DIE URSACHE WAR DAS EREIGNIS
Zum ersten mal seit 15.000 Jahren viel mir auf, wie grell das Licht war.
Einzelne, gleißende Strahlen stachen wie Schwerter in meine blauen Augen und erinnerten mich daran, wo ich war. Im Himmel. Im Paradies. Im Licht.
Aber war das wirklich das Paradies? Man ließ mir jedoch keine weitere Zeit zum nachdenken.
“ Rin, wach auf!”, hörte ich Miu rufen. Ihre Augen waren wie immer leicht aufgerissen und ihre langen, weiß-goldenen Haare schlängelten sich in leichten Wellen um ihren schlanken Körper. “ Ja”, antwortete ich lächelnd. Ich setzte mein künstliches, freundliches Gesicht auf und folgte ihr. Ich weiß, es hört sich komisch an dass ein Engel Freundlichkeit vortäuschen muss, aber mir war nicht danach zumute, dafür war es zu hell. Viel zu hell. Wir schwebten durch pures Licht, durch Wolnviragorth. Das bedeutet Wolkenlichter auf unserer Heimatsprache.
“ Es ist zu hell, nicht war.”, flüsterte Miu und schaute kurz nach oben. “ Ich habe das Gefühl, das irgendwas nicht stimmt.»
Ich schwieg. Also war die ungewöhnliche Helligkeit doch nicht normal. Wir kamen an neu angekommen Seelen vorbei, deren Awesenheit gerade von einem älteren Engel geprüft und von Emitin abgehackt wurde. Ihr müsst wissen, auch im Himmel gibt es ein Gewisses System.
Emitin war ein Himmelsengel und, mit Niobe und Danae, ebenfalls Himmelsengel, der Mächtigste unter den Engeln.
Ich, Miu und 2 andere waren die Wächter der Elemente, also Wasser, Luft, Feuer und Erde.
Es gibt auch Elementgeister, sie hausen auf der Erde und schützen die Elemente dort.
Kleine Hilfsgeister und Schutzengel, es sind nahezu unendlich. Aber es soll ja für jeden Menschen einer Reichen.
Emitin hielt inne als er mich und Miu sah, die gerade an ihren Haaren rumfummelte.
« Hallo Rin, hallo Miu. Was macht ihr den hier?», fragte er lächelnd.
« Eigentlich nichts, ich habe Rin gerade erst abgeholt und wir kamen hier zufällig vorbei.», antwortete Miu ebenfalls lächelnd.
Sie schaute mich auf einmal seltsam an. Emitin wandte sich ab und setzte seine Anwesenheitsliste fort. Ich betrachtete ihn aufmerksam, seine dunkelgoldenen, dichten, welligen Haare, die sein schönes Gesicht umramten. Seine meeresblauen Augen, indenen gelbe pünktchen schwammen, die wie Inseln
aussahen. Ich tauchte langsam aus seinen Augen auf und erinnerte mich wieder daran, nicht in fremder Schönheit zu versinken. Außerdem war der Himmel ein Ort, an dem sogar der ekelerregenste Müllhaufen, mit ein bisschen Fantasie, an einen Engel erinnerte. Plötzlich sah ich hinter Miu Cersia, eine weitere Wächterin, auf uns zukommen.
Ok, ok, ich geb es zu. Cersia war eine gewaltige Ausnahme. Ein Außenseiter in Wolnviragoth. Statt wie praktisch alle helle, wallende Haare zu haben, waren ihre schwarz und so glatt, dass man sie als Spiegel hätte benutzen können. Im Ernst. Und ihre Haut war auch nicht von einem zarten Elfenbein, sondern bleich und weiß. Sie sah Ernst aus als sieh den Mund aufmachte, und jene Worte aussprach, die unser gewohntes Dasein verändern würden.
“ Ich habe eine traurige Botschaft zu verkünden. Danae, unser einst so verehrte Engel der Seelen hat sich den dämonischen Mächten zugewandt und ist zum gefallenen Engel geworden.”
Diese Nachricht schlug ein wie eine Bombe und verbreitete Trauer und Schmerz in jeder einzelnen Seele in Wolnviragoth. Schock und Verwirrung umschleierten meinen Verstand und ich konnte einfach nicht verstehen, wie das passiert war.
Danae war die reinste und schönste unter allen Engeln gewesen.
Es war nicht das erste Mal, dass ein Engel von den Künsten eines Teufels verführt und ins verderben gezogen worden war, aber ich hätte mir nie träumen lassen, dass Danae zu sowas im Stande wäre.
Es wurde eine der größten Konferenzen seit Mirellas Tod engeführt und sie dauerte sage und schreibe 3 Monate. Miu und Cersia nahmen auch Teil an der Versammlung. Während sie sich um unsere Probleme kümmerten, schlenderte ich nutzlos durch die Gänge von Uregard, dem Haus des Friedens und der Geschichte.
Ich ließ meine Hand über die glatte, bemalte Wand, die aus Wolkenstein bestand, gleiten und dachte über den Fall Mirella nach. Mirellla war wohl der absurdeste Engel aller Zeiten, früher, vor ihrem Tod, stand sie an Emitins Platz, als Engel der Gefühle. Und ihr Gefühle waren wohl das Verhängnisvolle an ihr.
Sie kam aus Neugier auf die Erde und entdeckte eine alte Ruhestätte und erforschte sie. Sie fand raus, das auf jenen Ort, wenn die östliche Wolke dem Jupiter gegenüberstand, sozusagen, der Höllenstrahl viel. Dieser Ort lag, mach meinem mangelndem Wissen, an der südöstlichen Küste Brasiliens. Dieser Höllenstrahl war fähig, wie Mirella an ihrem eigenen Leib erfahren musste, einen Engel volkommen und unwiederruflich auszulöschen. Seit diesem schockierenden Ereignis vor 12 Millionen Jahren, schickte man alle 15.307 Jahre ein Feuerwächter ( in unserem Fall Cersia) zur Erde, um den Höllenstrahl zu bannen. Also in 102 Jahren ist es soweit, dachte ich.
Ich wurde von einem Geräusch unterbrochen, das sich anhörte wie Gelächter von tausenden von Babies.
Ich richtete meine Augen auf die hohe, runde Decke. An ihr schwebten kleine Babyengel. Das waren Seelen, die in einem sehr jungen Körper gestorben sind. Traurig, aber wahr. Die Engelchen kurvelten und kugelten kichernd und lallend an der Decke.
Ihr melodisches, kindliches Lachen erfüllte den Gang und ich fühlte mich sofort warm und geborgen, trotz der beängstigenden Helligkeit. Einer von ihnen, ein süßer Bursche mit himmlischen, goldenen Löckchen, bemerkte mich und flatterte sabbernd zu mir runter. Ich verspürte sofort den Drang den kleinen Engel zu beschützen. Meine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln und meine Hände streckten sich automatisch nach dem kleinen, babyhaften Körper aus. Mir kam es vor, wie ein wunderschöner Traum, der nie enden sollte.
Umgeben von goldenem Licht, schien es mir als wenn die kleinen Engel singen würden, als der Bursche auf mich zu flog.
Doch an der Stelle, wo meine Hände seinen Bauch hätten berühren müssen, verschwand der Kleine mit einem paffenden Geräusch und mit ihm auch der scheinbare Traum. Das Licht war nicht mehr golden, sondern hell und blendend, zum verrückt werden. Der himmlische Gesang war nichts mehr als das nervtötende Gekreische von aufgebrachten Babies. Ich fasste mir verkrampft mit beiden Händen an den Kopf und sackte auf den Boden. Ich wusste ganz genau, was mit dem Baby passiert war. Durch Danaes Verrat waren solch kleine Seelen so schwach, das man sie mit einer Berührung hätte auslöschen können. Der Arme, dachte ich, während meine verletze Seele voller Trauer tiefe Tränen über das kleine Baby vergoss.
Ich schaute erst wieder auf, als ich ein sanftes Rütteln an meiner Schulter spürte. Ich fing wieder an zu blinzeln, und die verschwommenen Umrisse wurden scharf. Meine erschöpften Augen erblickten ein überraschend vertrautes Gesicht.
“ Yuna!”, schrie ich auf, als mir schlag artig bewusst wurde, wer da vor mir stand. Ich sprang sofort auf, was ein leichtes Schwindelgefühl in mir auslöste, aber das war mir egal. Ich schlang meine Arme um Yunas Hals, um sie freundschaftlich zu umarmen, wie ich es schon in meinem menschlichen Leben oft mit meiner besten Freundin, alias Yuna, getan habe. Yunas sanfte, tröstliche Hände umschlossen einen Moment meinen Rücken, stießen mich jedoch darauf hin zurück, um mir in die Augen blicken zu können. Ich strahlte sie an. Ich habe Yuna wirklich vermisst, mir kam es vor, das sie der einzige wirkliche Engel hier war. Und meine einzige wirkliche Freundin. Yuna, der Elmentwächer der Erde. Wir lösten unsere Hände, immer noch lächelnd, von einander. Sie hat sich kaum verändert, kam es mir durch den Sinn.
Ihre wild gelockten, blass roten Haare und ihre frech grünen, funkelnden Augen, in denen immer noch die gleiche Abenteuerlust blitzte, sind genau so geblieben wie in ihrem menschlichen Leben.
“ Rin», fing sie an und mir schien so, als ob noch nie jemand meinen Namen so voller Freude ausgesprochen hatte. Doch mir viel jäh ein, wie Emitin Heute meinen Namen genannt hatte, und musste meinen vorherigen Gedanken wiedersprechen.
“ Niobe ruft dich in die Lichtenhalle.” Bei diesen Worten änderte sich Yunas Gesichtsausdruck. Er war nicht mehr fröhlich, sondern eher besorgt. Aber ich beachtete ihre Mimik nicht.
In die Lichtenhalle? Wozu? Dorthin wurde man nur gerufen, wenn Gott einem persönlich was zu sagen hatte. Und das auch nur sehr selten.
“ Weißt du, wieso?”, fragte ich sie.
“ Nein, ich hatte gehofft, das du es mir vielleicht sagen kannst.” Yuna schaute mich neugierig an. Ich schüttelte nur ratlos meinen Kopf und machte mich auf den Weg in die Lichtenhalle. Yuna rief mir noch irgendwas hinterher, aber ich hörte sie nicht mehr. Während ich durch die zarten ( und viel zu hellen) Wolken flog, dachte ich darüber nach, was Gott mir zu sagen hatte.
Natürlich war es eine große Ehre, aber auch besorgniserregend, denn man wusste nie, was Gott einem zu sagen hatte. Ich faltete meine Flügel vor einem großen, bogenförmigen Tor ein, dass mit silbernen und weißen Rosen bewachsen war. Ich zögerte einen Augenblick, bevor ich rein ging. Kaum einen Schritt hinter dem Tor erfüllte mich ein warmes Gefühl und die ( negativ) berauschende Helligkeit verschwand schlagartig.
Etwas weiter, auf einem weißen, marmornen Podest, stand eine Person. Ich sah nur ihr Profil, aber ich konnte erkennen, das sie weiblich war. Ich merkte, das sie übers ganze Gesicht strahlte.
Sie sah warhaftig... wie soll ich sagen, selig aus. Sie drehte sich in meine Richtung um und ich blickte geradewegs in Cersias violette Augen.
Cersias lächeln erstarb genau so plötzlich wie es aufgetaucht war und ihre Augen wurden kalt und abweisend. Verächtlich schaute sie mich an und wandte sich beleidigt ab.
Noch verwirrter als zu vor stellte ich mich neben sie. Warum war sie so sauer, als sie mich gesehen hat, fragte ich mich. Ich richtete meinen Blick gerade aus und wartete auf das heilige Wort Gottes.
Als wir die Halle verließen, funkelte mich Cersia auf einmal zornig an. “ Du weißt es und hast es schon immer gewusst, das ich schon immer ein voller Engel sein wollte und nicht dieser Außenseiter mit einer dämonischen Hälfte! Und die Reinkarnation von Danae zu werden- wie oft werd ich noch die Chance bekommen, ein ganzer Engel zu werden, hm?!”, brüllte sie. Ich war völlig verblüfft .
Nein, mehr als das. Ich war sprachlos. Ich hatte, ehrlich gesagt, noch nie so viel auf einmal aus ihrem Mund gehört, und das in dieser Lautstärke. Aber gewissermaßen hatte sie schon Recht. Sie brauchte diese Kraft mehr als ich. Beschämt senkte ich den Kopf. “ Das wird dir auch nicht helfen.” Kalt. Cersias Stimme war so grausam Kalt, dass es sich anfühlte, als würde in meinem nicht vorhandenen Herzen eine erbarmungslose Eiszeit ausbrechen und alles in mir ins Chaos stürzen. Ich hörte noch ihre Schritte, die immer leiser wurden und schließlich verhallten. Ihr müsst wissen, dass Engel, wobei ich mir bei Cersia nicht sicher bin, von sanfter Natur und leicht verletzlich sind. Wir machen selten Dinge falsch.
Was Gott uns in der Lichtenhalle verkündet hatte, einer von uns beiden sollte die Reinkarnation, die Wiedergeburt von Danae werden. Wieso nur wir beide, das wusste ich nicht. Aber ich hatte eine Theorie. Seeilins Schutzgeister waren Feuer und Wasser. War es deshalb so? Ich schaute vorsichtig wieder auf, ich spürte immer noch den Schmerz, den Cersias Hass so brutal ausgelöst hatte.
Ich beschloss, mich auf die Suche nach Yuna zu machen. Ich sehnte mich nach ihrer tröstlichen Stimme und nach ihren sanften Armen, in denen ich immer Zuflucht finden konnte.
Ich breitete meine Flügel aus und flog los. Auf dem Weg begegnete ich Niobe. Sie konnte ziemlich zickig sein, aber sie war öfters gestresst und ich wusste, im Grunde war sie ein herzensguter Engel. Doch ihr aussehen schockte mich leicht. Sie flog hektisch auf mich zu und glaubte in ihren Augen Verzweiflung zu sehen.
Kurz, bevor sie an mir vorbei Flog, hielt sie inne und krächzte: “ Mir wäre es wirklich lieber, wenn.... wenn du ihre....”, sie schluckte. “.... Danaes kraft erhältst.” Die letzen beiden Wörter hatte sie förmlich gepiepst. Sie flog hastig davon.
Mir tat es im Herzen weh, sie in so einem erbärmlichen Zustand zu sehen. Livera und Seeilin haben sich wirklich nahegestanden, und ich konnte mir nicht annähernd genug vorstellen, wie schrecklich der Verlust von Seeilin für sie sein musste. Ich habe sie öfters zu zweit gesehen. Mir viel das Szenario vor der Lichtenhalle mit Cersia wieder ein und ich versuchte, den Gedanken so schnell wie möglich zu verdrängen.
Der Alptraum begann 17 Tage später ( wir mussten uns mit der Entscheidung wirklich beeilen), an einem stressigen Tag. Unzählige von Elementwächtern und allen anderen möglichen Geistern und Engel, flogen hin und her, mit verschiedenen Botschaften und Gegenständen.
Ich saß auf einer besonders weichen Wolke und beobachtete ohne jeden Neid wie die Engel hastig hin und her flogen. Miu und Yuna kümmerten sich mit kleinen Hilfengeln um den Frühhimmelsputz. Tja, so war es halt wenn man nicht wie ich das Glück hatte, die Kunst des sich-im-richtigen-Moment-Verdrückens zu beherrschen. Und kommt bloß nicht auf den gedanken, ich sei ein schlechter Engel! Ich bin manchmal nur etwas faul...hehe.
Ich hatte Heute ein besonders hübsches, weißes Gewand aus Baumwolle an, das ich gerne mochte. Ich ließ meine Beine unbesorgt baumeln und starrte so konzentriert nach vorne, als ob ich darauf warten würde, dass sich a meiner Blickstelle etwas entzündet. Ich wollte gerade wegfliegen als ich plötzlich jemanden auf mich zu schweben sah. Es war Samthea. Ich stoppte sofort das Baumeln und richtete mich ernst auf. “ Was ist los, Samthea?”, fragte ich sie, als sie vor mir stehen blieb, wenn das denn möglich war, wenn man bedenkt das sie schwebte. “ Niobe schickt mich. Du sollst umgehend in den Konferenzsaal kommen.”, sagte sie wichtigtuerisch und flog ohne weiteres davon. Ich schaute ihr verdutzt nach. Was hatte ich den bitteschön im Konferenzsaal zu suchen?
Hatten sie etwa spitzgekriegt, das ich nicht beim Putz mithalf, oder noch schlimmer- Cersia hatte ihnen erzählt, das ich Nachts manchmal aus der Vorratskammer Zuckerwolkenpralinen stahl? Ihr müsst wissen, Cersia hat mich einmal dabei erwischt. Naja, das muss ich wohl selbst rausfinden, dachte ich seufzend und machte mich auf den Weg.
Als ich beim Saal ankam, sah ich, das die 2 großen, weißen Türen offen standen. Ich spickte vorsichtig hinein uns sah das der riesige runde Steintisch fast komplett besetzt war. Bis auf einen Platz. Ok, ich muss zugeben dass ich gerade an ein böses Wort gedacht habe.
Ich wollte meinen Kopf vorsichtig einziehen, als ich bemerkte, das Aros, der Konferenzleiter, mich anstarrte. Wie bei Airleen waren seine Augen aufgerissen aber sie hatten nicht Airleens lebhafte strahlend blaue Frabe, sondern waren milchig-blau, fasst weiß. Irgendwie gruslig. Ich bemerkte, das sämtliche andere Engel ( okay, alle) sich zu mir umgedreht hatten. Stille. Schließlich brach Aros das Schweigen, in dem er seine Arme freundschaftlich ausbreitete und sagte: “ Ah, Rin, Willkommen. Wir haben dich bereits erwartet.” Ich zögerte.
Ich blickte flüchtig auf den einzigen freien Platz neben Emitin und Schritt langsam darauf zu. “ Ähm, Hallo.”, ich lachte nervös und hätte mich am liebsten erwürgt.
Meine Manieren haben das Niveau einer Waschmaschiene , ich weiß. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Er nickte mir kurz höflich zu und wandte sich an Aros. Ich hatte die Befürchtung, dass die Situation auf absurde Weise eskalieren würde, aber ich nahm trotzdem platz. Aros gebot mit einer Geste Stille und sprach:
“ Wir haben sehr lange überlegt, und beschlossen, dir die Situation aus unserer Sicht zu erklären.” Hä?
“ Wir haben uns Gedanken gemacht von dir und Cersia und ins schriftliche übertragen. Die Entscheidung trifft natürlich der Herr.” Er bekreuzigte sich flüchtig. “ Medina, trage vor.” Er schaute eine junge Frau mit weißblauem Haar gebieterisch an und setzte sich. Welche Vergleiche? Und wieso zur Hölle ( wenn es sie denn wirklich gab) war Cersia nicht da?
Egal, die Plätze hätten sowieso nicht gerreicht.
Medina stand etwas wacklig auf und begann mit stotternder Stimme aufzulisten: “ Punkt eins: ....” Ich hörte nicht mehr zu. Sie leierte weiter irgendwelche Fragen runter. Ich fragte mich, was ich machen würde, wenn ich die Reinkarnation von Seeilin werden würde. Ich fragte mich, was Fira machen würde.
“ Was sagst du dazu, Rin?” Aros riss mich mit seiner Frage so plötzlich aus meinen verwirrten Gedanken, dass dumpf aufquieckte. Peinlich berührt, bemerkte ich, das mich alle völlig konfus anstarrten.
In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als das ein Loch sich unter mir auftun würde, und mich und diese peinliche Situation auf ewig verschlucken würde. Aber das wird sowieso nie passieren. “ Ahäm, hehe... also ich finde, das Sie mit Ihrer Aussage den Nagel auf den Punkt bringen, und stehe voll und ganz auf Ihrer Seite.” Ich hätte mir in den Hintern beißen können, wenn ich gewusst hätte, was ich mit diesen katastrophal gelogenen Worten angerichtet habe. “ Findest du?”, fragte Medina erstaunt. “ Na wenn du meinst...” Sie warf mir einen “War-das-nicht-zu-überheblich?-Blick” zu und setzte sich.
“ Perfekt.”, sagte Aros. “ Dann bist du also einverstanden, mit unserer Entscheidung, das du die Reinkarnation von Seeilin wirst? Nun, du bist entlassen Rin, herzlichen Glückwunsch.” Was??? Welche Reinkarnation, das waren doch nur Fragen oder?! Wieso bin ich nur so unglaublich Blöd. Ich glaub ich muss kotzen. Okay, Engel können nicht kotzen. Und normalerweise werden sie nicht rot, so wie Emitin gerade, wie ich bemerkte. “ Ist alles in Ordnung?”, fragte er und versuchte, seine Hand auf meine Schulter zu legen. Aber ich war viel zu aufgebracht und zuckte vor seiner Bewegung zusammen. “ Ä ja”, stotterte ich und stand hastig auf. “ Vielen, vielen, Dank!”, rief ich und verbeugte mich dreimal.
Ich wollte hier weg. Omeingottomeingottomeingott, ich bin die Reinkarnation von Danae, ich werde ihre Kräfte bekommen und... und Cersia wird mich umbringen.
Ich hatte das Gefühl, gleich zu zerplatzen, als ich bemerkte, das ich, naja, eigentlich nichts Fühlte. Nichts. Nur Ruhe und Leere. Dort wo Tränen hätten sein müssen, dort wo bleierner Schmerz hätte sein müssen, dort wo kolossale Verwirrung und Verzweiflung hätten herrschen sollen, dort war Nichts.
Ich bemerkte rasend schnell, das ich keine Freundschaftlichen Gefühle für Yuna hegte. Keinen Hass gegen Cersia. All diese tröstlichen Umarmungen, die sanften Worte. Das war alles nur Theater um zu überdecken, das wir bloß perfekte, gefühllose, beflügelte Hüllen waren, die nur für Gott exestierten. Ja, ich spürte nur Liebe für Gott.
Jetzt konnte ich nicht mal richtig deprimiert sein über diese Erkenntnis. Aber eins hatte ich Begriffen. Nämlich das ich keine Gedanken an Fira verschwenden brauchte, und auch nicht an Lilyan.
Das einzige, um was ich mich zu Sorgen brauchte, war um das letzte und einzige Gefühl in mir zu kämpfen. Die ergebene Liebe zu Gott.
Mein gott, war ich dumm.
DER ALPTRAUM BEGINNT ERST JETZT
“ Irgendwo muss sie doch sein, sucht ÜBERALL!”, kreischte Niobe und fuchtelte wie ein Psychopath wild mit den Armen herum. “ Cersia muss unter allen Umständen gefunden werden, habt ihr mich verstanden?”
Ich lag auf einer besonders plüschig weichen Wolke und starrte Löcher in die Luft.
Eigentlich versuchte ich mich zu entspannen, aber das ging ja schlecht bei diesem kolossalen Tumult. Eine Woche ( glaub ich) war vergangen seit mir feierlich verkündet wurde, das ich die Reinkarnation werden sollte. Ich fing an, erst langsam dann schneller, mit den Beinen zu baumeln, die ich über den Rand der Wolke hängen ließ.
An mir flitzen einige Geister vorbei und zwar so schnell, das mich die Wucht ihrer Geschwindigkeit glatt von der Wolke riss und ich wie ein Stein vom Himmel fiel. Ein Bruchteil einer Sekunde lang wehte mir der Wind wie ein Messer ins Gesicht und riss meine Arme und Beine im Fall nach oben und dann landete ich plötzlich und unsanft auf einem kalten Steinboden .
Ich faste mir vorsichtig an den Kopf, tastete jede Körperstellung nach einer Verletzung ab, nur um festzustellen, das der einzige Schaden, den ich davon getragen hatte, meine zerzausten Haare waren.
Ich richtete meinen Blick auf, immer noch geschockt von dem plötzlichen Fall. Beim umgucken musste ich etwas wichtiges feststellen. Ich war noch nie an diesem Ort. Ich meine, der Ort konnte nicht zum Himmel gehören, ich kannte nämlich jeden einzigen Quadratmillimeter in Wolnviragoth, und dieser riesige, halbkreisförmige, seltsam graue Saal gehörte nicht dazu.
Ja, wo ich darüber nachdachte... der Saal war nicht grau, er war nur schwach beleuchtet! Es war schockierend und gleichzeitig erleichternd, von dieser abartigen Helligkeit befreit zu sein.
Nur wo zur Hölle war ich?! Bin ich vielleicht vom Himmel gefallen? Nein unmöglich, dachte ich und lachte laut auf, wegen meiner Dämlichkeit. Ich schaute mir die Decke etwas genauer an, und sieh da! An der Decke war ein kleines Loch, durch das Einzelne, grelle Strahlen vielen. Erst jetzt viel mir der groteske Kontrast zwischen der Innen-und Außenbeleuchtung so richtig auf. Da muss ich wohl durchgefallen sein, dachte ich. Aber nein! Das ist unmöglich, das Loch hat die Größe einer Melone, ich hätte was gespürt, wenn ich da durchgefallen wäre!
Ich beschloss hochzufliegen und nachzusehen. Ich breitete langsam meine Flügel aus, als ich ein stechenden Schmerz im oberen Teil meines linken Flügels spürte. Doch ich hatte keine Zeit, mir mein Flügel genauer anzusehen, denn ich vernahm plötzliche Schritte. Hastig blickte ich mich um und Entdeckte ein runden Eingang. Aus dieser Richtung müssen die Schritte kommen, dachte ich mir. Und da ich mich dummer Weise nicht verstecken konnte, ja nicht mal fliegen konnte ich, blieb ich einfach stehen und wartete.
Und wartete. Und wartete. Und wartete, verdammt nochmal, wieso brauchten die denn so lange?!
Langsam fing ich an, Gesprächsfetzen zu hören. “ .... an den Eingängen waren keine Spuren zu finden. Ich habe Iola losgeschickt, damit sie die beiden linken Flügel überwacht.”, sagte eine unbekannte, aber deutlich männliche Stimme. “ Gut, dann werde ich mich um den Hauptsaal kümmern.” Moment mal, diese Stimme kannte ich doch! Das war doch...! Aber zu spät, Emitin und sein Freund standen bereits regungslos an der Tür und starrten mich an, als wäre ich ein dreiköpfiges Monster. Oder ein Engel, der nicht fliegen konnte. “ Wie kommst du denn hierher?”, fragte Emitin, der anscheinend so überrascht war, das er alle Höflichkeit außer Acht ließ. “ Ehm, also ich bin von einer Wolke aus versehen hier runter gefallen.”, sagte ich und dachte gleich, dass das etwa so glaubhaft klang, wie das der Himmel auf die Erde fallen würde.
So klang es auch anscheinend für Emitins Gefährten, der auf einmal loslachte und sagte: “ Weißt du, passiert nicht oft, dass kleine Mädchen vom Himmel fallen! Aber du scheinst sie ja zu kennen.” Beie dem letzen Satz drehte er sich zu Emitin und klopfte ihm auf die Schulter. “ Ich geh dann mal.” Und Schwups, waren Emitin und ich alleine.
Er schaute mich ernst an und sagte: “ So, Rin, und jetzt mal im Ernst. Wie bist du wirklich hierher gekommen?” “ Nein, es stimmt wirklich, das ich von einer Wolke gefallen bin!”, sagte ich.
“ Hm, naja, dann musst du wohl mitkommen.”, sagte er und ging in die Richtung zurück, aus der er gekommen war. Ich folgte ihm ohne Wiederspruch. Innerlich war ich froh darüber, dass hier jemand war, den ich kannte. Auf dem Weg durch den langen, dunklen Gang, fragte ich ihn, wohin wir gehen. “ Wir gehen in den Hauptbereich, dort liegt das Tor der Spaltung, oder auch der Eingang zum Himmel.”, antwortete er mir. Aha, das klang recht interessant. Ich hatte, ehrlich gesagt, noch nie darüber nachgedacht, das es sowas wie ein Eingang zum Himmel gibt.
“ Wieso?”, fragte ich neugierig nach.
Er seufzte kurz, und antwortete: “ Da du hier bist, möchte ich dir erklären, wo du bist. Diesen Ort kennst du wahrscheinlich nicht, da er nicht für Engel wie dich bestimmt ist. Er heißt Senliragoth, oder auch Unterhimmel oder Steinlichter. Hier leben sozusagen die Torengel und Wächter des Tors der Spaltung. Und natürlich auch die, die die Mauer bewachen. Ich habe keine Ahnung, wie du hierher gekommen bist. Nunja, außerdem untersuchen wir, wohin Fira wohlmöglich verschwunden ist. Aber seltsamer Weise haben unsere Torwächter keine Seele registriert, die denn Himmel verlassen hat. Es ist alles sehr anstrengend.” Er senkte erschöpft den Kopf.
Wow, das war echt eine ganze Menge, die ich verdauen musste. Senliragoth.... seltsamer Name. Aber es war echt schockierend zu Erfahren, das du über dreihunderttausend Jahre im Glauben gelebt hast, über alles Bescheid zu wissen, und dann kommt jemand dahergelaufen und erzählt dir mal so nebenbei DASS ES UNTER DIR EINE ANDERE WELT GIBT. Okay, naja zumindestens einen anderen Teil deiner Welt. Plötzlich hörte der Korridor auf und wir kamen in eine andere kleine Halle, die aussah, wie die, in die ich gefallen war, nur ungefähr zehnmal kleiner. Hier führten zwei weitere Gänge raus. Wir gingen in den rechten Gang. Ich war verwirrt.
« Emitin», sagte ich. « Wieso gibt es hier soviele Gänge?»
Emitin antwortete automatisch: « Um Engel wie dich daran zu hindern zum Hauptbereich zu kommen.» Engel wie mich? Ich holte tief Luft und bereitete meine Antwort in einem besodners empörten Ton vor, aber ich beschloss, es zu lassen. Nach einer Weile kamen wir wieder in so eine Halle, die wieder etwas kleiner war.
Diesmal waren hier 3 Gänge und wir gingen in den Mittleren.
So ging es weiter, die nächste Halle war wieder kleiner, und es waren 4 Gänge.
Langsam fragte ich mich, wie wir hier je wieder rauskommen sollten.
Schließlich, nach unzähliegen weiteren Hallen, gelangten wir in ein Kämmerchen, das circa anderthalb Meter groß und genauso breit war. Es sah aus, wie eine Miniatur Version von denn vorherigen Hallen. Nur war diesmal nur ein Gang vorhanden, wie denn auch, es hätte kein weiterer Gang reingepasst. Geschweige denn zwei weitere Personen.
“ Du gehst zuerst.”, befahl Emitin und ich gehorchte. Gebückt schritt ich nach vorne und zwängte mich in den winzig kleinen Gang, der auch noch IMMER KLEINER WURDE. Zum Glück nicht immer enger. Ich hörte Emitin hinter mir kriechen ( ja, es war so weit gekommen, das wir sogar kriechen mussten!!!) . Es war stockdunkel, und ich hatte die Dunkelheit so lange nicht gesehen, das es mir absurderweise unmöglich vorkam.
Plötzlich stieß ich mit dem Kopf gegen etwas Hartes. Ich kniff meine Augen zusammen, und konnte erkennen, das es eine Tür war. Ja, eine winzigkleine Holztür war!
“ Alice im Wunderland?”, fragte ich. Viel mir denn echt nichts besseres ein? Aber es erinnerte mich ernsthaft an Alice im Wunderland. Ich sah, wie in der dunkelbraunen Holztür ein winziges, goldenes Schloss pragte.
“ Hier, nimm den Schlüssel und dreh ihn dreimal um. Verstanden? Nur dreimal, kein einziges mal mehr oder weniger!”
Ich spürte, wie Emitin mir etwas dünnes und eiskaltes an den Arm hielt. Ich versuchte, so gut es ging, mich zu drehen, so das ich den Schlüssel fassen konnte. Endlich, geschafft! Verdutzt erkannte ich, das der Schlüssel riesig war, aber die Spitze lief spitz zu, genau das sie in das Loch passte. Ich steckte den Schlüssel vorsichtig rein und drehte ihn genau dreimal. Nichts geschah. “ Und was jetzt?”, fragte ich mit einem leichten Anflug von Panik. Ich war überrascht, als seine Antwort von so weit oben ertönte. “ Steh auf und folge mir.” Aufstehen? Tatsächlich, ich merkte, das ich mich wieder aufrichten konnte und stand freudig auf. Diese Einengung war Erdrückend gewesen. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor, seit ich in die riesige Halle gefallen war.
Ich konnte nur verschwommen die Umrisse von Emitin erkennen, aber ich folgte ihnen trotzdem.
Auf einmal wurde es schlagartig hell, so plötzlich, das meine Augen schmerzten. “ Schau nach oben.”, sagte Emitin. Ich befolgte seine Anweisung und ich konnte nicht fassen, was sich da vor meinen Augen abspielte. Es war hell, aber nicht blendend, genau richtig. Wir standen in wieder in einer riesigen Halbkreishalle, aber diesmal war die ganze Decke offen. Über uns flogen unzählige von Engeln hin und her, aber sie waren ganz anders gekleidet.
Ihre Gewände waren silbern verziert und sie trugen teilweise sogar silberne Rüstungen!
“ Es ist angenehm, das es hier nicht so hell wie in Wolnviragoth ist.”, sagte ich, immer noch nach oben starrend.
“ Wie bitte?”, fragte Emitin. “ Du fandest es in Wolnviragoth zu hell?” Ich richtete nun meinen Blick auf ihn. “ Ja, einfach gräßlich. Miu übrigens auch. Es war zum wahnsinnig werden!”, berichtete ich ihm eifrig. Sein Ausdruck war nicht mehr erstaunt, sonern belustigt. Er lachte kurz auf und sagte dann: “ Achso, na dann ist ja alles klar. Du musst wissen, manche Engel gehören nicht nach Wolnviragoth. Ihnen gibt Gott zu verstehen, das sie nach Senliragoth gehören, zum Beispiel wenn du es zu hell findest.”
Diese Worte brachten mich total aus der Fassung. Das heißt, das alles war KEIN Zufall? Und was meinte der mit “ Nicht nach Wolnviragoth gehören” ???
“ Wie meinst du das, ich gehöre nicht nach Wolnviragoth?”, fragte ich etwas empört.
DIE NEUE
Emitin wollte gerade antworten, als er von einem rauen, lauten Lachen unterbrochen wurde. Ich schaute nach oben und sah, wie ein kauziger, alter, kleiner Engel in einem silbernen Gewand sich von oben zu uns herunter ließ. “ Na, haste wieder ne Neue mitgebracht, Emmi?”, fragte er mit seiner tiefen, rauen Stimme und lachte wieder schallend. Emitin, dem das alles offensichtlich peinlich war, senkte seinen geröteten Kopf. “ Wir können ne` kleine Kriegerin wie dich ganz gut gebrauchen! Ich heiße übrigens Salomo.”, sagte “übrigens Salomo”. “ Hallo.”, grüßte ich ihn. “ Ich bin keine Kriegerin, bloß ein Engel.” Salomo schaute mich kurz mit seinen kleinen, grauen Augen erstaunt an, aber dann wurden sie wieder freundlich.
Ich weiß nicht, aber irgendwas an seiner fröhlichen, kauzigen Art mochte ich. “ Bloß ein Engel, aber was für einer!”, er lachte wieder los, als er plötzlich aufhörte und sich ans herz griff. “ Bei der heiligen Maria, du bist doch Rin, die, die Auserwählt wurde!”, sagte er voller Ehrfurcht und bekreuzigte sich dreimal.
“ Ja, ich bin Rin. Wenn ich dürfte, würde ich sie gerne was fragen.” Er lachte sanft auf und sagte:
“ Aber natürlich Kleines, was gibt`s?” Ich schaute kurz nach unten und antwortete: “ Nun ja, ich würde schrecklich gerne wieder nach Wolnviragoth zurück.” Salomos Miene Wurde ernst und er richtete sich auf. Oh nein! Was hatte das nur zu bedeuten?
“ Ich würde dich auch schrecklich gerne wieder nach oben lassen, aber du wurdest auserwählt, hier zu bleiben. Und wer auserwählt ist, muss hier bleiben.”, sagte er und schaute mich mitleidig an.
Nein, das war nicht fair!
Enttäuschung und mutlosigkeit machten sich in mir breit. Ich hatte keinen blassen Schimmer, was ich jetzt machen sollte. “ Keine Sorge, Anley, hier sind alle unglaublich nett.”, sagte Emitin und ich glaubte, das ich mich schon etwas besser fühlte.
“ Rin...”, fing Salomo an. “ Ich muss mit dir über Cersia reden.”
Ich saß auf dem Sofa eines gemütlichen, kleinen Zimmers. In der Mitte stand ein runder, silberner Tisch an dem Salomo und Emitin saßen und ein mysteriöses Getränk aus einer weißen Tasse tranken.
Als sie mir auch so eine Tasse anboten, lehnte ich höflich ab.
Ich musste ehrlich zugeben, dass es in Senliragoth ziemlich schön war. Ich würde sogar sagen, besser. “ Sie wollten mich was über Cersia fragen?”, fragte ich Salomo. Er schaute von seinem Gespräch mit Emitin auf und nickte. “ Jaja, in der Tat.”, sagte er seufzend. “ Mich würde interessieren, wann du sie das letze mal gesehen hast.” Diese Frage überraschte mich. Ich kramte angestrengt in meinen Erinnerungen an meine letze Begegnung mit Cersia.
Genau! Vor der Lichtenhalle. Schlagartig kehrten die kalten, hasserfüllten Blicke und die bösen Worte in mein Gedächtnis zurück. “ Vor der Lichtenhalle, circa vor 25 Tagen.”, antwortete ich.
“ Hm.”, sagte Salomo und schaute gedankenverloren auf den Boden. “ Hat sie wohlmöglich etwas angedeutet, zum Beispiel, wohin sie gegangen ist?”, stichelte Salomo weiter nach.
“ Nein.”, sagte ich kurz angebunden. Das Thema wurde immer unangenehmer.
“ Jaja, gut gut.”, lallte Salomo und sein Blick wurde verschwommen. Plötzlich richtete er sich hastig auf und sagte:“ Rin, ich denke, du sollst der SKE beitreten.”
“ Der SKE? Ist das denn wirklich notwendig? Sie kennt nicht mal die Grundeinheiten.”, sagte Emitin.
Ich schaute beide perplex an. Ich meine, was zu Teufel war diese Eskae?
“ Moment mal, was ist das überhaupt?”, fragte ich.
Salomo faltete die Hände zusammen und begann zu erklären: “ Die SKE, oder auch SpezialeKampfEinheit, ist eine Organisation, die zum Schutz des Himmels dient. SKE-Krieger treten meistens bei Angriffen von Dämonen auf. Manchmal werden sie sogar auf die Erde geschickt, aber nur die Besten der Besten gehören der SKE an.
Die Engel in Wolnviragoth wissen darüber natürlich nicht Bescheid. Außer Niobe und Emitin, meine ich.” Oh man, das war echt zu viel für einen Tag. Apropos Tag. Es wurde langsam dunkel und ich fragte mich, ob Yuna und den anderen mein Verschwinden überhaupt aufgefallen war.
“ Ich soll der SKE beitreten?”, fragte ich Salomo. “ Ja, aber natürlich erst nach der Reinkarnation.”. antwortete mir Emitin stattessen. Plötzlich klopfte jemand an der Tür. “ Herein.”, rief Salomo und die silberne Türe öffnete sich.
Den Raum betrat ein kleiner Hilfsengel (natürlich auch ganz in silber), den ich noch nie gesehen hatte. « Niobe ist gerade heir eingetroffen, sie war sehr sauer. «l, sagte der Junge. « Sie wird in kürze bei Ihnen erscheinen.» Er drehte sich um und ging ohne ein anderes Wort.
« Hm.», Salomo erhob sich und sagte: « Ich werde dann mal gehen. Ich habe noch was zu erledigen. Danke für die Informationen über Cersia, Rin.» Auch er verließ den Raum. Jetzt waren Emitin und ich ganz allein. « Cersia ist spurlos verschwunden, nicht wahr...», flüsterte ich und senkte nachdenklich meinen Kopf. « Und das ist ein großes Problem.», ergäntze Emitin meine nicht ausgesprochenen Gedanken. Ich dachte plötzlich an Miu. Sie quälte sich bestimtm noch in Wolnviragoth mit der Helligkeit rum.
Ich musste Miu auch runterholen! Ich stand auf und wandt mich mit festem Blick zu Emitin: « Emitin, wir müssen Miu auch hierrunter holen.» Emitin nickte und standt ebenfalls entschlossen auf.
« Aber zuerst kümmern wir uns um deinen verletzen Flügel.»
102 JAHRE SPÄTER
Miu rannte so schnell sie konnte durch den bereits vierten Gang mit einer Information höchster Priorität. Sie stieß mindestens drei andere Engel um, aber das war egal.
Die Informationen mussten so schnell ankommen wie es geht. Da noch einmal um die Ecke und- sie stand keuchend und völlig kraftlos vor der Tür die in das Zimmer von Rin führte.
Sie war nicht geflogen weil ihre Flügel sich noch erholten, denn an einem besonders stressigen Tag in Senliragoth war sie den ganzen Tag lang rumgeflogen, ohne eine Pause und ihre Flügel waren noch immer verkrampft.
Sie stieß mit der Hand ohne zu zögern die Tür auf und betrat den Raum. « Rin.» Rin drehte sich um. Sie saß auf ihrem Bett und laß ein Buch. « Oh, hallo Miu. Was gibts?», fragte sie wie immer freundlich. Ganz wie Danae. « Rin, ich wurde benachrichtigt, das Niobe entführt wurde! Und noch was.... man hat was von Cersia gehört.», platzte Miu raus. Rin sah sie schockiert an und seuftze schließlich. « Oh nein...», flüsterte sie. « Was habt ihr von Cersia gehört?», fragte sie dann. Cersia. Der Name kommt einem beim ausprechen Fremd vor. « Sie wurde auf der Erde geortet. Ganz schwach, aber kurz nach Niobes verschwinden berichtete ein Schutzgeist, Cersia auf der Erde gespürt zu haben. Aros vermutet bereits einen zusammenhang zwischen Niobe und Cersia.» , berichtete Miu ausführlich.
Rin stand auf und sagte etwas überrumpelt : « Nunja, dann muss ich wohl eine Konferenz halten. Sag Aros das er und die anderen sich unverzüglich im Steinsaal versammeln sollen.» Miu sah ihr dabei zu, wie sie aus dem Raum ging und losflog. Dann muss ich mich auch auf den Weg machen, dachte Miu.
Ich erinnerte mich wieder. An die Zeit, als ich noch in Wolnviragoth wohnte. Ich war, glaub ich, mit Yuna befreundet. Und Cersia.... Ich hatte noch jedes Detail im Kopf. Vor der Lichtenhalle... wohin bist du verschwunden? Und warum entdeckt man deine Spur erst jetzt?
Seit Miu nach Senliragoth geschickt worden war, hatte sich mein ganzes Leben verändert. Ich wurde ausgebildet zu einem Kampfengel und trat, wie Miu übrigens auch, der SKE bei.
Das war eine ziemlich knappe Zusammenfassung von den bisherigen Ereignissen, aber es reichte um zu begreifen. Das Stichwort war Mirella. Ich hatte keine Beweise und welche zu finden war praktisch unmöglich, aber ich wusste was ich tun musste.
Ich saß im Konferenzsaal und hörte, wie Aros mit seinem Rat eintraf. Kaum saßen alle auf den Plätzen, sprach Aros auch das erste Wort: « Nun, Rin, was sagst du?» Sein Ton war lauernd und wachsam, ich wusste dass ich nicht mit dem falschen Satzt anfangen durfte. Aros hasste es, wenn alle Informationen auf einmal preisgegeben wurden, ohne dass er auch noch was sagen konnte. Aber das war mir jetzt egal. « Aros, ich mache es schnell. Schicke eine Gruppe aus der SKE auf die Erde und mache Cersia ausfindig. Die Gruppe soll Cersias Vorhaben erfahren und sie so schnell wie möglich hierher bringen!», sagte ich bestimmt. « Nana Rin, ist das nicht etwas zu überstürtzt? So schnell eine geeignete Truppe von der SKE auf die Erde schicken ist sehr schwer. Außerdem war das Signal äußerst ungenau...», Aros stimme leierte sich langsam herrunter. Ein Mitglied des Rates meldete sich: « Herrschaften, vergesst nicht, dieses Jahr muss der Höllenstrahl gebannt werden, und wir haben imemr noch keine Feuerwächterin.» Ein anderer erhob sich und rief: « Vielleicht ist Cersia deshalb erschienen, um auf der Erde den Höllenstrahl zu banenn?» Ich hörte einpaar zustimmende Laute. Nein, das war zu einfach. « Nein, das glaube ich nicht. Ich vermute das Cersia Niobe entführt und sie im Höllenstrahl vernichten will.», äußerte ich meine vermutung. Aros und die anderen saßen schockiert aus. « Aber wieso sollte Cersia sowas tun? Und wie soll sie das unbemerkt geschafft haben?» « Nunja, ersteres ist einfach. Sie konnte nicht Danaes Reinkarnation werden und will jetzt Niobes Platzt annehmen. Hm, ich weiß auch nicht wie sie das geschafft haben soll. Aber jemand muss einfach auf die Erde!», schrie ich. Stille. « Nun.», sagte Aros leise. « Wieso gehst du dann nicht? Du sollst doch die beste der SKE sein. Miu kannst du ja auch mitnehmen.» Aros Ton war spöttisch. Ich schaute ihn funkelnd an. Dann wurde ich plötzlich ruhig. « Gut. So machen wirs.», sagte ich piepsig. Und damit war die Versammlung beendet. Ich schritt ohne wieteres raus und machte mich auf die Vorbereitungen.
Eine Mission zur Erde war kein leichtes Spiel.
Ich und Miu standen vor dem Tor und ich hatte ein kribbeliges Gefühl im Magen. Endlich zur Erde!
«... Anfangen werdet ihr am 12. Juni in Schottland mit eurer Reise. In Aberdeen in einem kleinen Hotel. Von dort aus werdet ihr nach Frankreich, Le Mans fliegen. Dort wurde Cersia gesichtet. In Le Mans habt ihr eine Woche Zeit, Cersias Spuren aufzusuchen und möglichst viel über ihren Aufenthalt zu erfahren. Euch wird ein kleiner Toyota zur Verfügung stehen, Ausweise und Führerschein habt ihr erhalten. Ein reserviertes Taxi wird euch in euer Hotel bringen. Alles soll möglichst nach Plan laufen.
Von Le Mans werdet ihr mit eurem Auto, das mit einem Navigationssystem ausgestattet ist, zur Küste von Berst fahren. Dort wird euch am 23. Juni eine luxuriöse, ja wir haben für Komfort gesorgt, Fähre erwarten, mit der ihr dann nach New York circa 5 Tage unterwegs seid. In New York werdet ihr 2 Tage lang in einem netten Hotel ind er Nähe von Manhatten bleiben und dort Letìcia Peres ausfindig machen. Sie wird mit euch nach Brasilien reisen und euch wie eine Reisebegleiterin bis zu Fortaleza begleiten, euer Endziel. Achja, Ihr fliegt am 1.Juli von New York nach Palmas, denn dort wurde auch ein Signal von Cersia aufgenommen. Von Palmas aus werdet ihr mit einem Jeep und Navi ausgestattet nach Fortaleza fahren. Viel Glück und kommt erfolgreich zurück!», erklärte uns Emitin und signalisierte den Torwächtern die Tore zu öffnen.
Ich und Miu gingen bereits in menschlicher Kleidung und Koffern durch das Tor. Auf der Erde hieß ich Natascha Pochkow und Miu Evelina Borjewitsch, wir sollten als russische Wanderer, die auf einer Weltreise waren, durchgehen. Die Sprachen der Menschen konnten wir alle, ja alle perfekt beherrschen. Ich und Miu hatten ja nicht umsonst den Menschenkurs gemacht!
Um uns herum wurde es ganz kurz blendend hell, doch dann ergoss sich alles im Licht einer frühen, sommerlichen Morgendämmerung. Es war so gegen halb Fünf und doch waren ziemlich viele Leute auf den Straßen von Aberdeen unterwegs. Ich nam einen tiefen Atemzug und genoss es, endlich wieder auf der Erde zu sein. « Mi-Evelina, wo ist die Stadtkarte?», fragte ich Miu auf russisch. « Ich glaube, in deiner Handtasche.» Sie schaute mich fragend an und ich fing an, in meiner schicken, kleinen, weinroten Handtasche von Dior rumzufummeln.
Ich tastete mich meiner Hand den Grund der Tasche ab und griff nach etwas, dass sich wie Papier anfühlte. « Moment...», murmelte ich und zog mühevoll das Papierteil aus der Tasche raus.
Ich entfaltete das zerknitterte Stück und ich und Miu begannen die Karte in allen Details zu studieren.
Was sollten diese gelben Linien dort bedeuten? Das sah nicht mal nach einer Karte aus!
« Hör mal», fing Miu an.» Wir sollten jemanden fragen, ok?» Ich nickte. Das war wohl das Beste. Ich schaute mich um und entdeckte eine ältere Dame die gerade aus einem englischen Taxi stieg und hastig an ihrem langen, lilanen Rockzipfel zog, der zwischen der Tür klemmte.
Gerade, als sie den Rock raus hatte, kam ich zu ihr rüber und fragte im gespielt gerbrochenen Englisch: « Entschuldigen Sie, wissen sie zufällig wo das Hotel «Little John» ist?»
Die Frau schaute mich überrascht an und zeigte mit ihrem pummeligen Zeigefinger über meine Schulter. « Gleich hinter Ihrem Rücken, junges Fräulein.» Ich drehte mich um und tatsächlich! Über einem schicken Eingang pragte in prächtiger Schnörkelschrift der Titel Lillte John.
Ich drehte mich um, um mcih bei der Frau zu bedanken, aber da ging sie auch schon eilig in die andere Richtung. Während ihre Schuhe laut auf dem Asphalt klackerten.
Ich lächelte.
Plötzlich spürte ich, wie mir jemand sanft auf die Schulter tippte und Mius freundliche Stimme sagte auf russisch: « Weißt du nun, wo das Hotel ist?»
Ich drehte mich grinsend um. « Komm mit!»
Nachdem uns eine freundliche Dame aus der Empfagshalle in unsere Zimmer ( Ich würde sogar sagen Suite) zugewiesen und uns unseren Zimmerschlüssel überreicht hatte, saß ich nun, frisch geduscht in meinem weißen, plüschigen Bademantel auf meinem gemütlichen Bett und wartete jetzt auf Miu, die sich jetzt nach mir wusch. Ich kämmte mir meine feuchten Haare und bewunderte das hübsche Zimmer mit den bodenlangen Bogenfenstern, die von goldenen Vorhängen umrandet wurden.
Schade, dass wir nur diese Nacht hierbleiben würden, aber wir hatten schließlich eine Mission zu erfüllen!
Plötzlich hörte ich, wie das Schloss im Badezimmer klick machte, und Miu, ebenfalls in einem Bademantel, mit rosigen Wangen rauskam. « Hey!», sagte sie lächelnd und setzte sich zu mir auf mein Bett. « Wann kommt Morgen, oh ich meinte Heute, unser Taxi, dass uns zum Flughafen fahren soll?», fragte sie mich. « Um circa 21 Uhr sollen wir mit Gepäck vor dem Hotel stehen.», beantwortete ich ihre Frage.
« Ich denke, wir sollten noch was schlafen.», fügte ich noch hinzu.
Miu schaute mich enttäuscht an. « Ich bin noch garnicht müde! Sollen wir nicht noch was essen gehen?» Ich weiß nicht ob es daran lag, dass ich selber nciht müde war, oder an ihrem hoffnungsvollen Blick, aber schließlich nickte ich.
Miu lachte: « Super! Ich geh mal nach unten und frag, ob man uns ein Restaurant empfehlen kann!»
Sie sprang freudig auf und rannte zu den Koffern rüber, um sich was zum Anziehen auszusuchen.
Ich beobachtete sie, während sie sich zwischen einer süßen, blauen Bluse und einem frechen gelben Top entschied.
Gegen 6 Uhr Morgens standen wir schließlich in der Eingangshalle.
Die Sonne war schon aufgegangen und strahlte frisch und munter auf die Straßen. Die Dame aus der Empfangshalle hatte uns ein indisches Restaurant empfohlen, dass hier in der Nähe war und Spice Dabba hieß. « Also ich hab etwas Geld eingepackt, dass sollte reichen.», sagte ich zu Miu, die dann nickte. Wir sprachen natürlich die ganze Zeit auf russisch.
Wir gingen schweigend durcj die Aleen und betrachteten aufmerksam und mit höchstem interesse die Häuder und Gebäude. An uns ging eine Gruppe von jugendlichen vorbei, die sich laut auf englisch unterhielt und schallend lachte.
So unbekümert und sorglos... naja, sie mussten auch schließlich keinen durchgeknallten Engel ausfindig machen.
Wir kamen im Restaurant an und aßen Sachen, die ich noch nie zuvor probiert hatte! Mal war es scharf, mal mild, einfach alles Mögliche!
Nach diesem wunderbaren Essen gingen wir gut gelaunt durch die Stadt, in verschiedene Läden und besuchten sogar den Puerto de Aberdeen, Aberdeens Hafen.
Es war ein wunderbarer Tag, so dass ich nicht mal merkte wie schnell die Zeit verging. Die Sonne stand schon mehr als tief im Himmel und ich fragte Miu: « Evelina, wie viel Uhr haben wir?»
Miu warf einen kurzen Blick auf ihre grüne Uhr und sagte: « Kurz nach halb 6. Wir sollten zum Hotel zurück.» Ich schaute nochmal in den Himmel. Wie schön er doch war! Einpaar einsame Wolken zogen im tiefen Blau des Himmels davon und erinnerten mich wieder an Senliragoth, meinen Himmel.
« Ja», seuftze ich schließlich. « Lass uns gehen.»
Wir schlenderten zum Hotel zurück, wofür wir fast eine ganze Stunde brauchten. In unserem Zimmer packten wir alles zusammen und begaben uns schließlich und total erschöpft ins Hotelrestaurant, wo wir zu Abend aßen. Langsam machte sich die schlaflose Nacht bemerkbar.
« Natascha, wir haben schon über 21 Uhr! Nimm deine Koffer und komm endlich.», sagte Miu aufgebracht, die schon vor der Zimmertür stand, während ich noch meine Schuhe anzog. 9 Centimeter hohe Pumps von Buffalo. « Moment, bin schon da!», murmelte ich, griff nach meiner Handtasche und rannte mit Miu runter in die Eingangshalle, wo schon ein Taxi auf uns wartete.
Wir stiegen ein und fuhren problemlos bis zum Flughafen von Aberdeen ( der wirklich riedig war), stiegen dann aus und bedankten uns für die Fahrt. « Siehst du den Eingang?», fragte ich Miu während wir unsere Koffer hinter uns herzogen.
« Ja, dort drüben!», sagte Miu und zeigte auf eine große, gläserne Tür, aus der die verschiedensten Menschen wie ein einziger Fluss ein und aus strömten.
Alles verlief seltsam problemlos, der Eincheck, die Gepäckabgabe, die Bordkartenausteilung und sogar der Zoll. Und schwups, saßen wir im Flugzeug in zwei gemütlichen, purpurnen Sesseln und schauten einen Film, der auf einem Bildschirm lief, der im Rücken der Sessel vor uns eingebaut war.
Einfach toll, hihi!
Der Flug dauerte cica drei Stunden, ich wusste es nicht genau. Als wir endlich aus dem Flughafen von Le Mans schritten, war ich ungemein überrascht. Eine warme brise wehte mir ins Gesicht, die Sonne strahlte mir freudig ins Gesicht, als würde sie Hallo sagen wollen.
Ich hatte natürlich davon gehört, dass es in verschiedenen Ländern verschiedene Klimen geben würde, aber es selbst zu erleben war was völlig anderes! An den Straßenrändern wuchsen einpaar hübsche, grüne Bäumchen und Menschen schlenderten in lockerer Sommerkleidung und mit Tüten aus verschiedenen Geschäften auf der Straße rum. « Sollen wir uns ein Taxi bestellen?», fragte Miu und auf ihrem Gesicht bildeten sich kleine Lachfältchen und ihre Mimik strahlte eine unglaubliche Schönheit aus. Eine Schönheit, die ganz anders war, als die, die ich bisher kannte!
Sie war unperfekt, strahlend, klar und deutlich und warm.
Genau so wie die Sonne, die wie ein Brilliant am tiefblauen Himmel funkelte. Und ganz ehrlich,
so einen klaren, blauen Himmel hatte ich schon lange nicht mehr gesehen.
In einem traumhaften 4 Sterne Hotel namens Mercure Le Mans Centre setzte uns der freundliche Taxifahrer ab. Ich fühlte mich ziemlich erscfhöpft und wollte so schnell wie möglich ins Bett.
Miu sah auch nicht anders aus als ich mich fühlte.
« Los, wir müssen an den Empfangstresen.», sagte ich zu Miu auf russisch. Keine Antwort.
Ich schaute mich um und... sah Miu am Empfangstresen. Ich sollte echt besser aufpassen! Ich ging mit unseren Koffern ( Tja, unsere Miu war wohl nicht schlau genug um ihren Koffer mitzunehmen!) zu ihr rüber und schaute den Herrn am Empfang an. Er hatte dunkelbraune Haare, die aus dem Gesicht gekemmt abstanden. Er gab uns die Schlüssel ( Miu hatte anscheinend alles geklärt, während ich rumgetrödelt habe) und zeigte auf einen Fahrstuhl mit goldener Tür.
Also schleppten wir uns zum Fahrstuhl, der dann voll war und wir 10 Minuten ( Ja, ZEHN Minuten!)warten mussten, bis wir schließlich einstiegen und bis zum 4 Stock fuhren.
Wir bekamen eine totalschicke Suit, mit zwei stöcken und nem Kamin und zu jedem Schlafzimmer gab es noch ein Bad ( Mal ehrlich, wo kriegen die im Himmel soviel Geld her?).
Der Geruch war seltsam, etwas Vertraut, aber das machte nichts. Also, mein Zimmer war oben, das war klar! Wir hatten in Le Mans gerade mal 9 Uhr Morgens, und schon spazierte die halbe Stadt den heißen Asphalt entlang. « Wie wärs wenn wir mal die Hotelnachbarn erkunden?», schlug Miu vor, immer noch den begeisterten Gesichtsausdruck aufgesetzt. « Klar... das Zimmer ist super, nicht wahr?», antwortete ich. Miu schaute aus dem Fenster und plötzlich leuchtete ihr Gesicht begeistert auf. « Lass uns doch zum Pool runtergehn! Das ist die beste Gelegenheit jemanden kennen zu lernen!»
Und sagt mir mal, wie kann man da nein sagen?
CERSIAS SPUREN
Miu beschloss, dass die Liegestühle auf denen sie und Rin gerade lagen, die gemütlichsten und schönsten Liegestühle der Welt waren. Ab und zu spritzen ein paar Tröpfchen Wasser von Pool auf ihre glühenden Oberschenkel, aber das machte ihr nichts aus.
Rin las gerade ein Buch, dass sie in ihrem Koffer gefunden hatte und Miu fragte sich, wie man an einem Pool nur sowas langweiliges tun konnte. Ich geh, und schwimm mal einbisschen, dachte Miu freudig und schwang sich von ihrem Liegestuhl. « Rin, ich geh mal kurz schwimmen.», informierte sie noch schnell ihre lesende Genossin und lief auf das Wasser zu, wobei sie jedes der französischen Nicht Laufen- Schilder schamlos ignorierte.
Und kurz vor dem Pool passierte es: ihr rechter Fuß rutschte auf einer Wasserpfütze aus und sie war drauf und dran, mit dem Kopf auf den Fliesen aufzuschlagen, als plötzlich eine starke Hand ihren Oberarm ergriff und sie auf wieder auf die Beine stellte. Überrascht schaute sich Miu nach ihrem Retter um. Und sie erblickte einen jungen, braun gebrannten Mann in einem hellblauen T-Sheart. Offensichtlich war er hier der Bademeister.
Er hatte hellbraune, dichte Haare und schöne, freundliche Augen, die kristallblau funkelten.
« Sie müssen vorsichtiger sein, junge Lady.», sagte er auf Frantösisch und lächelte.
Miu lächelte und antwortete ebenfalls auf Französisch: « Danke für die Rettung. Ich bin Evelina.Aber du kannst mich auch Lina nennen.»
Der junge Mann schien etwas überrascht, aber schließlich antwortete er:
« Ich bin Maxime. Bist du Ausländerin?»
« Ja, ich komme aus Rußland.»
« Für eine Russin sprichst du ziemlich gut Französisch.»
« Meine Mutter war Französin.»
« War?»
« Sie ist Tot.»
« Das tut mir Leid.»
« Ist schon lange her. Wollen wir was trinken?»
« Ich lade dich ein.», lachte er.
Miu lachte ebenfalls und bedachte dabei, dass das ein All-inclusive Hotel war, und folgte Maxime zur Bar. Sie unterhielten sich eine oder zwei Stunden, aber Miu schien es, als säßen sie gerade mal fünf Minuten auf ihren Barhockern.
« Du erinnerst mich an ein Mädchen.», fing Maxime plötzlich an und schaute sie nachdenklich an.
Miu schaute fragend zurück.
« Sie hatte pechschwarze lange Haare, sah zwar ganz anders aus als du, aber irgendwas habt ihr gleich.», murmelte Maxime und musterte Mius Gesicht.
Miu erstarrte augenblicklich. Pechschwarz? Genauso wie sie? Sie wusste, dass Cersia in Le Mans gewesen ist, aber wäre das Zufall wenn sie in diesem Hotel gewesen wäre?
Sie wollte gerade aufspringen und Rin sagen, was sie gerade gehört hatte, aber dann fielen ihr einpaar wichtige Fragen ein. « Maxime, wann hast du sie gesehen?», fragte Miu eindringlich.
Maxime schaute sie völlig perplex an. « Nicht lang her, vielleicht vor zwei oder drei Tagen.»
« Hat sie vielleicht gesagt, wohin sie als nächstes hin möchte?»
« Hm, nein... oder doch, ich glaub, äh, Amerkia oder so.», antwortete Maxime. Der Arme, ganz verwirrt.
Kein Zweifel! Cersia war hier gewesen, und wenn sie sich beeilten... nein, wenn das stimmte, was Maxime gesagt hatte, dann war sie wahrscheinlich schon unterwegs nach New York. Egal, sie durften keine Zeit verlieren. « Maxime, danke für alles, aber ich muss jetzt gehen.»
Maxime griff schnell nach ihrer Hand und fragte mit Hundewelpenaugen : « Werden wir uns wiedersehen?» Miu dachte nach. Wenn sie nach ihrere Mission auf der Erde weiterleben durften, dann würde sie aufjeden Fall nach Le Mans zurückkehren.
« Vielleicht.»
Und mit diesen Worten rannte Miu davon. Mit klopfenden Herzen, und ihre Haut kribbelte immernoch an der Stelle, Maxime sie berührt hatte.
Doch als Miu an den Liegestühlen ankam, war von Rin keine Spur. Warum gerade jetzt?
Nein, jetzt bin ich mir sicher. Ich hab mir da draußen einen Sonnenbrand eingebracht.
Ich wandte mich vom Spiegel ab und kramte in meiner Pinken ( Jap, Pink) Kulturtasche nach der Hautcreme gegen Sonnenbrand, und zog schließlich ein Mittelgroßes, braunes Fläschchen raus.
Ich tunkte meinen Zeigefinger rein und schmirte mir die weiße, kühle und wohlduftende Masse gleichmäßig auf meinen roten Rücken.
Ich hoffe, Miu macht sich keine Sorgen. Ich verschloss das Fläschchen und räumte alles wieder auf.
Ich hatte mir ein Hauskostüm angezogen, dass aus weißen, kurzen Shorts und einem weißen Tanktop bestand. Während ich mich auf das creme-farbene Sofa plumpsen lies, vergrub ich meine Zehen in dem Teppisch. Ich weiß nicht wieso, aber plötzlich musste ich an Cersia denken.
Ich sollte Sekunden später ehrfahren, warum. Denn in diesem Moment platzte Miu mit hochrotem Kopf herein in die Suit und rief: « Rin, dieser Typ am Strand hat Cersia vor drei Tagen gesehen und er hat gesagt, sie will nach Amerika.»
Ich sprang geschockt vom Sofa auf. Was? Cersia war hier in diesem Hotel gewesen? Vielleicht sogar in diesem Zimmer, dass würde den Geruch erklären. Ich sog in noch mal, diesmal tiefer, ein.
Stimmt, wie konnte ich nur so dumm sein!
« Miu, weißt du wo unser Auto steht?», fragte ich.
« Ja, in der Hotelgarage, es soll dunkelgrün sein.»
« Dann auf gehts!», ich rannte noch während ich diese Worte aussprach, die Treppe hoch, und schmiss alle meine Sachen achtlos rein.
Nach zwanzig Minuten standen ich und Miu vor der Hotelgarage, mit bepackten Koffern und schnell übergezogener Kleidung.
« Schnell, beeil dich!», sagte ich hastig und rannte zu einem kleinen, dunkelgrünen Toyota.
Es machte klick und das Auto war offen. Während Miu mir den Schlüssel übergab, stieg ich ins Auto und steckte den Schlüssel ins Zündloch. Miu packte die Koffer in die Garage.
« Fertig?», rief ich. « Jaah!», hörte ich Mius Stimme von hinten.
Sie stieg neben mich auf den Beifahrersitz und fragte:
« Sag mal, kannst du ünerghaupt Autofahren?»
Ich drehte den Schlüssel um, stellte den Hebel ein und grinste zu Miu rüber.
« Ist doch nicht so schwer.»
Und so rasten wir Straße für Straße entlang, wir machten keinen Halt, fuhren ohne was zu Essen, und ich hatte das Gefühl, gleich vor Hunger zu sterben.
« Kann ich bitte das Fenster aufmachen? Ich ersticke gleich.», stöhnte Miu, und ich war überrascht das sie unsere Heimatsprache benutze. Sie klang auf der Erde so rau und klumpig.
« Aber nur zur Hälfte.», sagte ich. Denn ich wollte auch sehr gerne, dass der kühle Fahrtwind die stickige Luft im Auto wegbläst, aber der Straßendreck und der Lärm, sprachen dagegen.
Aber da wir jetzt auf einer ruhigeren Strecke fuhren, konnten wir uns das erlauben. Bereits vier Stunden rasten wir, unser Navigator wies uns ab und zu auf eine Ausfahrt hin, aber sonst fuhren wir einen relativ langweiligen Weg.
« Rin, wenn unsere Buchung im Hotel in Brest erst in sechs Tagen ist, wo sollen wir dann schlafen?»
Daran hatte ich garnicht gedacht. « Ich weiss nicht, vielleicht fahren wir schon Heute mit der Fähre nach New York. Oder wir nehmen einen Flieger. Geld haben wir jedenfalls genug.»
Mius Gesicht nahm einen quengeligen Ausdruck an: « Aber ich hab mich doch schon so auf die luxuriöse Fähre gefreut.»
Ich auch, gab ich zu. Diese verdammte Hektik! Ich wäre doch so gerne noch was in Le Mans geblieben! Aber unser Aufenthalt hier hatte einen ungemein wichtigen Grund.
Wir hatten ein Ziel, und dass durften wir nicht aus den Augen verlieren. « Ich weiß, ich auch. Ich wäre am liebsten überall auf der Welt hingereist, wenn diese verdammte Cersia nicht wäre.»
Miu legte den Kopf auf ihre Schulter und Schloss die Augen.
Ich fuhr schweigend weiter. Nach circa fünfundzwanzig Minuten kamen wir in Brest an.
Ich machte an einem kleinen, schick aussehenden Restaurant halt und weckte Miu ganz vorsichtig.
« Hey, hast du Hunger?», fragte ich und Miu öffnete verschlafen die Augen. « Ja.», nuschelte sie und setzte sich auf. « Hast du einen Spiegel und einen Kamm?»
Ich lachte und warf Miu ihre Tasche rüber. « Da müssten beides sein. Ich geh schon mal rein.»
Und so aßen wir gemütlich und fuhren schließlich zum Flughafen von Brest.
Wir schauten uns die freien Flüge für Heute nach New York an. Der nächste kam erst in fünf Stunden!
« Was sollen wir jetzt machen?», stöhnte ich. Miu schaute mich mit listig funkelnden Augen an:
« Ich glaub, da hilft ein Raum-Zeitzauber.»
« Was?!» Meinte sie damit, dass sie die fünf Stunden vorverschieben wollte? Fünf Stunden waren ziemlich viel. « Gut, versuch es.», stimmte ich schließlich zu.
Miu konzentrierte sich und presste die Zeigefinger gegeneinander und murmelte einige Worte, die ich nicht verstand. Ich schloss die Augen und öffnetesie wieder. « Rin, sieh mal.»
Ich schaute auf die Abflugtabelle. Unser Flug ging in fünf Minuten. Ich erglühte vor Zorn. Hatte dieser Engel jeglichen Verstand verloren? Fünf Minuten, und wir hatten nicht mal die Koffer rausgeholt!
« Spinnst du?», schrie ich und rannte so schnell wie ich konnte zu unserem Auto.
Innerhalb dreißig Sekunden waren die Koffer raus und wir stürtzten uns zur Gepäckabgabe.
In unbeschreiblicher Eile kauften wir zwei Bordtickets, ein Wunder, dass noch welche übrig waren. Die mittelalte Blondine hatte uns mit ihren schwarz geschminkten Augen einpaarmal skeptisch Beäugt, uns jedoch nach ein Paar peinlichen Fragen und ziemlich wiederstrebend die Bordtickets überreicht.
Tja, sie hatte ja auch keine Ahnung.
Ich rannte keuchend und mit letzter Kraft von Gate zu Gate und streifte allepaar mal die Schulter eines Passanten, der dann ein ärgerliches «Ah!» ausstieß.
Ich hörte Mius rasselnden Atem hinter mir und schließlcih japste sie: « Warte!»
Einige Menschen drehten sich überrascht um, denn vor lauter überanstrengung hatte Miu auf der himmlischen Sprache gesprochen.
Ich ließ ihr einpaar Sekunden zu Atmen, dann begaben wir uns in Gate 12 in unseren Flieger.
Endlich saßen wir in den gemütlichen Sitzen der First Class ( Miu wollte die als Entschädigung für unsere verpasste Luxusfähre) und ich wollte gerade gierig nach dem Apfelsaft greißen, den mir die hübsche, kleine Stewardess gerade gebracht hatte, als ich Miu leise meinen Namen sagen hörte.
« Rin»
« Ja?»
« Wie sollen wir eigentlich die Frau aus Brasilien finden? Und wo sollen wir schlafen, unsere Hotelbuchung ist doch erst in einer Woche?
Weisst du dass unsere hart aufgebauten Pläne gerade dabei sind, einzustürzen?
Ich hab keine Ahnung, was wir machen sollen, ich w-»
«Miu!»
In Mius zart blauen Augen bildeten sich zwei Krokodielstränen, die dann wie Perlen einer Meeresprinzessin von ihrer Wange hinunter kullerten.
Miu fasste sich überrascht mit ihren Fingerspitzen an die schimmernde Tränenspur.
Ich wusste was sie gerade dachte.
Wann hatte sie das letzte Mal so geweint?
Wann hatte sie das letzte Mal so einen Gefühlsausbruch gehabt?
Und als Miu begriffen hatte, fingen die Tränen an, wie Flüsse und unaufhörlich aus ihren Augen zu fließen. Sie weinte und weinte. Weinte sich all ihren Kummer und ihre Sorgen von der Seele. Und zwar in meinen Armen.
Die Stewardess kam und fragte, ob sie helfen könnte, aber ich lehnte ab.
Und irgendwann schlief die Arme zum Glück ein.
Und nach und nach fielen auch mir die schweren Augenlider zu...
27 DAGREES
«...liegt bei angenehmen 27 Grad. Außenlufttemperatur 12 Grad. Ich wiederhole, wir landen in Kürze und ich bitte Sie, sich anzuschnallen.
Vielen Dank.»
Ich hörte gerade noch, wie die monotone Frauenstimme ihr Durchsage beendete und riss mühevoll meine, wie zugeklebten, Augen auf.
Und schaute in Mius nahezu strahlendes Gesicht. « Na, bist du endlich aufgewacht?»
Ich räusperte mich, um den Klumpen im Hals wegzubekommen und sagte:
« Wir landen gleich.»
Ich machte das, was alle Frauen höchstwarscheinlich in meiner Situation tun würden.
Ich fuhr mir einpaarmal mit den Fingern durch die Haare und strich mir die Kleidung glatt. Unteranderem auch mein Jeansmini von Prada ( Achtung, zum Reisen höchst ungeeignet!) auf dem aus verschiedenen Edelsteinen ein Blumenmuster gestickt war.
Noch eine letzte Schicht Lipgloss, Coral Rosè von L'Ancòme, ein letzter Check, ob alles gepackt war und ich schnallte mich an.
Miu saß schon aufgeregt und angeschnallt in ihrem Sessel. « Landungen machen mich immer ganz hibbelig.», war ihr Argument.
Nach der Landung verabschiedeten sich die Stewardessen von uns und das Erste, was mich in New York überfuhr, war ein Hitzeschwall.
Wir sammelten unsere Koffer beisammen, gingen noch durch einen letzten Sicherheitscheck und waren schließlich frei.
Oder eher völlig unbeholfen und ausgesetzt. So standen wir, desorientiert, wie zwei dumme Fremede vor dem Flughafen von New York.
New York war garnicht zu vergleichen mit Le Mans, hier war keine einzige Palme, sondern lauter Hochhäuser und die Menschen schienen in unbeschreiblicher Hast zu gehen.
Oje.
« Wir brauchen jemanden der sich auskennt hier!», schlussfolgerte ich. « Jemand, der genau weiß wo man ist. Ein echter New Yorker muss er sein und man muss ihm auch vertrauen können. Am besten jemand, der keine Fragen stellt-»
Miu unterbrach mich: « So wie die?»
Miu zeigte begeistert auf eine Gruppe New Yorker Jungendlicher, alle lachend um ein Auto versammelt.
Klasse, ein Haufen unzurechnungsfähiger Idioten, die nach wehrlosen Mädchen suchen oder dauernd Parties schmeißen, das sind... genau die, die wir brauchen!
Ja, genau die!
Ich schmunzelte bei der Vorstellung, dass ein Engel gerade dass tun sollte, was ich im Kopf hatte. Und zum ersten Mal bereute ich es nicht, die schicken Riemchenhigheels von Burberry angezogen zu haben.
Ich grinste Miu vielsagend an. Mius Augen weiteten sich doch dann erschien auf ihrem Gesicht das gleiche Lächeln wie auf meinem.
« Nur zu, lass mich das machen.» Und mit diesen Worten streckte Miu ihre umfangreiche Brust aus, zog was Lipgloss auf und räusperte sich, um keine raue Stimme nachher zu haben.
Und so stolzierte sie mit marinblauer Louis Vitton Tasche, Chanel Minikleidchen im zarten Elfenbein, geschmückt mit einem exklusiv Schmuckset von Gucci und an den zarten Füßen marinblaue Highheels mit Keilabsatzt, natürlich mit Diamanten.
Tja, ein echtes Luxus-Girl eben.
Die Jungs schauten schon bevor sie bei ihnen war.
Miu raffte sich unauffälig das Kleid zusammen. Sie sezte ein strahlendes Lächeln auf und sagte mit ihrer süßen Stimme: « Hi!»
Die Jungs verstummten augenblicklich. Ihnen gefiel was sie da sahen, und Miu wusste das.
« Hey.», sagte ein blonder, ziemlich süßer Junge mit blassen Sommersprossen im Gesicht.
Miu fuhr sich spielerisch mit den Fingern durch die Haare, wobei sich die Augen der Jungen noch mehr weiteten.
Aber der Blonde blieb cool.
« Sieht lustig bei euch aus, ihr seit wohl die Aufreißer von New York.»
Einige waren überrascht von dem plötzlichen Hohn in Mius Stimme.
« Nun ja, einige schon.»
Blondies Augen funkelten jetzt auch etwas böse.
« Hm. Da könntet ihr wohl unmöglich nein zu einem hilflosen Mädchen sagen.»
Der Blonde und seine tausend Kumpel lachten laut auf.
« Hilflos? Du? Wo ist dein Cheffeur?»
War das eine Anspielung auf Mius Markenkleidung?
« Er ist leider ertrunken.»
Die Typen hoben die Augenbrauen. Miu beschloss, dass es Zeit war, Ernst zu machen.
« Eigentlich brauchen ich und meine Freundin Hilfe. Wir sind Neu hier und kennen uns nicht so gut aus.»
« Na wenn das so ist, können wir... obwohl... Mike?»
Der Sommersprossige drehte sich zu einem Dunkelhaarigen Typen hinte sich um, der gerade eine SMS tippte und flüsterte etwas.
« Wir wollten mit unseren Freundinnen gerade auf einen Schulball.»
Oh. Miu schaute auf sie herab und bemerkte, dass sie allesamt in Smokings waren. Heiß.
« Schade.»
Sie versuchte es ein letztes Mal mit ihrem Hundeblick.
Ha! Der Blonde wankte und fragte schließlich:
« Wohin wollt ihr?»
« In ein luxuriöses Hotel am besten.»
« Achwas, ein Hotel?»
Diese Stimme, die zischende Stimme einer eifersüchtigen Freundin, war neu.
Miu drehte sich etwas verwirrt um und ihre Ohren hatten ihr die Wahrheit gesagt.
Vor ihr standen ein Haufen Mädels, allesamt schick angezogen.
Die, deren Stimme sie gerade angefaucht hatte, stand arrogant und mit funkelnden Augen vor ihr. Sie hatte mittellanges Haar mit Pony, dass Blond gefärbt war.
Und ein wunderschönes Kleid. Bei dem Anblick des Kleides wurde Miu halt eben Miu und quiekte aufgeregt: « Oooh, was für ein schönes Kleid!»
Der falschen Blondine fielen die Augen aus dem Kopf.
Natürlich, vermutlich war ein Kompliment das Letzte, was sie nach so einer fiesen Bemerkung, erwartet hatte.
Sie stieß ein hochmütiges Pfft aus und klammerte sich an den Blonden, der Miu entschuldigend ansah. Miu lächelte freudig zurück.
Das einzige, woran sie dachte, war wo sie sich so ein Kleid besorgen könnte.
Ich wippte ungeduldig mit dein Füßen.
Wie lange sollte das denn noch dauern? Und jetzt sind da auch noch Mädchen hinzu gekommen! Das reicht, ich geh rüber!
Ich wusste genau, das ich meine abschreckend genervte Miene aufgesetzt hatte, aber das war mir egal.
Ich packte die verträumte Miu ( damit hätten wir auch die Frage ihrer Zuverläßigkeit geklärt) und sagte: « Tut mir Leid, euch belästigt zu haben.»
Ich achtete nicht mal auf die anderen. Ich zog die wortlose Miu einfach erbarmungslos hinter mir her. « Wartet!»
Ich drehte mich abrupt um. « Wir können euch in ein gutes Hotel bringen-», seine Freundin, mit blodem Pony, schaute entsetzt. « Ist schon gut, Leslie... Also, wir könnten euch hinbringen.» Der Typ mit den Sommersprossen lächelte unsicher.
Nein, war das niedlich! Miu musste im einiges an den Kopf geworfen haben, dass er uns diesen Vorschlag machte.
Ich lachte geschmeichelt. « Oh, vielen Dank. Aber wir möchten nicht stören.»
« Nein, nein, das würdet ihr nicht. Mike würde euch gerne hinfahren. Stimmts, Mann?»
Der Dunkelhaarige, offensichtlich bekannt unter « Mike» schaute überrascht auf.
Jetzt bemerkte ich, wie schön sein Gesicht war.
Der Typ kam mir irgendwie bekannt vor, wieso nur? Egal.
« Öhm, ja. Wieso nicht. Da müsste Jess auch mitkommen, ich kenn den nähmlich kein Hotel.», murmelte Mike und wippte etwas nervös mit den Fingern.
Was hatte Miu blos zu denen gesagt?
Ein braunhaariger Junge, höchstwahrscheinlich Jess, kam aus dem hintergrund hervor und grinste uns an.
« Naklar, wenn ich den Ladies helfen kann.»
Miu kicherte, ich lächelte schwach. Was für nette Typen. Einpaar meldeten sich erbost und behaupteten, auch mitkommen zu wollen und das dass nicht fair sei.
« Jo, mann beruhigt euch, ja? In Mike's Auto ist genug Platzt!», bemerket der Blonde lachend. Die Mädels waren schon am weggehen, offensichtlich genervt.
Leslie jedoch grinste fies: « Wie wär's, wenn wir alle mitkommen. Der Ball fängt doch erst in einer Stunde an.»
Dachte sie, wir würden ihr den Freund ausspannen wollen? Tja, Süße, unser Auftrag lautet ganz anders.
Die Bande nickte zustimmend, dann fragte Leslies Freund:
« Wie heißt ihr eigentlich?»
« Ich bin Ri- Lina.» Ich lachte nervös.
« Ich bin Miu!» WAS?!?! War sie wirklich so bescheuert?? Und- O mein GOTT, sie lacht auch noch. Ich versuchte, nicht entsetzt zu gucken.
Eine schwarze mit langen Rasterhaaren sagte:
« Genauso wie die Marke Miu Miu! Wie süß.»
Beide Mädchen kicherten los, die anderen fielen ein.
Der Blonde hieß, wie sich herausstellte, Drake, und als sie ihre Koffer in den Wagen von Mike gepackt hatten, fuhren wir los.
Auf dem Weg unterhielten wir uns prächtig. Über alles mögliche. Mike erwies sich als ein Junge mit unschlagbarem Humor.
Im ernst. Der Typ war sogar witziger als Yuna! Yuna... was machte sie gerade? Schaute sie uns zu? Hatte sie mich vergessen? Wusste sie wo wir waren, hatte sie überhaupt gemerkt, dass wir schon seit über 100 Jahren weg waren?
Ich wollte plötzlich weinen.
« Hey», sagte Mike. « Ich kenn ein gutes Hotel im Central Park. The Ritz-Carlton, schweine teuer, aber es ist das Geld wert.»
Miu schaute Mike begeistert an. Sie war ganz in ihrem Element, Luxus war ihr zweiter Name. « Jajaja! Bring uns dort hin.»
Alle lachten.
Noch nie hatte ich mich so wohl gefühlt, so willkommen. Wir kamen im Hotel an.
Mike und noch so n' anderer Kerl names Taylor trugen unsere Koffer rein.
Der Mann an der Rezepzion, wurde viel freundlicher, als er die Zahlen meiner Kreditkarte sah. Ich buchte die größte Suit für circa eine Woche.
Jess und Drake hoben ungläubig die Augenbrauen. « Seid ihr irgendwelche Fürstinnen oder so?»
Ich und Miu kicherten. « Fast.»
Jasmine, die mit den Rasterhaaren, sagte: « Hey Leute, wie wär's, wenn wir statt dem öden Ball lieber eine Party in Miu`s Suit machen?»
Die Mege johlte zustimmend auf.
« Auja! Nur zu.»
Und damit war es klar. Eine große Party würde in unserer Suit steigen. Wie aufregend!
Puh, und ihr wollt wirklich wissen, was da passieren wird?
Scheiße, scheiße, scheiße!
SÜNDEN&KOPFSCHMERZEN
Autsch. Nein, geht weg. Diese Kopfschmerzen sollen weggehen... ah, nicht zum aushalten. Ich schlug die Augen auf und atmete tief durch. Hm, wo war ich?
Ich lag... oh nein, nein nein!
Ich lag auf einer ziemlich durchtrainierten, nackten männlichen Brust, und, scheiße, umklammerte diese auch noch. Ich hatte doch nicht...?
Ich sprang erschrocken auf und riss die Decke gleich mit von dem großen, geräumigen Bett. Was hatte ich gestern getan?
Ich konnte mich erinnern. Ich hab sowas komisches, ekliges getrunken... stimmt, im Menschenkurs hatte man uns darüber informiert. Alkohol.
Aber ich konnte mich erinnernm, dass heißt, dass es nicht so schlimm war.
Mike schlug seine wudnerschönen Augen auf. Hach, er und sein Körper waren einfach zum Anbeißen! Mit erleichterung stellte ich fest, dass er noch seine Boxershorts anhatte.
Mike lächelte. « Morgen», murmelte er noch veschlafen und dann lachte er.
Und schaute mich an.
Was war los? Ich schaute an mir herrun- OHMEINGOTT.
Ich kniff die Augen ganz fest zusammen und betete an Gott, dass er mir dass bitte vergeben würde. Das war's, adieu Lieber Himmel.
Im Ernst ichwar echt der beste Engel überhaupt:
1.Ich bin faul.
2.Ich klaue Süßigkeiten.
3.Ich verdrehe Jungs den Kopf.
4.Ich betrinke mich auf Parties.
5.Und der Höhepunkt: ICH WACHE MIT FREMDEN MÄNNERN IN EINEM BETT AUF.
6.Und dass in unglaubich reizvoller Unterwäsche.
Ja, ok. Ich mochte hübsche Unterwäsche. Ja, auch mit String. Aber hatte nicht vor, sie jemandem zu zeigen!! Ehrlich. Ok, schwer zu glauben, nach den oben aufgezählten Stichpunkten.
« Alles in Ordnung?» Mike sah jetzt besorgt aus. Ich errötete. Doch dann nickte ich und setzte mich zu ihm aufs Bett.
Also, nach dem ich getrunken hatte, hab ich angefangen zu tanzen. Und dann hab ich mit Mike rumgeknutscht. Hmm, er ist ein guter Küsser! Und dann hat er mich zum Bett gezogen... und...
« Wir haben nicht mit einander geschlafen, falls du das wissen willst.»
Ich schaute Mike an. Seine unglaublich verständnissvollen Augen! Mhhhmmm!
Ich lächelte. « Nein, ist schon gut.»
« Ok.» Er lächelte auch und fuhr mir sanft mit den Fingerspitzen über den Rücken, was Gänsehaut auf meinem Körper auslöste.
Ich konnte nicht anders. Bitte, Aros, Salomo, Emitin, ihr alle im Himmel, vergebt mir bitte! Ich warf mich in Mike's Arme und er küßte mich vorsichtig.
Ganz langsam setzte er sich auf, umschlang mit seinen Händen umsichtig meinen Rücken und flüsterte: « Weißt du, du bist mir schon gestern aufgefallen.»
Ich schloss die Augen.
« Ich wusste gleich, dass du was besonderes bist.»
Ich lächelte.
« Ich weiß jetzt, dass ich für immer bei dir bleiben werde.»
Dass war das Schlagwort. Ich riß mich los. « Mike, es ist etwas komplizierter.»
« Was? Ab-» Mike wurde von einem markerschütternden Schrei unterbrochen.
Ein langer, gedehnter Schrei.
Ich fuhr erschrocken zusammen. Ich schnappte mir schnell ein Bademantel aus dem Bad und rannte hiunter und erblickte eine in Tränen zerflossene Leslie und einen total überrumpelten Drake.
« WIE KANNST DU NUR, WIE KANNST DU NUR?!?!»
« Leslie, es tut mir leid, aber-»
« DU VERRÄTER!»
« Beruhige dich bitte...»
« ICH HASSE DICH!»
« Leslie... Au!»
Leslie fing an, auf Drake einzuschlagen. Ich sah Brook, eine kurzhaarige kleine Brünette gerade aus der Küche kommen und fragte sie, was passiert sei.
« Aaach, Drake hat mit Leslie schluss gemacht.», sagte sie gleichgültig.
« Wieso?»
Brook seuftzte und setzte sich mit ihrem Capuccino in einen Sessel, der in der Nähe stand. Ich plumpste mich auf das Sofa daneben.
« Nunja, Leslie hat gesehen, wie Drake Miu geküsst hat.»
« WAS?»
« Tja, er hat behauptet, seine wahre Liebe gefunden zu haben.»
« Omeingott...»
« Tja, jetzt rastet Leslie aus.»
Ich schwieg. Gerade das hatte uns noch gefehlt. Liebesbeziehungen.
Ich hörte wie irgendwas zerbrach und sah die aufgebrachte Leslie aus der Suit stürmen.
Kurz darauf erschien Miu zögerlich. « Ist sie weg?», fragte sie.
« MIU.», schrie ich und winkte sie zu mir. « Ja?», sagte sie unschuldig.
« Was hast du dir dabei gedacht! Mit Drake, wo er doch eine Freundin hatte.»
« Meinst du, dass ich mit Drake geschlafen hab?»
« Oh mein GOTT!!!»
Miu verstummte augenblicklich und errötete.
« Schrei doch nicht so.», flüsterte sie. Ich atmete tief durch.
« Außerdem hast du mit Mike-»
« Ich hab garnichts, okay?!»Ich stöhnte. Ich musste mich beruhigen. Leise lief ich rauf, ohne die anderen eines Blickes zu würdigen.
Hastig kramte ich aus meinem Koffer ( zum Glück unberührt) eine Jeans von Burberry und ein grünes Longshirt von EdHardi raus, schnappte mir meine Kulturtasche und ging ins Bad
Den Schweinestall, den wir angerichtet hatten, bemerkte ich erst, nach dem ich frisch geduscht und angezogen unten in der Suitküche erschien, wo Jasmine und Jess gerade Frühstück machten.
« Morgen.», sagte ich.
« Morgen.»
Ich setzte mich unsicher an den riesigen Essenstisch, wo Miu, Mike, Drake, Brook, Taylor und noch paar andere bereits Frühstückten.
Fröhlich kam Jasmine zu mir herrübergetänzelt und fragte: « Omellette oder Lachsbrot?»
Ich wählte beides, ich war ziemlich hungrig.
Miu hatte mit Drake geschlafen. Sie hatte ihre Reinheit besudelt. Sie würde nicht in den Himmel zurückkehern dürfen. Erst nach ihrem Tod.
Sie würde leben. Jetzt bereute ich es, nicht mit Mike geschlafen zu haben. Betrunken wäre das bestimmt einfacher. Ich seuftzte.
Nach dem Frühstück bestellten wir Zimmerservice, sie sollten das Ganze aufräumen.
Brook und Taylor verabschiedeten sich mit einem großen Dankeschön für die Party.
Die anderen gingen auch, nach und nach.
Übrig blieben ich und Miu. Und Mike und Drake.
Gerda saßen die beiden vor dem Fehrnseher und zappten lachend durch die Kanäle.
Miu las eine Modezeitschrift namens Vogue, die sie unten am Kiosk gekauft hatte.
Liebte ich Mike?
Ja. Ich liebte ihn. Ich konnte mir garnicht vorstellen, ohne ihn in den Himmel zurück zu kehren. Ich würde so allein sein.
« Rin!», sagte Miu erschrocken. Ich hatte garnicht bemerkt, dass mir die Tränen kamen.
Ich wischte sie mir schnell weg.
« Los, Miu. Wir werden die brasilianische Frau suchen.»
« Wie hieß sie nochmal?»
Miu und ich saßen gerade im Central Park, Mike und Drake waren gegangen, aber vorher hatten sie uns ihre Handynummern gegeben.
« Letìcia Pères!», kam es von Miu wie aus der Pistole geschossen.
Ja, diese Letìcia. Wie zum Henker sollten wir sie finden.
Miu schlug vor, zur Polizei zu gehen und dort nachzufragen. Ich willigte ein, ich hatte nähmlich keine bessere Idee.
Bei dir Polizei sagte uns ein schwarzer Cop im mittleren Alter, dass er, sobald er die Frau gefunden hatte, sich bei ihnen melden würde.
Wir hinterließen Namen und die Nummer unseres Hotels und schlenderten dann ziellos durch die Straßen.
« Weißt du, ich hab langsam das Gefühl, dass wir Cersia nie finden werden.», murmelte Miu.
« Ach was, dass werden wir schon schaffen!»
Wir schwiegen. Ich schien Miu nicht besonders aufgemuntert zu haben. Wir gingen in Geschäfte wie Louis Vitton, Gucci, Tally Wu und in zahlreiche andere überteuerte Botiquen. Natürlich um uns zahlreiche, überteuerten Sachen zu kaufen. So gingen wir in Sonnenbrillen von Miu Miu und mit circa 100.000 Shoppingtüten durch New York, wie echte City-Girls halt eben.
Um halb Zehn Uhr Abends trafen wir dann völlig erschöpft in unserem Hotel ein.
Ich fragte an der Rezepzion, ob jemand für uns angerufen hätte. Anscheinend nicht.
Und so warteten wir auf den Anruf.
Zwei Wochen vergingen wie im Flug, wir verloren uns in New York, ja wir mussten uns FÜNF zusätztliche Koffer kaufen, um die ganzen neuen Sachen unerzubringen.
BITTER-SÜßE KÜSSE
In der Mitte der zweiten Woche kam Mike mich schließlich Besuchen. Tief in mir wusste ich , dass das kommen würde. Aber was hatte ich erwartet, dass er mich einfach so vergessen würde? Nein, ganz bestimmt nicht.
Ich hatte gerade mal ein BH und kurze, weiße Shorts an, als ich ihm die Tür aufmachte und er lächelnd sagte: « Ich hatte gehofft, dass du noch da bist.»
Ich konnte nicht lächeln.
« Komm rein.» Er zog die Schuhe aus und ging zu mir rüber.
« Ich dachte, ich seh dich nie mehr wieder.»
Das wirst du auch nicht, dachte ich und mir stiegen Tränen in die Augen.
Er nahm mich vorsichtig in den Arm. Nein, schrie es in mir. Hör auf, hör auf dass es weh tut! Dieser unbekannte, herzzerfressende Schmerz war nicht mit dem bisschen Kopfweh zu vergleichen.
Ich schluchtzte in seinen Armen laut auf, als er mich auf den Kopf küsste.
Miu war gerade einkaufen. Was für ein Zufall.
Er hob mein Kinn ganz vorsichtig an und schaute mir ernst in die Augen.
Nein, lass den Schmerz aufhören!
« Wieso weinst du?», fragte er, worauf hin ich nochmal aufschluchtzte.
« We-e-ehiil I ii chh we-e-erdddee diih-ii..»
Und er küsste mich. Ganz plötzlich, waren seine Lippen auf meinen und stahlen mir die Worte. Er drückte mich an sich, ganz fest.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir dort standen, aber irgendwann löste er sich keuchend von mir und flüsterte: « Lass uns... oben..»
Mehr brauchte er auch nicht zu sagen, denn er zog mich bereits die Treppe hoch.
NEIN. NEIN. Und dann... sagte eine ganz leise Stimme in mir Ja.
Er drückte mich aufs Bett und zwischen seinen bittersüßen Küssen ( die nach salzigen Tränen schmeckten, lecker) tastete sich seine Hand ganz vorsichtig an meinen BH-Verschluss an und dann- klingelingelin. Das Telefon. Ich drückte ihn von mir, der Arme, ganz verwirrt. Ich rannte ans Telefon.
« Hallo?»
« Hallo, hier spricht Roger Villis, von der Polizeistation. Wir haben Letìcia Pères gefunden.»
Ich rannte mit meinen Koffern runter.
« Ich verstehe nicht, wieso musst du noch einmal gehen?», fragte Mike verwirrt.
« Anruf. Meine Tante in Brasilien ist im Krankenhaus. Muss zu ihr gehen.», sagte ich hastig, während ich die Treppe nochmal hochrannte, um das Handgepäck zu holen.
« Und wann kommst du zurück?»
Ich hielt inne. Dodom. Ja, wann komm ich zurück? Ich meine, was soll ich sagen?
Tut mir leid, aber wir werden uns niewieder sehen.
« Ich weiß nicht. Ich ruf dich an.»
Nein, dass mach ich ganz bestimmt nicht. Er schwieg. Die Tür piepte zweimal, als Miu mit neuen Einkaufstaschen die Suit betrat.
« Hey Rin, rat mal was ich-», sie hielt inne als sie das ganze Gepäck und Mike sah.
« Was ist los?»
« Erklär ich dir später.», sagte ich und schob Mike zur Tür hinaus.
« Rin? Heißt du so? Und- hey, warte!», sagte er, als ich ihn die Tür hinaus schob.
Ich bin so schrecklich!
« Tut mir leid, du musst gehen.»
« Rin?»
« Tschüss!», ich versuchte die Tür zuzuschieben.
« Warte! Was soll das? HEY.»
Oh nein, nein. Komm her! Ich will dich in meine Arme schließen, die küssen, für immer für dich da sein, ICH LIEBE DICH.
« Ich liebe dich.», sagte er.
Mir stockte der Atem. Nicht weinen! NICHT weinen.
« Ja, ich heiße Rin.»
« Sag mir, wann du wieder kommst.»
« Bald.»
« Bald?»
« Lass mich in ruhe!», brüllte ich, in der Hoffnung, ihn zu verjagen.
Er lachte nervös, versuchte seine Verlegenheit zu überspielen.
« Aber Rin...»
« Nenn mich nicht so. ICH HASSE DICH.» Für diese Worte werde ich mich immer hassen. Für immer.
Die letzte Hoffnung erlosch in seinen Augen. Er stammelte etwas. Nein, das ging zu weit.
Ich werde ihn jetzt umarmen und mich entschuldigen. Wir werden heireaten und ganz viele süße Kinder kriegen.
Ich schlug die Tür mit einem Knall zu, bevor ich es mir anders überlegte. Sein trauriges Gesicht. Seine wunderschönen Augen. So, wie er da hilflos stand. Nein, nein, nein.
« Rin?», fragte Miu ganz vorsichtig.
Ich drehte mich wortlos um, um die Koffer vorzubereiten. Ich konnte nicht Sprechen. Ich hatte Angst, wenn ich auch nur einen Ton ausstieß, würde ich in unendliche Tränen ausbrechen.
LÌTICIA PÈRES
Ein Page trug ihnen die Koffer runter. Nein sogar zwei Pagen. Sie hatte kein Wort mit Rin gesprochen, seit sie Mike angeschrien hatte.
Sie hasste ihn nicht wirklich. Das hatte sie gesehen. Und das hatte Mike auch gesehen.
Mit ihr und Drake war nichts Ernstes. Sie hatte ihn vor einer Woche angerufen, und gesagt, dass sie ihn nicht liebt.
Sie einfach hatte zuviel Alkohol getrunken und einfachso mit ihm geschlafen.
Tja. Rin bestelle ein Taxi. Es würde in 15 da sein. Der Cop namens Roger hatte ihnen die Adresse gegeben. Die Adresse dieser brasilianischen Frau.
Sie wohnte irgendwo in Queens, oder so. Miu hatte sich das nicht gemerkt. Gerade kam ihr Taxi an. « Ich geh schon mal vor!», sagte Miu und rannte aus dem Hotel raus.
Am Eingang stand einvöllig aufgelöster Mike. Oh nein.
Sie würde ihn ablenken müssen.
« Hey Mike.»
« Hallo Miu.»
« Suchst du Rin? Sie ist dort vorne einen Kaffee trinken gegangen.»
Eine Lüge. Aber das würde reichen, damit Mike Rin nicht sah. Mikes Gesicht hellte sich schlagartig auf.
« Oh, danke Miu!» Und er rannte davon. Miu hatte schlechtes Gewissen, aber es war besser so.
Sie winkte Rin zu, dass sie sich beeilen sollte. Sie hechtete den Taxifahrer an: « Los, beeilen sie sich mit den Koffern!» Und drückte im ein Fünfzigdollarschein in die Hand.
Nach drei Minuten war alles drinnen. Rin stand wie in Trance.
« Los, Rin sonst sieht dich Mike noch.»
« RIIIN!» Zu spät! « Na los!», hetzte Miu Rin weiter.
Sie schubste sie unsanft ins Auto, setzte sich und schlug die Autotür gerade noch rechzeitig zu, denn schon hämmerte Mike gegen die zum Glück getönten Fenster.
Denn aus Rins Augen flossen stumme Tränen.
Miu konnte nicht mehr. « Nun fahren Sie schon!», schrie sie den Fahrer an.
Der gab vollgas, und so ließen sie Mike allein zurück.
Und Rin und Miu wussten beide, dass sie ihn nie wieder sehen würden.
Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Ich konnte nicht. Ich weinte schon nun so lange, dass mir die Tränen garnicht mehr auffielen.
Mein Kopf war Richtung Fenster gedreht, so dass Miu mich nicht sehen konnte.
Aber ich wusste, dass sie wusste, dass ich immernoch weinte.
Wir waren nach circa 1 Stunde schon da, glaub ich. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken schwemmten immer wieder in meine Fantasie über, wo ich in Mikes Armen war. Glücklich.
Ich stolperte einmal als ich aus dem Auto stieg. Miu bezahlte, und nun standen wir mit unseren sieben Koffern vor einem kleinen, braunen Haus.
Miu packte mich aufeinmal ernst an der Schulter und sagte:
« Hörmal Rin, ich kann dich verstehen. Aber wir haben einen Auftrag. Einen ungemein wichtigen sogar. Also, konzentrier dich bitte, ja?!»
Sie klang gereitzt. Aber sie hatte Recht. Ich lächelte aufrichtig. Du hast Recht, Miu.
« Okay.»
Wir ließen unsere Koffer stehen, diese Gegend war so menschenleer, es war unwahrscheinlich dass irgendjemand etwas klaute. Wir gingen über einen geplasterten Weg, das Gras zu unseren Seiten war mindestens 30 centimeter hoch gewachsen, hier und dort standen einpaar Bäume und es wuchsen Blumen im Gras.
So idyllisch hier. Die Sonne schien und ich fühlte mich verraten.
Wie konnte etwas an so einem schrecklichen Tag so unbesorgt und harmonisch aussehen?
Meine Gedanken wurden von Kindergeschrei unterbrochen. Vor dem Haus stand ein kleiner Tisch, auf den eine dunkelhäutige, ältere kleine Frau gerade einen Suppentopf stellte.
« Na los, Kinder. Es gibt Essen!», rief sie dem kleinen Jungen und den zwei etwas älteren Mädchen zu, die dann kreischend auf den Tisch zurannten.
Die Frau lachte. Dann bemerkte sie uns und ich lächelte unsicher. Die Frau lächelte zurück. « Buonas dias, meine Mädchen. Wie kann ich euch helfen?»
Ich bemerkte, dass in den dunklen Haaren der Frau einige graue Strähnen waren.
« Ähm, wir suchen eine Lìticia Pères.», sagte Miu.
« Ah, Letti also. Naja, LETÌCIA, BESUCH!»
Miu und Rin zuckten leicht vor der lauten Stimme der Frau zusammen. Warte, wie hatte die Frau Letìcia gerade genannt? Letti?
Ich hörte einpaar tappende Geräusche und sah, wie eine Frau, vielleicht 30, aus der Tür kam und irgendwas auf Brasilianisch sagte.
« Schon wieder Besuch? Erst vor einer Wo-», Letti ( Hihi) unterbrach, als sie uns sah.
Eine Brise kam auf und wehte ihr langes, dunkles Haar zurück. Langes Haar....
Uuuhg.
Ich hörte, wie Miu sich räusperte:
« Ä-ähm, also, uns wurde gesagt, Sie würden uns nach Brasilien begleiten.»
Letti starrte uns vollkommen perplex an.
« Ich?» Die ältere Frau lachte schallend und warf dabei ihren Kopf zurück.
« Ne-ei-n, Leti-», aber Miu wurde von Letìcia unterbrochen:
« Na, davon hast du mir nicht erzählt. Du willst nach Brasilien? Hahahaha!»
Die Frau ging kichernd ins Haus, in den Händen einen leeren Suppentopf.
Mir kam die Situation irgendwie unangenehm vor, so als wüsste Letti nichts.
Letìcia schaute uns nun böse an: « Und, was wollt ihr? Seid ihr in ihrem Auftrag gekommen? Ich habe doch schon nein gesagt!»
Oho, sie war ziemlich verärgert.
« Wir wissen nicht, wen Sie meinen. Aber wir-»
« Aha, glaubt ihr, ich bin so dumm? Pah!»
« Aaber...»
« Denkt wohl ich falle darauf rein?»
« Nein, wir woll-»
« Ich sag euch was: Adios! Und richtet dass eurer schwarzhaarigen Freundin aus!»
Meinte sie Cersia? Kein Zweifel, Cersia war hier!
Und anscheinend hatte sie diese Frau hier ordentlich gereizt. Ich schluckte.
« Wir kommen wirklich nicht in ihrem Auftrag.», versuchte ich verzweifelt, sie zu überzeugen. Sie hob misstrauisch die Augenbrauen, sagte aber schließlich:
« Nagut, kommt rein.»
Miu packte mich am Arm und zog mich den Weg entlang und durch die Haustür.
Im Haus ( Häuschen?) riss ich mich von ihr los und bertrachtete die kleine, schäbige Küche.
Sie glich einer veralteten Landhausidylle, an den Wänden hingen verzierte Teller und die Tischdecke war rot-weiß kariert. Alles sah ziemlich alt aus.
« Nun sagt schon, was wollt ihr.» Lettis Stimme war etwas sanfter geworden, als wenn sie merken würde, dass wir verunsichert waren.
« Ähm also, uns wurde gesagt, dass Sie uns in Brasilien begleiten sollen?», fragte Miu leise. Ich hielt die Luft an.
« Nichts davon gehört.» Ihr Blick wurde wieder funkelnder und sie verschränkte die Arme. « Wenn das alles war-»
« Nein!», rief ich und setzte mich zu ihr an den Küchentisch.
« Bitte», fing ich flehend an, und begann, eine Geschichte zusammenzuflechten.» Dieses schwarzhaarige Mädchen... sie ist meine beste Freundin. Doch sie ist...», ich schluckte.
» Drogenabhängig und deshalb haben ihre Eltern sie auf die Straße geworfen. Auf der Straße wurde sie von einem Mann abgefangen, ich habe es gesehen... und er hatte ihr gesagt, dass sie in Brasilien viel mehr kriegen könnte und sie ist einfachso abgehauen!
Wir haben gehört, dass sie hierher wollte und-»
« Moment!»
Wir schwiegen erschrocken.
« Und das soll ich euch glauben?» Sie lachte wieder schallend und warf ihren Schopf zurück.
« Wenn ihr mir schon die Wahrheit nicht sagen wollt, dann verschont mich wenigstens vor euren abstrusen Geschichten.»
Miu und ich lachten erleichtert auf. Naa das ging doch in die richtige Richtung!
Ich fühlte mich dem Himmel nah wie nie.
Die Sonne strahlte hell und warm durch das offene Fenster, Heuschrecken zierpten unbesorgt, Vögel zwitscherten und das Gras rasselte sanft in der zarten Brise.
Das glühende Licht wandete sich langsam in ein erfülltes orange.
Es wurde Abend.
Wir saßen noch eine Weile am Küchentisch, Letti goss uns brasilianischen Spezialtee ( ?)
ein, der verdächtig nach Nelken und Bergamotte schmeckte.
Sie erzählte uns, wie wundervoll Brasilien sei und mein Wunsch, auf der Erde zu leben dürfen, wurde immer stärker.
Wieviel ich noch nicht gesehen hatte! Die ganze, wunderbare, weite Welt, erfüllt mit Leben und Liebe, Tod und Hass, Hoffnung und Freude, Verzweiflung und Feindschaft, all das stand mir offen!
Dann kam die Frau zu uns runter.
« Na, meine kleinen, habt ihr euch wieder vertragen?»
« Mamma!», sagte Letti etwas aufgebracht und errötete. Wir lachten.
« Ähm, Frau...?», fing sagte ich zu Letìcias Mutter.
« Nenn mich ruhig Frau Mamma!», sagte sie fröhlich und ihre Augen blitzten.
« Frau Mamma, wem gehören eigentlich die Kinder?», fragte ich, und begutachtete die kleinen, die immer noch im Garten mit einem Schlauch spielten.
« Ah, Luca und Maria? Das sind Lettis, nicht war, Letìcia?»
Letti, schaute von ihrem Tee auf und nickte. Dann ersparte sie uns die Frage nach dem Vater: « Mein Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Lu und Maria sind das Einzige, was er mir hinterlassen hat.»
Ich könnte schwören, einen Hauch von Traurigkeit in ihrer Stimme zu spüren.
Miu schaute Letìcia mitleidig an, und sagte mit brüchiger Stimme:
« Das tut mir so leid.»
« Macht nichts. Ich habe ja Mamma.»
Frau Mamma lachte, während sie die Kartoffeln briet. Naja, so verbrachten wir den ganzen Abend. Letti half uns, die Koffer ins Haus zu bringen ( « Ihr seid wohl schwerreich, was?») und danach gingen wir ins Bett.
Letti hatte uns erlaubt, in ihrem Zimmer zu schlafen. Wir brauchten gar nicht lange, da schliefen wir ein.
In der Nacht träumte ich, Yuna zu begegnen. Sie flüsterte meinen Namen, erst langsam, dann immer schneller, bis ich aufwachte.
Texte: Alle Rechte liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 05.01.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch allen Bookrix-Lesern, und ein großer Dank an alle, die mein Werk zu schätzen wissen, selbst, wenn ist nicht so gut ist.