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Ungewöhnlicher Gast

Den Blick gesenkt, seine Hand auf dem Schoß ruhend und eine Anspannung ausstrahlend, dass mir anders wurde, saß dieser sonderbare Gast meiner Mutter auf dem großen, uralten Sessel meines Vaters. Eigentlich sollte niemand von uns hier sein, aber ich habe mich gegen ihren Wunsch nach unten geschlichen und versuchte etwas über diesen späten Besucher heraus zu finden, der ihr so viel Angst zu machen schien. Mein Bruder Danny war von meinem Vorhaben wenig begeistert gewesen und hielt sich aus der ganzen Sache raus. Manchmal war er schon ein elendiger Feigling, aber nach dem Tod meines Vaters traute ich niemanden mehr der dieses Haus betrat, schon gar nicht einen Mann der nur so von Waffen strotzte.

„Was willst du nun von mir?“, meldete sich die zitternde Stimme meiner Mutter, die mit dem Rücken zur Tür stand und nervös mit ihren Fingern herum spielte.

Die Gestalt gab nicht zu erkennen ob er die Frage überhaupt gehört hatte oder nicht, noch immer saß er reglos da. Die Wut in mir wurde größer. Er sollte verdammt nochmal meine Ma in Ruhe lassen. Sie verlor sonst nie die Fassung, war immer ein fröhlicher, lebensfroher und vor allem starker Mensch. Das schwache Licht vom Kaminfeuer flackerte unruhig und der Schatten des Fremden vollführte einen grotesken Tanz auf den von handgemachten Teppich. Ich spähte vorsichtig durch den Türschlitz, konnte aber das Gesicht nicht erkennen. Genervt lehnte ich meinen Kopf wieder gegen die Wand.

„Ich bin hier um dir zu sagen, dass wir nicht mehr länger warten wollen.“ Die Stimme klang so unwirklich, dass ich zusammenzuckte und mein Herz schneller schlug. Aber was meinte er damit.

„Ich verstehe,“ flüsterte meine Mutter halb. „Ich werde euch geben was ihr wollt, aber ich kann nur meinen Mann wiederholen: Sie müssen sich gedulden.“

Ein Poltern ertönte, gefolgt von einem dumpfen schlag. Alles in mir zuckt zusammen, als ich das Keuchen und Würgen meiner Mutter hörte. Ich wollte schon hinein stürmen, als ein kräftiger Arm mich festhielt. Wütend und bereit zu zuschlagen, drehte ich mich um. Danny stand da und schüttelte warnend den Kopf. Ein Knurren wollte gerade meine Kehle entweichen, da hielt mein Bruder mir schon den Mund zu.

„Geduld!“, zischte der Mann, der sich nun direkt hinter der Wand neben meinem Kopf befinden musste, wo auch meine Mutter war. „Gut. Wir warten, aber wenn du uns enttäuscht, dann enttäuschen wir dich auch.“ Ein hässliches Gelächter hallte durchs ganze Haus, das sich mir die Nackenhaare aufstellten. Genau in diesem Moment zog mich Danny hinter das große Regal und drückte mich in die Ecke. Ich hörte wie Stoff über den Fußboden streifte und schnelle Schritte über den Gang eilten, danach viel unser schwere Eichentür ins Schloss. Sofort entwand ich mich aus dem Griff meines Bruders und stürmte in den Salon, wo meine Mutter schwer atmend an der Wand stand und schließlich die Kraft in den Beinen verlor. Noch bevor sie zu Boden stürzen konnte fing ich sie auf und hob sie hoch. Mein Bruder stand in der Tür und sah schweigend zu, während ich sie auf das Sofa legte. „Ma...“, begann ich, als meine Mutter mir über die Wangen strich und den Kopf schüttelte. „Es ist schon okay, geht ins Bett. Andrew soll sich um mich kümmern“, entgegnete sie mit schwacher Stimme. Ich wollte gerade was einwenden als sie mir wieder ins Wort fiel. „Geht jetzt!“

Verstört ließ ich kurz den Kopf sinken, nickte aber dann und verließ den Salon, um nach Andrew zu rufen. Dieser stand überraschender Weise schon vor der Tür und hatte ein Tablett mit Tee dabei. Er nickte uns zu und verschwand im Salon. Ich ging schweigend Richtung Bibliothek. An Schlafen konnte ich gar nicht mehr denken.

„Alix, warte!“, rief mein Bruder mir hinterher, aber ich dachte nicht daran stehen zu bleiben. Wie konnte er nur einfach da stehen ohne etwas zu unternehmen und mich sogar noch davon abhalten ihr zu helfen. „Was willst du?“, fauchte ich.

Ohne Anzuhalten oder langsamer zu werden ging ich auf die Mitte des Hauses zu, wo sich die große Familienbibliothek befand. Das war schon immer einer meiner Lieblingsorte gewesen. Dort hatte uns Vater immer Geschichten vorgelesen, wenn wir nicht schlafen konnten und mit uns Verstecken gespielt. Manchmal vermisste ich die Zeit, wo unser Alltag aus Kindheit bestand und nicht aus Verpflichtungen und hartem Training. Vor allem aber vermisste ich ich ihn.

Ich stieß die Tür geräuschvoll auf und betrat den kreisrunden und Fünfstockwerk großen Raum, an dessen Wand sich Regale gefüllt mir Büchern befanden. In der Mitte des Raumes waren Tische, Sessel und Sofas symmetrisch aneinander gereiht, die von Lichtquellen umgeben waren. Im Zentrum stand das große Familienbuch auf einem Podest. Dort waren alle Mitglieder dieses Hauses vermerkt und dessen Geschichte. Leider war es mit einem großen Schloss verriegelt, den nur meine Mutter öffnen konnte, was sie nur niemals tat. Bis auf sie und meinen Vater hatte keiner von uns Kinder je einen Blick hineinwerfen können und vielleicht konnte ich das auch nie, da mein Bruder Danny den Platz meines Vaters einnehmen wird und nur der Erbe durfte es einsehen.

„Du hättest nicht dort sein dürfen, das weißt du“, flüsterte mein Bruder der sich hinter mich gestellt hatte. Sein Blick wanderte zum Familienbuch. „Du wirst es eines Tages lesen dürfen.“ Ich seufzte leise.

„Du weißt, dass ich nicht versessen darauf bin. Und ich weiß, dass du die bessere von uns Beiden bist. Darum...“

Ich hob die Hand. „Sprich nicht aus, was du gerade sagen wolltest“, meinte ich und sah ihm in die Augen. „Es ist deines und du bist der Richtige“

Er nickte wenig davon überzeugt und entfernte sich, um sich auf einen der Sessel zu setzen.

Eigentlich war ich ihm gar nicht mehr böse, ich wusste, dass er weiß was dort genau vorgefallen war. Manchmal fragte ich mich, warum meine Mutter mich bei so vielen Sachen raushielt und das obwohl ich genauso gut war wie Danny, wenn nicht sogar besser. Aber anscheinend war ich dessen nicht würdig. Ich war nie eifersüchtig auf ihn, aber oft war ich enttäuscht vom Leben.

„Ich sollte es nicht mehr ansprechen oder?“, fragte ich vorsichtig.

Danny schüttelte mit den Schultern. „Und wenn, Joan würde nicht antworten.“ Mein Bruder sagte nie Mutter zu ihr, dass hatte er sich mit vierzehn abgewöhnt, ob gewollt von ihr oder von ihm selbst.

Der Mond begann durch die Glaskuppel an der Decke hineinzuscheinen, woraufhin alles einen graublauen milchigen Schimmer bekam. Es war spät in der Nacht und der Morgen war noch fern.

Berghyäne

Es war immer laut bei uns, wenn die ganze Familie morgens am Tisch saß und frühstückte. Insgesamt Neun Familienmitglieder waren anwesend, was schon eine ordentlich Zahl war. Meine Mutter Joan saß am Kopf des langen Tisches und hatte somit alles immer im Überblick, auch heute hatte sie dort Platz genommen und war außergewöhnlich fröhlich. Es schien, als wäre die letzte Nacht nie passiert. Nur das Tuch um ihren Hals, zeugte davon, dass etwas geschehen war. Immer wieder warf ich ich einen Blick zu ihr hinüber, aber sie ignorierte mich gekonnt. Genervt davon stochert ich in den Rühreiern umher und schob mir ab und zu was in den Mund. Mir war der Appetit vergangen. Danny saß mir gegenüber, aber auch er war wie jeden Tag. Warum war ich immer die einzige die sich Gedanken machte.

„Alix, Alix.“ Ein kleines Mädchen mit langen gelockten braunen Haaren stand neben mir und zupfte an meinen Ärmel. „Was los?“, fragte ich.

Sie deutete nur auf meinen Schoß. Um ehrlich zu sein hatte ich keine Lust mich jetzt auch noch um Hannah zu kümmern, die in letzter Zeit ziemlich anhänglich geworden war.

„Kannst du nicht schon allein essen?“ Auf diese Frage hin schüttelte sie nur vehement den Kopf. Kurzerhand hob ich sie hoch und sie machte es sich schon auf mir bequem, während sie begann meine kaum angerührtes Frühstück zu verspeisen.

„Und warum versuchst du es nicht einfach mal, das ganze alleine auf einem eigenen Stuhl zu machen?“, hakte ich noch einmal nach.„Weil ich nicht über den Tisch gucken kann“, gab sie empört mit vollem Mund.

„Ah ja“ Ich schüttelte den Kopf und lehnte mich zurück und überließ ihr ohne Aufstand mein Essen.

„Alix.“ Erschrocken sah ich zu meiner Mutter, die mich mit ernsten und sanften Augen musterte. „Du gehst heute allein zum Training. Dein Bruder hat mit mir was zu erledigen, bitte sag das Jasper“, teilte sie mir mit.

„Verstanden Mutter.“ Schon wieder, sie ließ mich total im Dunkeln, als wäre ich noch ein Kind. Dabei bin ich das ganz und gar nicht. Mein Vater hätte nie zugelassen, dass man mich so überging, aber leider war das nicht mehr möglich. Meine Mutter war eigentlich ein starke, fürsorgliche Person, aber wenn es wichtig wurde, wurde sie unfair. Zumindest mir gegenüber. „Auch wenn ich es nicht versteh“, fügte ich noch hinzu, als meine Mutter schon zufrieden gelächelt hatte.

Sie atmete tief durch, als hätte sie es schon befürchtet, dass ich was sagte.

„Alix auf ein Wort“, kam nur frustriert von ihr.

Na toll. Habe ich ja mal wieder gut hinbekommen. Ohne was zu sagen hob ich Hannah von mir runter, die sogleich zu protestieren begann, aber nach meinem genervten Blick verstummte. Schweigend folgte ich Joan aus dem Zimmer. Ich hoffte nur, dass ich mir jetzt keine Predigt anhören durfte, dafür hatte ich jetzt wirklich keinen Nerv.

Joan betrachtete mich von oben bis unten und schüttelte nur ergeben mit dem Kopf. „Was mach ich nur mit dir?“, fragte sie sich selbst, während sie um mich herum ging. „Du willst wissen was Gestern los war, hab ich recht?“ Überrascht hob ich die Augenbraue. Also das hatte ich am allerwenigsten erwartete. Normalerweise schwieg sie über solche Geschehnisse und verlor kein einziges Wort darüber.

„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, hakte sie nach, als ich immer noch schweigend da stand.

„Um ehrlich zu sein ja“, gab ich zu. „Ich...“

„Du? Alix, hör auf dir so viele Gedanken zu machen. Es ist alles in Ordnung und ich möchte, dass du gestern einfach vergisst.“

Entgeistert sah ich sie an. Das ist hoffentlich nicht ihr ernst, wenn ja gebe ich es endgültig auf sie zu verstehen.

„Und das Thema ist jetzt gegessen. Geh zum Training.“ Ohne mich auch noch was sagen zu lassen, ging sie zurück in den großen Saal, wo sie die Zwillinge gleich zurechtwies, die wegen ihrer Abwesenheit eine Essensschlacht begonnen hatten. Wütend lief ich nach draußen. Während ich rannte versuchte ich mich frei von Gedanken zu machen. Schneller als jeder andere auf dieser Welt stürmte ich nach draußen. Die Welt um mich, die eigentlich bei der Geschwindigkeit kaum zu erkennen sein konnte, war für mich so klar und deutlich als würde ich stehen. Manchmal war ich echt froh über die Konstitution unserer Familie, die gesegnet von Stärke, Geschwindigkeit und scharfen Sinnen war. Ich liebte unsere Gabe, besser als dieser übersinnlicher Telekinese-Schwachsinn oder das Teleportieren, der Boten des heiligen Mannes.

Am Hügel unseres Grundstückes blieb ich stehen und blickte auf unser Haus zurück.

„Na verärgert über etwas?“

Ich ließ die Schultern hängen. „Wie hast du mich gefunden?“, fragte ich, während ich zu meinen Onkel hinüber sah, der dort hockte und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.

„Na ja, eigentlich hast du mich gefunden“, lachte er und klopfte auffordernd auf den Platz neben ihm. Zögernd ging ich zu ihm und setzte mich, obwohl ich lieber allein sein wollte. Sein Blick richtete sich in die weite Ferne. „Schön hier heute nicht wahr?“

Skeptisch hob ich eine Augenbraue, hob einen Kieselstein hoch und warf ihn so weit ich konnte weg. „Oh ja.“, sagte ich gehässig.

Doch Norman lachte nur darüber. Er war schon immer ein ruhiger und verträumter Mensch gewesen, seit ich ihn kenne. Mein Vater hatte ihn oft als Taugenichts bezeichnet und ich war immer seiner Meinung gewesen, doch ich musste mir eingestehen, dass Norman eine angenehme Gesellschaft war. Zwar war er nicht wie der Rest der Familie, schlagfertig und diszipliniert, dafür hatte er viel Wärme und Liebe. Das hatte er mit Joan gleich.

„Weißt du Alix, dein Vater wäre stolz auf dich.“ Als er das sagte, musste ich traurig lächeln. Ich wäre mir da nicht so sicher, dachte ich, aber schwieg. Tatsächlich fragte ich mich ob er enttäuscht von mir wäre. Immerhin war ich ziemlich aufmüpfig und das Wort Respekt war mir oft ein Fremdwort. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er enttäuscht wäre, da ich nicht mal meine Mutter überzeugen konnte. Dabei war ich Danny oft überlegen. „Ist irgendetwas los?“, fragte Norman besorgt nach. Ich dachte kurz daran ihm von Gestern zu erzählen, aber ich schwieg dann doch und schüttelte den Kopf. „Nein. Alles okay“, sagte ich schließlich und lächelte schwach. Mein Blick wanderte zu dem Wald, der am sich im Osten gen Norden erstreckte und entdeckte Jasper. Ich konnte seinen alles durchdringenden Blick förmlich spüren, als er dort mit verschränkten Armen stand und atmete schwer ein.

„Ich glaub ich muss los“, sagte ich nur schnell zu Norman und hastete schon davon. Jasper war mehr als streng und er hasste es wenn jemand zu spät kam, das hatte er wohl vom Militär. Er hatte damals vor vielen Jahren mit meinem Vater im Krieg gedient und ihm das Leben gerettet. Zum Dank hat er Jasper angeboten seine Kinder zu unterrichten und bei ihm kostenlos zu wohnen. Ehrlich gesagt schon etwas veraltet und bescheuert. Das Klassendenken der Gesellschaft von damals war wirklich unausstehlich gewesen, auch wenn es heute kaum besser war.

„Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich, noch bevor ich bei Jasper angekommen war und hoffte, auf eine milde Bestrafung. Abfällig sah er auf mich herunter, der einzige der sich das ohne Konsequenz erlauben durfte. Ein weiterer Punkt warum ich ihn nicht ausstehen konnte. „Was erwartet mich heute? Warte lass mich raten, zusätzlich Stunden“, sagte ich ohne jeglichen Respekt ihm gegenüber. „Nein“, entgegnete er und setzte sich in Bewegung. „Nein?“ hakte ich nach und folgte ihm schnellen Schrittes. Es war schon ungewöhnlich, dass er hier draußen war anstatt auf dem Trainingsplatz und dass er so ruhig war störte mich auch, aber sein nein war die Krönung. Auf meine Frage hin bekam ich jedoch keine Antwort, was auch nicht weiter verwunderlich war.

Er lief mit mir den ganzen Tag durch den Wald und sprach kein einziges Wort, dabei feuerte er immer wieder Schüsse auf mich ab, um meine Reaktion zu testen oder mich zu ärgern. Auf jeden Fall wurde es langsam richtig öde. Es muss mindestens vier Uhr nachmittags sein, als wir an einer Lichtung ankamen. Dort blieb er stehen und wartete. Fragend sah ich ihn, dann die Lichtung und schließlich wieder ihn an und verschränkte die Arme. Ich wollte gerade was sagen, als er mich warnend anfunkelte. Sofort blieb ich still. Ein Geräusch riss mich aus meiner Wut und neugierig lauschte ich in die Stille hinein, denn es war nichts mehr zu hören. Wie aus Instinkt zog ich ein Messer und sah mich um. Ich konnte weit in die Ferne und vor allem in der Dunkelheit sehen, doch nirgendwo war etwas zu entdecken. Unsicher sah ich zu Jasper, doch der war verschwunden. Na toll, das ist mal wieder so typisch. Genervt ging ich hinter einem umgefallenen Baum in Deckung und checkte mein Inventar. Doch ich führte nichts mit außer dieses dämliche Messer. Ich will gar nicht wissen, was für eine Art Lektion von Jasper mich jetzt erwartete, aber meistens ist bei solchen Stunden nicht zu spaßen. Oft setzte er uns extremen Gefahren aus, wo ich mich manchmal fragte, ob wie hätte sterben können dabei. Aber zum erstem mal hatte er mich komplett allein in eine solche Situation zurück gelassen ohne Danny. Viele hätten jetzt Angst, ich jedoch fand das mehr als nur spannend und vor allem mal fordernd.

Um mich herum waren nur Bäume und Sträucher zu erkennen. Das einzige was mich störte war diese Stille. In einem Wald ist es nicht still. Wieder hörte ich dieses Geräusch. Es war als würde etwas hektisch, aber dennoch zielstrebig, rennen, dabei aber kaum einen Laut von sich geben, als eine tiefe rasselnde Atmung, die ich vorhin schon gehört hatte.

Was da auch immer gerade auf mich zukam war riesig und sehr wahrscheinlich tödlich. Tief atmete ich ein, ließ all meine Kraft in mir frei, versuchte meine Gedanken abzuschalten und nur noch auf meine Instinkte hören und wie immer schaffte ich es. Ein verächtliches Grinsen stahl sich in mein Gesicht, als ich wie ein Schatten, kurz bevor das Etwas bei mir ankam, zur Seite huschte. Ein Ungetüm, größer wie ein Bär, stolperte an mir vorbei, überschlug sich, wobei Dreck und Tannenadel auf mich regnete. Weiter hinter fand es wieder sein Gleichgewicht und stand auf alle Vieren, zähnefletschend vor mir. Es sah grotesk aus. Sein Kopf war wuchtig, ähnlich einer Bulldogge nur mit einer länglicheren Schnauze. Das ganze Ungetüm war übersät mit Muskeln und komplett ohne Fell. Genau in diesem Moment stürmte es wie ein Amboss auf mich zu, schwerfällig und ohne großen Bewegungsfreiraum. Ich stieß mich schwer vom Boden ab und glitt über die Bestie hinüber, die noch versuchte mich mit seiner mit Krallen besetzte Pranke zu erwischen. Die ging jedoch knapp an meinem Kopf vorbei. Geschmeidig kam ich auf den Waldboden auf ohne viel Lärm zu erzeugen und fragte mich wie ich dieses Ding nur wieder los wurde. Wütend brüllte das Ungetüm, als es mich erneut verfehlt hatte und stürmte wieder auf mich zu. Kurz bevor es direkt vor mir war, drehte ich mich zur Seite und holte aus, um ihn mit voller Wucht das Messer in sein Schulterplatt zu rammen, was mir auch gelang, auch wenn es nicht tief genug eindrang, um wirklichen Schaden anzurichten. Erschrocken, dass ich es erwischt hatte, stürzte das Monster, erwischt mich jedoch ebenfalls leicht an der Schulter, was jedoch bei seiner Größe mehr Wirkung hatte als mein Messer. Ein stechender und brennender Schmerz machte sich an der Stelle breit wo es mich getroffen hatte. Ich biss die Zähne zusammen und knurrte, um nicht schreien zu missen.

„Verdammtes Vieh“, zischte ich. Dieses jedoch griff mich schon wieder an bevor ich richtig ausweichen konnte. Gerade noch so konnte ich seine Pranke umgreifen, mit der er nach mir schlug und riss mich damit um. Ich landete so hart auf den Waldboden, dass mir kurz die Luft weg blieb, fasste mich aber schnell wieder. Allerdings schaffte ich es nicht mehr aufzustehen, denn die Bestie stand schon zähnefletschend über mir. Ohne nach zu denken verpasste ich dem Ding einen Fausthieb direkt auf sein Unterkiefer, in der Hoffnung es würde brechen. Was leider nicht der Fall war, aber immerhin ließ es kurz von mir ab und ich konnte mich erheben und ich Deckung gehen. Noch immer schüttelte es verstört den Kopf als ich auf eine Idee kam. Wie ein Blitz lief ich den Baum hoch, sprang auf den nächsten und von der wieder auf den nächsten Baum, der sich über der noch irritierten Bestie stand. Stieß mich von Stamm ab, sammelte meine ganze Kraft und schlug dem Ungetüm direkt in den Nacken. Ein fürchterliches Knacken ertönte, als das Genick der Bestie brach und es schließlich regungslos zusammen sackte. So gut es ging rollte ich mich auf der unversehrten Schulter ab und kam relativ sicher neben dem erlegten Ungetüm zum stehen. Unsicher ob es wirklich tot war, verpasste ich ihm einen Tritt in die Seite, doch es blieb wie es war liegen. Erleichtert atmete ich aus. Da machte sich auch meine schmerzende Schulter wieder bemerkbar, wodurch ich stöhnend auf den Waldboden sackte.

Das würde mir Jasper sowas von büßen, wenn ich zurück bin. Vorsichtig tastete ich nach der Wunde und fasste sofort in das warme Nass, dass mir den Rücken runterlief und zuckte zusammen, als ich die offene Stelle entdeckte, die alles andere als klein war.

„Gut gemacht“, ertönte plötzlich eine Stimme neben mir, woraufhin ich erschrocken aufsprang. Doch es war nur Jasper der ausdruckslos da stand und die Bestie betrachtete.

Wütend ging ich auf ihn zu. „Was zum Teufel sollte das?!“, schrie ich ihn an. „Und was ist das da überhaupt?“

„Das ist ein Hyäne aus den Bergen“, erklärte er sachlich, ging aber auf die erste Frage nicht ein.

„Eine was?“ Ich hatte noch nie was davon gehört, auf jeden Fall war sie widerlich.

„Du solltest das untersuchen lassen“, mit diesen Worte fasste er auf meine Schulter. Auch wenn die Wunde schmerzte gab ich mir vor ihm nicht die Blöße, sondern starrte ihn wütend an.

„Sie kam aus den Bergen hierher. Danny und ich hatte sie entdeckt. Ich dachte, da du die beste Schülerin bist, wäre dies doch eine gute Übung für dich“, meinte er mit einem Hauch von Sarkasmus. Ich ignorierte ihn jedoch und ging in Richtung Haus zurück.

Als ich zu Hause ankam war meine Mutter und Danny schon zurück und saßen im Salon, während sie sich über irgendetwas unterhielten. Als ich an dem Raum vorbei ging blickte Joan hoch und eilte zu mir. „Was ist passiert?“, fragte sie schockiert, als sie meine Blut durchtränkten Rücken entdeckte. „Danny hol einer der Heilerinnen.“ Dieser ging nickend davon. Meine Mutter führte mich fürsorglich wie immer in mein Zimmer, wo sie mir aus meinem Oberteil half und meinen Rücken vorsichtig abtupfte. Ich war durchtrainiert und stählern, aber nicht so unnatürlich und hässlich wie die Muskelsüchtigen Menschen. Immer wenn Joan die Wunde berührte, während sie sie wusch, versuchte ich nicht zusammen zu zucken, was schwerer war als es sich anhörte.

„Was ist passiert?“, fragte sie schließlich nochmal. „Nichts. Einer von Jasper Lektionen“, erklärte ich und versuchte das Thema damit zu beenden. Wie als Strafe tupfte sie mit ihrem Tuch direkt auf die Wunde, sodass ich nicht anders konnte, als zusammen zu zucken.„Es war ein Berg-Hyäne, laut Jasper“, gab ich letztendlich zu. Meine Mutter sagte nichts dazu, aber ich wusste, dass sie bei Jasper wieder ausrasten würde. Sie war immer gegen dieses harte Training gewesen, aber mein Vater hat sich nie da rein reden lassen und übertrug Jasper die voll Verantwortung und sie musste ihm versprechen sich nie darin einzumischen. Aber wenn ihre Kinder schwerverletzt, mehr oder weniger, nach Hause kamen, konnte sie nie an sich halten. Manchmal liebte ich sie dafür, aber oftmals war es nervig.

Gerade in dem Moment kam die Heilerin rein, die mein Bruder holen ließ, der jedoch hielt sich fern und hatte sich allen Anschein nach verzogen. Meine Mutter blieb bei der ganzen schmerzvollen Behandlung anwesend, während man mir die Wunden mit Heilkraft schloss. Oft war es mir lieber gewesen, man würde es ein fach natürlich heilen lassen, aber Joan wollte nicht das auch nur eines ihrer Kinder leiden musste. Auch wenn dieses Prozess weitaus schlimmer war.

Als alles fertig war verabschiedet sich die Heilerin und meine Mutter geleitete sie nach draußen. Eigentlich wollte ich wieder aufstehen, aber Joan verbot es mir und brachte mir das Essen ans Bett, wo sie auch sitzen blieb.

Kurz darauf schlief ich auch ein.

Neuigkeiten

Die ersten Tag nach dem Vorfall im Wald, sollte ich noch dem Training fernbleiben, was sich als eine äußerst langweilige entpuppte. Nicht einmal aufstehen durfte ich. Alle fünf Minuten sah meine Mutter, mein Bruder oder meine jüngere Schwester nach mir, dabei war ich im Grunde schon wieder vollständig genesen. Danny schien die ganze Zeit wie in Gedanken und war auch nur sehr kurz da, als hätte er es eilig. Auch die Tage danach erschien er im Training nicht und war auch selten irgendwo anzutreffen. Ich machte mir darüber auch keine Gedanke mehr, sollte er doch machen was er wollte, auch wenn er mir fehlte. Jasper fuhr gnadenlos da fort, wo er das letzte mal geendet hatte. Wenn ich dachte davor war es schon hart gewesen, dann übertrafen die jetzigen Übungen das um Meilen. Immer mehr forderte er, sodass mir am Abend alle Knochen schmerzten. Nur um eines war ich froh und zwar darüber, dass ich keine Berg-Hyäne mehr über den Weg laufen musste. Gerade kam ich zurück ins Haus, übersät von blauen Flecken und Kratzern, auf den Weg ins Bad, als ich an dem kleinen sonst verlassenen Salon vorbeikam und dort Licht brannte. Verwundert blieb ich stehen und öffnete leise die Tür. Dort saß Danny alleine auf einen Stuhl, in der Hand etwas haltend, was ich jedoch von meinem Standpunkt aus nicht erkennen konnte und war in Gedanken versunken. Egal wie sehr wir uns manchmal zankten, ich hatte ihn lieb und er war der beste meiner Geschwister. Und genau deswegen machte ich mir gerade Sorgen. Sanft glitt ich ins Zimmer, das gerade so groß war, dass zwei Sessel mit einem kleinen Tischchen, ein Regal und vor allem ein Kamin platz hatten. Danny rührte sich die ganze Zeit nicht bis ich mich in den Sessel neben ihm setzte und wir schweigend ins Feuer starrten. Aus den Augenwinkel konnte ich erkennen, dass er die ganze Zeit auf ein Foto blickte, was schon ziemlich abgegriffen war. Ich lehnte mich weiter vor, um mehr erkenne zu können, als er das Bild einsteckte und mich traurig ansah. Sorgenvoll betrachtete ich ihn. Selten habe ich ihn so nachdenklich und in sich gekehrt gesehen. „Was ist los mit dir?“ Meine Stimme klang selbst für mich in dieser Stille unwirklich, sodass ich mich fragte ob ich überhaupt etwas gesagt hatte.

Ich habe Angst Alix. Ich hab solche Angst...“, gab er nur leise, fast wie ein Hauchen, von sich.

Wovor?“ Ich verstand nicht was mit ihm los war und ich wollte ihm helfen. Danny rieb sich die Hände als sei ihm kalt und beugte sich nach vorne.

Vor dem was kommt“, er sah mich an mit einem schwachen Lächeln in den Mundwinkeln an. „Ach Alix. Eigentlich sollte es keiner wissen.“

Er stand auf und begann in dem kleinen Zimmer auf und ab zu laufen, auf der Suche nach den richtigen Worten. Das ganze verunsicherte mich ein wenig. Ich hoffte es war nichts allzu schlimmes.

Eigentlich sollte ich mich freuen. Tue ich ja, aber gleichzeitig habe ich Angst, Angst vor dieser Verantwortung, die nun auf mich zukommt“ Mit einem Ruck drehte er sich und strahlte mich an. „Ich werde heiraten.“

Entgeistert sah ich ihn an. Hatte ich da richtig gehört? Alles hatte ich schon gedacht nur das nicht. Vor allem fragte ich mich wen er bitte heiratete wollte, er kannte doch niemanden außerhalb der Familie. „Hat es dir die Sprache verschlagen?“, erkundigte er sich, als ich schweigend und ohne jeden Ausdruck von Freude da saß. „Nein...Ja...ich?“

Ich weiß, ich kann es auch kaum glauben. Aber es ist war. Ich werde das Erbe unseres Vaters antreten. Mutter hat schon alles vorbereitet. Sie wird hierher kommen zu uns. Ist das nicht der Wahnsinn?!“, sprudelte es nur aus ihm so heraus. Ich weiß ich sollte mich eigentlich für ihn freuen, das tat ich auch, nur bedeutete es auch, dass unsere gemeinsam Jugend eine Ende hat. Gleichzeitig kam ich mir töricht vor. Es ist mehr als nur normal, dass er sich jemanden zur Frau nahm. Immerhin war er schon in diesem Alter. Kurzerhand setzte ich mir eine freudige Mine auf und ging auf ihn zu, um ihn zu umarmen. „Herzlichen Glückwunsch Bruderherz“, flüsterte ich ihm zu.

Danke.“

Ich ging einen Schritt zurück und betrachtete ihn, wobei ich unwillkürlich an den Tag denken musste, als wir darüber sprachen, was wohl aus uns werden würde wenn wir groß waren und wen wir heiraten würden. Schon damals hatte ich gesagt, dass ich mit niemanden zusammen sein werde, sondern der Armee beitreten werde, um den Osten zu stärken. Während mein Bruder darüber nachdachte, wie es sein wird, wenn er seine ersten Kinder um sich haben würde. Mein Vater hatte damals Recht, als er ihn als Erben auserwählte. Er war der geborene Familienvater und ein ehrwürdiger Mann.

Wann wird sie herkommen?“

Er lächelte nickend. „Morgen Abend.“

 

Als ich mich im Bad vorm Spiegel auszog, fragte ich mich, warum ich mich nicht so freuen konnte wie ich sollte. Vielleicht weil ich wusste, dass meine Mutter ihm keine Chance ließ und er sich einredete, die Verlobte wäre die richtige für ihn. In diesen Momenten hasste ich diese Klassengesellschaft.

Ich drehte mich zur Seite, sodass ich im Spiegel meine Schulter begutachten konnte, was ich bis dato noch nicht getan hatte. Dort befand sich eine frische Narbe, die vom Schulterblatt quer über meinen Rücken verlief und obendrein noch einen Finger breit war. Ich war kleine Kratzer und Narben gewöhnt, die kaum auffielen, aber diese hier konnte selbst ein Blinder erkennen. Ich verzog mein Gesicht und ging schließlich in die Dusche. Das warme Wasser entspannte meinen vom Training geplagten Muskeln, die sich anfühlten, als würden sie jeden Augenblick reißen.

Keine Wahl

Sie war sauer. Sehr sauer. Ihre Eltern hatten sie doch nicht mehr alle beisamen oder besser gesagt ihre Mutter. Sie konnte sie doch nicht einfach so verkaufen wie ein Stück Vieh, immerhin war sie ihre Tochter. Aber nein sie brachte ja Schande über die Familie, da hatte sie ja gar keine andere Wahl. Pah! Sie hatte schon bessere Ausreden gehört, die meisten zwar von ihr selber, aber trotzdem. Noch wollte sie sich nicht geschlagen geben, auch wenn sie schon längst im Wagen zur Hölle saß und peinlicher Weise sich auch kaum gewehrt hatte. Innerlich jedoch hatte man sie kaum aus dem Haus schleifen können. Um ehrlich zu sein hatte sie ja schließlich keine Wahl. Wenigsten Mau ihre kleine Katze durfte mit. Diese lang eingerollt auf ihrem Schoß und schlief seelenruhig. Wenn Mau nur wüsste was passierte, sie würde es sicherlich verhindern. So saß sie hier, im Auto neben ihrer Schwester, die als einzige noch mit durfte, und vorne ihre Eltern, die sie geradewegs zu ihrem zukünftigen Mann fuhren. Bei dem Gedanken wurde ihr schon wieder schlecht. Sie konnte nur hoffen, dass er keine Pickeln besaß und unangenehm nach Schweiß stank, wenn das der Fall sein solle, dann fasste sie ihn nie im Leben an. Nicht für alles Geld der Welt. Immerhin hatte sie noch so etwas wie Würde. Abwesend kraulte sie das weiche Fell ihrer zuckersüßen und zugleich teuflischen Mau. Der kann noch was erleben, wenn er dachte er könnte so einfach mit ihr davon kommen. Noch hatte sie den besten Bodyguard den es gibt. Der wird sich noch umsehen. Trotzdem war sie nervös und zappelte deswegen auf ihrem Sitz unruhig hin und her, was ihrer Schwester bald ziemlich auf die Nerven ging und sich als Rache an Kates Haaren zu schaffen machte. Das Schlimmste an allem war, dass ihre Mutter ihr verboten hatte, meine Schwester daran zu hindern.

Benimm dich dort“, warnte sie ihre Mutter, mit einer äußerst angespannten Stimme.

Landschaft veränderte sich langsam. Das flache Land wich einer hügeligen Landschaft, so dass die Straße immer kurviger wurde und die Fahrt immer unangenehmer. Auch die Wälder wurden hier größer und wirkte teilweise bedrohlich, während sie ihren Schatten auf das umliegende Land warfen. Ein Träne stahl sich davon und glitt langsam an ihrer Wange hinab zum Kinn, wo sie auf ihr Kleid tropfte, dass ihre Schwester ihr für diesen Anlass ausgesucht hatte. Sie wollte das alles nicht. Sie wollte nicht zu diesem jungen Mann, in diese Umgebung und vor allem in dieses Haus, welches für Stärke und Brutalität stand. Doch sie hatte keine Wahl. Niemand würde sie fragen, ob sie das auch wirklich wollte, denn es wurde von ihr verlangt. Sie stammte zwar von einem Haus ab, aber ihr Vater war kein direkter Erbe. Das einzige was er geerbt hatte war der Name und ein Hauch von Ansehen. Beides brachte einen weiter, aber eine junge Frau ohne die Fähigkeit die diesem Haus inne wohnt, war man darauf angewiesen geheiratet zu werden. Sie konnte froh sein, dass sie einen direkten Erben abbekam, doch sie konnte sich weniger darüber freuen.

Sieh nur, da vorne ist es!“, rief ihre Mutter vor Aufregung und zeigte auf ein Anwesen, dass sich rechts von ihnen hinter einem Hügel langsam hervortrat. Kates Augen weiteten sich. Das Gebäude strotze nur so von Wohlstand. Es war riesengroß, hatte ein gewaltiges Eingangstor aus Stahl an dessen beiden Enden zwei Türme mit Wachen emporragte. Das Haus selbst war eine Mischung aus Burg und Schloss, es hatte nichts prunkvolles, aber war auch nicht so burschikos wie eine Wehrburgen der Armee. Dort sollte sie also den Rest ihres Lebens verbringen. In einer halben Wehranlage.

Als sie ans Tor gelangten, öffnet ihnen zwei der dort befindlichen Wachen, die sie keines Blickes würdigten. Die Straße zum Anwesen hoch war nicht gepflastert, so dass es ziemlich holprig wurde im Wagen, während ihr Vater nach oben fuhr. Kates Blick wanderte zum Eingang, wo vier Stufen nach oben zu einer schweren Eichentür führte, die doppelt so hoch wie ein ausgewachsener Mann war. Die Tür war schon geöffnet und davor standen zwei Personen. Eine Frau mit langem, gewelltem braunem Haar, einem freundlichem Lächeln auf dem Gesicht und in ein Kleid aus Seiden gehüllt stand neben einem großen jungen Mann mit angespannter Mimik, der höchstwahrscheinlich ihr zukünftiger Ehegatte sein wird. Auch ihre Mutter bemerkte die Beiden und strich sogleich ihr schon ergrautes Haar und ihr Kleid zurecht. Im Gegensatz zu der Frau vor dem Anwesen wirkte sie im Ganzen um einiges älter.

Der Wagen hielt an und ein Bediensteter kam auf sie zu, um ihnen die Türen zu öffnen. Kates Magen krümmte sich zusammen, während ihr Herz einen Tiefflug Richtung Hose vornahm.

Ihretwegen hätte die Fahrt ruhig länger anhalten können.

Der Butler verneigte sich leicht, als sie ausstieg und einen letzten prüfenden Blick auf das Anwesen warf. Im Großen und Ganzen war es ein perfekt instand gehaltenes Haus mit gepflegter Auffahrt und schön dekoriert mit Blumen und Statuen, die sich in der Mitte des Platzes befanden. Der Künstler der sie erstellt hatte, hatte gute Arbeit geleistet, denn der heroische Blick, denn er den Beiden verpasst hatte, passte zu den Eigenschaften dieses Hauses.

In diesem Moment kam die Frau auf sie zu, gefolgt von ihrem Sohn, der den Blickkontakt zu Kate so gut es ging vermied. Ihr war das nur Recht.

 

Willkommen Ina“, begrüßte die Frau sie herzlich. Dabei ging so viel Wärme und Güte von ihr aus, wie Kate es bei keinem Anderen in ihrer Familie je erlebt hatte.

Hallo Joan.“ Die Stimme ihrer Mutter war wie immer gefasst und äußerst distanziert. Schon immer war sie neidisch auf alle anderen Häuser, in die sie sich nicht einheiraten konnte, während sie sich mit Steve und deren geistigen Kräfte begnügen musste, die vor allem von geringer Ausprägung war. Die Winters waren da auf einem ganz anderen Level und weitaus angesehener.

Wie ich sehe hat sich kaum was verändert“, bemerkt Ina beiläufig, als sie das Haus mit Joan betrat.

Widerwillig folgte Kate ihr, hatte aber die Rechnung ohne den jungen Mann gemacht, der sich just in diesem Moment vor sie stellte, sich leicht verbeugte und ihr seinen Arm darbot, um sie nach drinnen zu geleiten. Ihr Vater sah sie durchringend an, als wüsste er, dass sie darüber nachdachte einfach an ihm vorbei zu gehen. Sie lächelte den Gentleman vor ihr schwach an und reichte ihm letztendlich ihre Hand. Mau musste ihm Wagen bleiben, was ihr ganz und gar nicht gefiel.

Meine Name ist Daniel, aber alle nennen mich nur Danny. Sie können sich also aussuchen, welchen sie verwenden wollen.“ Er hatte dieselbe Ausstrahlung wie seine Mutter und auch die sanfte Art zu sprechen, obwohl er eine sehr männliche Stimme besaß. Aber das hatte noch gar nichts zu bedeuteten. Genauso gut konnte er sich als Tyrann oder arroganten Schnösel herausstellen, wobei sie das eher bezweifelte.

Haben sie denn auch einen Namen“, hakte Danny nach, als Kate immer noch schweigend neben ihm ging. „Ich heiße Kate.“ Ihre Stimme klang ziemlich schroff und unfreundlich, als sie im antwortete und sie biss sich augenblicklich auf die Zunge, als sie den warnenden Blick ihre Mutter bemerkte, die offenbar gelauscht hatte.

Kate räusperte sich und wiederholte sich, diesmal aber mit der freundlichsten Stimme, die sie gerade aufzubieten hatte. Danny lächelte sie an, sagte aber schließlich nichts mehr.

Sie gingen durch einen großen Flur, der mit einem bestickten Teppich ausgelegt war, auf dem sich wunderschöne Muster und Schnörkel aneinander schmiegten. An den Wänden hingen Portraits verstorbener Familienmitglieder oder Abbildungen des Anwesens aus verschiedenen Blickwinkeln. Das frischeste Bild stellte einen Mann mittleren Alters dar, mit leicht kantigen Gesichtszügen, aber einem sehr symmetrischen Proportionen, die im eine gewisse Schönheit verliehen, die von seinen braunen Haaren und strahlend blauen Augen untermalt wurde. Sein Blick mit dem er jeden zu durchbohren schien, der an ihm vorbei ging, zeugte von Entschlossenheit, Stärke und Intelligenz. Das musste der verstorbene Gatte der Herrin Joan sein, der in so vielen Schlachten ruhmreiche Siege davon getragen hatte und der ein hohes Ansehen in der Gesellschaft hatte. Ihre Mutter quittierte die Nachricht über seinen Tod mit den Worten „was für eine Schande“ und schnalzte dabei, wie sie es oft tat, mit der Zunge.

Kurz nach diesem Gemälde bogen sie nach rechts ab, wo sie in ein großen Saal mit einem riesigen Tisch, an dem mindestens 50 Leute platz hatten und der nun voll mit den köstlichsten Mahlzeiten, die Kate je gesehen hatte, beladen war. Um den Tisch herum standen Diener bereit, die sich alle verbeugte, als sie den Raum betraten. Am Tisch saßen schon der Rest der Familie von den Kindern bis zu den jungen Erwachsenen und den engen Verwandten höheren Alters, die sich alle erhoben. Kate senkte den Blick, als sie bemerkte, dass die meisten sie anstarrten. So viele Gesichter waren viel zu viel auf einmal und sie war froh, was sie erschreckte, Danny neben sich zu sehen, der ihr aufmunternd zu lächelte.

Das ganze Essen war in ein unangenehmes Schweigen gehüllt, nur hin und wieder hörte man die Kinder miteinander tuscheln oder Ina mit Joan sprechen. Kate war schließlich froh, als Joan die kleineren Kinder vom Tisch entließ, die freudig aus dem Zimmer stürmten, und auch den anderen mit einem Nicken bedeutete gehen zu können. Einige entschuldigten sich höflich und verschwanden ebenfalls irgendwo im Haus.

Letzendlich waren nur noch Joan, Danny, Ina und Steve mit meiner Schwester und noch zwei weitere Geschwister von Danny übrig, die ebefalls nicht entlassen wurden.

Eine der beiden schien fast so alt zu sein wie ihr zukünftiger Ehemann, sie war ebefalls groß, hatte kurze, fast schwarzes Haar und die Blauen Augen ihres Vaters. Das Gesicht hatte sie jedoch von ihrer Mutter. Dennoch war ihr Ausdruck ähnlich wie die des ehemaligen Herren des Hauses und waren starr auf ihren Teller gerichtet. Sie wirkte nicht so, als würde sie sich mit Kate gut verstehen, auch wenn sie im selben Alter waren, hatte sie nicht viel mit ihr gemeinsam. Neben ihr saß ein junger Mann, der genauso alt wie sie war, das wusste sie von ihrer Mutter. Er war ein Mischung aus Mutter und Vater und wirkte dadurch ein wenig zusammengeschustert. So weit sie wusste hieß er Tom und würde demnächst zur Armee gehen, so wie es dem zweitgeborenen Sohn gebührte, zumindest in dieser Familie. Dabei schien er gar nicht dafür gemacht zu sein, denn er wirkte als einziger nervös und ein wenig ängstlich. Da Kate wusste dass die ältesten Kinder am Tisch noch saßen, dann konnte die junge Frau nur Alix sein, die Erstgeborene, so wie sie selbst es auch war.

Wir sollte uns jetzt lieber in den Salon begeben, der ist um einiges gemütlicher als dieser riesige kalte Saal“, meinte Joan, deren Stimme im Raum ein paar Mal widerhallte.

Der Salon war um einiges kleiner, hatte einen offenen Kamin, um den herum 3 Sofas standen. Es befand sich ebenfalls ein Flügel im Raum, wobei sich Kate kaum vorstellen konnte, dass darauf überhaupt jemand spielte mit Ausnahme vielleicht von Joan. Sie betrachtete das Piano eine Weile und musste dabei an ihre verstorben Großmutter, die ihr fast jeden Abend die schönsten Melodien vorspielte und dabei mit ihr die verrücktesten Lieder sang. Manchmal tanzte sie Stunden im Takt der Musik, während ihre Oma alles gab bis die Tasten glühten. Immer wenn sie aufhörten und erschöpft auf die Couch fielen, meinte sie, dass wenn Kate noch länger getanzt hätte, sie irgendwann wie ein Vogel einfach davon geflogen wäre. Das war die schönste Zeit in ihrem Leben gewesen, die aber nicht lange wehrte. Ihr Großmutter wurde schwer krank und erlag der Krankheit nach langen Qualen. Nie wieder hatte sie einen Menschen so sehr geliebt wie sie.

Kate merkte gar nicht wie Joan zu ihr trat und sie gütig anlächelte. „Spielst du etwa Klavier?“, fragte sie sie mit sanfter Stimme. Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Meine Großmutter hat mir früher nur oft was vorgespielt. Es ist lange her, dass ich das letzte Mal den Klang eines Flügels lauschen durfte.“

Wenn das so ist, dann hätte ich eine Idee.“ Joan winkte sie näher zu sicher heran und fuhr mit verschwörerischen Stimme fort: „Da keiner meiner ungehobelten Kinder die Feinfühligkeit für die Musik besitzt, sondern viel mehr für Schwert, Bogen oder Faust, werden wir beide ein bisschen Kultur hier reinbringen. Also wenn du willst, dann lehre ich dir die Kunst des Klaviers.“Kate starrte sie sprachlos an. Immer hatte sie sich gewünscht Piano spielen zu lernen, aber ihre Eltern waren immer dagegen. Viel mehr sollte sie sich darauf konzentrieren ihre Fähigkeiten langsam zu entwickeln, war ihr jedoch nie gelang. Und nun bot ihr das die Person an, die so vor ein paar Stunden noch verflucht hatte, weil sie das ganze mit ihrer Mutter arrangiert hatte ohne sie zu fragen und war unendlich dankbar.

Und?“, hakte Joan noch einmal nach und bemerkte Kates vorsichtigen Blick zu Ina. „Was sie nicht weiß, das macht sie nicht heiß.“

Bei diesen Worten musste sie lachen und nickte zustimmend. Zufrieden betrachte Joan sie und ging wieder zur Rest der Gesellschaft, wo sie Ina gerade mit der Erstgeborenen des Hauses anlegte.

Hochzeit

 

Ich warf dieser penetrant nervenden Person einen vernichtenden Blick zu, als sie meinte sich in ihre Kleiderauswahl einzumischen.
„Wenn sie denken ich wäre nicht angemessen gekleidet, kann ich das nächste Mal ja auch nackt erscheinen, denn den Fetzen was sie da tragen werde ich nicht mal tot mir anziehen lassen.“

Tom lachte unwillkürlich los und hatte Mühe sich wieder zu fangen, als Mutter zu uns Schritt und mich tadelnd ansah.
„Das ist unerhört. Junge Dame, ihnen fehlt es allem Anschein nach an Manieren und Etikett“, entgegnete sie mit empörte Stimme und schüttelte den Kopf. Dabei sah mehr als nur lächerlich aus. Das ganze hier war eigentlich lächerlich, keiner hier in der Familie benahm sich so akkurat wie heute. Ich wusste schon von Anfang an, dass das noch in einem Fiasko endet, wenn das sich länger als drei Stunden zog.
Danny kam schließlich zu mir, als ich gerade wieder was abfälliges erwidern wollte und packte mich grob am Arm, um mich von dort weg zu ziehen. Dabei stieß er seine Verlobte an, die beinahe dem Boden entgegen segelte, als er sie noch rechtzeitig festhielt und dabei mich wieder loslies, worüber ich äußerst erfreut bin.

Und noch was. Manieren und Etikett sind mir wahrlich ein Fremdwort, aber ihnen fehlt es dafür an Verstand und Geschmack.“ Just in dem Moment, wo ich die Worte sagt, wusste ich dass ich vielleicht ein klein wenig übertrieben hatte, denn es herrschte augenblicklich eine absolute Stille im Raum. Ich wusste, dass es ein Nachspiel für mich hatte. Meine Mutter wird mich umbringen.

Ich lachte laut, wobei die Blicke noch schockierter wurden und ich fürchten musste gleich von meiner Mutter zerfleischt zu werden, die mich wütend und entsetzt anfunkelte.

Das war ein Witz“, meinte ich, bei meinem äußerst miserablen Versuch, das ganze noch zu retten. „Natürlich haben sie Geschmack Madame und auch Verstand. Sie müssen wissen mein Humor ist alles andere als gut. Ich hab mich vergessen. Entschuldigt.“

Auch wenn ich mich entschuldigt hatte, wusste ich dass ich trotzdem noch eine Konsequenz zu spüren bekam.

Ina lächelte schwach und schien sich nicht sicher zu sein, ob sie die Entschuldigung annehmen sollte oder nicht.

Ähm. Ja, für wahr, das war wirklich ein schrecklicher Scherz. Ich kam mir eher beleidigt als belustigt vor. Aber danke für die entschuldigende Worte. Ich hoffe doch sehr, dass uns dieser Fauxpas nicht mehr im Weg steht.“ Mit diesen Worten drehte sie mir den Rücken zu und begann sich mit Tom zu unterhalten, der ganz rot im Gesicht war, da er immer noch sein Lachen unterdrückte.

Ich wandte ihr ebenfalls den Rücken zu und wollte gerade gehen, als Danny mit Kate noch schockiert vor mir im Weg standen. „Verzeih mir Danny, aber ich glaube es ist besser wenn ich mich dezent entferne“, sagte ich mit eine Spur Belustigung.

Dezent?“, hakte Danny tadelnd nach. „Du warst alles andere als dezent, aber ich bin stolz, dass du es zumindest so lange durchgehalten hast und nicht schon am Essenstisch über sie hergefallen bist. Nur Mutter wird weniger gnädig sein, als ich.“

Da hatte er vollkommen Recht. Schnell ging ich aus dem Salon und letztendlich nach draußen, wo ich bis spät in die Nacht am Trainingsplatz alleine trainierte, wobei ich wusste das Jasper mich, wie er es oft, beobachtet, während er in seinem Zimmer oberhalb des Platzes am Fenster stand.

Als ich wieder nach drinnen gehen wollte hob ich die Hand zum Gruß und lächelte zu ihm hoch. Er sah mich grimmig an, wobei ich ein Hauch eines Lächelns auf seinen Lippen erkennen konnte, zumindest glaubte ich es zu sehen.

 

Die Hochzeit wurde nur zwei Tage nach dem ersten Treffen abgehalten und war wohl die langweiligste Angelegenheit überhaupt, vor allem weil ich neben dieser Ina sitzen musste, als Straffe für mein unhöfliches Benehmen. Die Standpauke die ich mir an dem Abend noch anhören durfte, dauerte eine knappe Stunde, wodurch ich irgendwann einfach nicht mehr zu hören konnte, dass einzige was ich noch verstand war, dass ich bei der Hochzeit die Gesellschaft von Herrin Ina genießen durfte, aber mich benehmen musste.

Es stellte sich heraus, dass diese Frau das wohl egozentrischtse Wesen war, dass ich je kennen gelernt hatte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das eine Mutter sein sollte, die nur das beste für die Kinder wollte. Allein an Kate sah man, dass sie das alles nur für ihren eigenen Ruf tat und ihr egal war wie es ihrer Tochter dabei ging.

Meinem Bruder erging es zwar ähnlich, dennoch hätte meine Mutter ihn nie gezwungen. Ich wusste das Kate ihm gefiel, dass merkte man an dem abgegriffenem Bild, das höchstwahrscheinlich sie abbildete und wie er sie ansah. Sie war ja auch nicht hässlich. Eigentlich ziemlich hübsch. Sie hatte helle braune Haare, grüne Augen und weiche Gesichtszüge, die ihr ein unschuldiges Aussehen verlieh. Außerdem war sie schlank. Nicht zu dünn, aber nicht zu dick mit sanften weiblichen Kurven.

Die letzten Hochzeitsgäste, die vom ganzen Land angereist kamen und die verschiedensten Titeln trugen, verabschiedeten sich vom Brautpaar und von den Eltern der Getrauten. Langsam wurde es wieder ruhig im Haus. Die kleinen waren schon im Bett und auch die anderen meiner Geschwister hatten sich verzogen. Nur Kiara stand noch neben mir, die weibliche zweitgeborene, und betrachtete verträumt Danny und Kate. „Alles klar bei dir Prinzessin?“, holte ich sie wieder in die Realität zurück. Beleidigt sah sie mich an. „Du bist manchmal so unsensibel“, beschwerte sie sich. Ich verdreht nur die Augen, diese verträumte, romantische Getue meiner Schwester werde ich wohl nie verstehen. „Ist es nicht schön, so eine Hochzeit?“

Ungläubig starrte ich Kiara an. Sie hat mich das nicht ernsthaft gefragt.

Ich finde es eher tragisch“, meinte ich nur.

Tragisch? Es ist schön. Die Liebe zweier Menschen vereint durch den Bund der Ehe...“
„Wenn man in der kurzen Zeit von Liebe sprechen kann“, unterbrach ich ihre Schwärmerei, wobei ich mir einen Schlag in die Schulter einfing. „Ich geh dann mal bevor ich noch wegen dir schwere Depressionen bekomme“, verabschiedete sich Kiara und musste schmunzeln.

Als sie weg war kam auch schon Danny zu mir, im Schlepptau seine ihm frisch angetraute Ehefrau, die aussah als sei sie auf ihrer persönlich Beerdigung, obwohl sie versuchte sich eine Maske der Freude aufzusetzen, was ihr nur teilweise bis gar nicht gelang. Im Gegensatz zu strahlte mein Bruder vor Stolz und Freund und ich fragte mich ob er seiner Frau auch nur einen Blick bisher zugeworfen hatte. Aber das war nicht meine Angelengheit. Ich freute mich auf das Training Morgen und hoffte bald Jasper zu hören, dass er mir nichts mehr neues beibringen konnte. Denn ab da an standen mir alle Türe offen.

Na du Glückspilz.“ Mein Sarkasmus war ein bisschen zu deutlich herauszuhören, was Danny jedoch scheinbar entging.

Kannst du laut sagen. Aber ich will dich um was bitten.“

Was darf es denn sein?“, hakte ich unfreiwillig nach, aber ich sollte mich schließlich benehmen.

Bringst du meine Frau auf ihr Zimmer. Sie ist müde und möchte sich hinlegen.“

Irritiert sah ich ihn an und fragte vorsichtig nach: „Und wo schläfst du?“

Danny blickte betreten zu Boden und wich meinem Blick aus. So wie es aussah schlief er eindeutig nicht bei ihr, was entweder so vorgesehen war oder weil sie es nicht wollte.

Na gut. Ich bring sie dorthin.“

Mit diesen Worten drehte ich mich um und hörte wie Danny Kate was zuflüsterte und ihr einen Kuss zum Abschied gab. Kurz darauf hörte ich hastige Schritte, die versuchten mit mir mitzuhalten, während ich mit flottem Tempo die Treppe nach oben eilte.

In der ersten Etage erstreckten sich drei lange Flure, der eine nach Norden, der andere nach Westen und der letzte nach Osten. Ich ging mit ihr in den Westlichen Korridor und blieb vor dem Zimmer, das für das Brautpaar neu eingerichtet worden war, stehen.

Hier ist e“, erklärte ich ihr mit knappen Worten. Sie nickte und ging stumm an mir vorbei ins Zimmer. Sie war schon eine seltsam Person. Gerade als ich gehen wollte hielt sie noch einmal inne und drehte sich zu mir um. „Wo ist Mau?“, fragte sie erschrocken.

Wer?“ Verwirrt stand ich da und wusste nicht was sie von mir wollte.
„Meine Katze!“, entgegnete sie mit aufgebrachter Stimme und eilte an mir vorbei zurück zur Treppe.
Ich eilte ihr hinterher und fing sie noch vor der ersten Stufe ab. „Moment mal!“ Doch sie wollte nicht hören und drängte sich an mir vorbei. „Ich werde hier keinen Tag bleiben, wenn meine Katze nicht bei mir ist“, schrie sie mich an. Irritiert von ihrem plötzlichen Ausraster folgte ich ihr und versuchte sie zu beruhigen, was die ganze Situation eher verschlimmerte, als es besser zu machen. Da ich wusste zu wem sie als erste lief, wollte ich sie noch einmal zum Stehen bleiben zu bewegen.
„Wartet doch mal!“ Wieder stellte ich mich vor sie hin und hielt sie am Arm fest, aus dem sie sich wütend befreite und wollte mir gleich darauf wieder was entgegen schmettern, als ich ihr zuvor kam. „Ich hab verstanden, also beruhigt euch. Ihr wollte eure Katze, die scheinbar verschwunden ist oder in ein falschem Zimmer steckt und ich schwöre ihnen, es bringt jetzt gar nichts nach unten zu gehen, sich vor Danny zu stellen und am Tag eurer Hochzeit ihm eine Szene zu machen, die Gesprächsstoff im Reich für die nächsten Monaten liefert.“

Ich starrte sie eindringlich an, in der Hoffnung ich stieß nicht auf taube Ohren bei ihr. Sie schien darüber nachzudenken, was ich gesagt hatte und starrte dabei unentwegt auf die letzten Beiden Stufen, die sie noch vom Erdgeschoss trennten. Es gingen gerade zwei Gäste vorbei, die uns überrascht anstarrte, um schließlich tuschelnd wieder weiter zu gehen.

Sie haben Recht“, meinte sie schließlich und Tränen rannen an ihre Wange hinab, sodass ihr Schminke im Gesicht verlief.

Also gut. Dann geht ihr jetzt nach oben, während ich mich darum kümmere, dass Mau den Weg zu euch wieder zurück findet“, versprach ich ihr, obwohl mir das ganze zuwider war. Wie konnte man wegen einer Katze so einen Aufstand machen. Aber ich musste es nicht verstehen, solange ich verhindern konnte, dass sie Danny eine Szene machte und ihn dadurch bloß stellte, war es mir nur Recht.

Als Kate nach oben verschwunden ist, machte ich mich auf die Suche nach Ina, da ich mir sicher war das sie dahinter steckte. Ich entdeckte sie in der nähe eines Adeligen aus der Stadt mit dem sie eindeutig keine diskrete Unterhaltung führte, denn dessen Hand ruhte die ganze Zeit auf ihrem Hintern. Aber davon ließ ich mich nicht abschrecken und steuert unbeirrt auf sie zu.

Verzeiht Madame, könnte ich sie einen Augenblick lang sprechen“, unterbrach ich höflich ihre Unterhaltung. Wütend funkelte sie mich an, als sich der Herr von ihr entfernte und sich schließlich vor mir noch verneigte.

Was ist?“, zischte sie.

Wenn sie wollen, dass ihre Tochter ihrem Ehemann eine Szene macht, sodass alle hier Anwesenden es mitbekommen und im nächsten Tag fast jeder davon erfährt, dass die Ehe der Beiden schon so früh unter keinem guten Stern steht, dann sollten sie vielleicht die Katze Mau sofort in dieses Haus und in das Zimmer der Gemahlin meines Bruders bringen lassen“, entgegnete ich ihr genervt.

Ina musste schlucken und begann nervös zu nicken, während sie Ausschau nach einem Diener hielt. Ich gab einer unserer Bediensteten ein Zeichen, der sofort bei uns stand und mich erwartungsvoll anstarrte.

Die Dame hätte einen Wunsch.“
„Äh ja...ich möchte dass sie zu unserem Wagen gehen und die Katze herausholen und sie zur Braut ins Zimmer bringen...aber...aber vorsichtig, die Katze ist keine Samtpfote“, stammelte sie. Der Diener verschwand augenblicklich und führte den Auftrag pflichtbewusst aus, was man sah als er wieder drinnen erschien und das total zerkratzt.

Ich nahm ihm das Vieh ab und brachte es persönlich nach oben. Als ich anklopfte flog die Tür sofort auf und Kate entriss mir Mau, die mich noch ein letztes Mal anfauchte.

Danke“, sagte sie schnell und schon war sie im Zimmer wieder verschwunden.

Das wird noch lustig werden mit dieser Katze, sie soll bloß aufpassen, sonst landet sie im nächsten Kochtopf oder als Übungsobjekt für Pfeil und Bogen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.06.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich widme dieses Buch meinen Träumen. Denn sie inspirieren mich immer wieder aufs Neue und lassen meine Fantasie freien Lauf. Und meine lieben Sue, die mich immer unterstützt, auch wenn ich selbst nich überzeugt bin von mir.

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