnhof mit einem herzlichen Lächeln.
" Abbey, wie schön dich zu sehen! Wie geht es dir denn, mein Häschen? Und wo ist deine Schwester? Wollte Sam nicht mitkommen?"
Abbey erzählte ihr, dass ihre Schwester verschlafen hatte und deshalb später kommen würde. Beide stiegen in den kleinen, grünen Toyota ihrer Oma ein und fuhren los. Der Tag war wolkig, der Wind zog wild über Hastings und das Meer schäumte herrisch, sich in die Höhe aufbauschend und wieder zerfallend. Sie hielten vor einem schönen Haus, dass von der Architektur her dem viktorianischen Stil entsprach, innen drin jedoch mehr landhäuslich wirkte.
Abbey begrüßte ihren Opa mit einem dicken Kuß, aß zu Abend mit ihren Großeltern, genoss die köstliche Lasagne und rannte freudig in ihr Zimmer. Ihre Geschwister wussten es zwar nicht, aber Abbey hatt ein eigenes, großes Zimmer in diesem Haus. Sie hatte bei ihrer Geburt dort gewohnt und so war ihr das schöne Zimmer erhalten geblieben.
Der Raum war nicht zu vergleichen mit ihrem Zimmer in London. Der hier war groß und hatte an jeder Wand ein großes, bodenlanges Fenster, mit Ausblick auf das Meer, den Garten und die endlos langen Weiden, die den Horizont mit ihreren friedlichen Silhouetten schmückten.
Die Wände waren in einem satten Flieder gestrichen, und der Boden mit weißem, nach Altem duftenden Holz ausgebaut.
Glücklich plumpste sich Abbey auf das riesige Himmelbett und lag ganz lange so da. Sie genoss den Augenblick, diesen Moment der Volkommenheit, der doch so selten in ihrem Leben da war. Sie atmete tief ein und aus und ging zum Fenster mit dem Ausblick aufs Meer rüber. Langsam öffnete sie es, und ein kalter, nächtlicher Windstoß begrüßte sie. Und noch viele weitere folgten darauf, wehten in verschiedene Richtungen, verteilten die salzige Seeluft im ganzen Raum.
Abbey verspürte plötzlich den Drang, am Meer spazieren zu gehen. Doch es war spät, und sie wusste, ihre Oma würde sie nicht lassen.
Doch Abbey wollte es unbedingt! Sie musste ans Meer! Schnell rannte sie zu ihrer Tasche, öffnete den Reißverschluß und kramte ganz hastig nach der Jacke. Sie achtete nicht darauf, wie unordentlich sie ihre gepackten Kleider hinterlassen hatte, sondern zog sich die Wolljacke über und trat auf den kleinen Balkon hinaus, der zu den Weiden gerichtet war. Langsam und vorsichtig hob sie beide Beine über den Zaun und ließ sich vom Balkon runterbaumeln, lies los und landete anmutig und leise wie eine Katze auf dem Boden.
Sie lächelte stumm in sich hinein, als sie feststellte, dass sie diese Übung immer noch beherrschte, wie in alten Kindheitstagen. Selbstzufrieden lief sie den Hügel runter, die Straße endlang, bis sie schließlich zur Promenade ankam, die vollkommen Menschenleer war. Abbey verspürte keinen Hauch von Angst. Zum einen, weil sie schon 18 war und zum anderen, weil sie diese Gegend inn und auswendig kannte.
Sie spürte schon den Sand unter ihren Turnschuhen, die Steine, die ihr das Gehen schwer machten, doch sie war es gewöhnt.
Nun stand Abbey nur drei Meter entfernt von der Küste. Sie zog ihre Strickjacke schnell zusammen, als ein Kälteschauer durch sie jagte und sprang einpaar Schritte zurück, als eine riesige Welle auf sie zukam.
Es war stockfinster, der Mond schien Heute nicht. Die Luft war eiskalt, und das Meer wie ein riesiges schwarzes Loch. Nein! Die Flut, dachte Abbey, doch es war zu spät. Jetzt hatte Abbey Pumpkin Angst. Das Wasser stieg rasendschnell von ihren Turnschuhen bis zu ihren Knien etntlang, eiskalt und erbarmungslos. Das Meer wollte sie verschlingen und verzehren, ihre Überbleibsel auf allen Weltmeeren verstreuen.
Abbey konnte sich nicht bewegen, bei der kleinsten Regung würde die Flut sie mitreißen, davon spülen. Sie zitterte und kniff ihre Augen für einen kurzen Augenblick zusammen. Tränen flossen ihre Augen hinab, gemischt mit Angst und Verzweiflung, als sie plötzlich einen zarten Strich, einen Flug eines Geigenspiels hörte.
Sie entspannte sich aufeinmal, das rauschende Wasser verstummte und ihr Blick war nach vorne gerichtet. Auf dem Meer, am Horizont, erblickte Abbey eine Unebenheit, ein Wesen, dass nicht zum Meer gehörte, und doch völlig in die Szene reinpasste. Die Töne wurden deutlicher, zusammenhängernder, und verschmolzen schließlich zu einer lieblichen Melodie.
Abbey konnte die Gestalt nun besser erkennen. Sie wurde größer und deutlicher. Es war ein junger Mann, der auf einem Felsen saß, gelassen und anmutig, mit der Geige in der Hand, spielte. Sein Haar leuchtete silberblond, seine Gestalt war schlank und muskulös. Trotz der dunklen Finstrnis schien er zu strahlen, sich deutlch von der Nacht abzuzeichnen.
Eine Welle des Deja Vù's überkam Abbey aufeinmal, und sie fand sich ertrinkend, komplett im Meer, vor dem Felsen wieder.
Sie schnappte nach Luft und machte verzweifelte Schwimmversuche, doch sie kanm nicht weiter, die Flut war zu stark. Sie holte so viel Luft, wie eine Ertrinkende nur konnte und schrie: "HILFEEEE!"
Der Schrei raubte ihr ihre letzte Kraft und sie versank langsam in den kühlen Fluten des Meeres, als eine Hand sie am Oberarm ergriff, und sie mit Leichtigkeit auf die Wasseroberfläche zog. Das Erste, was Abbey erblickte, war das magische Wesen, das wunderschöne Gesicht des jungen Geigenspielers, das mit Überraschung gezeichnet war.
Er blickte eine Weile auf sie herab, hielt sie fest, lies ihren Körper aber noch im Wasser. Endlich fand Abbey ihre Sprache wieder.
" D-D-Dddank-keee", stotterte sie, vor Kälte zitternd. Die Schwarzblauen Augen weiteten sich noch mehr, und der Geiger beugte sich langsam zu Abbey herab, schaute sie ununterbrochen an. Abbey schloss die Augen. Aus irgendeinem Grund erinnerte sie diese Situation an eine Kussszene. Doch sie spürte nichts. Überrascht schlug sie ihre Augen auf, und fand sich am Strand, in sicherer Entfernung vom Meer, wieder. Sie war pitschnass, ihre Kleider trieften nur so von dem kalten Wasser, und an ihr klebte Sand.
Trotzdem, fühlte sich Abbey unglaublich lebendig, sie sprang auf die Füße und suchte das Meer nach ihrem geheimnisvollen Retter ab. Doch nirgendwo war er zu sehen. Nicht mal der Felsen. Sie schaute auf den Himmel und sah den Mond. Einen großen, hellen, silberleuchtenden Mond.


Aufgrund ihrer etwas nassen Situation, war Abbey gezwungen, die Haustür zu benutzen. Würde sie mit bloßen Händen raufklettern, so befürchtete sie, würde sie abrutschen und sich was brechen. Und da unsere Abbey auch so vorrausdenkend war, hatte sie natürlich nicht ihre Schlüssel mitgenommen.
Da muss ich wohl oder übel durch, dachte Abbey, und klingelte, ohne darüber nachzudenken. So als würde sie ein Pflaster abreißen. Kurz und schmerzlos.
Natürlich dauerte es eine ganze Weile, bis ihre Oma endlich aufwachte und die halberfrorene Abbey endlich ins Haus lies. Und auch wenn die gute, liebe Omi ihre Alberta, ihre kleine Abbey, noch so liebte, konnte sie nicht anders, als mit ihr zu schimpfen. Und dass noch weich ausgedrückt.
Abbey stand zitternd vor ihrer Großmutter, gespannt, ob diese explodieren, in Ohnmacht fallen würde, oder noch was.
" Alberta? Bist du das? Wo warst du, wie siehst du denn aus?"
" I-I-Iich waaa-ar-r-r-rrr a-am Mmmmm-mee-e-eer-r..."
" AM MEER?! SO BIST DU DENN VOLKOMMEN VERRÜCKT..."
Abbey zuckte zusammen, während Oma Mary Pumpkin sich die Seele aus dem Leib vor Sorge schrie. Ihre Stimme lockte weitere Zuschauer an, und so fand sich dass ganze Haus bald versammelt im Eingang vor, überrascht und noch etwas müde von der plötzlichen Aufweckung.
"...DU WIRST MIR DAS HAUS JA NICHT MEHR OHNE BEGLEITUNG VERLASSEN, UND DEIN ZIMMER ERST RECHT NICHT!"
Oma Mary keuchte noch etwas und fügte mit krächtzender Stimme hinzu:
" Trockne dich ab, ab morgen herrschen andere Regeln."
So stampfte sie hinauf in ihr Zimmer, Opa ihr nach. Wortlos. Abbey war so derart geschockt, dass sie durch ihr verstärktes Zittern die kleine Blumenwase an der Eingangstür beinahe umstieß. Sie hatte ihre liebe Omi noch nie so wütend, so herzlos erlebt.
Samantha, die die ganze Situation erst jetzt realisierte, näherte sich Abbey unsicher und sagte mit leiser Stimme: " Komm, Abbey, wir waschen dich und ziehen dich um..."
Abbey nickte und folgte Sam.
Als sie dann schließlich und letzendlich in ihrem Bett lag, fühlte sie sich unglaublich elend und erniedrigt. Sie hätte nie im Leben erwartet, dass ihre Großmutter zu sowas fähig wäre. Dass Bett, das Zimmer, das Haus, das Alles schien ihr nicht mehr warm und vertraut. Die alten Möbel starrten sie kalt und leblos an. Als würden sie sagen Na, zufrieden? Bist du jetzt glücklich? Ja. Ihre Möbel hatten volkommen recht. Warum musst sie auch ans Meer gehen? Was hatte sie davon? Höchstens eine Lungenentzündung und ein lebenslanges Trauma.
Am nächsten Morgen war es kalt. Nicht nur dass Wetter, sondern auch die Stimmung. Abbey schwang nicht so wie immer ihre Beine aus dem Bett, sonder kroch eher armselig herraus, wie aus einer Höhle. Sie hatte keine Ahnung was sie erwartete, und ob die Drohung ihrer Oma ernst gemeint war, dass wusste sie auch nicht recht. Sie kniete sich vor ihrem Koffer, die Sachen lagen so unordentlich da, wie sie sie zurückgelassen hatte.
Lustlos griff sie sich ein Kapuzenpulli und eine warme Trainingshose und ging dann auf Zehenspitzen runter in die Küche.
Ihre Oma saß bereits am Tisch. Ihr Gesicht war ernst, und Abbey spürte, dass es nichts gutes zu bedeuten hatte. Auf dem dunklen, runden Holztisch saßen noch Opa und Sam, die eher nervös, als sauer wirkte.
Auf dem Tisch stand kein Frühstück und auch kein Kaffee, sondern nur ein kaltes, abweisendes Glas Wasser.
Vor der Haustür standen Koffer. Oh nein.
Hastig ging Abbey zu einem leeren Platz und setzte sich. Niemand schaute sie an. Ihre Oma schob das Wasserglas etwas zurseite und sagte:
" Abbey, ich bin unglaublich enttäuscht. Nicht nur weil du dich aus unerklärlichen Gründen aus dem Haus geschlichen hast, und Nachts, komplett derckig und nass, heimgekehrt bist. Abgesehen davon, bist du schon erwachsen. Und einen Schlüssel mitnehmen konntest du auch nicht? Oder wolltest du daraus einen Spaß machen?"
" Nein, ich wo-"
" Jetzt rede ich! Auf jeden Fall, bist du ein schreckliches Vorbild für deine Schwester. Sie fährt heute nach Hause, deine Mutter habe ich benachrichtigt. Sie ist sehr wütend. Was wir mit dir machen, weiß ich nicht. Aber eins kann ich dir sagen, dass wird kein Urlaub für dich. Du gehst nicht alleine aus dem Haus, und du bleibst ab sechs Uhr Abends in deinem Zimmer. Deine Freundinnen dürfen dich selbstverständlich besuchen, du sie aber nicht. Du wirst ruhig sein und uns, mir und Opa, bei der Hausarbeit helfen. Ich finde, dass ist nur angemessen. Das wars. Du kannst dir regenfeste Sachen anziehen, es gibt Gartenarbeit."
Abbey saß mit gesenktem Kopf da. Die Stimmung war so bedrückt, dass Abbey, wenn sie allein gewesen wäre, definitiv einen Heulkrampf gehabt hätte, aber sie musste sich zusammen reißen.
Sam sagte mit brüchiger Stimme: " 'kay Omi, ich geh dann mal..."
" Natürlich Schatz, warte, Opa fährt dich."
Opa, Oma und Sam standen allesamt auf, nur Abbey blieb sitzen. Ich konnte Sams Worte förmlich spüren: Wegen dir sind meine Ferien verdorebn!
Ja, ich weiß Sam. Tut mir Leid. Abbey rannte so schnell wie nur möglich rauf in dass Zimmer, dass ihr doch so vertraut war.
Dass würden ja rosige fünf Wochen werden.


Drei Wochen später

" Ja, Oma, hab ich."
" Und auch die Wäsche zu Betty gebracht?"
" Jup!"
Alberta knallte ihre Zimmertür zu, und seuftzte auf. Erledigt! Alle heutigen Aufgaben waren erledigt und Abbey ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Es war Punkt sechs Uhr, dass hieß, sie durfte dass Zimmer nicht mehr verlassen. Und sie wagte nicht, sich noch mal rauszuschleichen, da Oma ihr die Hausschlüssel weggenommen hatte.
" Wo warst du denn, ich hab dich gerufen."
Abbey schreckte abrupt hoch und stieß mit dem Rücken hart gegen die Tür. Ein Junge saß auf ihrem Fensterbrett, eine Geige um die Schulter, in schwarzem Hemd und Hose. Die Haare des Jungen leuchteten, trotz der sonnenlosen Dämmerung, hell und strahlend. Dass war der mysteriöse Geiger, der ihr dass Leben gerettet hatte.
Langsam wurde Abbey ruhiger. Lange schwiegen sie, er wartete bestimmt auf eine Antwort, sie wusste nicht was sie sagen sollte.
" Ich hab lange gewartet.", sagte der Junge schließlich, mit einer klaren, melodischen, und sehr sehr... sie wusste nicht, wie sie seine Stimme bezeichnen sollte. Vielleicht böse?
Abbey schluckte. " Tut mir Leid. Ich- Ich konnte nicht kommen."
" Ich sehe es schon." Er schaute in den Himmel. " Lässt du mich rein?"
" Äh ja, natürlich.", sagte ich und sprang auf, um ihm das Fenster zu öffnen. Kaum hatte ich das Schloss entriegelt, sprang er schon leise rein und lies sich auf das Bett fallen. Geschockt blieb Abbey am Fenster stehen. Der Geiger schaute sich in ihrem Zimmer um. " Nett hast du's hier. Für meinen Geschmack allerdings etwas zu kalt."
Auf irgend eine Weise musste Abbey über diese Aussage lachen, bis sie merkte, wie viele Fragen sie an den geheimnissvollen Jungen hatte. Und wieso ließ sie ihn überhaupt rein? Dieser Typ hat um Mitternacht auf dem Meer gehockt und auf seiner Geige geklimpert. Aber wie er geklimpert hatte....
Abbey riss sich zusammen.
" Wieso warst du nachts auf dem Meer?"
Er schaute nicht mal auf und wartete eine Weile mit der Antwort.
" Ich lebe dort. Ich spiele Geige.", sagte er und deutete auf seine Geige, die ziemlich alt und abgenutz aussah. Was Abbey aber am meisten anwiederte, war die Tatsache, dass an ihr Algen und Blutflecken klebten.
" Achso... Danke, dass du mir das Leben gerettet hast! Wie heißt du eigentlich? Und wieso hast du auf mich gewartet, kennen wir uns irgendwo her? Und kannst du n-"
Abbey wurde von der Stimme ihrer Oma unterbrochen.
" Alberta, mit wem redest du?"
" Mit niemandem!"
" Aber ich höre doch..."
Oma Mary kam hoch. Nein! Sie durfte ihn nicht sehen! Abbey schaute panisch zu dem jungen Mann, der in keinster Weise reagierte, nicht auf ihre Fragen und nicht auf ihre Oma, die in jeder Sekunde immer näher und näher kam. " Versteck dich, oder geh!", zischte Abbey ihn an.
Er blieb liegen. Gott, ist der vielleicht gestorben?, dachte Abbey und lief im Zimmer hin und her, da ging die Tür auf und ihre Oma stand mit wachsamen Augen vor ihr. Sie schaute sich um und sagte dann: " Achso, ich dachte, hier wäre jemand. Tut mir Leid, Abbey-Schatz.", lachte Oma und ging.
Was? War ihre Großmutter so blind? Alberta schaute fragend zu dem Geiger, der immer noch da lag.
Sie ging ans Bett, tippte ihm ganz leicht auf die Schulter und sagte: " Hallo?"
" Weiß ich nicht."
" Was?"
" Wie ich heiße, wieso ich auf dich wartete... weiß ich nicht."
Ach... weiß er nicht? Abbey wirkte leicht konfus, wurde dann aber plötzlich sauer. " Raus aus meinem Zimmer! Ich kenn dich ja garnicht!"
Der Junge sprang auf und schlüpfte dabei durch das Fenster, blitzschnell. Abbey fragte sich, ob sie doch nicht etwas zu gemein war. Naja, was solls, dachte sie sich und setzte sich auf das Bett, als ihr Hintern auf etwas scharfes traf, und Abbey hochschreckte.
Eine Geige. Nein, seine Geige. Sie lag auf ihrem Bett, denn er musste sie wohl vergessen haben. Abbey fuhr mit den Fingerspitzen leicht über die eingeprägten, verschnörkelten Verzierungen der Geige und ihr stockte der Atem. Die Geige, dieses wundersame Instrument, strahlte solch eine Gewaltige Kraft aus, so anziehend, alt und unglaublich mächtig.
Sie hob sie hoch, und musste feststellen, dass das Ding mindestens eine Tonne wog. Sie schaute runter auf die hübsche, blassgelbe Tagesdecke, auf denen jetzt Dreck- und Algenspuren waren.
Na toll, Abbey verzog angeekelt den hübschen Mund und ließ die Geige aufs Bett fallen. Nachdenklich zupfte sie an ihrem hellrosa T-Shirt und ging im Zimmer hin und her.
Eine Stimme in ihr drin sagte ihr, dass sie dem Jungen seine 300 Kilo schwere Geige zurückgeben sollte, und eine andere ( sie hatte den Verdacht, dass es die Stimme ihrer Oma war) sagte ihr, sie solle es bleiben lassen.
Letzendlich packte Abbey das Ding in die ruinierte Tagesdecke ein, und steckte es in ihren Schrank. Als sie in ihrem Bett war, schaute sie ständig zum Schrank. Der hohe, weiße Schrank sah genau so aus, wie vorher, seine eingeprägten Gravuren wurden von den Schatten der Nacht noch deutlicher, und geheimnisvoller, doch Abbey konnte nicht anders, sie hatte dass Gefühl, dass da eine Zeitbombe lag und sie nur nicht wusste, wann sie explodieren würde.
Schließlich schlief sie ein.
Um drei Uhr Nachts erwachte Abbey schweißgebadet und panisch. Es ist so still, dachte sie. Viel zu still! Da fehlte etwas wichtiges, und sie wusste was.
Sie raste förmlich aus ihrem Bett, öffnete die Schranktüren und griff nach der Geige. Sie lag eingepackt auf dem Boden des Schrankes. Abbey machte sich nicht mal die Mühe, die Decke zurück zu legen, geschweige denn, sich was überzuziehen, und so sprang sie förmlich, barfuß, aus dem Fenster, die Geige in der linken Hand.
Durch Abbey schoss solch ein Adrenalin, wie sie ihn noch nie gespürt hatte. Sie rannte durch die leeren Straßen, ja sie flog beinahe die Promenade entlang, und nicht der scharfe Kies, oder der kalte Nachtwind machten ihr was aus. Zielgerichtet sauste sie runter zum Meer, und gerade mal zwei Meter vor dem Ufer, wurde sie ruhig. Als hätte jemand plötzlich den Aus- Schalter an ihr betätigt.
Sie stand trotzig, fast wie ein Kind, vor dem sich herrisch schäumenden Meer, starrte herrausfordernd auf die hohen Wellen.
Auf einmal fühlte Abbey sich unglaublich erschöpft, und ließ sich auf den Sand plumpsen. Sie betrachtete dass nächtliche Szenario wie ein hübsches Bild, und ein warmes Gefühl überfuhr sie, so, wie wenn man es gerade noch vor dem Gewitter nach Hause geschafft hat.
Wo ist er? Sie hatte keinen Zweifel daran, dass der junge Geiger hier war, nur konnte sie ihn gerade nicht sehen. Sie suchte den Horizont nach einer unebenheit ab, aber sie fand nichts. Sie war versucht, in laut zu rufen, aber ihr Intelligenzquotient reichte noch gerade dazu aus, um es nicht zu tun.
So saß sie da, sie wusste nicht wie lange, aber die Nacht war noch schwarz und jung.
Da hörte sie ein rascheln neben sich. Sie schaute sich um, und da saß er, genau so wie sie, als ob er etwas am Meer suchen würde.
" Und, hast du's schon gefunden?", fragte er
" Was hab ich schon gefunden?", fragte sie zurück.
" Na das, was du suchst."
Sie lächelte in sich hinein. " Ja, hab ich."
Abbey blickte runter zu der Geige, die sie immer noch in der Hand hatte, und fragte sich, wieso er nicht nach ihr verlangte.
" Hier, deine Geige. Du hast sie bei mir vergessen.", sagte Abbey und legte das Instrument vor den Jungen.
Zu ihrer Überraschung, würdigte er die Geige keines Blickes, sondern sagte:
" Du kannst sie behalten. Brauch sowieso 'ne Neue."
Mit diesen Worten sprang er auf und blickte runter zu Abbey: " Danke, trotzdem. Wir sehen uns morgen Nacht."
So hatte er sich mit ihr verabredet, so, als hätten sie es schon lange ausgemacht, als wäre es selbstverständlich. Die Geige hatte er dagelassen.
Wieso nicht, dachte sich Abbey. Wenn ich das Ding wasche, gibt es vielleicht ein nettes Instrument ab. Sie griff nach der Geige, und sie war federleicht. Verwundert starrte Abbey darauf, drehte sie rum, suchte nach etwas, was womöglich abgefallen sein könnte, aber alles war dran.


Am nächsten Morgen wachte Abbey sehr spät auf. Sie war erst um fünf Uhr heimgekehrt, vollig müde und erschöpft und hatte sich mit letzter Kraft auf ihren Balkon geschwungen.
Gähnend stieß sie die Badezimmertür auf und wusch sich gründlich. Beim Frühstück waren ihre Großeltern guter Laune.
" Morgen, Kleines. Na, gut geschlafen?", fragte ihr Opa, während er sich O-Saft in sein Glas schüttete.
" Ja, danke Opi. Und ihr?", fragte Abbey und setzte sich an den Tisch.
" Auch gut. Wir haben uns überlegt, dass du Heute mal raus darfst, weil du so gut geholfen hast!", verkündete Oma Mary.
Abbey, die vorher die aufgetischten Leckerbissen begutachtet hatte, blickte überrascht auf. " Ach echt? Danke, Oma! Soll ich dir die Butter reichen?"
Abbey freute sich unglaublich. Alledings hatte sie auch ein schlechtes Gewissen, wegen der letzten Nacht, aber sie wusste auch irgendwie, dass das das Richtige war. Sie frühstückte zuende und dann räumte sie ab, wusch das Geschirr und ging mit ihrem Opa in den kleinen Lebensmittelladen, um Obst und Gemüse zu kaufen.
Mittags hatte Abbey endlich ein bisschen Freizeit, und sie rannte sofort die weißen Dielenboden hoch, direkt in ihr Zimmer. Sie kniete sich hin und steckte den Kopf unter dass Bett. Ihre Augen suchten nach der Tagesdecke mit der Geige, und schließlich zog sie einen zerknüllten Haufen raus.
Sie ging damit ins Bad, und begann, die Geige im Waschbecken zu schrubben. Das Blut und der Dreck flossen mit dem Wasser ab, genauso wie der Sand und die Algen. Sie trocknete alles ab, polierte noch etwas und es kam eine wunderschöne, weiße Geige zum vorschein.
Sie starrte gebannt auf das atemberaubende Instrument, sie konnte die lieblichen Melodien förmlich sehen. Zufrieden legte sie die saubere Geige zurück unters Bett, und räumte im Bad noch mal kurz auf. Denn sie hatte den Verdacht, dass ihre Oma nicht zufrieden sein würde, wenn sie plötzlich beim Händewaschen Algen und Blutreste entdecken würde.
Danach folgten Hausarbeit und weiter Kleinigkeiten, und ganz schnell war es auch schon Abend. Sie überlegte sich, zu Joan zu gehen. Joan war eine alte Freundin aus Kindheitstagen. Nach ihrem Schulabschluss war sie nach Amerika gezogen, doch jetzt war sie wieder in Hastings, um ihre Mutter zu besuchen.
Abbey sagte ihrer Oma bescheid, verabschiedete sich und ging dann aus dem Haus. Draußen war das Wetter ausnamsweise mal schön. Der Wind war ruhiger als sonst und der Himmel war fast gänzlich klar. Es drangen sogar einpaar Vereinzelnte Sonnenstrahlen durch.
Auf dem Weg zu Joan, ging Abbey an einem Musikwarengeschäft vorbei. Es verkaufte selbstgeschnitzte Musikartikel, unter anderem auch Geigen. Aufmerksam wurde Abbey auf eine Geige aus dunklem Holz. Wunderschön, edel und kühl. Genauso wie der Junge vom Meer.
Der Junge vom Meer... Abbey gefiel dieser Name, und diese Geige auch.
Sie erinnerte sich daran, dass er eine neue Geige brauchte. Sie stand da, und plötzlich hatte sie eine Idee! Sie hoffte nur, sie hatte genug Geld....


Und wieder war es Nacht, und wieder ging Abbey zum Strand, so wie es der Junge vorraus gesagt hatte. Nein, eigentlich war dass eher eine Verabredung.
Ihr Atem ging schnell, und ihr Herz klopfte vor Aufregung. Und wieder hielt sie eine Geige in der Hand. Nur war diese Geige, sauber und neu. Wahrscheinlich hatte sie ein ganzes Vermögen dafür hergeben müssen, wenn der Verkäufer nicht der Vater ihres ehemaligen Schwarms gewesen wäre. So hatte sie das Teil zu einem fast lächerlich niedrigen Preis bekommen.
Als Abbey am Meer ankam, sah sie den Geiger sofort. Er lag, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, am Ufer, direkt vor den großen Wellen, und starrte in den Himmel.
Und wieder hatte sie das Gefühl dass sie heute Nacht die einzigen Menschen auf der Welt waren. Lautlos ging sie zu ihm hinab und beugte sich leicht zu dem Jungen runter. Ihre Haare umschlossen ihre Köpfe wie ein dichter, dunkler Mantel, und sie flüsterte: " Hallo, junger Mann. Brauchen Sie vielleicht eine Geige?"
Sie hatte diese Worte mit einer ihr völlig unbekannten Stimme geflüstert, diese Stimme war stark und sanft, wie flüßiger Honig.
Der Geiger blickte mit einem Hauch von Überraschung zu ihr auf, so wie damals, als sie beinahe im Meer ertrunken wäre. Seine blauen Augen schienen ein unsichtbares Band mit den ihren zu knüpfen...
Abbey wurde von einem plötzlichen Lachanfall übermannt und sie legte den Kopf in den Nacken und lachte. Auch der Junge lächelte leicht, aber eher zurückhaltend. " So, junge Dame, Sie sagten, haben eine Geige für mich?"
Antwortete er ihr mit der gleichen Stimme. Sie erwiederte, immer noch kichernd: " Ja, hier, bitteschön. Ich... ich hoffe, sie gefällt dir."
Abbey reichte ihm unsicher die dunkle Geige. Er ergriff sie mit seinen schlanken Fingern, umschloss sie fast zärtlich und lachte kurz auf. Dann, schaute er hoch zu Abbey, die sich wieder aufgerichtet hatte. Der Wind wehte leicht ihre Haare zurück, und ihre Blicke begneten sich, schon wieder. Seine Augen... Seine Augen sind so blau, dachte Abbey.
Lange schwiegen sie. Dann fuhren seine Finger zum Bogen, und er drehte sich zu Abbey.
" Darf ich?" Er schaute sie mit fragendem Blick an. Sie nickte kaum merklich, und kniete sich gespannt zu ihm runter. " Nur zu."
Er lächelte sie an und zum ersten Mal sah er ihr dabei in die Augen. Und dann, fing er an zu spielen. Und oh, wie er spielte, die Welt hörte auf, sich zu drehen, er spielte ihr alle Sorgen und Gedanken, weg, er machte solche Musik, dass die Wellen aufhörten zu rauschen, alles lauschte still seinem göttlich Konzert, und der Mond strahlte heller als jedes Scheinwerferlicht.
Sie konnte nicht anders, eine andere Macht herrschte über ihren Körper, als ihre Arme sich um seinen schlanken Hals schlangen und sie ihr Gesicht zu ihm beugte, und ihre Wangen sich streiften.
Plötzlich unterbrach er sein Spiel, so unerwartet und unwahrscheinlich, dass sie noch einige Zeit brauchte, um die Stille zu bemerken, die von der Geige ausging.
Erschrocken riss sie sich von ihm los, und in ihren Ohren klingelte es, so wie es bei uns in den Ohren manchmal klingelt, wenn es zu still oder geräuschlos ist. So ein bedrückendes Gefühl hatte Abbey gerade, aber nicht in den Ohren, nein, sondern in ihrem Herzen. Als wäre ihr die liebliche Melodie der Zärtlichkeit entrissen worden, so vernahm Alberta die unerwartete Stille.

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Tag der Veröffentlichung: 21.11.2011

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