Cover

Die meisten Menschen sind mit dem Glauben aufgewachsen, dass Vampire, Werwölfe und Hexen nur ein Mythos sind. Ich weiß es besser. Da draußen sind Monster, die sind schlimmer als der Boogeyman oder Freddy Krueger. Und sie sind deshalb so grusselig, weil sie echt sind, aussehen wie wir normalen Menschen und verdammt üble Dinge drauf haben.
Einer Hexe bin ich noch nie begegnet. Aber mein Großvater hat mir erzählt, dass jeder, der dir auf der Straße begegnet eine sein kann. Sie tarnen sich ausgesprochen gut. Man könnte sie höchstens daran erkennen, dass sie mehr „Glück“ als alle anderen haben. Doch nur Hexenanfänger sind so unvorsichtig, dass sie sich so offensichtlich bevorteilen.
Vampire sind da schon deutlicher zu erkennen, obwohl der Mythos, dass sie tagsüber nicht raus gehen können, nicht stimmte. Ich ging sogar mit einigen zur Schule. Sie aßen nicht zu Mittag, blieben meistens unter sich und sind blasser als andere. Ich hatte keine Ahnung, ob sie so blass waren, weil sie eigentlich tot waren, oder, weil sie so selten in der Sonne waren. Denn obwohl sie in der Sonne nicht in Flammen aufgingen, vermieden sie sie oft.
Werwölfe kann man, mal abgesehen von ihren durchtrainierten Körpern, ganz leicht durch ihr Verhalten identifizieren. Leicht reizbar, oft mürrisch und extrem territorial. Und während einer Vollmondnacht konnte man ihnen nicht in ihrer menschlichen Form begegnen. Außerdem traf man sie nur selten verletzt an, da sie sehr schnell heilen konnten.
Mein Großvater war ein Werwolf. Er war sogar nicht nur irgendein Werwolf, er war der Anführer eines Rudels. Bisher hatte er meine Schwester, Heather und mich, nach dem Tod unserer Eltern, aus all diesen übernatürlichen Angelegenheiten heraus gehalten. Aber bald würden wir es ihm nicht mehr so leicht machen, das zu schaffen.

1.
„Angela!“, rief mich Heather. „Komm schon! Sonst kommst du zu spät zur Schule!“
Unmöglich. Heather weckte mich immer so früh, dass ich nicht einmal zu spät kommen könnte, wenn … na ja, wenn ich es darauf anlegen würde.
Bevor ich zum Frühstück nach unten ging, sah ich mich im Badezimmerspiegel an. Die meisten Leute auf der Straße starrten mich wegen meiner hüftlanger, rosa Haare an. Bei denen, fiel mir gerade auf, schon der Ansatz zu sehen war. Meine Haare waren eigentlich dunkelbraun.
Wenn man mich so ansah, könnte man mich glatt für einen Vampir halten. Heather hatte mich immer um meine reine und glatte Alabaster Haut beneidet. Nur ein wenig zu blass war ich ihr. Aber ich musste sagen, dass ich mich so mochte, wie ich war. Deshalb benutzte ich auch nicht viel Make up, weshalb ich wohl auch nicht zu den beliebten Mädchen gehörte. Ein bisschen Kajal und ein wenig Lipgloss, mehr brauchte ich nicht.
„Angela!“ Heather klang gestresst.
„Ja, ja.“, rief ich zu ihr runter. „Ich komm ja schon.“ Es war besser zu spuren, wenn sie gestresst war. Sie konnte dann immer ganz leicht richtig zickig werden.
Als ich meinen Schulblazer von meinem Bett nahm fiel ein Knopf runter und rollte auf dem Boden herum. Ich wusste sofort, dass es der unterste Knopf war. Er war schon seit Wochen locker. Nur hatte ich nie daran gedacht ihn fest zu nähen. Glücklicherweise fiel er jetzt ab, wo ich ihn ganz leicht unter meinem Bett finden konnte. Und nicht irgendwo auf der Straße oder in der Schule. Dann hätte ich ihn wohl nie wieder gefunden. Einen Ersatzknopf hatte sie nämlich auch nicht mehr.
Ich beeilte mich Nadel und Faden aus dem Badezimmer zu holen und rannte runter zum Frühstück, bevor Heather mich noch Mal rufen musste.
„Was willst du damit?“, fragte sie, als sie sich einen Kaffee zum Mitnehmen einschenkte. Sie meinte das Nähzeug. Normalerweise kam ich Nadel und Faden nicht zu nahe.
„Einen Knopf annähen.“, antwortete ich, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres. Ich war nicht mal sicher, ob ich das überhaupt konnte. Und Heather offensichtlich auch nicht. Sie nahm mir das Nähzeug aus der Hand gerade, als ich es geschafft hatte den Faden in das Nadelöhr zu stecken.
Ratz Fatz und mit flinken Fingern hatte sie den Knopf angenäht, hielt mir den Blazer hin und grinste mich an. Das Mitleid, für meine kümmerlichen handwerklichen Fähigkeiten, in ihren Augen machte mir nichts aus. Es war kein Geheimnis, dass ich meine große Schwester brauchte.
„Ich muss los.“, sagte sie schließlich, nahm ihren Kaffee und ihre Tasche und machte sich auf den Weg zur Haustür. „Vergiss nicht, dass wir heute Abend bei Gandpa´ essen. Du musst alleine hin, ich schaff es nach der Arbeit nicht mehr nach Hause.“
Sie war Krankenschwester. Und seit einigen Wochen machte sie regelmäßig Überstunden. Es machte mir Sorgen, dass sie plötzlich so viel arbeitete. Doch als ich sie fragte, ob wir Geldprobleme hätten, antwortete sie nur, dass Grandpa´ es nicht zulassen würde, dass wir unter der Brücke schlafen würden. Natürlich ist mir aufgefallen, dass sie es nicht wirklich verneint hatte. Aber ich vertraute darauf, dass sie wusste, was sie tat. Und, dass sie Grandpa´ um Hilfe bitten würde, wenn wir wirklich Probleme hatten.
„Alles klar.“, rief ich mit einem Bissen Toast im Mund. Aber die Tür war schon ins Schloss gefallen.
Nach einer Scheibe Toast und einer Schüssel Cornflakes, machte auch ich mich auf dem Weg. Ich war früh genug dran, dass ich schlendern konnte und trotzdem den Bus vor dem letzten Bus erreichen konnte. Die Sonne hatte den noch frischen Tag schon aufgewärmt, sodass ich den Blazer jetzt schon zu warm fand.
Im Bus war ich die einzige in der blauen Schuluniform der Filmore Akademie. Es war ein Internat, das sich nur die obere Mittelschicht (oder darüber) leisten konnte. Die Schüler der umliegenden drei kleinen Städte mussten keine zusätzlichen Schulgebühren der Privatschule bezahlen, da es die einzige Schule in diesem Bezirk war. Die Schuluniform und die Schulbücher waren auch so schon teuer genug.
Es waren zwar noch andere Schüler von Filmor im Bus, aber die hatten eine andere Uniform an. Es war zwar derselbe Schnitt und dasselbe Muster, aber sie war in rot. Das bedeutete, dass sie Mittelschüler waren.
Die meisten meiner Mitschüler aus der Stadt hatten ein Auto oder zumindest eine Mitfahrgelegenheit. Ich hatte nicht besonders viele Freunde. Erst recht keine mit einem Auto.
Skeeter, mein bester Freund, wohnte im Wohnhaus des Internats und seine Eltern hielten es nicht für nötig, dass er dort ein Auto hatte. Was wohl auch nur zu wahr war.
Plötzlich vibrierte mein Handy. Ich fühlte meine rechte Blazer Tasche, die aber leer war. Dann merkte ich, dass die Vibrationen aus meiner Schultasche kamen. Da das Vibrieren sich nicht fortsetzte wusste ich, dass ich eine SMS erhalten hatte. Gramps, stand auf dem Display meines Handy´s und ich musste schmunzeln.
Mein dreiundsiebzig jähriger Großvater schickte mir eine SMS. Es war nicht das erste Mal, aber trotzdem musste ich noch immer jedes Mal schmunzeln, wenn er mir eine Kurznachricht zu sendete. Und seine Nachrichten waren wirklich kurz. Diese lautete: HA, Steak? Das HA stand für „heute Abend“. Vor kurzem hatte er Abkürzungen entdeckt. Oft war es schwer heraus zu finden, was er eigentlich wollte.
„Hey, Angela!“, rief John, der Busfahrer zu mir nach hinten. Ich saß in der Mitte des Busses. „Sind du und Heather heute bei eurem Großvater?“ John war auch ein Werwolf und gehörte zu Grandpa´s Rudel. Schon seit einigen Monaten hatte ich die vage Vermutung, dass er etwas für Heather übrig hatte.
„Ja!“, rief ich zu ihm nach vorne, als ich Grandpa ein okay schrieb. Aus meinen Augenwinkeln konnte ich sehen, dass er nachdenklich nickte.
Nach fünfzehn Minuten Busfahrt kam er an der Außenmauer von Filmore an. Eine Handvoll Mittelschüler und ich stiegen aus dem Bus. Am Eingangstor der Schule hielt ich nach einem schwarzen Pick Up Ausschau. Der Wagen gehörte Craig Woodland. Craig war im letzten Jahr – besser gesagt im letzten Monat, nächsten Monat waren schon Sommerferien – und er nahm seinen jüngeren Bruder Nick, der seit letztem Jahr im Rollstuhl saß, mit zur Schule. Seit einem Autounfall war Nick gelähmt. Dieses Schicksal, oder sogar ein schlimmeres, hätte Craig auch geteilt, wäre er kein Werwolf gewesen.
„Hey, Angie.“ Es war Skeeter, der auf seinem Skateboard hinter mir hervor rollte. Ich hasste es, wenn man mich Angie nannte. Nur Skeeter ließ ich es durchgehen.
„Hey, Skeeter.“
„Wonach hältst du Ausschau?“, fragte er. Sein Skater Image litt gewaltig unter dem blauen Schulblazer, der grauen Hose und der blau-grau karierten Krawatte – auch wenn sie nur locker um seinen Hals hing. Trotzdem, wer Skeeter sagte, musste auch Skateboard sagen.
„Nick.“, antwortete ich ihm. Oft trafen wir drei uns noch vor dem Unterricht. Aber diese Woche schien es nie zu klappen. „Hast du ihn schon gesehen?“
„Nein.“, sagte Skeeter, stieg wieder auf sein Skateboard und fing an in Richtung Schule zu rollen. Irrte ich mich, oder war das ein ungewöhnlich nervöses „Nein“.
Hatte es einen speziellen Grund warum Nick seit Anfang dieser Woche später als sonst zur Schule kam? Kannte Skeeter den Grund womöglich? Wenn es denn wirklich so einen gab.
„Hattet ihr Streit, oder so was?“, fragte ich ihn, sobald ich ihn wieder eingeholt hatte.
Nach kurzer Pause antwortete er, „Nein.“ Mein Sherlock-Holmes-Sinn sagt mir: verdächtig. Jetzt musste ich ihn nur irgendwie zum Reden bringen.
„Also hattet ihr Streit.“
„Nein.“ Okay. Das war ein nachdrückliches „Nein“. Wollte er mich auf eine falsche Fährte locken? Oder hatten sie wirklich keinen Streit? Und da heißt es Frauen seien kompliziert.
„Was dann?“ Nur nicht locker lassen, Angela. Bald hast du ihn. „Du weißt doch was?“
„Frag ihn doch selbst.“, fauchte er mich an. „Und lass mich damit in Ruhe.“ Oh oh. Jetzt klang er sogar ein wenig angepisst. Egal was es war, das zwischen den beiden vorgefallen war, es musste heftig gewesen sein. Besser, ich beherzigte Skeeter´s Aufforderung, ließ ihn in Ruhe und frage Nick was los war. Falls ich ihn in die Finger bekomme.
Also wechselte ich das Thema. „Kommst du heute nach der Schule wieder mit zu mir?“ Wenn wir nicht zu viel für die Schule zutun hatten, kam Skeeter immer mit zu mir. In unserem Garten hatten wir vor ein paar Monaten eine Halfpipe gebaut, wo er den Großteil des Nachmittags darauf herum fuhr.
„Yep.“ Das war Skeeter. Als wäre nichts passiert.
„Aber heute nur bis halb sieben.“, sagte ich. „Heute-“
„…isst du bei deinem Großvater, ich weiß.“
Die letzten Meter zum Haupteingang der Schule verbrachten wir in Schweigen. Ich musste an Nick denken. Was hatte er zu Skeeter gesagt, dass er nicht darüber reden wollte? Und wie war es möglich, dass ich davon erst jetzt etwas mitbekommen hatte? War ich schon immer so unaufmerksam gewesen? Oder erst in letzter Zeit? Vielleicht hatten Heather und ich wirklich Geldprobleme?
Plötzlich fiel Skeeter nach vorne über. Im ersten Moment war ich so geschockt, dass ich gar nicht mehr wusste, wie man sich bewegte. „Alles okay?“, fragte ich, als ich die Kontrolle über meine Muskeln wieder erlangt hatte.
Skeeter richtete sich stöhnend wieder auf. Er war regelrecht auf die Nase gefallen. Seine Nase blutete und seine Hose war an den Knien aufgerissen. Ohne darüber nach zu denken, kramte ich in meiner Schultasche nach einer Packung Taschentücher für seine Nase. „Hier.“, sagte ich und hielt ihm die Packung hin.
„Danke.“, murmelte er und drückte das Taschentuch an seine blutende Nase. Da fiel mir der Stock auf, der bei seinem Skateboard lag. Und das Gelächter, ein paar Meter weiter weg von uns.
Tyler Hamilton und sein Club der coolen Kids. Man brauchte kein Genie zu sein um eins und eins zusammen zählen zu können. Mr. Obercool hielt es wohl für irrsinnig komisch einen Stock unter fahrende Skateboards zu werfen. Ich hasste so was.
„Hey!“, rief ich zu ihm rüber. Meine Wut konnte ich kaum verbergen. Der Idiot ignoriert mich, was mich nur noch wütender machte. Ich ging auf ihn zu, Skeeters Versuche mich aufzuhalten ignorierend. Auf halben Weg zu ihm rief ich noch einmal, „Hey, Arschloch!“ Er tat immer noch so, als würde es mich gar nicht geben, obwohl die Leute um uns herum mir die Aufmerksamkeit schenkten, die ich mir eigentlich von ihm gewünscht hatte.
Bevor ich weiter auf ihn zuging, griff ich wieder in meine Tasche und fand dort einen Apfel, den mir Heather heute Morgen in die Tasche gelegt hatte. Ich zerrte den Apfel in die Freiheit und warf ihn auf Tyler. Der rote Ballersatz verfehlte sein Ziel nicht schlecht und landete direkt an seinem Kopf. Damit erkaufte ich mir seine Aufmerksamkeit.
Tyler drehte sich, seinen Kopf haltend (bestimmt gab das eine Beule), zu mir um. Er sah nicht glücklich aus, ganz und gar nicht. Das stimmte mich nur umso zufriedener.
„Was sollte das?“, sagte ich und zeigte hinter mich auf Skeeter. „Was ist dein Problem?“
Er grinste arrogant – so wie ihn jeder an der Schule kannte. „Du meinst, außer das verrückte P!nk Imitatoren mich mit Äpfeln bewerfen?“, fragte er sarkastisch, sodass es alle hören konnten.
Eines wollte ich an dieser Stelle mal klar machen. Ich habe mir nicht wegen der Sängerin P!nk meine Haare pink gefärbt. Ich mochte sie und ihre Musik, aber ich war kein Hardcore Fan, wie man vielleicht denken würde. Die Farbe pink war purer Zufall. Als ich im Laden war hab ich nach der erst besten Packung Haarfärbemittel gegriffen. Es hätte genau so gut rot, blau oder grün gewesen sein können. Insgeheim war ich aber froh, dass es nicht grün war. Grün wäre doch ziemlich heftig gewesen.
Aber gut, den Spruch mit der „verrückten P!nk Imitatorin“ schluckte ich einfach runter.
„Ja!“, rief ich.
Er belächelte mich nur und schaute ungläubig in die Runde seiner Freunde. Angefangen mit Jenna, seiner Freundin. Zu Kindergartenzeiten war sie mal meine beste Freundin. Aber das war lange her, lange bevor sie ihren ersten BH bekam (einige Zeit vor mir) und dann die Gesellschaftsleiter genannt Schule hinauf kletterte. Jenna war eines dieser typischen Ballköniginnen Barbies. Blondes, perfektes Haar, bei dem keine Strähne falsch saß. Manikürte Fingernägel, Designer Klamotten und natürlich den perfekten Freund.
Würg.
Da waren noch ihre zwei Freundinnen, Lucy und Danielle, die niemals ihren Schatten verließen – in zweierlei Hinsicht. Einmal klebten sie ihr an den Fersen, andererseits waren sie niemals beliebter, hübscher oder sonst irgendwie besser als Jenna.
Und natürlich Tyler´s Backup und bester Freund, Vince. Derjenige, der von allen Mädchen an der Schule angehimmelt wurde. In Tyler´s Augen war dass vermutlich nur so, weil er eine feste Freundin hatte, die, in Augen aller, so perfekt zu ihm passte, dass sich niemand in ihre Beziehung einmischen wollte. Ein Vollidiot, mit unübertroffenem Ego. Natürlich wussten alle anderen, was der wahre Grund war. Selbst ich fand, dass Vince wesentlich attraktiver und heißer war, als es Tyler – oder sonst jemand – sein könnte.
„Hey, gibt´s hier ein Problem?“, fragte Craig, Nicks Bruder, der aus dem Nichts aufgetaucht war. Er stand zwischen mir und Tyler und hielt meinen Arm fest.
„Nichts, womit ich nicht selbst fertig werden würde.“, antwortete ich ihm. Woraufhin Tyler lachte. Es dauerte nicht lange, bis seine Freunde auch lachten. Nur Vince lachte nicht, fiel mir auf, er starrte nur Löcher in die Luft.
„Du bringst deinen Freund jetzt vielleicht besser zur Krankenschwester.“, sagte Craig und schob mich zurück zu Skeeter, der mit Skateboard und blutigem Taschentuch auf mich wartete. „Sonst verblutet er uns noch.“
Ich wollte zurück und mich Tyler stellen. Er sollte diesmal nicht auch wieder gewinnen. Dieser Mistkerl dachte, er könne alles tun, was er wollte und würde ungestraft davon kommen. Irgendjemand musste ihn Mal in seine Schranken weisen. Aber Craig`s fester Griff an meinem Arm verhinderte, dass ich das war.
Also fügte ich mich ihm und ging mit Skeeter die Treppe hoch, durch den Haupteingang der Schule und in Richtung Büro der Krankenschwester. Wobei ich bezweifelte, dass Skeeter sie brauchte. Seine Nase würde auch so aufhören zu bluten. Aber vielleicht könnte sie seine aufgeschürften Knie desinfizieren.
Wir wechselten kein Wort auf dem Weg zur Krankenschwester. Ich war immer noch viel zu wütend über den Vollidioten Tyler. Und Skeeter … keine Ahnung, was mit Skeeter war. Ich schätze es war schwer zu reden, wenn man eine blutende Nase hatte.
„Du musst nicht warten.“, brummte Skeeter schließlich, als wir am Büro der Krankenschwester angekommen waren. „Geh zum Unterricht.“ Ohne auf meine Antwort zu warten, ging er durch die Tür und schloss sie hinter sich.
Allein stand ich nun im Flur. Dieser Teil der Schule war um diese Zeit wie ausgestorben. Aber ich hatte mich geirrt, ich war nicht alleine. Nick kam mit seinem Rollstuhl auf mich zu gerollt.
„Hey.“, sagte er.
„Hey.“, sagte ich. „Wo warst du die ganze Woche?“
„Ich hab mich versteckt, schätze ich.“
Meine Stirn runzelte sich. „Versteckt? Wovor denn?“
„Vor dir.“ Es klang mehr wie eine Frage, als eine Antwort.
„Vor mir?“ Irgendwie machte er mir Angst. Wir waren ganz alleine hier im Flur. Und er redete merkwürdigen Zeugs. Aus diesem Stoff sind Horrorfilme gemacht. Es würde mich nicht wundern, wenn Nick jetzt versuchen würde mich, wie ein verrückter Killer, umzubringen. Oh, komm schon, Angela, du denkst Blödsinn.
„Ich schätze Skeeter hat Wort gehalten und dir nichts erzählt.“, sagte Nick schließlich. „Sonst würdest du wohl sauer auf mich losgehen.“
Jetzt wurde ich neugierig. „Was hat er mir nicht erzählt?“
Er atmete tief durch und sah nachdenklich aus einem der Fenster, die den Flur entlangliefen. Ich kannte mich mit Stil Epochen nicht aus, aber ich dachte mir, die Fenster könnten aus der Gotik stammen. Oder vielleicht dem nachempfunden. Die Schule war alt, aber ob sie bis ins Zeitalter der Gotik zurückreichte wusste ich nicht.
„Nach dem Ende des Schuljahres“ – er sah sich um (vermutlich suchte er nach hellhörigen Ohren) – „lass ich mich zum Werwolf machen.“
Ich musste aussehen wie ein Vollidiot. Mein Mund stand vor Schock offen. Das konnte nicht sein Ernst sein. Das durfte nicht sein Ernst sein. Wer war denn so verrückt sich freiwillig zu einem Werwolf machen zu lassen. Besonders wenn man wusste, welchem Prozedere man über sich ergehen lassen musste. Und Nick wusste bescheid, sein Bruder war einer von ihnen. Er wusste, dass man sich von einem Werwolf halbtot beißen lassen musste, um selbst einer zu werden.
„Nein.“, konnte ich nur raus bringen. „Das kannst du nicht machen.“
„Ich hab mich schon entschieden. Und dein Großvater ist auch einverstanden.“ Wenn das so war, hatte ich kaum noch eine Chance ihn davon abzubringen. Nur seine Eltern konnten noch ein Veto einlegen, dass Grandpa Nick´s Willen ignorieren ließe.
„Aber, warum?“ Es war offensichtlich warum. Nick war Querschnittsgelähmt. Ein Werwolf zu werden war wohl die einzige Möglichkeit für ihn, wieder laufen zu können.
„Warum?! So eine blöde Frage hätte ich dir echt nicht zugetraut.“ Es fehlte nicht viel und Nick hätte angefangen zu lachen. „Ich kann nicht laufen, Angela. Ich könnte mir ein Messer ins Bein rammen und würde es nicht mal spüren.“ So wie es aussah war ich wohl öfter unaufmerksam, als ich gedacht hatte. Nick schien es eigentlich immer gut zu gehen. Na ja, von der Anfangszeit seiner Lähmung mal abgesehen. Er wirkte … stabil. Aber die Lähmung schien ihm doch mehr zuzusetzen, als er es zeigte. „Hast du ´ne Ahnung wie es ist, seine Beine nicht zu spüren? Ich denke nicht!“
Stille trat ein. Darauf konnte ich einfach nichts erwidern. Er hatte Recht, ich wusste nicht wie es war, seine Beine weder bewegen noch spüren zu können. Aber konnte er wirklich so verzweifelt sein, sich dem Risiko auszusetzen und sich von einem Werwolf angreifen zu lassen. Dabei konnte soviel schief gehen. Wenn der Werwolf, der ihn angreifen würde, sich nicht rechtzeitig stoppen konnte, würde er Nick töten. Und wenn er sich zu früh stoppte, war die ganze Aktion umsonst und Nick würde schwer verletzt ins Krankenhaus kommen, wo er seine Verletzungen wochenlang auskurieren lassen musste.
„Aber…“, ich wusste, dass ich diesen Kampf schon verloren hatte, noch bevor er begonnen hatte. Trotzdem schien es mir nicht richtig, nichts zu sagen.
„Du kannst mich nicht umstimmen.“, sagte Nick. „Also versuch es erst gar nicht.“ Nach einer kurzen Pause sagte er noch, in einem weniger sicheren Ton, „Aber ich hoffe, dass das nicht auch unsere Freundschaft gefährdet.“
„Ich weiß nicht.“, rutschte mir raus. Eigentlich wollte ich gar nichts dazu sagen. Ich war mir wirklich nicht sicher, was seine Verwandlung in einem Werwolf für unsere Freundschaft bedeuten würde. Einerseits, würde Grandpa´ vermutlich nicht wollen, dass ich mit einem seiner Wölfe befreundet war. Denn für mich als zerbrechlicher Mensch, könnte so eine Freundschaft durchaus gefährlich werden. Craig, Nick´s Bruder war der lebende Beweis dafür. Er wurde durch einen seiner Freunde zum Werwolf.
Andererseits, wusste ich nicht, ob ich mit einem dieser Monster, dort draußen befreundet sein konnte. Es würde bestimmt lange dauern, bis ich nicht mehr vor ihm zurückweichen würde, wenn er plötzlich und ohne Vorwarnung auf mich zukommen würde. Das würde unserer Freundschaft mit Sicherheit gut tun.
Sichtlich geknickt drehte Nick seinen Rollstuhl in die Richtung, aus der er gekommen war und fuhr davon. Ich wusste nicht was ich sagen konnte. Ich wusste nur, dass, wenn ich nichts sagte, wäre es noch schlimmer, als wenn ich wochenlang vor ihm Angst hätte.
Nach der Schule musste ich mich bei ihm entschuldigen. Doch da ich nicht wusste, was ich sagen sollte, ging ich in meiner ersten Unterrichtsstunde (Englisch) unser Gespräch noch einmal durch. Eines ging ganz klar daraus hervor, er litt darunter, dass er an den Rollstuhl gefesselt war. Und er würde wohl alles tun, um wieder laufen zu können. Grandpa´ war einverstanden, dachte ich. Er würde sicher nicht leichtsinnig so einem Risiko zustimmen. Er hätte Nick dazu gebracht sich diese Entscheidung reiflich zu überlegen.
Wie lange hatte Nick schon darüber nachgedacht?
Warum hat er nie mit mir darüber gesprochen?

Da fiel mir noch eine Information ein, die mir Nick im Laufe unseres Gesprächs gegeben hatte. Das Ende des Gesprächs: Ich hoffe, dass das nicht auch unsere Freundschaft gefährdet. Und der Anfang: Ich schätze Skeeter hat Wort gehalten und dir nichts gesagt.
Er hatte Skeeter davon erzählt?! Skeeter kam von außerhalb. Er ist nicht hier in der Stadt aufgewachsen, mit all den Werwölfen, Vampiren und Hexen. Es gab nur eine Regel, die die Stadtbewohner beachten mussten: Es durfte kein Wort nach außen dringen. Und Nick hatte dagegen verstoßen. Hatte er die Erlaubnis dazu bekommen?
Wie hatte Skeeter darauf reagiert? Ich versuchte mich an die ganze Woche zurück erinnern. Außer, dass Skeeter es vermied über Nick zu sprechen und jedes Mal das Thema wechselte, wenn ich über ihn sprechen wollte (wie konnte mir erst heute auffallen, dass da was nicht in Ordnung war?), fiel mir nichts anderes auf. Na ja, und dass Nick sich die Woche über nicht hat blicken lassen.
Warum hat Skeeter nichts erwähnt? War er denn gar nicht geschockt, zu erfahren, dass die Monster real waren? Dachte er, ich würde im Dunkeln tappen? Ich musste unbedingt mit ihm darüber reden. Am besten, noch bevor ich mit Nick noch mal rede. Vielleicht würde mir Skeeters Ansichten helfen, die richtigen Worte für Nick zu finden, um ihn womöglich doch noch um zu stimmen. War es vielleicht möglich, dass er es gut fand? War er begeistert davon, dass Nick zu einem Werwolf werden wollte? Aber warum sind die beiden sich dann die ganze Woche aus dem Weg gegangen?
Nach der Schule wollten wir uns an seinem Schulspind treffen. Auf dem Weg zu mir nach Hause konnte ich ihm schlecht all diese Fragen stellen. Wir mussten ein paar Stationen mit dem Bus fahren, der nicht leer sein würde. Zwar wussten die ansässigen Kids alle über Werwölfe und diese Dinge bescheid, aber nachmittags fuhren auch einige Internatsschüler in die Stadt um aus der Schule mal raus zu kommen. Also nahm ich mir fest vor ihn auszuquetschen, sobald wir bei mir zu Hause waren.
Der Schultag zog sich dahin. Wie kam es nur, dass, immer wenn man etwas Wichtiges vorhatte, der Zeitpunkt einfach nicht näher rücken wollte? Aber nichts desto trotz läutete es zum Ende der letzten Stunde. Ich beeilte mich durch die Schülermassen in den Gängen zu meinem Spind zu kommen, um die Bücher zu verstauen, die ich dieses Wochenende nicht brauchen würde. Zum Glück gaben die meisten Lehrer gegen Ende des Jahres nicht mehr so viele Hausaufgaben auf, sodass ich nur ihr Englisch Buch und ihre Matheunterlagen brauchte. Es bestand der Verdacht, dass mich am Montag ein Mathe Überraschungstest erwartete.
Mit den Büchern in meiner Tasche, schloss ich meinen Spind wieder und wäre vor Schreck beinahe an einem Herzinfarkt gestorben. Vollidiot Tyler´s Freund, Vince stand plötzlich mit einem charmanten Lächeln neben mir.
„Gott!“, sagte ich, mich von dem Schock erholend. „Musst du dich so anschleichen?!“
Sein Lächeln breitete sich zu einem Grinsen aus. „Ich wollte mich nur entschuldigen.“
„Wofür?“, fragte ich sarkastisch, „Dass du mir beinahe einen Herzinfarkt verpasst hättest?“
Er lachte kurz. „Auch dafür.“, sagte Vince, „Aber eigentlich für Tyler. Er hat es heute Morgen wirklich übertrieben.“
„Ja, hat er. Aber das ist bei ihm ja nichts Neues.“ Tyler leistete sich oft solche „Übertreibungen“. Und Skeeter und ich konnten nur von Glück reden, dass unsere Schule groß war und deshalb eine große Auswahl an Außenseiter bot.
Vince stimmte mir mit einem Kopfnicken zu. Aber wenn er mir zustimmte, wieso unternahm er dann nichts gegen seinen Freund? Ich hätte ihn darauf angesprochen, aber für so eine Diskussion hatte ich jetzt keine Zeit. Skeeter wartete auf mich und ich brauchte von ihm Antworten auf einige Fragen. Also beließ ich es dabei und machte mich auf den Weg zu Skeeters Spind.
Vince allerdings entließ mich nicht so einfach. „Weißt du, Tyler ist gar nicht so übel, wenn man mal mehr Zeit mit ihm verbringt und ihn besser kennen lernt.“, sagte er, als er neben mir her trottete.
„Nur zu blöd“, sagte ich voller Sarkasmus, „dass ich nicht für alles Geld der Welt Zeit mit ihm verbringen würde.“
„Und mit mir?“, fragte er plötzlich.
Das erlangte meine ungeteilte Aufmerksamkeit und ich blieb neben ihm stehen. Wollte er mich verarschen? „Was meinst du?“
„Nur du und ich? Ein Date?“ Er strotzte nur so vor Selbstbewusstsein. Aber auf eine gute Art und Weise. Es stand ihm. Und so aus der Nähe betrachtet, konnte ich gut nachvollziehen, dass er als der heißeste Typ der Schule galt. Er hatte diese leuchtend grünen Augen, die einem alles andere vergessen ließen. Nicht nur die Wahl seiner Klamotten (die sie nur kannte, weil er sich hin und wieder in der Stadt blicken ließ) ließ darauf schließen, dass er sich um sein äußeres Gedanken machte, auch seine Haare, die unmöglich von alleine, diesen Schlafzimmerlook hinbekamen. Dazu gehörte schon Fingerfertigkeit und die passende Menge an Haar Gel. Ganz zu Schweigen von diesem dahin zu schmelzenden Lächeln.
Aber ein kurzer Blick auf Tyler, der uns von seinem Spind aus beobachtete, holte mich wieder auf die Erde zurück. Wieso sollte so jemand wie Vince mit einem Außenseiter wie mir ausgehen wollen? Das konnte nicht sein Ernst sein. Und irgendwie hielt ich mich im Moment für ganz schön einfältig, da ich kurz davor war „ja“ zu sagen.
Ohne ein Wort zu sagen ließ ich ihn stehen und nahm meinen Kurs wieder auf.
„Soll das ein Korb sein?“, er klang überrascht. Klar, so jemand wie er war es nicht gewohnt eine Abfuhr zu erhalten.
Zuerst wollte ich ihm nicht antworten, konnte dann aber doch nicht anders. „Hältst du mich denn für so blöd, dass ich darauf reinfalle?“
„Worauf reinfällst?“ Die Frage schien sein Ernst zu sein.
Ich rollte mit den Augen. „Ist doch offensichtlich.“
„Nein, ist es offensichtlich nicht.“, sagte er beharrlich. „Denn ich kann dir nämlich ganz und gar nicht folgen. Halt mich ruhig für Blöd.“
Ich blieb stehen und sah Vince an. Er schien es wirklich ernst zu meinen. Doch mit der Sicht auf Tyler konnte ich mir einfach nicht sicher sein. Immerhin bin ich schließlich auch nur ein Mädchen mit normalen Gefühlen. Und Vince war atemberaubend.
„Nur weil ich mit ihm befreundet bin“, sagte er schließlich, „heißt das noch längst nicht, dass ich ein genau so großes Arschloch bin, wie Tyler.“
„Gleich und gleich gesellt sich gern.“, konterte ich.
„Und Gegensätze ziehen sich an.“, gab er zurück, mit diesem charmanten Lächeln, dass Eisberge zum schmelzen bringen konnte. „Überleg es dir.“, sagte er und ging zurück zu Tyler. Vielleicht sollte ich es mir wirklich überlegen. Tyler´s Gesichtsausdruck ließ nicht gerade darauf schließen, dass er Vince dazu angestiftet hatte, einen Rachefeldzug für den Apfel-Angriff heute Morgen anzuzetteln. Wären wir in einem Comic, hätte Tyler wohl ein dickes, fettes Fragezeichen über den Kopf.
Verwirrt über das, was gerade passiert war, ging ich weiter. Skeeter wartete bestimmt schon auf mich. Während mein Spind im Naturwissenschaftsgebäude war (wie auch immer ich dazu gekommen war), befand sich Skeeter´s im Sprachengebäude. Die Unterrichtsgebäude lagen nicht weit auseinander, aber ich beeilte mich trotzdem. Die kleine Unterredung mit Vince hatte doch etwas mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich dachte.
Ich war überrascht zu sehen, dass sich Skeeter mit einem Mädchen unterhielt, als ich in seinen Gang einbog. Sonst war er dem anderen Geschlecht eher zurückhaltend eingestellt – ich zähle da nicht mit. Natürlich war es möglich, dass sie sich nur platonisch über Schulbezogene Themen unterhielten. Aber das schüchterne Lächeln des Mädchens, dem ich ins Gesicht sehen konnte, während mir Skeeter´s Rücken zugewandt war, verriet mir, dass sie durchaus an ihm interessiert war. Also ließ ich mir für die letzten Meter zu Skeeter extra viel Zeit.
„Skeeter hat ´ne Freundin.“, ließ ich kichernd im Singsang auf ihn los, nachdem das Mädchen sich von ihm verabschiedet hatte.
„Ach halt die Klappe.“, brummte er.
„Oh, hast du Ärger mit deiner Freundin?“, fragte ich scherzhaft.
„Sie ist nicht meine Freundin!“, sagte er nachhaltig.
„Weil sie mit dir Schluss gemacht hat?“, fragte ich übertrieben Gefühlsbetont. Es gab nichts Schöneres als Skeeter zu ärgern.
„Würdest du bitte die Klappe halten?!“
„Schon gut, schon gut.“ Das Lachen konnte ich mir aber nicht verkneifen.
„Ich will meine Sachen noch in mein Zimmer bringen bevor wir gehen.“
„Okay.“
Der Campus der Schule war relativ Groß. Neben den Unterrichtsgebäuden und den Wohnhäusern der Internatsschüler, gab es noch ein kleines Fastfood Restaurant, einen Coffee Shop und eine Buchhandlung mit Schülerbedarf. Alles was das Schülerherz begehrte. Doch in den warmen Sommermonaten fanden sich die meisten Schüler auf den weiten Grünflächen oder der Sportanlage ein. Heute war so ein Tag. Schüler saßen in kleinen Grüppchen auf den Wiesen und unterhielten sich, machten Schularbeiten oder ließen sich einfach nur mit Musik berieseln.
Skeeter und ich führten eine Oberflächliche Unterhaltung über langweilige Schulfächer, öde Projekte und fiese Lehrer, als wir vom Sprachgebäude zu Skeeter´s Wohnhaus rüber schlenderten. Es war eines von vier Wohnhäusern auf dem Campus – zwei für Mädchen und zwei für Jungs. Natürlich war das eine Geschlecht im Wohnhaus für das andere Geschlecht nicht erlaubt, weshalb ich draußen warten musste, als Skeeter seine Schulsachen in seinem Zimmer verstaute.
Während seiner Abwesenheit, ließ ich meine Gedanken schweifen und landete bei dem Mädchen, das sich vor ein paar Minuten mit Skeeter unterhalten hatte. Ich überlegte, ob ich sie schon mal gesehen hatte, ob wir vielleicht einen Kurs zusammen hatten. Sie hatte eine blaue Schuluniform an, was bedeutete, dass sie zur Oberstufe gehörte. Aber ich glaube nicht sie in einem meiner Kurse gesehen zu haben. Wobei ich zugeben musste, dass ich meinen Mitschülern nicht viel Aufmerksamkeit schenkte.
„Also…“, fing ich an, als Skeeter aus seinem Wohnhaus kam und wir uns zur Bushaltestelle begaben, „Wer war die kleine von eben?“ Ich musste zugeben, dass ich schon ein Bild von mir und Vince und Skeeter und diesem Mädchen im Kopf hatte. Wie gesagt, ich war auch nur ein Mädchen.
„Wen meinst du?“, fragte er.
„Du weißt wen ich meine.“
„Monica.“, sagte er nach kurzer Pause, als hätte ich es aus ihm herausgeprügelt. „Sie läuft mir seit ein paar Tagen nach.“ Das klang nicht gerade danach, als sei er an ihr interessiert. Soviel zu dem Bild in meinem Kopf.
„Was soll das heißen, sie läuft dir nach?“ Es konnte nicht schaden zu versuchen ihn ein wenig in die richtige Richtung zu schubsen. Und diese Richtung war: Er hat eine Freundin und ich einen Freund.
„Na das, was es eben heißt.“, sagte er. „Sie läuft mir nach.“ Nicht besonders aufschlussreich.
„Magst du sie?“
„Wieso willst du das wissen?“, fragte er, als wäre es ein total abwegiger Gedanke, dass ich in irgendeiner Weise Interesse an ihm und sein Leben hätte.
„Ich dachte Freunde reden über so etwas. Oder hab ich mich da getäuscht?“
Aus meinen Augenwinkel konnte ich sehen, wie er mit den Augen rollte. Ich wusste, dass ihm das Thema nicht lieb war, wollte ihm aber auch nicht so einfach vom Harken lassen. Das schien er selbst auch zu erkennen, denn er antwortete mir, „Keine Ahnung, ob ich sie mag. Ich kenn sie ja kaum.“
„Dann musst du sie eben kennen lernen. Geh mit ihr aus.“, schlug ich vor. Den Rat könnte ich mir für Vince auch geben. Um sicher zu sein, dass er kein Arschloch, wie sein bester Freund war, musste ich ihn besser kennen lernen. Und um ihn besser kennen zu lernen, musste ich mich mit ihm treffen. Mittlerweile glaubte ich wirklich, dass es kein abgekartetes Spiel war, um sich über mich lustig zu machen.
„Können wir das Thema jetzt bitte wechseln?“ Anstatt das Thema zu wechseln verbrachten wir die Busfahrt zu mir nach Hause in Schweigen. Ich hatte da noch ein Thema im Ärmel, aber davon konnte ich in einem voll besetzten Bus nicht anfangen.

2.
Skeeter legte seinen Rucksack neben die Treppe bei mir zu Hause und ging mitsamt seinem Skateboard direkt nach hinten in den Garten. Ich mimte die gute Gastgeberin und holte uns zwei Coke´s aus dem Kühlschrank.
Wir hatten keinen großen Garten. Es war gerade genug Platz für die Halfpipe Marke Eigenbau, einer kleinen Steinterrasse mit anschließendem Blumenbeet und etwas Grünfläche. Es hat mich ganz schön viel Überzeugungskraft gekostet Heather dazu zu bringen, mir die Erlaubnis für eine Monstrosität wie unsere Halfpipe zu geben.
Ich hatte ihr damals versichert, ich wolle der nächste weibliche Tony Hawk werden. Ich bin davon überzeugt, sie weiß mehr über Tony Hawk als ich. Damals war ich nur so davon begeistert, weil es sich nach einem witzigen Projekt anhörte, dass ich zusammen mit Skeeter machen konnte.
Natürlich hatte ich unser Werk auch mal ausprobiert. Sagen wir mal so, an Tony Hawk komme ich nicht ganz heran. Ich stand das eine Mal auf einem Skateboard, und danach nie wieder. Aber ich sah Skeeter gerne bei seinen Sprüngen und kleinen Stunts zu. Er war richtig gut.
„Also…“, fing ich diesmal wieder an. Ich glaube, er hatte erwartet ich würde wieder von Monica anfangen und versuchte mich deshalb gezielt zu ignorieren. „…was hat Nick dir erzählt?“
Das verschaffte mir seine Aufmerksamkeit. Er sah auf den Boden, sagte nichts und ließ das Skateboard unter seinen Füßen ausrollen. Ich musste mich anstrengen um zu hören, was er dann sagte, „Hat er mit dir geredet?“
„Ja.“, antwortete ich vorsichtig. „Er hat mir erzählt, was er vorhat.“ Nachdem er nichts darauf sagte, fragte ich, „Was hat er dir alles erzählt?“
Skeeter stieg von seinem Board und setzte sich darauf. Seine Arme stützte er auf seinen Knien ab. Er vermied es, mich direkt anzusehen. Das Thema schien ihm wirklich schwer zu fallen. Aber wer konnte es ihm verdenken? Es war wahrlich ein Schock zu erfahren, dass die Monster unter dem Bett real waren. Ich hatte es da schon besser, immerhin bin ich damit aufgewachsen.
„Dass Werwölfe und so echt sind, und dass er einer werden will.“, sagte er schließlich.
„Und wie kommst du damit klar?“
Er schien sich noch nicht ganz klar darüber zu sein, wie er damit klar kommt, denn er sah nachdenklich aus. Abwesend nahm er eine handvoll Gras und rupfte es aus. Als wäre ich gar nicht da und würde nicht auf eine Antwort warten, zerkleinerte er die Grashalme, bis er sie nicht mehr greifen konnte, und ließ sie auf den Boden rieseln. Er wollte mir nicht antworten.
Also musste ich das für ihn übernehmen. „Nick hat angedeutet, dass eure Freundschaft deshalb gefährdet ist.“, warf ich in die Unterhaltung.
Das brachte ihn zum reden. „Was erwartet er denn?!“, fragte er plötzlich aufgebracht. „Er erzählt mir aus heiterem Himmel, dass es so was wie Werwölfe, Vampire und Hexen gibt … u-u-und dass er ein Werwolf werden will… Was soll ich darauf sagen?“ Und sarkastisch fügte er hinzu, „Klasse, viel Spaß!?“
So hatte ich Skeeter noch nie erlebt. Eigentlich war er immer eher der ruhige Typ. Hatte immer einen Witz auf den Lippen. Und war selten ernst.
„Ich kann verstehen, dass dich das trifft.“, sagte ich.
Skeeter antwortete nur mit einem sarkastischen Lachen.
„Du musst verstehen, dass ihm das das Gefühl in seinen Beinen wieder geben kann.“ Moment! Was mach ich denn hier? Ich Argumentierte ja dafür! War ich nicht eigentlich gegen Nick´s Vorhaben? Wollte ich nicht durch dieses Gespräch nach den richtigen Worten suchen, um Nick davon abzubringen?
Skeeter riss eine Blume aus der Erde – eine Wildblume, Heather hätte ihn erwürgt, wenn er eine Blume aus ihrem Blumenbeet gepflückt hätte – und zupfte die Blütenblätter einzeln aus. Als würde er sich bei jedem Blütenblatt denken: er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich … Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er sich dachte: ich bin sein Freund, ich bin nicht mehr sein Freund … Als aber bei dem letzten Blütenblatt angelangt war, riss er dieses nicht aus, sondern warf die Blume weg. Nach meiner Zählung wäre das „ich bin sein Freund“ gewesen. Kein gutes Zeichen.
„Wie kommst du denn damit klar?“, fragte er schließlich.
„Na ja“, fing ich an, „ich bin damit aufgewachsen.“ Wusste er das eigentlich? „Aber ich halte es für zu gefährlich für Nick.“
„Zu gefährlich?“, fragte er.
„Um ein Werwolf zu werden, muss man sich von einem Werwolf angreifen lassen.“, erklärte ich ihm. „Wenn der Wolf sich nicht stoppen kann, bringt er ihn um. Und wenn er sich zu früh stoppt, wirkt es nicht.“
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hatte Nick ihm das verschwiegen. Vermutlich hatte er ihm nur oberflächlich erzählt, was wahr war und was Mythos war. An seinen Augen, weit aufgerissen und hin und her rutschend, konnte ich sehen, dass Skeeter jetzt vollkommen neue Gedanken kamen. Zuvor hatte er wohl nicht damit gerechnet, dass Nick, bei dem Versuch ein Werwolf zu werden, sterben könnte. Bestimmt hatte er nur die Monster gesehen und, dass Nick bald einer von ihnen war.
„Ich versuch ihn davon abzubringen.“, sagte ich.
„Wie willst du das anstellen? Er klang so, als stünde sein Entschluss fest.“
„Na ja. Mein Großvater – er ist der Alpha – weißt du was das ist?“
„Der Anführer vom Rudel?“
„Ja. … Er entscheidet, ob jemand, und wer zum Werwolf gemacht wird. Ich werde heute Abend mal mit ihm reden.“
„Und wenn das nicht klappt?“ Skeeter machte sich wirklich Sorgen um Nick. Ihre Freundschaft war noch nicht verloren. Zumindest solange nicht, bis Nick zu einem Werwolf geworden ist. Darüber hinaus … da war ich mir nicht so sicher.
„Seine Eltern haben ein Veto-Recht.“
„Das haben sie aber bis jetzt nicht benutzt. Oder?“
„Ich glaube nicht.“ Er musste Nick´s Eltern ja für gleichgültig und teilnahmslos halten. Für Raben Eltern. Ehrlich gesagt, kam mir das auch schon kurz in den Sinn. Aber ich wusste, dass für Werwölfe und ihre Familien andere Dinge gelten. Und seit Craig ein Werwolf war, galten diese Dinge auch für sie. Außerdem kannten sie bestimmt einen anderen Nick. Einem depressiven Nick, der wegen seiner Beine mehr als nur schlecht gelaunt war. Vorher hatte ich nie darüber nachgedacht. „Sie denken bestimmt, dass sie Nick damit helfen. Und Craig auch.“
Skeeter wusste, dass Craig an dem Unfall Schuld war, der Nick zum Krüppel gemacht hatte. Aber wusste er auch, dass er ein Werwolf war? Vorsichtshalber, erwähnte ich es noch einmal. Skeeter sollte wissen, dass Nick´s Eltern sich bereits auskannten und ihn kein unkalkuliertes Risiko aussetzen würden.
Als ich meine Gedanken kurz schweifen ließ, musste ich noch einmal an Craig denken. Ich wusste es nicht genau, aber ich glaube er hatte starke Schuldgefühle wegen des Unfalls. Immerhin saß er am Steuer des Wagens, der Nick das Gefühl in seinen Beinen nahm. Zwar war ich kein Werwolf Experte, aber ich konnte mir denken, dass, wenn Craig derjenige war, der Nick angreifen würde, hätte er die besten Chancen sich und seine Wolfsnatur im Zaum zu halten, um die Attacke erfolgreich durchzuführen. Abgesehen von seiner Verwandtschaft (und Liebe zu seinem Bruder), hatte er durch seine Schuldgefühle, den stärksten Antrieb sich nicht gehen zu lassen. Aber das war alles nur theoretisch.
„Dein Haaransatz kommt wieder raus.“, sagte er dann. Ein klares Zeichen dafür, dass er genug von diesem Thema hatte.
Den Rest des Nachmittags kam zwischen uns kein richtiges Gespräch mehr zustande. Er sagte etwas, ich sagte etwas. Aber nichts, das einen Zusammenhang aufwies. Das Thema Werwolf wurde nicht mehr angeschnitten. Trotzdem konnte ich nicht aufhören darüber nachzudenken. Und Skeeter, glaube ich, auch nicht. Sicher waren unsere Gedanken aber unterschiedlich.
Ich versuchte mir zu überlegen, was ich zu Grandpa sagen sollte. Aber die zündende Idee blieb aus. Nichts wollte mir einfallen, dass dafür sorgen würde, dass er mir überhaupt zuhören würde. Grandpa war der Alpha in seinem Rudel, was nicht nur bedeutete, dass er der Anführer war, sondern auch, dass er dominant war. Er war es gewohnt, dass es nach seiner Nase ging und ließ sich nur in den seltensten Fällen von der Seite rein reden. Und das galt nur für seine Wölfe.
Ich war nur ein einfacher, normalsterblicher Mensch. Bei Grandpa rechnete ich mir keine großen Chancen ein, ihn umzustimmen – ich setzte eher auf Nick´s Eltern. Aber ich würde es heute Abend beim Essen trotzdem versuchen. Mir würde schon etwas einfallen. Und wenn es nur war, dass ich Angst um Nick hätte, da er bei dieser Aktion ums Leben kommen könnte.
Skeeter hatte es sich mit einem Sandwich vor dem Fernseher bequem gemacht, als ich mich für das Abendessen bei Grandpa fertig machte. Nach einer schnellen Dusche, als ich mir die Haare kämmte und föhnte, entschloss ich mich mir morgen eine Packung von dem Haarfärbemittel zu kaufen und es noch dieses Wochenende anzuwenden.
Als eine Art Taktik suchte ich mir das Kleid raus, das Grandpa am liebsten an mir sah. Ein hellblaues Sommerkleid mit weißen Punkten – nicht unbedingt mein Geschmack – das mir bis knapp über die Knie geht. Normalerweise trug ich keine Kleider – Röcke eigentlich auch nur zur Schuluniform. Deshalb zog ich noch eine dunkelblaue Jeans unter das Kleid. Und weil das Kleid nur Spagettiträger hatte durchstöberte ich meinen Schrank nach einer dazu passenden Jacke, die ich aber erst in Heather´s Schrank fand – sie muss sie mir stibitzt haben.
„Ich schmeiß dich ja nur ungern raus“, sagte ich, als ich Treppe runter ins Wohnzimmer kam, „aber da ist die Tür.“ Ich zeigte, wie eine leicht bekleidete Assistentin eines Magiers, auf die Haustür. „Ich muss jetzt nämlich los.“
Im ersten Moment dachte ich, Skeeter hätte mich gar nicht gehört, aber dann drehte er sich zu mir (er hatte meine perfekte Magierassistenten-Pose verpasst) und starrte mich für einen Moment wortlos an, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen. Das musste an dem Kleid liegen. Er kannte mich nur in meiner Schuluniform oder in Jeans. Vermutlich hatte er gedacht, dass ich so etwas wie ein Kleid gar nicht besaß.
„Skeeter!“, ermahnte ich ihn, womit ich es schaffte ihn wieder ins hier und jetzt zurück zu holen.
„Ja. Klar.“, stammelte er, wie ein auf geschrecktes Huhn, und sprang von der Couch auf. „Ist nur ungewohnt dich in einem Kleid zu sehen.“
„Alles Taktik.“, kündigte ich mit einem breiten Grinsen an.
„Taktik?“, fragte er, als er sein Skateboard und Rucksack vom Boden aufhob. „Denkst du, wenn du dich in einem Kleid präsentierst und mit den Wimpern klimperst, frisst dir dein Großvater aus der Hand?“
„Nein.“, sagte ich überzeugt. Ich war nicht blöd. Ich wusste wie meine Chancen standen. „Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.“
Unsere Wege trennten sich bereits vor unserem Haus. Skeeter musste nach Norden zur Bushaltestelle, um zurück zur Schule zu fahren. Grandpa´s Haus war etwas außerhalb der Stadt im Süden. Es war nicht gerade um die Ecke, aber ich hatte kein Auto und es fuhr kein Bus in diese Richtung. Ich hätte mein Fahrrad nehmen können, aber dann hätte ich damit auch wieder nach Hause fahren müssen. Und so konnte ich nachher bequem mit Heather im Auto nach Hause fahren.
Die Sonne nahm langsam diesen orange-goldenen Schein an, den sie bekam, kurz bevor sie unter ging. Mein Schatten kletterte den Asphalt der Straße empor, als ich durch die Nachbarschaft ging. Ich überlegte mir eine Taktik für Grandpa die mehr in die Offensive gehen würde als das dämliche Kleid. Mittlerweile rätselte ich, warum ich dachte, dass das Kleid so eine gute Idee war. Grandpa war zu alt, einflussreich und hatte zu viel Verantwortung, als das er sich von einem einfachen Fetzen Stoff beeinflussen ließ.
Letztendlich kam ich zu dem Schluss ihn in dem Moment zu überfallen, in dem er die Tür öffnete. Ich würde ihm sofort alles entgegen schmettern, was meine Argumente hergaben – was nicht viel war. Jetzt fehlte mir nur noch der Mut so mit einem waschechten Werwolf zu reden.
Im Grunde war es nämlich keine gute Idee so jemand wütend zu machen. Absolut keine gute Idee. Werwölfe sind dafür bekannt leicht reizbar zu sein. Und wenn sie dann auch noch ihre Kontrolle und Selbstbeherrschung verloren, konnte das mehr als nur ins Auge gehen.
So wurde Nick´s Bruder Craig zum Wolf. Er hat sich mit einem der älteren Wölfe, Matthew Sowieso, im Rudel nicht gut verstanden – den Grund weiß ich auch nicht. Irgendwann geriet diese Auseinandersetzung außer Kontrolle. Genau so wie der der Wolf. Er fiel Craig an. Wäre Grandpa damals nicht in der Nähe gewesen und hätte eingegriffen, wäre Craig heute tot. Entgegen der Hoffnung meines Großvaters noch rechtzeitig dazwischengetreten zu sein, reichte der Schweregrad der Attacke und der Verletzungen aus, um Craig zu einem von ihnen zu machen.
Und weil es nicht der erste Fehltritt von Matthew war, war Grandpa gezwungen ihn zu töten. Zum Wohle des Rudels. Und um die Massen der Stadt zu beruhigen, die sich mehr als nur beschwert hatten.
Mein Großvater lebte in einem Haus auf einem kleinen (mini) Hügel, das für ihn alleine eigentlich viel zu groß war. Es hatte sechs Schlafzimmer, vier Badezimmer und neben der Küche, einem großen Esszimmer und einem Wohnzimmer, hatte er eine Bibliothek und sogar einen Salon. Und die Kellerräume waren mit Silberzellen ausgestattet. Absurd – wenn man nicht darüber nach dachte.
Aber als Alpha eines Rudels Werwölfe, war sein Haus offen für all seine Wölfe. Sie konnten ein- und ausgehen, wie es ihnen gerade gefiel. Das war der Grund, warum Heather und ich nicht zu ihm zogen, nachdem unsere Eltern starben.
Die Silberzellen im Keller waren für Werwölfe, die verletzt oder sonst irgendwie außer Kontrolle waren. Aber mit Gedanken darüber wollte ich mich jetzt nicht aufhalten. Ich hatte im Moment wichtigeres zu tun.
Mut, Mut, Mut – wo bist du? Okay das war mein Großvater. Und obwohl er ein Werwolf war, war ich nichts desto trotz (relativ) sicher, dass er mich nicht gleich töten würde, wenn ich ihm ein paar Vorwürfe machte. Also wo ist dann mein Mut geblieben?
Ich stand vor dem Haus auf der Straße und atmete tief durch. Mir wird schon nichts passieren. Also warum hatte ich dann solche Angst? Nur nicht darüber nachdenken und es einfach wie das Abziehen eines Pflasters machen – kurz und schmerzlos.
Also ging ich den Kiesweg im Vorgarten hoch zum Haus, an die Haustüre und drückte die Klingel. Zweifels ohne war der letzte Teil nicht von Nöten. Werwölfe hatten ein übernatürlich gutes Gehör und Grandpa hatte mich vermutlich schon gehört – oder das Deo gerochen, mit dem ich mich nach dem Duschen eingesprüht hatte – selbst ich konnte mein Deo riechen.
Direkt auf mein Klingeln folgend öffnete sich die Tür – ich hatte ja gesagt, dass er wusste, dass ich da war. Hinter der dunklen Holztür kam ein brünetter Mann Mitte Zwanzig hervor. Mein Großvater. Hatte ich erwähnt, dass Werwölfe nie altern – und alle sahen aus, als wären sie zwischen Zwanzig und Dreißig. Grandpa´s Haare fielen ihm ins Gesicht, wo eine Brille auf seiner Nase saß. Jeder der wusste, dass Werwölfe keinerlei gesundheitliche Probleme kannten, fragte sich, warum er eine Brille trug, wo er doch perfekt sehen konnte. Ich wusste warum. Er fand sie stand ihm. Und das tut sie wirklich. Damit sah er aus, wie ein Student.
„Was denkst du dir eigentlich dabei?!“, polterte ich, bevor er auch nur den Mund öffnen konnte.
„Hallo erst Mal.“, sagte er lächelnd, in ruhigem Ton. „Und dir auch einen schönen Abend.“
Ich schob ihn beiseite und verschaffte mir Zugang zum Haus. Grandpa schloss die Tür, drehte sich um sah mich abwartend an.
„Nick ist zu jung!“, sagte ich angespannt.
„Ah, darum geht es also.“, sagte er und ging den Flur entlang, als wäre ich gar nicht da. So viel zu meinem Plan ihn mit einem Überfall zu zwingen mir zumindest zu zuhören.
„Grandpa!“, rief ich ihm hinterher.
Ich folgte ihm in den Salon, wo er seine Gäste immer empfang. Es war ein hoher Raum, den man so eigentlich nicht erwartet hätte. Es hing ein Familienportrait über dem Kamin, auf dem Dad gerade erst zehn oder so ähnlich war. Zwei antik aussehende, gepolsterte Sitzbänke und zwei Ohrensessel waren um einen Kaffeetisch herum gestellt, so dass man bei einem gemütlichen Kaminfeuer mit seinen Gästen plaudern konnte.
Heather, mit einem Martiniglas in der Hand, saß auf einer der Bänke und mimte ein „Hallo“. Keine Ahnung, ob sie wusste wovon ich redete, aber ich war ihr dankbar, dass sie mich nicht unterbrach. Dass Grandpa so tat, als wäre es wie jedes andere Essen auch, machte es mir schon schwer genug.
„Eine Coke für dich?“, fragte er von seiner Bar in der Ecke des Raumes.
„Grandpa!“, ermahnte ich ihn. „Nick ist gerade erst siebzehn geworden.“
„Darüber bin ich mir durchaus im Klaren.“ Ungeachtet der Tatsache, dass ich ihm auf seine Frage, was ich trinken wolle, nicht geantwortet hatte, nahm er ein Glas und eine eiskalte Coke von unter der Bar hervor.
„Du kannst das doch nicht einfach so erlauben.“ Verdammt, ich fing an mich zu beruhigen – zumindest meine Stimme tat das. „Er könnte sterben.“
„Ich habe nicht vor, mich zu rechtfertigen.“, sagte er, als er die Coke für mich auf den Kaffeetisch stellte (natürlich mit Untersetzer) und sich selbst auf seinen Lieblings Ohrensessel setzte. „Zwei Monate nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kam er bereits zu mir und bat mich darum ihn sofort zu einem Wolf zu machen. Ich hab ihm gesagt, dass er es sich ein Jahr lang überlegen soll und mit seinen Eltern darüber reden muss.“
Beinahe hätte ich mich davon einlullen lassen. Ihm zu Gute gehalten, hat er Nick eine lange Bedenkzeit gegeben. Aber das entschuldigte nicht, dass er Nick Bitte nachkam und ihn damit praktisch zum Tode verurteilte.
„Trotzdem kann er dabei sterben.“
„Denkst du nicht, dass es Nick´s Entscheidung ist?“
„Nicht wenn es eine Fehlentscheidung ist!“
„Und wenn es das für ihn nicht ist? Wusstest du, dass er Antidepressiva nimmt?“ Er nahm ein Schluck von seinem Coniac (ich glaube, dass es Coniac ist) und beobachtete meine Reaktion.
Das erwischte mich eiskalt. Antidepressiva? Er wirkte so normal. Nicht wirklich glücklich, aber wer wäre das schon, wenn man nicht mehr laufen konnte. Anfangs war er zwar oft still, was für ihn eigentlich nicht typisch war. Aber nach einigen Wochen konnte er schon wieder lachen und Scherze machen – der Einfluss der Pillen?
Trotzdem waren Rollstuhlwitze für ihn (und um ihn) tabu. War das ein Zeichen, dass er es doch nicht so gut verkraftete, wie er vorgab? Heute fühlte ich mich wirklich wie die absolut schlechteste und unaufmerksamste Freundin der ganzen Welt. Erst erkannte ich erst nach einer Woche, dass Nick und Skeeter Stress miteinander hatte. Und dann erfuhr ich, dass ich monatelang dachte, dass es Nick gut ging, obwohl absolut das Gegenteil der Fall war.
Und jetzt war es für mich glasklar. Natürlich war Nick unglücklich. Er konnte ja immerhin nicht mehr gehen. Und das, obwohl er erst so jung war. Sein ganzes Leben hatte er noch vor sich – ein Leben ohne Gefühl in den Beinen.
Ich wollte es kaum zugeben, aber ich konnte jetzt irgendwie verstehen, dass er das Risiko eingehen wollte und ein Werwolf werden wollte. Vermutlich gab es viele Rollstuhlfahrer auf der Welt, die so fühlten.
„Tja, jetzt wo du sprachlos bist…“, sagte Grandpa, nachdem ich nichts auf seine Frage geantwortet hatte, „Sollen wir essen?“
Wie angekündigt gab es Steak, das Lieblingsessen von Werwölfen – natürlich extra blutig. Heather und Grandpa hielten das Tischgespräch in Gang, während ich mich nur mit einsilbigen Antworten daran beteiligte, und auch nur dann, wenn ich direkt gefragt wurde. Mir gingen zu viele Gedanken im Kopf herum.
War es für Nick wirklich das Richtige? War Nick in seinem depressiven Zustand wirklich in der Lage so eine Entscheidung zu treffen? Laut Grandpa hatte er genug Zeit gehabt es sich zu überlegen, die Risiken abzuwägen. Und ich bezweifle, dass Craig, um sein schlechtes Gewissen zu erleichtern, ihn dazu überredet hat. Das hätte er nicht getan.
Eine andere Frage kam mir in den Sinn. War es überhaupt richtig von mir, seine Entscheidung anzuzweifeln? Ja, stimmt schon, ich machte mir Sorgen – und bestimmt auch zu Recht – aber durfte ich mir erlauben ihn zu bevormunden? Wo ich doch nicht gemerkt hatte wie schlecht es ihm wirklich ging.
Ich kam letzt endlich zu dem Schluss Nick zu unterstützen. Er hatte es bereits schwer genug, da konnte er nicht auch noch Streit mit den Freunden gebrauchen, die ihm nach dem Unfall noch geblieben sind.
Die meisten Freunde von Nick hatten sich irgendwann nach dem Unfall immer weniger bei ihm gemeldet. Bis sie sich nicht mal in der Schule grüßten. Einmal meinte Nick, dass seine früheren Freundschaften eher oberflächlich waren. Irgendwie traurig.
Es machte mich irgendwie nachdenklich. Würde ich mich von ihm zurückziehen, nur weil er ein Werwolf werden würde, würde das nicht auch bedeuten, dass unsere Freundschaft nicht auch irgendwie oberflächlich war. So eine Freundschaft musste doch mehr aushalten… Und ich war mir sicher, dass sie das wird – auch wenn es nicht ganz einfach werden würde mit einem Werwolf befreundet zu sein; besonders wenn er neu ist.
Als wir wieder zu Hause waren, schrieb ich eine SMS an Nick. Ich wollte mich mit ihm treffen um mich zu entschuldigen und ihm zu sagen, dass ich ihn unterstützen würde – soweit das als Mensch möglich war. Eine weitere SMS ging an Skeeter, mit einem ähnlichen Inhalt. Ich hoffte nur, das Skeeter sich an die Situation mit Nick gewöhnen würde. Es gefiel mir nicht, dass sie nicht miteinander redeten. Das machte es nur schwerer mit beiden befreundet zu sein. Und mich zwischen ihnen entscheiden wollte ich selbstverständlich auch nicht.

3.
Üblicherweise kam Skeeter jeden Samstag zu einem späten Frühstück zu mir nach Hause. Heute war ich mir allerdings nicht so sicher, ob er kommen würde. Ich wusste nicht, wie er auf meine gestrige SMS reagieren würde. Er würde es womöglich so sehen, dass ich ihm in dem Rücken fiel, hatte ich gestern doch noch behauptet, zu versuchen Nick von seinem Plan abzubringen.
Heather hatte heute frei, war aber mit einer Freundin verabredet. Also war ich alleine zu Hause und wartete. Aber vergeblich. Als Skeeter um zwölf Uhr mittags immer noch nicht aufgetaucht war, beschloss ich aufzugeben und das Haus zu verlassen.
Bevor ich mich am Nachmittag mit Nick traf, wollte ich noch was von dem Haarfärbezeug für meinen braunen Haaransatz besorgen. Und etwas zu essen wäre nicht übel. Das Frühstück fiel ohne Skeeter ins Wasser, und jetzt war ich schon fast am Verhungern.
In dem Laden, in dem ich das Zeug für meine Haare kaufen wollte, war heute relativ viel los. Viele Internatsschüler verließen am Wochenende den Campus und vertrieben sich in der Stadt die Zeit. Wobei die reichen Kids der Schule sich in der Stadt langweilen mussten, wenn man bedenkt, was sie gewohnt waren. Die meisten kamen aus der Oberschicht und aus Städten wie New York, Los Angeles oder Miami. Da gab es nicht viel, das sie in diesem Kaff bei Laune halten würde. Aber trotzdem schienen sie sich irgendwie mit ihrer Situation zu arrangieren und das Beste daraus zu machen.
Ich wollte mich beeilen, damit ich etwas zwischen die Beißer bekam. Bis ich aber den richtigen Farbton gefunden hatte, hatte sich bereits eine Schlange an der Kasse gebildet. Der Laden – Ruby´s Kosmetika – war klein und es gab nur eine Kasse. Dem entsprechend lange dauerte es auch. Während ich wartete hielt ich Ausschau nach Jenna und ihren Freundinnen. Sie kamen samstags manchmal in den Laden. Und wenn sie mich sahen, fragten sie sich so laut, dass der gesamte Laden es hören konnte, was ausgerechnet ich hier kaufen wolle – ich entsprach nicht gerade ihrem Schönheitsideal, da ich nicht versessen darauf war die neusten und besten Klamotten zu tragen und das dazu passende Make up aufzulegen. Darauf konnte ich gut und gerne verzichten.
Schließlich kam ich endlich an die Reihe zu bezahlen, ohne dass Jenna in den Laden stolziert war. Aber hätte ich gewusst, was stattdessen in den Laden gekommen war, hätte ich mir lieber Jenna und alle Snobs der Welt gewünscht. Vampire.
Eine von ihnen stand hinter mir in der Schlange – jedenfalls vermutete ich, dass sie zu ihnen gehörte (ich hatte keine Augen in meinem Hinterkopf), da der Vampir, der sich an den Tresen lehnte (fast schon neben mir) mit ihr redete. Die Vampire, die mir bekannt waren, redeten nicht viel mit Menschen. Vermutlich fiel das bei ihnen unter: Spiel nicht mit dem Essen.
„Mir ist langweilig.“, sagte der Vampir, der gegen den Tresen lehnte, und seine Fingernägel inspizierte, abwesend. Sein Name war Rupert, glaube ich.
Sie würden es wohl kaum wagen Menschen in Grandpa´s Territorium anzufallen, doch es war trotzdem ungut, wenn sie sich langweilten. Es war ihnen zwar von Grandpa verboten worden hier in der Gegend Menschen zu jagen, aber niemand hatte ihnen verboten uns Menschen Angst einzujagen oder sonst irgendwie zu belästigen. Rupert war einer von denen, die ganz gerne willkürlich flirten. Egal ob mit Männchen oder Weibchen. Was manchmal eigentlich schon witzig sein konnte.
Durch seine roten Haare ließ er sich oft schon von weitem identifizieren. Aber noch nie zuvor war ich ihm so nahe gewesen, dass ich erkennen konnte wie leuchtend grün seine Augen waren. Fast schon unnatürlich. Als würden zwei mini Glühbirnen in seinen Augenhöhlen seine Augen von innen nach außen ausleuchten – wie eine Kürbislaterne zu Halloween. Nur waren seine Augen schauriger als ein Kürbis es sein konnte.
„Ich hab´s ja gleich.“, hörte ich das Vampirmädchen hinter mir sagen. Ich kannte die Vampire nicht gut genug um ihre Stimmen auseinander zu halten.
Die Kassiererin ahnte wohl auch, dass die beiden Vampire waren, denn sie war so nervös, dass sie sich immer wieder an der Kasse vertippte. Wurde Zeit, dass der Laden auf Preisscaner umstellte. Darüber schien sich Rupert sehr zu amüsieren, denn es fiel ihm schwer nicht zu kichern. Doch als er merkte, dass ich einen kurzen Blick auf ihn geworfen hatte, fand er mich wohl interessanter.
Ich gab der Kassiererin das Geld, das ich ihr schuldig war und wartete auf mein Wechselgeld, als der Vampir sich langsam auf mich zu bewegte. Erst nur seine Hand, dann unternahm er einen Schritt, immer noch am Tresen lehnend, auf mich zu. Aus meinen Augenwinkeln konnte ich wahrnehmen, dass er mich interessiert anlächelte. Ich wusste nicht was dazu gehörte von einem Vampir mental beeinflusst zu werden, was dazu nötig war, ob Augenkontakt, wie in den meisten Büchern, oder einfach nur im selben Raum zu sein, aber ich vermied es strikt ihn noch einmal anzusehen.
„Ich weiß wer du bist.“, sagte er. „Du bist Chesters Tochter.“ Grandpa hieß Chester. Ich hatte keine Ahnung warum er glaubte, dass ich seine Tochter war, er hatte nur einen Sohn, meinen Dad.
„Enkelin.“, sagte ich, als ich mein Wechselgeld bekam. Ich glaub nicht, dass es gefährlich war mit einem Vampir zu sprechen. Jedenfalls, solange man nicht zu lange oder nichts Wichtiges mit ihnen beredete.
„Ach ja.“, sagte er, seine Augen nicht von mir abwendend. „Ich vergesse manchmal wie alt er schon ist.“ Er lächelte noch breiter. Sollte das etwa ein Scherz sein?
„Lass sie in Ruhe, Rupert.“, sagte das Vampirmädchen hinter mir.
Rupert war schon fast zwischen mir und dem Tresen, als ich meine Tüte einheimste und die Flucht ergriff. Beim rausgehen hörte ich ihn weiter reden. „Willst du mir etwa vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen hab?!“, flüsterte er erregt. „Vergiss nicht wen du vor dir hast…“ Mehr konnte ich nicht mehr hören. Aber durch das Schaufenster konnte ich sehen, dass er sauer auf sie war – und dass es sich um Iris handelte. Sie gab sich unbeeindruckt und warf ihre langen blonden Haare hinter ihre Schulter.
Erleichtert darüber nicht mehr im selben Raum wie zwei Vampire zu sein, ging ich schnellen Schrittes die Straße runter, um so viele Meter wie möglich zwischen uns zu bringen. Mit Werwölfen kam ich ja noch klar – solange sie in ihrer Menschen Form blieben – aber Vampire waren mir nicht geheuer. Sie tranken Blut und spielten mit den Gedanken und Erinnerungen ihrer Opfer und den Menschen um sie herum.
Das war der Grund, warum fünf Vampire seit was weiß ich wie vielen Jahren jedes Jahr an die selbe Schule gingen, ohne dass es jemanden merkwürdig vorkam, dass die fünf niemals älter wurden. Für mich war das zu abgefahren. Sie konnten dich alles denken lassen, was sie wollten. Nur die Reife von Verena war es zu verdanken, dass sie ihre Tricks nur zur Tarnung den Menschen gegenüber anwendeten.
Verena war quasi die Anführerin der Vampire hier in der Stadt. Mit Grandpa hatte sie einen Pakt geschlossen, dass sie und ihre Vampire keine Menschen aus der Stadt anfielen und keine Schüler töteten. Im Gegenzug halfen ihnen seine Wölfe sie vor fremden Wölfen zu verteidigen. Werwölfe waren nämlich die natürlichen Feinde der Vampire. Es lag ihnen in der Natur sich gegenseitig in Stücke zu reißen. Keine Ahnung warum Grandpa die Vampire nicht einfach auslöschte.
Plötzlich entdeckte ich Jenna´s perfekten blonden Haarschopf, hervorgehoben durch ein rotes Haarband. Instinktiv versteckte ich mich hinter einen parkenden Pick Up Truck. Nach dem Zusammenstoß mit den beiden Vampiren, wollte ich nicht auch noch Jenna über den Weg laufen. Ja, ich weiß. Das war kindisch. Aber das war mir egal – jedenfalls solange mich niemand entdeckte.
Und bei meinem Glück traf natürlich das Gegenteil ein. Ich wurde entdeckt. Nachdem Jenna sicher an mir vorbei gegangen war, ohne mich zu entdecken, drehte ich mich um, weil mir ein Schatten aufgefallen war. Craig und Nick, mit einigen braunen Einkaufstüten bepackt, waren hinter mir. Jetzt fiel mir auch auf wessen Truck das war.
„Hast du-?“, fragte Craig.
„Ja.“, unterbrach ich ihn, bevor er die Peinlichkeit noch perfekt machte, indem er es aussprach. Aber wenigstens brachte es Nick zum kichern. Ich nahm das als Zeichen dafür, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung sein würde, sobald ich mich bei ihm entschuldigte.
„Hast du gerade was vor?“, fragte Nick mit einem nervösen Lächeln auf den Lippen. „Oder willst du dich den ganzen Tag vor irgendjemanden verstecken?“
„Ich hatte vor, was essen zu gehen.“, sagte ich im selben Augenblick, in dem mein Magen knurrte.
„Können wir mitkommen?“ Das überraschte mich, gleichermaßen wie Craig. Ich hatte nichts dagegen das Treffen mit Nick vorzuverlegen. So hatte ich es schneller hinter mir und alles wäre wieder in Ordnung zwischen uns. Aber im Beisein von Craig…? Ohnehin hatte ich schon Probleme damit Fehler zuzugeben, aber wenn Craig dann noch daneben saß, würde das eine noch viel unangenehmere Herausforderung darstellen.
„Äh, klar.“ Meine Überraschung war deutlich zu hören, doch Nick ignorierte es einfach und packte seine Papiertüten auf die Ladefläche des Trucks.
Als Craig sich nicht rührte, sah Nick ihn solange scharf an, bis er schließlich Augen rollend kapitulierte und es ihm gleich tat. Er wollte genau so wenig mitkommen, wie ich ihn dabei haben wollte. Aber was soll´s, dachte ich mir. Wenn es Nick glücklich machte, seinen Bruder dabei zu haben, würde ich mir nichts anmerken lassen.
Wir entschieden uns für Charlie´s Diner, das gleich um die Ecke war. Charlie war einer von Grandpa´s Wölfen und der einzige, dessen ganze Familie aus Wölfen bestand. Seine Frau Corin, sein Sohn Marty (einer von Craig´s Freunden) und Jennifer, seine Tochter. Jennifer war so alt wie Heather und arbeitete im Diner. Sie machte den besten Apfelkuchen der Welt. Jeder Biss war ein Stück vom Himmel.
Wir bestellten alle drei dasselbe. Hamburger, Pommes und Coke. Das Essen kam und ein Gespräch ist noch immer nicht zustande gekommen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass Nick anfangen würde etwas zu sagen, aber dann fiel mir ein, dass das Treffen ja eigentlich auf meinen Mist gewachsen war, nur er hatte es vorverlegt.
Weil es gar nicht so einfach war mich in Anwesenheit von Craig für mein gestriges Verhalten Nick gegenüber zu entschuldigen, dachte ich mir, ich fange erst einmal mit einem anderen Thema an. Ich wollte ihnen von dem Zusammenstoß mit den Vampiren berichten. Vielleicht hatte ich ja glück und Craig würde nicht so aufmerksam meiner Entschuldigung folgen, wie es momentan den Anschein hatte. Die Werwölfe in der Stadt nahmen es mit den Vampiren ziemlich genau. Selbst wenn sie sich relativ harmlos gaben.
„Vorhin bei Ruby´s sind mir Rupert und Iris über den Weg gelaufen.“, sagte ich beiläufig.
Das machte Craig hellhörig. „Und?“, fragte er. Vermutlich erwartete er jetzt einen blutigen und gewaltvollen Bericht. Aber damit konnte ich nun mal nicht dienen.
„Nichts weiter.“, enttäuschte ich ihn. „Rupert hat nur versucht mich einzuschüchtern.“
„Was machen Vampire in einem Laden für Kosmetika?“, fragte Nick nachdenklich in die Runde. Und zwar zu Recht. Vampire frohren in dem Augenblick ein – körperlich – in dem sie zu Vampiren gemacht wurden. Sie alterten nie und veränderten sich auch sonst nie. „Ist ja nicht so, dass sie es nötig hätten.“ Sie waren die letzten, die Kosmetik nötig hatten.
Craig ignorierte Nick´s Kommentar und bohrte weiter. „Er hat versucht dich einzuschüchtern? Wie?“ Er nahm das viel ernster als ich beabsichtig hatte.
„Er hat sich nur mit mir unterhalten. Okay? Nichts Ernstes.“, versuchte ich ihm klar zu machen. Ich wollte nicht, dass das Gespräch vollkommen in die Falsche Richtung lief.
Entweder glaubte er mir oder er dachte angestrengt darüber nach. So oder so, er hielt die Klappe und schien abgelenkt. Also rutschte ich in der Bank, auf der ich saß, an den äußeren Rand, näher zu Nick und lehnte mich etwas zu ihm hin, sodass wir etwas Privatsphäre hatten.
„Wegen gestern…“, fing ich an, unsicher darüber, wie ich weiter machen sollte, „Ich…ähm…“ Durch seinen Gesichtsausdruck konnte ich sagen, dass er bereit war mir zu verzeihen. Dass er sogar froh darüber war. Aber es war auch Unsicherheit dahinter. Er rechnete auch mit dem Gegenteil, dass ich mich nicht entschuldigen wollte. Wenn ich nur die richtigen Worte finden würde. „Ich war nur so geschockt. Das kam so plötzlich.“
Die Worte ließen nicht ausschließlich auf eine Entschuldigung schließen. Aber irgendetwas musste ich Richtig gemacht haben. Irgendetwas in meiner Stimme oder meinem Ausdruck reichte ihm, sodass er mich erleichtert unterbrach, „Schon gut. Es kam vermutlich wirklich ziemlich plötzlich für dich.“ … und Skeeter. Er sagte es nicht, aber ich sah es ihm an, dass er es dachte. Konnte ich ihn darauf ansprechen?
„Und wie sieht es jetzt mit Skeeter aus?“, fragte ich vorsichtig.
Es war Craig, der mir antwortete. „Was denkst du denn? Er hat zwar versprochen den Rand zu halten, aber hat sich, seitdem er es weiß, nicht mehr bei Nick gemeldet.“
„Mir war klar, dass er ausflippen würde.“, sagte Nick. Und er klang so niedergeschlagen, dass ich einen Impuls ihn zu umarmen unterdrücken musste. Er mochte es nicht in der Öffentlichkeit Schwäche zu zeigen. Was auch der Grund sein musste, warum er mir und allen anderen vormachte, dass es ihm gut ging. „Ich hab auch nicht viel anders reagiert, als ich erfahren hab, dass mein Bruder plötzlich ein Werwolf war.“
„Mit einem Unterschied“, warf Craig ein, „du hast mich nicht im Stich gelassen.“ Während Nick traurig über die Funkstille mit Skeeter war, wirkte Craig wütend. Obwohl er eigentlich nichts damit zu tun hatte. Dachte ich im ersten Moment jedenfalls. Doch dann erkannte ich, dass er zu seiner Sache machte. Craig versuchte seinen Bruder vor allem zu beschützen – und zwar nicht nur, weil er sein Bruder war, sondern weil er sich wirklich schuldig fühlte für Nick´s Situation.
Durch Craig´s Kommentar entstand eine Pause, in der niemand etwas sagte. Um sie zu unterbrechen sagte ich, „Warum hast zuerst mit ihm geredet und nicht mit mir?“ Das interessierte mich brennend. Hatte er Angst gehabt mit mir darüber zu sprechen? Das lässt sich vermuten, da er gestern ziemlich nervös war, als er mir gesagt hatte, was er vorhatte.
„Es hat sich einfach so ergeben.“, sagte er. „Ich musste es euch irgendwann sagen. Wollte es aber getrennt machen. Ich dachte so wäre es einfacher.“ Er schlürfte den letzten Rest seiner Coke durch seinen Strohalm. „Wieso? Bist du eifersüchtig, dass ich nicht zuerst mit dir gesprochen hab?“, fragte er.
„Nein.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Aber ich hätte dir vielleicht mit Skeeter helfen können.“
„Hmm.“, machte er nachdenklich. „So im Nachhinein, hättest du vielleicht ganz hilfreich sein können.“
„Klar doch.“, sagte Craig sarkastisch. „Dann hätte er euch beide ausgelacht. Und nicht nur dich.“
„Er hat dich ausgelacht?“, fragte ich.
„Na ja.“, sagte Nick mit einem bitteren Lächeln. „Im ersten Moment dachte er, ich würde ihn verarschen.“
„Und was ist dann passiert?“, fragte ich.
„Ich hab versucht ihn davon zu überzeugen, dass es ernst gemeint war. Und dann … hat Craig ihm eine kleine Demonstration gegeben.“
Nachdem ich das gehört hatte, war ich zu geschockt, um geschockt zu sein. Craig hat sich vor Skeeter in einen Wolf verwandelt? „Bist du noch ganz dicht?!“, fragte ich so laut, dass das halbe Diner sich nach uns umdrehte.
Grandpa hatte es jedem seiner Wölfe verboten sich vor einem Internatsschüler als Wolf zu zeigen, geschweige denn sich vor ihnen zu verwandeln. Er sah es nicht mal gerne, wenn sich jemand vor den Menschen in der Stadt zeigte oder verwandelte. In den ersten Sekunden oder Minuten nach ihrer Verwandlung waren die Wölfe immer besonders reizbar und animalisch. Das lag erstens an den Schmerzen, die sie während der Verwandlung hatten. Und zweitens überfluteten ihre animalischen Instinkte sie im ersten Moment, das es etwas dauerte, bis sie wieder klar – und menschlich rational – denken konnten.
„Du solltest doch wissen, dass das verboten ist!“, sagte ich in scharfen Flüsterton. „Ganz zu schweigen davon, dass es gefährlich war!“
„Reg dich ab.“, sagte Craig, als hätte ich überhaupt keinen Grund zu Aufregung. „Es ist ja nichts passiert.“
„Was wenn was passiert wäre?“, fragte ich. „Warst du schon immer so kurzsichtig und blöd?! Oder hat Matt dir den Resten Funken Vernunft rausgerissen?!“
Das hätte ich jetzt vielleicht nicht sagen sollen. Ich wusste, dass Craig allergisch auf die bloße Erwähnung von Matt reagierte. Und es war wirklich eine dumme Idee einen Werwolf zu ärgern – da war Craig schon wieder das Musterbeispiel. Doch genau so dumm war es, sich vor einem Menschen zu verwandeln. Skeeter hätte verletzt werden können – oder noch schlimmer sterben können.
Craig war mindestens so wütend wie ich, wenn nicht sogar noch wütender. Ich hatte mich im Griff – wobei nicht viel fehlte und ich hätte ihm irgendetwas an den Kopf geworfen. Craig hingegen hatte mühe seine Hände unter Kontrolle zu bringen. Sie zitterten so stark, das sie fast den Tisch zum vibrieren brachten. Er atmete angestrengt ein und aus, sodass man deutlich sehen konnte, dass sich sein Nasenflügel bewegten und sein Brustkorb sich hob und senkte.
Nick legte seine Hand auf meinen Arm, um mich daran zu erinnern, was mir da gegenüber saß und was ich gerade angerichtet hatte. Es wäre vermutlich vernünftiger Craig mehr Raum zu lassen, ihn am besten in Ruhe zu lassen.
Aber in diesem Moment war es mir vollkommen egal vernünftig zu sein. Skeeter hätte verletzt werden können… Oh. Skeeter hätte zwar physisch verletzt werden können, aber Nick wurde wohl emotional verletzt. Und Craig würde so ziemlich alles tun um Nick physisch und emotional zu beschützen.
„Tut mir-“, weiter kam ich nicht mich bei ihm zu entschuldigen, denn Charlie kam zu uns und zerrte Craig von seiner Sitzbank. Das bedeutete wohl, dass ich es geschafft hatte. Ich hatte es soweit gebracht, dass ein Werwolf dabei war, seine Kontrolle verlor. „Ähm…“, sagte ich, als Charlie Craig zur Hintertür hinaus geschafft hatte.
„Tja.“, sagte Nick sarkastisch, „Das lief klasse.“ Ihm musste aufgefallen sein, dass ich es wirklich bereute, was ich zu Craig gesagt hatte, denn er fügte hinzu, „Denk dir nichts dabei. Ich hab ihn schon mindestens ein Duzend Mal soweit gebracht.“
Ich aber nicht. Noch nie hatte ich einen Werwolf an die Grenzen seiner Selbstkontrolle gebracht. Nicht einmal Grandpa. Und ich hatte es nach dem Tod meiner Eltern wirklich auf ihn abgesehen. Er war der Grund, warum ich mir meine Haare pink gefärbt hatte. Ich wollte ihn zur Weisglut bringen. Wer hätte gedacht, dass mir die neue Frisur gefiel? Und ihm auch.
Zwischen mir und Nick war wieder alles im Lot. Nachdem wir aufgegessen und bezahlt hatten, und Craig nicht mehr zurückgekommen war, verließen wir das Diner. Nick begleitete mich nach Hause, wo ich mich um meinen Haaransatz kümmern wollte. Es war nicht einfach ihn die Verandatreppe hinauf zu manövrieren, aber er war schon oft genug bei mir zu Hause, das wir genug Übung darin hatten. Es bedurfte nur ein wenig an Muskelkraft und Geschicklichkeit, schon war er im Haus.
„Meinst du nicht, dass es in der Schule ein wenig auffällig wird, wenn du plötzlich wieder laufen kannst?“, fragte ich, um die Einwirkzeit des Haarfärbemittels tot zu schlagen.
„Niemand weiß, dass es keine Möglichkeit mehr für mich gibt zu laufen.“, erklärte er mir. „Die offizielle Version lautet, dass ich mich im Sommer operieren lasse und eine Physiotherapie mache. Und“ – er funktionierte seine Finger als Anführungsstriche um - „die Ärzte raten mir aus medizinischen Gründen davon ab Sport zu machen. Du weißt ja, als Werwolf darf ich nicht am Schulsport teilnehmen. Weil ich zu stark, zu schnell und zu aggressiv sein werde.“
Die Einwirkzeit war vorüber und ich wusch mir die restliche Farbe raus. Zufrieden begutachtete ich das Ergebnis, nachdem ich meine Haare trocken geföhnt hatte. Jetzt sahen meine Haare wieder gut aus. Wobei wohl nicht alle meine Ansicht darüber teilten. Jenna und ihre Freunde wohl sicher nicht. Für die war ich nur eine Lachfigur. Glücklicherweise hatte ich genug Selbstbewusstsein um ihre Sprüche und Kommentare zu ignorieren.
Nick und ich saßen vor dem Fernseher und ließen uns von Musikvideos berieseln. Wir beide waren mit den Gedanken ganz woanders. Woran Nick dachte wusste ich nicht. Aber ich musste daran denken, was Grandpa mir über Nick erzählt hatte. Ich würde das Thema Antidepressiva gerne ansprechen, doch ich hatte eine Ahnung, dass es Nick unangenehm wäre. Wer würde schon gerne zugeben, dass man Antidepressiva nahm. Nick hatte es schon ein ganzes Jahr lang verheimlicht, da würde er jetzt bestimmt nicht gerne darüber sprechen.
Ich musste mir auch keine Gedanken mehr darüber machen, ob ich ihn darauf ansprechen sollte oder nicht, denn es klingelte an der Tür. Durch das kleine Fenster erkannte ich einen vertrauten Haarschopf. Ohne jeden Zweifel waren es Skeeter´s zottelige braunen Haare.
Zögernd stand ich vor der Tür. Was würde passieren, wenn Nick und Skeeter hier und jetzt aufeinander trafen? Würden sie sich vertragen? Würden sie sich nur anschweigen? Oder würden sie sich streiten? Vielleicht würden sie sich heulend in die Arme fallen, oder aber sich gegenseitig verkloppen – na ja, die letzten beiden Varianten waren eher unwahrscheinlich. Doch die ersten drei Möglichkeiten durchaus denkbar.
Ich beschloss es darauf ankommen zu lassen und öffnete die Tür. „Hallo.“, sagte ich etwas nervös.
„Hey.“, sagte er monoton.
„Ich hab dich heute Morgen vermisst.“
„Ich hab deine SMS gekriegt.“, sagte er. Natürlich hatte er das. Nervös bewegte er sich von einem Bein auf sein anderes. „Er ist da. Oder?“
„Ja. Aber-“
Er ließ mich nicht ausreden – was sowieso keinen Unterschied gemacht hätte, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte (das kam in letzter Zeit wirklich häufig vor). „Ich kann das einfach nicht.“, sagte er, verließ die Veranda, stieg auf sein Skateboard und fuhr davon.
„Skeeter!“, rief ich ihm nach. Aber ich wusste sofort, dass es keinen Zweck hatte. Skeeter konnte manchmal richtig stur sein. Da half es auch nicht, dass ich ihm nachlief.
Als ich mich umdrehte um wieder ins Haus zu gehen, sah ich Nick in der Tür. Dass er getroffen aussah, war gar kein Ausdruck. Er vermied es mich anzusehen und rollte seinen Rollstuhl wieder ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm, in sicherem Abstand, und blieb im Türbogen, der aus Flur und Wohnzimmer praktisch einen Raum machte. Schweigend beobachtete ich, wie er durch die Kanäle im Fernseher zappte – zu schnell, als dass man erkennen konnte, was da eigentlich gerade lief.
„Alles okay?“, fragte ich.
Das war es nicht. Er sagte es zwar nicht, aber sein Schweigen war deutlich genug. Ich setzte mich schließlich auf den Sessel, dem Nick seinen Rücken zukehrte, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er … weinte?

4.
Das restliche Wochenende war furchtbar – genau wie der Anfang auch. Skeeter ging nicht an sein Handy wenn ich anrief, antwortete nicht auf die Kurznachrichten und e-Mails, die ich ihm fast schon stündlich schickte, und er ließ sich von seinem Betreuer verleugnen, als ich zu seinem Wohnhaus auf dem Campus kam. Er meldete sich nicht einmal, als ich ihm schrieb, dass Nick total fertig wegen ihm war. Und, dass er seit seinem Unfall Antidepressiva nahm – weshalb ich inzwischen schon ein schlechtes Gewissen hatte. Hatte ich damit Nick´s Vertrauen missbraucht? Konnte ich das überhaupt, wenn man bedachte, dass es nicht Nick war, der mir das erzählt hatte? Ich glaube schon.
Mit Nick lief es auch nicht besonders. Ich konnte ihm ansehen, dass es an ihm nagte, dass Skeeter ihm praktisch, wenn auch nicht direkt die Freundschaft gekündigt hatte. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, dass die beiden wirklich so gut befreundet waren. Ich dachte eigentlich, dass sie nur wegen mir befreundet waren. Aber vielleicht war es nur Skeeter´s Ablehnung, die Nick so zusetzte. Oder es war nur Anfangs meinetwegen, dass sie befreundet waren. Sie würden ja sonst nicht auch etwas ohne mich unternehmen.
Und ich konnte einfach nichts tun, dass es wieder so werden würde, da Skeeter wie vom Erdboden verschluckt und unerreichbar war. Das einzige was in meiner Macht stand war, zu versuchen Nick zu beschäftigen und ihn abzulenken.
Was auch wieder ein Problem zur Folge hatte. Nick hatte keine Lust das Haus zu verlassen, was bedeutete, dass ich den Sonntag bei ihm zu Hause verbrachte. Natürlich war Craig auch da. Und er hatte nicht vergessen, was ich am Samstag im Diner zu ihm gesagt hatte. Ich konnte von Glück sagen, dass er sich bei der Enkelin seines Alpha´s nicht mehr traute, als passiv-aggressiv zu sein. Er strafte mich nur mit einer eiskalten Schulter und bösen Blicken. Und, oh Mann, wenn Blicken töten könnten…
Aber die neue Woche fing viel versprechend an. Montagmorgen, als ich das Haus verließ um zur Schule zu gehen, staunte ich nicht schlecht. Ein schwarzer SUV mit getönten Scheiben stand vor unserem Haus. Wäre das Fenster auf der Fahrerseite nicht herunter gefahren, hätte ich Vince gar nicht erkannt. Er telefonierte gerade mit seinem Handy, schenkte mir aber ein breites Lächeln, das seine perfekten Zähne zum Vorschein brachte. Sein Lächeln war irgendwie ansteckend.
„Steig ein.“, rief er, als er mich heranwinkte. „Nein.“, sprach er dann wieder in sein Telefon, „Ich hab dir gesagt, dass ich das nicht mache.“ Nach einer Pause, die wohl von demjenigen am anderen Ende der Leitung, gefüllt wurde, sagte er, ein wenig genervt, „Schon gut, Desmond, wir reden Freitag darüber.“ Dann legte er auf, ohne sich zu verabschieden, und wand sich der Person zu, die auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte – mir. „Hi.“
„Hi.“ Wie das klang: Hi. Total bescheuert. Wieso konnte mir nicht mal was Cleveres und Geistreiches einfallen?
„Entschuldige das Telefonat.“, sagte er, als er den Wagen startete und los fuhr.
„Schon gut.“, sagte ich. „Wer … ist denn Desmond?“, fragte ich beiläufig. Ich wusste nicht, ob es ihm etwas ausmachte, wenn ich ihm Fragen stellte, deren Antworten mich womöglich nichts angingen. Und seine Gegenwart machte mich schon nervös genug.
„Mein Vater.“, sagte er ganz simpel. Es wunderte mich, dass er seinen Vater mit seinem Vornamen ansprach. Aber ich kam mir dämlich vor, danach zu Fragen.
„Also, wie sieht´s aus?“, fragte er nach einer kurzen Pause. „Bekommst du die Erlaubnis unter der Woche auszugehen?“
Wow. Auch wenn ich, seit ich mit ihm im Auto saß, an nichts anderes denken konnte, als daran, dass er mich am Freitag nach einem Date gefragt hatte, kam das jetzt doch überraschend.
„Ähm.“, brachte ich schließlich zustande. Wofür ich mich schon wieder ohrfeigen könnte, da es richtig blöd klang. „Kommt darauf an mit wem und wohin.“
Heather ist bisher noch nie in der Lage gewesen mir zu erlauben mit einem Jungen auszugehen. Das ich etwas mit Skeeter und Nick unternahm, zählte dabei nicht. Die beiden waren meine Freunde, mit keinerlei romantischem Interesse beiderseits. Da musste ich nicht groß um Erlaubnis bitten.
Aber, als Heather und ich eines Tages einen dieser Teenie-Filme zusammen ansahen, in dem das Mädchen sich mit einem Jungen traf, den nicht nur ihre Eltern für einen üblen Einfluss hielten, und Heather drohte mir Prügel an, wenn ich irgendwann einen solchen Kerl anschleppen würde. Doch bei Vince war absolut nicht daran zu denken, dass er einen schlechten Einfluss auf mich oder sonst irgendjemanden haben würde. Er wirkte wie der Traum aller Eltern – oder Erziehungsberechtigten Schwestern.
„Wie steht´s mit einem Hardcore Biker“, fragte er grinsend, „der dich auf seinem Motorrad mit zu einem Havy Metal Konzert in einem anderen Staat nehmen will?“
„Wohl eher nicht.“, sagte ich lachend.
„Schade.“, sagte er immer noch lächelnd. „Soviel zu meinem Imagewechsel.“ Nach einer kurzen Pause fragte er, „Und was ist mit einem smarten Gentleman, der dich mit in die Bowlingbahn nimmt? Wo, wohlgemerkt, viele Leute und keine dunklen Ecken sind.“
Im ersten Moment dachte ich nur, dass smarter Gentleman vollkommen untertreiben ist. Dann dachte ich, dass Heather unmöglich etwas gegen Vince haben könnte. Er war klug und gehörte zu den besten des Jahrgangs. Er sah unglaublich gut aus und war noch dazu witzig. Das einzigen was man gegen ihn halten könnte war, sein schlechter Geschmack, was seine Freunde anging.
Was Heather ja nicht erfahren musste. Aber trotzdem musste ich sie um Erlaubnis fragen.
„Da ließe sich schon eher etwas machen.“, sagte ich und versucht die unnahbare zu geben, denn Heather konnte unmöglich nein sagen.
„Gut.“, sagte er. „Morgen Abend? Sieben Uhr?“
„Okay.“
Wir unterhielten uns schließlich über Dinge wie Musik, Filme und Bücher, bis wir an der Schule ankamen. Die Fahrt war für meinen Geschmack viel zu kurz. Viel lieber wäre ich mit ihm einfach weiter gefahren. Über die Stadtgrenze hinweg. Aber dann könnte man doch sagen, dass er einen schlechten Einfluss auf mich ausübte. Ich habe noch nie die Schule geschwänzt.
Als wir auf dem Schulparkplatz (dem für die Internatsschüler) geparkt hatten, kam er um das Auto herum und gab mir einen Zettel. „Ruf mich an, wenn du das Okay bekommen hast.“, sagte er. Ich konnte seinen Atem spüren, so nah war er. Und er durfte meinetwegen ruhig noch näher kommen.
Dann verabschiedeten wir uns, da wir in unterschiedliche Gebäude mussten.
„Was war das denn gerade?“ Es war Skeeter, der plötzlich vor mir stand. Sein Ton gefiel mir absolut nicht. Es klang fast so, als sei er angeekelt. Was mich sauer auf ihn machte, wobei ich doch einen anderen Grund hatte sauer auf ihn zu sein. Seine Abneigung und (sicher auch) Angst Werwölfen gegenüber, schön und gut. Aber er Nick´s Freund genauso sehr wie ich. Er schuldete ihm mehr als nur mir zu sagen, dass er das einfach nicht konnte.
„Nichts weiter.“ Was ja wohl eindeutig gelogen war, wenn man den Schmetterling in meinem Bauch Beachtung schenkte. Aber das war schon in Ordnung so. Er war ja kein Werwolf. – Hatte ich schon erwähnt, dass Werwölfe die unglaublich nervige Fähigkeit hatten Lügen zu riechen? Das hatten sie nämlich. Das machte es unmöglich Grandpa anzulügen.
„Seit wann hängst du denn mit dem ab?“ Sein Ton änderte sich einfach nicht.
Wir betraten das Sprachengebäude durch eine große Doppeltür aus Holz und buntem Glas. Ein vier Stockwerke hohes Steinbildnis, das Klassenzimmer, die für spanisch, französisch, englisch, Latein und einige andere Sprachen ausgestattet waren, ein Lehrerzimmer, zwei Computerräume und eine Sprachenbibliothek beherbergte. Filmore war ein Eliteinternat. Neben zwei Pflichtfremdsprachen, durften die Schüler noch zwei weitere Sprachen auf freiwilliger Basis wählen – wozu man aber so viele Sprachen sprechen musste und wie man die, neben den ganzen anderen Pflichtfächer, alle lernen will, war mir ein Rätsel.
Beide hatten wir Spanischunterricht, weshalb wir dasselbe Klassenzimmer in der zweiten Etage ansteuerten.
„Seit heute.“, sagte ich, ohne ihn an zu sehen. „Aber was geht dich das an?“
„Ich dachte unter Freunden erzählt man sich so was.“ Nachdem er mir zuvor hinten nachgelaufen war, viel er jetzt neben mir in meinen Schritt.
„Ach, meinst du solche Freunde, die sich aus dem Staub machen, wenn es mal schwierig wird?“
„Wenn es mal schwierig wird?!“, stieß er entrüstet aus, „Willst du mich verarschen?“ Wenigstens wusste er, worauf ich hinaus wollte. „Ich finde ich mach mich ganz gut dafür, dass ich von – du weißt schon was – erfahren habe.“
Na ja, ganz unrecht hatte er da vielleicht auch nicht. Er ist nicht von klein auf mit all den Monstern da draußen aufgewachsen. Erst vor gut einer Woche hatte er davon erfahren. Wenn ich bedenke, wie er noch hätte reagieren können… Eine Massenpanik hätte er entfachen können. Wenn er jemanden gefunden hätte, der ihm glaubt. Wahrscheinlicher war es, dass er in eine Klapsmühle eingeliefert worden wäre.
„Trotzdem.“, sagte ich entschieden. „Hast du mal darüber nachgedacht, wie sich Nick fühlt? Warum er einer von denen werden will?“
„Was ist aus“ – die folgenden Worte versuchte er in seiner best möglichen Imitation von mir wiederzugeben – „`Ich versuch ihn davon abzubringen` geworden?“
Darauf sagte ich erst einmal nichts. Ich war damit beschäftigt über eine Frage nach zu denken, die mich gerade durch den Kopf geisterte. Hatte er meine e-Mails und SMS´n, die ich ihm gestern fast dutzendweise geschickt hatte, überhaupt gelesen, in denen ich ihm von Nick Antidepressiva berichtet hatte? Denn wenn ja, musste ich sagen, dass er sich wie ein Arschloch benahm. Würde es ihm umbringen etwas Sympathie für seinen Freund übrig zu haben.
Wenn er meine Nachrichten aber gelöscht hatte, bevor er sie überhaupt gelesen hatte, konnte ich ja noch verstehen, dass er auf mich sauer war, und Nick´s Entscheidung akzeptieren konnte, auch wenn es für Skeeter schwer war. Diese treulose Tomate – da löscht er meine Nachrichten einfach ohne sie zu lesen.
Wir kamen in unser Klassenzimmer und saßen uns auf unsere üblichen Plätze – ganz hinten und nebeneinander. Als es schließlich zur ersten Stunde klingelte, die letzen Schüler, die sich vor der Tür noch unterhalten hatten auf ihre Plätze huschten, und Senór Mendoza die Klasse um Ruhe bat, flüsterte ich ihm zu, „Nick hatte ein Jahr Bedenkzeit. Hat sich dann schließlich dafür entschieden, weil er es satt hat seine Stimmung mit Antidepressiva aufzuhellen.“
Die Überraschung in seinem Gesicht bestätigte mir meine Vermutung, dass er meine e-Mails und Textmittelungen gelöscht hat, bevor er sie überhaupt gelesen hatte.
In einem sicheren Augenblick, während der Stunde, fragte Skeeter mich, ob das mit den Antidepressiva wahr sei, was ich ihm natürlich bestätigte. Ich dachte nicht mehr darüber nach, ob ich Nick´s Vertrauen damit missbrauchen würde. Immerhin war es Skeeter, mit dem ich hier sprach. Irgendwann hätte er es von Nick selbst erfahren. Sobald Nick ein Werwolf ist, würde er sich Skeeter gegenüber nicht mehr so passiv verhalten.
Die Stunde ging vorüber. Skeeter sagte nichts mehr. Ich hoffte, dass er darüber nachdachte, wie Nick sich fühlen musste. Dass er vielleicht sogar darüber nachdachte Nick noch eine Chance zu geben. Wenn nicht heute oder morgen, dann vielleicht in ein paar Tagen oder zumindest nach den Sommerferien. Immerhin hatte er dann drei Monate sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Nick dann ein Werwolf sein würde. Ich für meinen Teil, würde weiterhin versuchen die Wogen zwischen den beiden zu glätten.
Auch die Stunden bis zur Mittagspause vergingen wie im Flug. Ich ließ Skeeter für sich alleine essen, und saß mich zu Nick, obwohl er zusammen mit seinem Bruder und den anderen Werwölfen in der Schule an einem Tisch saß. Craig wechselte zwischen, mich ignorieren und mir böse Blicke zu zuwerfen. Was sich aber leicht ignorieren ließ, da nur zwei Tische weiter Vince mit seinen Freunden saß, und mich immer wieder anlächelte.
Als nächstes hatte ich Mathematik. Und wiedererwarten lauerte kein Überraschungstest auf mich. Noch mal glück gehabt, dachte ich. Aufgrund des Trubels mit Skeeter und Nick, hatte ich mir zwar meine Notizen angesehen, war aber mit meinen Gedanken woanders.
Zu Hause fand ich, wie immer, ein leeres Haus vor. Heather meinte heute Morgen, dass sie heute nicht länger arbeiten würde. Es würde aber noch etwa drei Stunden dauern, bis sie nach Hause kam. Ein wenig nervös war ich schon, da ich sie fragen musste, ob sie etwas dagegen hatte, dass ich morgen mit einem Jungen ausging, der nicht Skeeter oder Nick war. Ich wusste eigentlich gar nicht, was sie davon halten würde, dass ich ein Date hatte. Sie hatte mit vierzehn ihr allererstes Date gehabt. Und ich war immerhin schon sechzehn.
Um sie positiv zu bestechen, saß ich mich gleich an meine Hausaufgaben, kam aber nicht weit, da ich durch meine offen stehende Zimmertür hörte, wie die Vordertür aufging. Der einzige, der sich das erlaubte war Grandpa. Unser Haus gehörte ihm ja praktisch. Offiziell hatten unsere Eltern ihm alles hinterlassen, damit er darauf achten konnte, dass es uns gut ging und dass wir das Haus nicht verlieren konnten.
Ich machte keine anstallten ihm entgegen zu gehen um ihn zu begrüßen. Wenn er etwas von mir wollte, würde er schon zu mir hoch kommen. Was er auch tat. Er lehnte sich an den Türrahmen, verschränkte lässig die Arme und schwieg.
Nach wenigen Minuten macht mich seine stumme Anwesenheit nervös und ich sah zu ihm auf. Hab ich was verbrochen?
„Was?“, fragte ich.
Er richtete sich auf und kam zu mir an meinen Schreibtisch, wo er den Aufsatz inspizierte, den ich gerade über das spanische Königshaus schrieb.
„Ich hab gerade von dem Vorfall am Samstag bei Charlie gehört.“, sagte er.
Ups. Bekomme ich jetzt ärger? „Ich hab versucht mich zu entschuldigen.“, verteidigte ich mich.
„Das tut nichts zur Sache.“, sagte er, als er sich auf mein Bett saß und mich auf meinen Schreibtischstuhl zu ihm hindrehte. Er nahm sogar seine Brille, mit den falschen Gläsern, ab. „Du weißt, was hätte passieren können, wenn Charlie nicht rechtzeitig eingegriffen hätte. Craig hätte dich verletzen können. Oder sogar töten können.“
„Ich weiß.“, sagte ich. „Aber es war ja keine Absicht. Ich war sauer und da ist es mir einfach rausgerutscht.“
„Du bist mit Werwölfen um dich herum aufgewachsen. Du solltest dich besser im Griff haben, damit dir so etwas nicht rausrutscht.“
„Meine Güte!“, sagte ich aufgebracht und voller Verzweiflung darüber, dass er es einfach nicht verstehen wollte. Ich stand auf und ging zum Fenster, um etwas Raum zwischen uns zu bringen. „Manchmal denkt man eben nicht darüber nach, was man sagt. Das musst du doch auch kennen.“
„Ist ja gut.“, sagte er beruhigend, schloss den Raum zwischen uns und legte seine Hände auf meine Schultern. „Versprich mir einfach, dass du in Zukunft vorsichtiger bist.“ Er nahm mich fest in den Arm und wir verblieben eine Weile so. „Ich will einfach nicht auch noch meine Enkelkinder begraben müssen.“
Oh. Grandpa muss es nah gegangen sein, seinen Sohn zu Grabe zu tragen. Jedem Vater würde es so gehen. Das Werwolfsein hat nicht nur Vorteile. Man war zwar stärker, schneller und würde nicht altern. Aber man würde eben nicht altern, was bedeutete, dass man nicht starb – wenn man nicht gerade bei einem Kampf mit einem anderen Werwolf starb. Man musste mit ansehen, wie die Menschen, die man liebte sterben. Ob Nick auch daran gedacht hatte, als er sich entschieden hatte ein Werwolf zu werden?
„Irgendwann musst du das aber.“, sagte ich vorsichtig. Es tat mir weh ihn daran zu erinnern. Ich hätte es lieber nicht getan, aber irgendetwas in mir sagte mir, dass ich es tun sollte.
„Ich weiß.“, flüsterte er mit angestrengter Stimme. „Aber das muss nicht sofort sein.“ Er küsste meine Haare und trat zurück.
„Du weinst.“, stellte ich fest. Er hatte feuchte Augen. Und gerade war eine kleine Träne dabei aus seinem Augenwinkel heraus zu quellen.
„Ich hab nur was im Auge.“, lächelte er.
Grandpa blieb noch bei mir. Nachdem er genug davon hatte die Musik in meinem iPod, den er mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte (ich hatte eigentlich auf ein Auto gehofft), rauf und runter zu hören, blickte er mir bei meinen Hausaufgaben über die Schulter. Und ich meine, wirklich über die Schulter.
Er stellte sich hinter mir auf und beugte sich vor, bis er sehen konnte was ich schrieb. Und wenn mich das nervte, brachte es mich regelrecht zur Weißglut, dass er mich bei jedem zweiten oder dritten Wort verbessern musste. Spanisch war nicht unbedingt meine Stärke. Grandpa hingegen sprach vier Fremdsprachen fließend (spanisch, französisch, Latein, russisch) und lernte gerade Mandarin. Manchmal hatte ich den Verdacht, dass er älter ist als er vorgibt zu sein. Wenn er schon seit fünfzig Jahren so aussah, wie er jetzt aussieht, konnte er genauso gut seit hundert Jahren so aussehen. Denn so lange – wenn nicht sogar länger – würde es für mich dauern vier Fremdsprachen fließend zu sprechen und noch eine weitere zu lernen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 18.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /