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Eigentlich liebte ich das Zugfahren, aber meistens dauerten die Strecken auch nur 2 bis 3 Stunden, nicht wie diese hier, die sich schon über 5 Stunden dahinzog. Das Schlimmste an allem jedoch ist die Tatsache, dass es stockdunkel war und egal wie sehr man sich noch anstrengte draußen etwas zu erkennen, sah man bloß das Spiegelbild der Zugkabine, als würde man eine Parallelwelt beobachten, die sich genauso abspielte wie diese hier. Also überhaupt nicht spannend. Was würde ich nicht alles dafür geben im Schlafwagen weiter hinten mitzufahren und schlafen zu können. Zwar hatte ich es auch schon im Sitzen ausprobiert, doch diese waren so unbequem, dass ich spätestens Morgen nicht mehr ohne Schmerzen gehen konnte. Gelangweilt beobachtete ich mich selbst im Fenster und fragte mich, was wohl das Ich dort drüben gerade dachte. Wahrscheinlich haargenau dasselbe. Sogar ziemlich sicher. Ich war eindeutig viel zu müde und sollte dringend eine Runde durch den Zug laufen. Die Toilette könnte ich dabei auch gleich mal ansteuern, da es schon ein paar Stunden her war, als ich das letzte Mal ihr einen Besuch abstattete und ehrlich gesagt bin ich auch nicht gerade erpicht darauf. Ich bin ja schon ziemlich miserabel aussehende Klo's begegnet, aber diese hier im Zug übertraf sogar die völlig heruntergekommenen und demolierten öffentlichen Toiletten in den Großstädten. Vielleicht konnte ich auch ein paar Wagons weiter vorne mein Glück versuchen. Seufzend erhob ich mich aus meinem Sklavenstuhl und ging Richtung Kabinentür, die ich argwöhnisch musterte.
„Soll ich sie dir aufmachen?“, brummte mein Bruder, der mich belustigt beobachtete. Ich hatte schon vorhin Probleme die Tür aufzuschieben, da sie ein wenig klemmte und hätte sie deswegen beinahe verdroschen. Genervt grinste ich zurück und atmete tief durch um sie mit einem kräftigen Ruck, zumindest für meine Verhältnisse, aufzureißen. Und kaum zu glauben, sie ging auf.
So leise wie möglich schob ich sie hinter mir zu und bewegte mich durch den kleinen Gang, der fürchterlich nach kaltem Metall und Abgase stank. Wir hätte wenigstens mit einem ICE fahren können, meine Eltern jedoch waren da anderer Meinung.
Es waren fast keine Leute mehr draußen auf den Beinen, nur vereinzelt liefen welche mit ihren Handys am Ohr durch die Gegend und fluchten immer wieder leise, wenn die Verbindung weg war.
An mein eigenes Handy erinnernd, zog ich mein Smartphone aus der Hosentasche und warf einen kurzen Blick aufs Display. Wundervoll, es war schon 5 Uhr und ich hab immer noch nicht geschlafen.
Ich durchquerte den ersten Wagon und gelangte nun zum Speisewagen. Dort herrschte überraschender Weise noch Betrieb oder eher schon wieder Betrieb. Da vibrierte das Smartphone in meiner Hand und eine neue Nachricht wurde angezeigt.
„Hey mein Schatz. Ich holen euch dann um 7 Uhr vom Bahnhof ab. Ich hoffe ihr konntet schlafen und hattet ne gute Fahrt bis jetzt. Hdl Mama“
Sehr witzig, dachte ich. Und wie ich geschlafen hab. Wenigstens lagen nur noch 2 Stunden Fahrt vor uns, dann waren wir endlich zu Hause und ich konnte mich in mein warmes, weiches Bett flüchten. Das waren fantastische Aussichten. Wenngleich ich das auch nicht direkt als mein Zuhause bezeichnen konnte, dazu habe ich es viel zu wenig gesehen, um genau zu sein gar nicht.
Nachdem meine Eltern die Idee hatten uns Kinder durch ganz Deutschland zu schleifen, um am anderen Ende sich niederzulassen, war ich alles andere als begeistert. Ich wollte eigentlich gar nicht umziehen und ich wusste ja nicht einmal wie das neue Zuhause aus sah. Ich hatte zwar meine Schule abgeschlossen und hatte auch eine Lehrstelle, nur leider war ich Minderjährig und meine Eltern schienen es auch gar nicht nötig zu haben, sich unsere Wünsche anzuhören. Die wurden prompt überhört und alles in die Wege geleitet. Und das nur, weil mein Vater ein Jobangebot dort oben hatte, das sehr viel Geld einbrachte. Dabei kann ich den Norden überhaupt nicht ausstehen.
Meine Eltern waren schon vor gefahren und hatten den ganzen Umzug gemanagt, während ich und mein Bruder, den ich am liebsten losgeworden wäre, vorübergehend bei meiner Oma wohnten.
Leider war das jetzt auch vorbei. Das einzig Schlechte an der ganzen Sache war, dass ich mich nicht in Norddeutschland beworben habe, sondern unten im Süden und auch schon eine Lehrstelle hatte, die ich jetzt ja leider nicht mehr antreten konnte. Ein Umstand den niemand interessierte. Heißt ich sitze die ganze Zeit zu Hause herum und warte bis ich eine neue Stelle fand. Das wird wohl die langweiligste Zeit, die ich je erleben musste.
Endlich an der Toilette angekommen, musste ich voller Enttäuschung feststellen, dass sich der weite Weg dorthin überhaupt nicht gelohnt hatte. Ganz im Gegenteil, die schien noch viel furchtbarer zu sein. Mutig trat ich vor und spähte in die Toilettenschüssel und musste würgen. Ganz oben schwamm ein vollgesogenes Tampon, darunter lugte ein braunes Etwas hervor und was das andere alles war, wollte ich erst gar nicht wissen. Fluchtartig verließ ich die Kloake und lief wieder zurück. Zwei Stunden konnte ich es mir sicher noch verkneifen. Ein super Anfang.


Es war kurz vor Sieben und die Sonne schien endlich schon, so konnte ich wenigstens meine Umgebung begutachteten. Nur leider waren wir schon seit einiger Zeit immer wieder von Häusern umgeben, die in einem äußerst seltsamen Stil gebaut worden waren. Sie waren kleiner und viele bestanden aus rotem Backstein, die mich an das Bahnhofshäuschen bei meiner Oma erinnerten.
Wehe meine Eltern haben so ein Haus gekauft. Das würde ich ihnen nie verzeihen und sie mit absoluter Verachtung bestrafen, die sie sowie verdient hatten, nach dieser äußerst dämlichen Aktion.
„Guten Morgen meine Damen und Herren“, kam es auf einmal knisternd aus dem Lautsprecher, „wir erreichen nun in Kürze Hamburg Hauptbahnhof. Geplante Ankunftszeit 7:05 Uhr auf Gleis 7. Das Personal der Deutschen Bahn verabschiedet sich von allen aussteigenden Fahrgästen und hofft sie bald wieder bei uns begrüßen zu können. Ausstieg ist in Fahrtrichtung rechts.“
Erleichtert fuhr ich mir durchs Haar, warf noch einen Blick aus dem Fenster, als wir gerade über stählerne Brücke fuhren und unter uns das Wasser durch die aufgehende Sonne orange schimmerte. Es war ein schöner Anblick, trotzdem fand ich jetzt schon, dass der Norden für mich einfach eine kalte Aura hatte. Genervt stellte ich fest, dass mein Bruder und ich uns langsam aufmachen mussten und die Koffer von der Ablage oben herunter hieven sollten. Unser Gepäck war mir allerdings viel zu schwer. Verschmitzt sah ich meinen Bruder an.
„Vergiss es!“, meinte er, als er meinen Blick sah und schüttelte den Kopf.
Missmutig sah ich zu meinem Koffer und der Tasche.
„Dann halt nicht“, fauchte ich. „Ich dachte ja nur, weil du stark und ein Junge bist, während ich schwach und kaum imstande bin eine Tür zu öffnen, dass du mir hilfst.“
Mein Bruder hielt in der Bewegung inne und starrte mich anklagend an, die Tasche noch halb über seinen Kopf. Ich roch schon meinen Sieg und tanzte innerlich schon vor Freude. Seufzend ließ er die Tasche auf den Sitz fallen, ging an mir vorbei zu meinen Gepäck, aber nicht ohne mir einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Mich juckte der jedoch sehr wenig, viel mehr genoss ich den Anblick meines schuftenden Bruders.
„Aber tragen tust du dein Gepäck allein.“
Ich nickte nur, hing die Tasche um die Schulter und zog den Koffer hinter mir her, als ich ihm nach draußen folgte. Dort drängelten sich schon eine Meute von Menschen Richtung Ausgang. Wir zwängten uns kurzerhand zwischen zwei Familien, woraufhin das kleine Mädchen hinten meinte: „Die haben sie vorgedrängt, Mama.“
Ich verdrehte die Augen und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Als ich einen Blick nach hinten warf, verschränkte das Mädchen bockig die Arme, sah mich böse an und zeigte mir den Stinkefinger. Entsetzt von diesem Bild kniff ich leicht die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, sagte dazu aber nichts und drehte mich einfach wieder um. Dieses Kind hatte es meiner Meinung nach verdient auf die Schienen vor einem Zug geworfen zu werden, auch wenn die Eltern ja viel mehr Schuld an diesem Benehmen hatten und so wie ich hörte, wurde über diese Geste von dem Mädchen auch kein Wort verloren. Wo bleibt RTL,wenn man sie braucht. Mitten im Leben lässt grüßen.
„Tom“, flüsterte ich meinen Bruder zu und zog an seinem T-Shirt. Dieser wandte sich zu mir um und sah ich mich fragend an. „Wissen unsere Eltern, wo wir ankommen?“, fragte ich ihn, als mir einfiel, dass ich es vergessen hatte es ihnen zu schreiben. Tom zuckte mit den Schultern.
„Kein Plan, aber wenn sie es wissen wollen, melden sie sich schon“, meinte er nur und drehte mir den Rücken wieder zu.
So wie ich meine Eltern kenne, wollten sie es nicht wissen. Ihnen fiel es sicher erst viel später auf, wenn wir nach ihnen schon den gesamten Bahnhof abgesucht hatten, dass ihnen eine wichtige Information fehlte. Die Aussicht auf eine Suchmarsch durch den Hauptbahnhof mit dem ganzen Gepäck, drückte nochmal auf meine Stimmung, als wäre das ganze nicht ohnehin schon unerträglich.
Endlich hielt der Zug ruckelnd an und blieb dann auf einmal abrupt stehen, sodass ich beinahe auf Tom gefallen wäre. Dieses Genie, das den Zug fuhr, sollte vielleicht mal lernen mit der Bremse umzugehen. Ich hatte sicher schön einige sanftere Halte erlebt. Quietschend öffneten die ersten Fahrgäste die Tür und strömten aus dem Zug. Wir folgten dem Strom. Mein Bruder stieg zuerst aus, während ich ihm das Gepäck reichte, danach hielten wir Ausschau, aber bei der Menschenmenge die sich hier befand konnte sich das schwierig gestalten. Der Bahnhof hier war wie der in München nur dass der an beiden Seiten offen war, sodass die Züge durchfahren konnte und nicht wieder in die gleiche Richtung hinaus fahren mussten. Außerdem musste man die Treppen hochsteigen oder fahren, um hier raus zu kommen.
„Wo jetzt hin?“, fragte ich meinen Bruder, der sich noch umsah. Dieser zuckte mal wieder mit den Schultern.
„Gehen wir halt einfach die Treppen hoch.“
„Und was wenn sie auf der anderen Seite sind?“, gab ich zu bedenken, da es zwei Möglichkeiten nach draußen gab.
Tom ignorierte meinen Einwand und ging einfach drauf los. Ich folgte ihm. Mir egal, ob wir nun falsch waren oder nicht. Hauptsache wir fanden unsere Eltern.
Wir irrten fünfzehn Minuten umher, da wurde es mir schließlich zu viel. Bockig blieb ich stehen und rief meine Mutter an. Als sie endlich abhob, war ich schon ziemlich genervt und fuhr sie an: „Wo seit ihr man! Wir sind schon seit ner Ewigkeit hier!“
„Hey, alles mit der Ruhe. Ich bin ja auch am Bahnhof und suche nach euch“, entgegnete sie.
Doch irgendwie war ich nicht in der Stimmung ruhig zu bleiben. „Nix mit der Ruhe. Wir haben total viel Gepäck und mir tut ohnehin schon von der Fahrt alles weh!“
Es herrschte Ruhe auf der anderen Seite der Leitung. Zufrieden, dass meiner Mutter keine Entgegnung mehr einfiel entspannte ich mich, als die Stille jedoch ein wenig zu lange an hielt, wurde mir klar, dass sie mal wieder nicht zugehört hat. Genervt stieß ich die Luft aus. „MAMA!“, knurrte ich ins Handy. „Hm? Oh ja. Wo seit ihr denn?“, ertönte es endlich an meinem Ohr.
Ich sah mich schnell um.
„Wir sind am Infostand der Bahn.“ Es ertönte ein Klacken und sie war weg. Typisch. Ich steckte mein Smartphone wieder ein und wartete mit Tom auf unsere Mutter. Als sie endlich in der Menschenmenge auftauchte und winkend zu uns kam, sah ich ein Licht im Dunkeln, auch wenn dieses Licht nach meinem Geschmack viel zu hell leuchtete. Ein bisschen weniger gute Laune hätte es auch getan.
„Na wie war die Fahrt?“, fragte unsere Mutter, als wir im Auto saßen und Richtung Lübeck düsten.
Ich ignorierte die frage, sonst hätte ich noch keifend etwas böses geantwortet und starrte stattdessen aus dem Fenster. Dafür antwortete mein Bruder ihr und berichtete ihr, wie ich mich beim öffnen der Kabinentür ständig angestellt hätte und lachte darüber. Höhnisch gab ich auch ein gespieltes Lachen von mir und verdreht wieder die Augen.
„Sei nicht so“, meinte Tom und boxte mir ein bisschen zu fest in den Oberarm. Mein vernichtender Blick, den ich im entgegen warf, erzielte jedoch kaum Wirkung. Ganz im Gegenteil. Er fand es sogar noch witziger.
Als wir am neuen Haus ankamen, war ich entsetzt was mich da für ein Anblick bot. Das Haus war winzig. Viel kleiner als unser letzteres und der Garten war ein noch schlechter Witz, den hätte man gleich bleiben lassen können. Doch ich musste mir eingestehen, dass ich auf dem Weg hierher, kaum größere Häuser gesehen hatte, meist sogar kleinere.
„Ist unser Haus etwa geschrumpft?“, fragte ich meine Mutter sarkastisch. Diese lächelte nur zurück.
„Nein Schatz, du bist nur gewachsen“, kommentierte sie lachend und fuhr mir mit der Hand durch das Haar, als wäre ich ein Kleinkind. Das war ein guter Konter gewesen musste ich feststellen und ließ es bleiben etwas zu erwidern, dafür war ich nicht in Stimmung und freute mich einfach aufs Bett.
Das Haus hatte einen winzigen Gang, wo drei Leute plus Gepäck kaum Platz hatten. Gleich rechts führte eine Treppe in den zweiten Stock, die wir uns nun hinauf plagten. Dort oben waren nur zwei Zimmer und ein kleines Mini Bad, das ich mit meinem Bruder teilen musste, was ein totale Zumutung war. Denn wenn man danach ging wer länger im Bad ist, dann schlug mich Tom um Meilen, da kann man sogar anfangen zu glauben er wäre das Mädchen in der Familie nicht ich. Alles wirkte noch ziemlich kahl und überall standen noch ungeöffnete Umzugskartons herum. Unsere Mutter führte uns jeweils in unsere Zimmer. Der Raum in dem ich ab jetzt hausen musste, war um die Hälfte kleiner als mein vorheriges, dafür fand ich es um einiges gemütlicher. Mein Schreibtisch stand in der linken Ecke gegenüber der Tür, auch mein Regal trennte wieder das Zimmer. Direkt am Regal war mein Nachttisch und Bett, während links von der Tür die Couch mit Tisch stand. Doch irgendetwas fehlte. Als ich meine Tasche aufs Bett warf und meinen Koffer abstellte, fiel mir auch auf was nicht vorhanden war.
„Mama? Wo ist mein Kleiderschrank?“, stellte ich mit Entsetzen fest und sah sie erschrocken an.
„Ach ja, das habe ich vergessen zu erwähnen, den mussten wir in den Keller stellen, in den Hobbyraum“, erklärte sie mir, als wäre das nichts weiter drastisches.
„Ist das dein ernst?“, hakte ich nach.
Meine Mutter sah mich verwirrt an. Es war ihr ernst, stellte ich fest. Das kann heiter werden, wenn ich unten meine Kleidung holen oder sogar umziehen will, wenn da die Kumpeln von Tom oder Freunde meiner Eltern waren. Ich freue schon darauf, wenn ich endlich ausziehen kann.
„Ich geh schlafen.“ Ohne darauf zu warten, ob meine Mutter noch was sagen wollte, schloss ich die Tür, warf mich rücklings neben meiner Tasche aufs Bett und kickte sie mit meinem Fuß herunter, sodass die mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel.

Den ganzen Vormittag und Nachmittag lang, war mein Vater damit beschäftigt, das Bad unten weiter zu renovieren, sodass ich mich nicht einmal duschen konnte, geschweige denn auf die Toilette gehen. Überall im Haus war das Wasser abgestellt und es schien auch nicht so, als würde mein Dad demnächst nochmal fertig werden. Deswegen mussten wir unsere neuen Nachbarn belästigen, die alles andere als begeistert erschienen, aber uns freundlicherweise weiterhalfen. Es war für mich einfach zu viel des Guten. Eigentlich wollte ich meine Ruhe haben, aber irgendwie kam es mir nicht so vor, als ob das heute noch der Fall sein würde. Gelangweilt und kaum ausgeruht flüchtete ich aus dem Haus und machte mich auf, um mir ein paar Dosen Monster zu holen. Der kalte Wind hier wehte total unangenehm von der Seite, aber laut meiner Mutter war das hier total normal und das im Sommer. Ich hätte eine Jacke oder einen Pulli anziehen sollen. Trotzdem ging ich einfach drauf los und kam an einem Platz auf der eine Kirche stand, die wie fast alles hier aus rotem Backstein bestand und entdeckt zwei Geschäfte. Das eine war ein Rewe und das andere war mir etwas total Unbekanntes. Sky. Diesen Supermarkt hatte es in Bayern nie gegeben, zumindest konnte ich mich nicht daran erinnern, aber das war auch egal. Hauptsache ich bekam was ich wollte und da der Rewe weiter weg war und ich keine Lust hatte noch weiterzulaufen, entschied ich mir für Sky, wobei ich inständig hoffte, dass sie auch Monster hatten.
Doch das Glück war mir Hold und ich fand mein geliebtes Energydrink im Regal. Als ich gezahlt habe und wieder auf dem Heimweg war, vibrierte mein Handy in der Hosentasche und ich zog es raus.
„Ja?“
„Hey. Na, wie ist es in deiner neuen Heimat?“, kam es von einer freundlichen und lauten Stimme.
Es war meine gute alte Schulfreundin Anja.
„Schön ausgedrückt, ziemlich unausstehlich. Es ist kalt, der Wind geht und allgemein ist es hier einfach kalt“, erklärte ich ihr und klang dabei nicht gerade begeistert.
„Tja. Hättest halt hier bleiben müssen.“
Anja war oft nicht gerade die freundlichste Person, aber sie hatte auch ihre guten Seiten, auch wenn man oft echt lange suchen musste. Auf jeden Fall war sie treu wie ein Hund und tat auch wirklich viel für eine Freundschaft, trotzdem war ihre Anwesenheit oft nicht leicht zu ertragen, zumindest wenn man nicht wusste wie man mit ihr umgehen sollte. Sie erzählte mir so ziemlich alles, was sich in der kurzen Zeit alles abgespielt hatte. Wer mit wem zusammen war, wer sich mit wem gestritten und wer sich heute im Polizeirevier wiedergefunden hatte. Das übliche also. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich dort wo ich gerade war überhaupt nicht sein wollte. Nur leider war an diesen Umstand nichts zu ändern. Als sie aufgelegt hatte, setzte ich mich auf eine Bank, und machte depressiv mein erstes Monster auf. Als ich gerade meine Dose öffnete, hetzte jemand an mir vorbei und blieb an meinem Arm hängen, sodass sich die Hälfte des Inhalts auf die Kleidung der anderen Person ergoss. Fluchend stellte ich die Dose weg und schüttelte meine Hände aus, von wo das klebrige Flüssige abtropfte. „Tut mir leid“, entschuldigte sich die Person vor mir. Ich sah auf und sah vor mir ein hübsches Mädchen, vielleicht in meinem Alter, mit kinnlangen Haaren, die sie frech gestylte hatte, stehen. Ihr ganze Jacke war nass und auch ihre weißen Schuhe hatten etwas abbekommen. „Schon okay. War ja nur mein Monster. Mir tut es um deine Sachen eher leid“, meinte ich und deutete auf ihre Schuhe.
„Ach das kann man wasche, nur dein Monster ist jetzt weg.“ Das Mädchen sah wirklich so aus, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. Ich nahm die Dose und schwenkte sie ein wenig hin und her.
„Es ist ja noch was da. Also kein Problem.“
Das Mädchen nickte und schickte sich an weiterzugehen, während ich aus meiner Tasche ein Taschentuch hervor kramte, um die Dose und meine Hände abzuwischen, die schon ein wenig klebten, da hielt sie inne. Ich sah sie fragend an und hoffte sie wollte ihr Oberteil nicht erstattet haben oder Wäsche bezahlt bekommen. Dafür hatte ich echt nicht den Nerv, geschweige denn das Geld.
„Bist du neu hier?“, fragte sie auf einmal.
„Äh ja. Wieso fragst du?“, wollte ich wissen und starrte sie verwirrt an. Ich war eigentlich nicht in Stimmung mich zu unterhalten.
„Nur so. Habe dich hier noch nie gesehen. Ich heiße übrigens Mona.“ Ohne, dass ich sie darum gebeten habe, was auch nicht notwendig war, da diese Bank ein öffentlicher Gegenstand war, setzte sie sich zu mir. Auch ich stellte mich vor und kaum hatte ich ihr ein wenig Interesse entgegengebracht, begann sie einfach drauf los zu reden. Sie erzählte mir von ihrer Schule, wollte wissen was ich machte und seit wann ich hier wohnte. Die ganze Fragerei ging mir zwar ein wenig gegen den Strich, aber es war besser, als von alleine erzählen zu müssen, das war nämlich überhaupt nicht meine Art. Ich hörte viel lieber zu. Und es machte Spaß ihr zuzuhören. Sie lachte sehr viel und das gefiel mir, allgemein gefiel sie mir, sie war einfach total nett und freundlich. Ein kleiner Hoffnungsschimmer am dunklen Horizont. Vielleicht ging ja doch noch meine Sonne hier im Norden auf. Zumindest hatte ich schon mal eine Bekanntschaft geschlossen und das war mehr, als ich mir für den heutigen Tag erhofft hatte.

Ich kam später nach Hause als gedacht. Meine Mutter hatte schon das Abendessen gemacht und mein Vater war fertig mit seinen Renovierungsversuche im Bad, die hoffentlich was gebracht hatten. Als ich in die Küche trat, wo alle beim Essen saßen und lachten, sah mein Vater auf und deutet mit dem Kopf auf die Uhr. „Wir haben eine ausgemachte Essenszeit, falls du dich daran erinnerst“, sagte er in einem vorwurfsvollen Tonfall. „Ich weiß, aber ich hab nur jemanden kennengelernt. Sorry“, entschuldigte ich mich halbherzig. Außerdem fand ich die „Um Sechs ist Essenszeit-Regel“ total bescheuert, ich bin ja keine 12 Jahre mehr. Früher war das vielleicht gut, damit der Familienzusammenhalt verbessert wurde, aber jetzt brauchte ich das wirklich nicht mehr. Mein Vater hob die Schultern und aß gleichgültig weiter, während er und Tom darüber beratschlagten, was sie als nächstes machen konnte, damit die Klospülung endlich richtig funktionierte und meine Hoffnung diesbezüglich war gestorben. Meine Mutter schien jedoch mehr interessiert zu sein. „Du hast jemand kennengelernt?“, hakte sie nochmal nach, als sie ihren Teller in die Spülmaschine steckte.
Ich nickte nur, nahm ein Teller voll Nudel mit Soße, was nicht gerade appetitlich aussah und bewegte mich zum Tisch. „Und hast du die Person eingeladen?“, löcherte sie weiter.
„Um ehrlich zu sein...nein, aber ich hab ihr meine Handynummer gegeben und sie mir ihre, also wenn ich Lust hätte, hätte ich die Möglichkeit“, entgegnete ich und hoffte inständig, dass sie sich damit zufrieden gab. Doch sie fragte weiter nach.
„Findest du sie süß?“
Okay! Das war mir eindeutig zu viel. Seitdem ich meiner Familie eröffnet hatte, dass ich auf Frauen stehe, meinte meine Mutter, dass ich absolut jedes Mädchen süß finde und mehr von ihr wollte, als ein gewöhnlich Freundschaft, auch wenn das überhaupt nie der Fall war. Klar, es gab sicher schon das ein oder andere Mädchen, dennoch war es ein wenig übertrieben von ihr. Ich funkelte sich anklagend an.
„Was denn?“
„Lass das!“, zischte ich. „Ich fand sie nicht süß und außerdem würde ich es dir nicht sagen.“
Meine Mutter wirkte beleidigt und nahm mir schmollend den leer gegessenen Teller weg. Ich muss zugeben, Mona war hübsch und sie war auch nicht unattraktiv, aber ich kannte sie kaum und Liebe auf dem ersten Blick war es sicher nicht. Dennoch kann ich nicht leugnen, dass ich ein gewisses Interesse an ihr hatte, aber das ganze würde bestimmt nicht in was Ernsteres enden. Zumindest nicht von meiner Seite aus. Ich wusste ja nicht mal, welche Neigung sie hatte.
Satt und müde, schleppte ich mich in mein Zimmer hoch, mümmelte mich auf meine Couch und schaltete den Fernseher an, um eine Folge der Simpsons anzugucken. Beiläufig warf ich einen Blick aufs Handy und sah, dass ich eine Nachricht von Mona bekommen hatte. Kurzerhand steckte ich das Smartphone an das Ladekabel und entschied mich, die Nachricht morgen zu lesen und zu beantworten.

„Aufstehen! Der Tag ist jung und außerdem scheint die Sonne!“ Mit diesen Worten stürmte meine Mutter ins Zimmer und riss die Rollläden hoch, sodass die Sonne direkt in mein Gesicht schien und das alles gegen meinen Willen.
„Mama!“, stöhnte ich und zog geblendet die Decke über den Kopf, dabei erhaschte ich einen Blick auf meinen Wecker. Es war gerade mal 8 Uhr morgens, keine angemessene Zeit für mich aufzustehen, vor allem wenn ich Ferien hatte oder, um genauer zu sein, arbeitslos war.
„Nichts Mama“, erwiderte sie. „Ich hab heute was noch mit dir vor.“ Und schon war sie wieder verschwunden. Na Prima. Wenn das so etwas wie ein Mutter-Tochter-Tag werden sollte, stieg ich aus. Ich versuchte mir schon einen Notfallplan zurecht zu legen, falls diese Tragödie wirklich eintreten sollte, doch mir fiel nichts ein. Seufzend gab ich auf und erhob mich widerwillig aus meinem kuscheligen Nest. Halb schlurfend kam ich unten an, wo meine Mutter singend die Spülmaschine ausräumte.
„Sag mir gleich was du vor hast, so kann ich es mir noch überlegen, ob es es wert ist, dass ich mich frisch mache“, grummelte ich.
Meine Ma drehte sich geschmeidig, wie eine Tänzerin um und lächelte mich strahlend an, sodass die Sonne draußen definitiv einstecken konnte.
„Ich hab eine tolle Überraschung für dich“, verkündete sie aufgeregt, wie ein kleines Kind. „Da wir dich einfach mit hier hoch geschleppt haben und du deine Lehrstelle aufgeben musstest, haben ich und dein Vater uns was überlegt, um es wieder gut zu machen.“
Das kann ja heiter werden. Ich hoffte es würde kein Ausflug sein in irgendwelche Freizeitparks oder ähnlichem. Trotzdem war es ja mal richtig nett, dass an uns Kinder gedacht wurde, was nur reichlich spät kam.
„Deswegen haben wir uns dazu entschlossen, dir einen langersehnten Wunsch zu erfüllen. Wir kaufen dir einen Hund“, verkündete sie stolz und sah mich erwartungsvoll an.
Ich war sprachlos, absolut sprachlos. Schon seit einer Ewigkeit wollte ich einen Hund haben, doch meine Eltern haben diesen Vorschlag immer abgelehnt und auf einmal, wo alles so ziemlich beschissen läuft für mich, bekam ich was ich wollte. Erst sagte ich gar nichts, doch dann umarmte ich sie vor Freude schreiend und hob meine kleinere Mutter hoch.
„Ist das euer ernst?“, forschte ich vorsichtshalber nochmal nach.
„Ja, ja. Wenn ich es doch sage“, bestätigte sie es mir lachend und nickte dabei kräftig.
„Wann und wo?“
Meine Ma dachte kurz noch einmal nach und wippte dabei mir ihrem Oberkörper hin und her, um mich absichtlich auf die Folter zu spannen. „Heute!“
Ich rastete vor Freude total aus und stürmte sofort ins Bad, wo ich jedoch meinen Vater kniend hinter dem Klo antraf. Meine Euphorie war zwar nicht verflogen, doch so wie es aussah, konnte sich mal wieder keiner duschen, noch aufs Klo zu gehen.
„Oh Sam“, kam es von meinem Vater, als er mich sah. „Duschen kannst du hier heute noch nicht, aber die Nachbarn haben sich bereiterklärt, dass wir ihre benutzen durften, solange unsere nicht geht. Nett oder?“
Ich drehte mich ohne einen Ton zu sagen um, genervt von der Tatsache, dass mein Dad ein Nulltalent war Dinge zu reparieren, und machte mich auf dem Weg in den Hobbykeller. Als ich meine Kleidung beisammen hatte, fand ich mich schon vor dem Nachbarhaus wieder und wartete ungeduldig darauf, dass jemand öffnete. Dabei kam ich mir selten dämlich vor, mit Kleidung und Duschzeug in der Hand draußen dazustehen.
Als endlich die Tür aufging, starrte ich ein wenig entsetzt auf die Person, die nun vor mir stand. Sie war einfach gigantisch und das nicht, weil sie so hübsch war, ganz im Gegenteil, sondern weil sie die absolut größte Körperfülle besaß, die ich je bei einem Menschen gesehen hatte. Ein Wunder, dass sie noch gehen und stehen konnte. Auch ihr Gesicht war nicht gerade das schönste, sondern erinnerte mich an eine überfressene Ratte. Sie musterte mich von oben bis unten, als ob sie nach einem Grund suchte, mich nicht hereinzulassen. Doch dann lächelte sie, dass auch nicht gerade freundlich aussah und meinte: „Du bist die Tochter wahrscheinlich oder?“
„Ja“, bestätigte ich.
„Na dann komm mal rein. Ich zeig dir das Bad. Ganz schön ärgerlich, dass eures immer noch nicht funktionsfähig ist.“
Ich folgte ihr und war jetzt schon froh, wenn ich wieder nach Haus konnte.
Wie ein Weltmeister duschte ich und schaffte es in wenige Minuten komplett sauber zu sein. Zum Föhnen und stylen konnte ich ja wieder nach Hause gehen. Kurz bevor ich verschwand, ging ich noch in die Stube um mich zu bedanken und verzog mich schließlich.
„Ah da bist du ja wieder“, schrie meine Mutter vom Keller hoch. „Nett die Nachbarn was?“
„Ja total!“, rief ich zurück. „Wann fahren wir los? Und welchen Hund holen wir?“
Meine Mutter kam gerade die Treppe hoch, als ich den letzte Frage stellte und legte den Wäschekorb mit frisch gewaschener Kleidung ab, um einen Blick auf die Uhr zu werfen.
„Ich würde sagen, so in einer Stunde. Eine Familie hier in der Nähe hat einen Wurf Hovawart-Labrador-Mischlingswelpen bekommen und wir können einen davon haben“, erklärte sie mir, nahm wieder den Wäschekorb und ging ins Elternschlafzimmer, während ich ins Bad eilte.
Wie erwartete, war ich viel zu früh mit allem fertig und konnte noch eine halbe Stunde, die sich wahrscheinlich zu einer ganzen Stunde ausbaute, da meine Ma nie so ganz die Pünktliche war, warten. Ich setzte mich aufs Bett und nahm mein Handy in die Hand, woraufhin ich mich sofort an die Nachricht von gestern Abend erinnerte.
„Hey Sam. Ich weiß nicht was ich jetzt schreiben soll. Hättest du mal Lust was zusammen zu unternehmen. Keine Ahnung was. Vielleicht einfach nur bei dir oder mir abhängen?“
Schmunzelnd las ich die Nachricht noch einmal durch. So wie das ganze aussah, dann könnte man glauben, sie wäre an was anderem als Freundschaft interessiert. Aber da ich mir nicht sicher war, antwortete ich ihr.
„Na klar können wir das. Ich habe nur heute keine Zeit. Vielleicht Morgen oder Übermorgen. Such es dir aus.“
„Sam!“, schrie meine Mutter. Überrascht streckte ich meinen Kopf aus der Zimmertür.
„Ja?“
„Wir könnten jetzt schon fahren, wenn du Lust hast.“
„Okay. Ich komme“, rief ich hastig runter.
Als ich nach unten laufen wollte kam mir mein Bruder entgegen und zog augenzwinkernd ein Päckchen Gras aus der Hosentasche. Lächelnd hob ich den Daumen, hetzte an ihm vor bei, um schnell losfahren zu können.
Tom und ich kiffen schon seit längerer Zeit. Da ich Nikotin nie mochte, hatte ich mir diese Laster zugeschrieben und fuhr sehr gut damit, meiner Meinung nach. Ich haschte nur sehr selten um ehrlich zu sein und wenn ich es tat war es völlig okay und hatte kaum Auswirkungen. Zumindest nicht auf mein Verhalten im Alltag oder damals noch in der Schule.
Meine Mutter lehnte an der Fahrertür und wartete ungeduldig auf mich. Ich sprang schnell ins Auto, damit meine Mutter losfahren konnte, die ebenfalls eingestiegen war.

Die Familie mit den Hunden wohnten in einem sehr schönem Haus, dass einen großen Garten hatte, ganz anderes als unsere bescheidene Hütte. Die Besitzer zeigte uns freundlich die Welpen und führte langweilige Smalltalk mit meiner Mutter, während ich mir einen der kleinen Fellknäuel aussuchte. Er war total süß, hatte nicht so langes Fell wie die anderen, aber die typische Fellfärbung der Hovawart, braun schwarz. Ich hatte ihn von Anfang an schon in mein Herz geschlossen und knuddelte ausgiebig mit ihr. Als meiner Mutter es langsam zu spät wurde, bezahlte sie den kleinen Welpen, bekam die Unterlagen, wie Hundepass und Impfausweis, mit und verabschiedete sich höflich. Wir fuhren gemächlich zurück, während ich den kleinen hinterm Ohr kraulte und versuchte ihn somit von der Trennung seiner Mutter abzulenken, was relativ gut funktionierte.
„Wie willst du ihn den nennen?“, fragte meine Mutter und warf einen Blick in den Rückspiegel. Ich sah kurz auf, hob die Schultern und dachte nach. Nur leider viel mir kein Name ein.
„Na die fällt sicher noch einer ein.“
Ich machte mir deswegen noch keine Gedanken, noch war ich überglücklich, dass ich meinen eigenen Hund nun auf dem Schoß hatte.
Meine Mutter fiel dann noch in allerletzter Sekunde ein, kurz bevor sie in Richtung Haus fuhr, dass wir noch gar keine Sachen für den Hund hatten. Schnell fuhr sie in das nächste Geschäft, um Hundefutter, Halsband, Leine und zwei Hundenäpfe zu kaufen.
Währenddessen blieb ich im Auto und beschäftigte mich mit dem Kleinen, als mein Blick auf den Supermarkt Sky fiel.
„Sky“, las ich laut vor und der Hund sah mich neugierig an. Da kam mir eine Idee. „Ich nenne dich Sky!“, verkündete ich und wie auf Kommando sprang Sky hoch und leckte an meinem Kinn. Ich lächelte und kraulte ihn wieder.
Meine Mutter kam gerade mit einem vollbeladenen Einkaufswagen zurück und verstaute alles im Kofferraum. Neugierig warf ich einen Blick über die Rücklehne und hob eine Augenbraue, als ich sah, dass sie mal wieder utopisch viel eingekauft hatte.
„Ich dachte du besorgst nur ein paar Kleinigkeiten“, erkundigte ich mich.
„Ach du weißt ich kann nicht widerstehen, außerdem braucht der kleine Racker auch einen Plätzchen wo er schlafen kann und Spielsachen“, betonte meine Mutter und leckte den Rückwärtsgang ein.
Zu Hause kam gleich Tom und mein Vater angerannt, um den neuen Mitbewohner zu begutachten. Tom fand ihn total niedlich und rief ihn dauernd mit seinem Namen, da Sky diesen noch nicht gewohnt war, hörte er auch nicht. Was ich äußerst witzig fand. Ich nahm den Kleinen schließlich auf den Arm und trug ihn die Treppe hoch, meinem Bruder im Schlepptau, der gar nicht von meiner Seite weichen wollte. Das lag aber nicht nur an dem Welpen den ich bei mir hatte, viel mehr daran, dass er gerne mit mir eine Runde kiffen wollte. Da seine Kumpels dafür nicht mehr da waren, musste ich herhalten und alleine machte es ihm scheinbar keinen Spaß.
„Hast du heute Lust? Wir könnten auch ne Horrornacht hinterherschieben?“, begann er zu planen.
Ich sah ihn ein wenig verunsichert an und blickte auf den Hund. Er bemerkte den Blick.
„Er kann doch auch dabei sein.“
Das stimmte zwar, aber eigentlich wollte ich die erste Nacht im neuen Haus, für Sky so einfach wie möglich gestalten, aber gleichzeitig hatte ich auch Lust darauf mit meinem Bruder den Abend zu verbringen.
Ich seufzte. „Na gut, aber keine Horrornacht. Ich muss mich um ihn kümmern“, erklärte ich mich bereit dazu. Tom strahlte, zog davon und half meinem Vater im Bad weiter.

Wieder fühlte sich alles total langsam und gedämpft an. Das Lachen und Geplapper meines Bruders drang kaum an mein Ohr, steckte aber ungemein an. Ich wusste nicht einmal wieso ich lachte, aber alles war in diesem Moment wunderbar. Das Licht um mich herum wurde immer heller, die Farben intensiver und alles schien sich wie in Zeitlupe zu bewegen. Manchmal kam es mir sogar vor, als würde etwas umher fliegen, ein Lichtpunkt oder so, aber ich konnte mich auch täuschen. Nur Durst hatte ich, unglaublichen Durst, meine Kehle war staubtrocken. Tom hatte Gott sei Dank ein Sixpack mit hochgenommen und ich genehmigte mir eine Flasche und trank sie in schnellen Zügen leer. Das prickelnde Getränk tat so gut, das ich absolut glücklich mit mir und der Welt war, mich auf Tom's Bett zurückwarf und einfach nur dalag. Er legte sich neben mich hin und in dem Moment war er der beste Freund, den ich je hatte. Kaum zu glauben, dass ich ihn eigentlich oft nicht ausstehen konnte.
„Ich glaub ich muss pissen“, stellte Tom fest und brach in Gelächter aus, als er eine leere Flasche packte, seinen Schwanz aus der Hose holte und hinein pinkelte. Obwohl ich es eklig fand, lachte ich mit und sah weg. Alles schien sich bei meiner Kopfbewegung zu drehen, das Zimmer wackelte auf und ab und mir wurde dabei ein wenig schwummrig.
Er gluckste vor sich hin, als er die Flasche schloss und unter sein Bett kickte. Mein Bruder nahm noch einen Joint, zog kräftig daran und säuselte irgendetwas vor sich hin. Ich verstand jedoch kein einziges Wort, als ich aber den verführerischen Duft des Grases einatmete, wollte ich auch noch einmal daran ziehen. Ganz langsam griff ich nach dem Joint, da hörte ich plötzlich ein Winseln, das von meinem Zimmer her zu mir drang. Komisches Geräusch, dachte ich nur und nahm einen kräftigen Zug. Glückshormone durchströmten mich und hatten eine äußerst beruhigende Wirkung auf mich. Ich lag einfach nur da, zufrieden mit der Situation, zufrieden mit mir selbst und beobachtete fasziniert, den weißen Punkt an der Decke. Ich hatte ganz vergessen, wie gut es tat zu kiffen.
Langsam jedoch wurde ich ein wenig träge. Schon wieder winselte etwas in meinem Zimmer und da fiel mir wieder ein, wo ich und meine Mutter heute waren. Entsetzt davon, dass ich meinen Hund vergessen hatte, setzte ich mich langsam auf und ging zur Tür. Tom schien das nicht zu stören, also war es ja nicht schlimm, dass ich ging. Ich betrat mit leicht schwindligem Kopf das Zimmer und ein total verängstigter Sky sah zu mir hoch. Schuldbewusst nahm ich ihn hoch, doch zu mehr war ich auch nicht zustande. Es war ja schon ein Wunder, dass ich ihn überhaupt hoch bekam. Mit dem Fuß machte ich die Tür zu und schlurfte Richtung Bett. Dort legte ich mich mit Sky im Arm hin, begann ihn zu streicheln und schlief schließlich ein.

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Tag der Veröffentlichung: 02.02.2013

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