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Kapitel 1



In dieser Nacht war der Mond größer als sonst. So erschien es jedenfalls Phiel, der Prinz von Demor. Er konnte nicht schlafen und ging deswegen auf zum Fenster seines geräumigen Zimmers. Er hatte einen fantastischen Blick auf den Palastgarten, doch dieser interessierte ihn nicht. Wegen eines Alptraumes konnte er nicht schlafen.
In diesem Traum irrte er durch die Dunkelheit, einer unbekannten Dunkelheit. Dort wehte kein Lüftchen, keine Geräusche waren zu hören und keine Menschenseele war in der Nähe. Diesen Traum hatte er in letzter Zeit öfter gehabt. Nacht für Nacht wälzte er sich in seinem Bett hin und her. Schon lange konnte er nicht mehr durchschlafen. Dieser Traum zerrte an ihm, wie nichts anderes. Er fragte sich immer, was er bedeutete, kam aber nie auf die Lösung. Sein Vater wollte nie etwas davon hören, vermutlich hatte er selbst zu viel zu tun – immerhin war er der König der größten und mächtigsten Nation der Welt. Phiel sprach deshalb oft lieber mit seinem Kammerdiener Mostreon – er hatte wenigstens Zeit und hörte ihm zu, wenngleich es vermutlich nur tat, weil es zu seinen Aufgaben gehörte, die ihm vom König höchstpersönlich auferlegt wurden.
So ein König war schon Furcht einflössend. Ganz besonders, wenn es ein so mächtiger war wie sein Vater, König Jinn Demor. Erschwerend kam noch hinzu, dass er einen immerzu, ziemlich ernsten und finsteren Gesichtsausdruck hatte. Phiel selbst hatte große Ehrfurcht vor seinem Vater. Man könnte eigentlich schon fast sagen er hatte Angst vor ihm. Er war immer ein ganz anderer Mensch in der Gegenwart seines Vaters. Im Grunde war er ein fröhlicher und munterer Mensch, aber war sein Vater auch nur in der Nähe, war er immer in sich zurückgezogen, er war still und traute sich kaum etwas zu sagen. Er war immer wie ausgewechselt.
Es war Morgen. Irgendwie hatte er es doch noch geschafft sich in den Schlaf zu denken. Dennoch hatte er nicht genug Schlaf. Als es zeit für ihn war auf zu stehen, lag er immer noch im Bett, das ging schon so, als er diesen Traum zum ersten Mal hatte. Mostreon hatte große Schwierigkeiten den Prinzen aus dem Bett zu holen. Er versuchte alles, bat ihn, in seiner gewöhnlich höflichen Art, zerrte ihm die Decke weg und rüttelte ihn wach.
„Geh weg …“, murrte der Prinz.
„Ich weiß, ihr habt in letzter Zeit Probleme zu schlafen, aber ich muss euch bitten nun auf zu stehen.“, sagte Mostreon.
„Komm später wieder.“, murrte er.
„Ihr wollt doch wohl nicht euren Vater verärgern?“, fragte der Kammerdiener. Es tat ihm zwar leid, aber er musste sich das Wissen drüber zu nutzte machen, dass der Prinz alles tat um einer Auseinandersetzung zu entgehen. Es wirkte immer wie ein Wunder. Bei bloßer Erwähnung des Königs, konnte er seinen Schützling zu allem bewegen – wie auch dieses Mal.
Phiel erhob sich. Schlecht gelaunt kroch er aus seinem übergroßen Bett mit seinen Lacken aus feinstem und edelstem Varum und dem Rahmen aus purem Tekangold.
An diesem Morgen dauerte es länger als sonst bis er in die Gänge kam. Sonst war er morgens zwar auch sehr langsam – besonders, als der Traum anfing ihm die Nächte zu rauben – doch heute übertraf er alles. Er fühlte sich matt und krank, doch ob ihm wirklich etwas fehlte konnte er nicht ausmachen. Es war merkwürdig, ungewohnt. Phiel hatte immer eine ausgezeichnete Gesundheit, er war nie krank gewesen. Nur einmal, in seiner frühen Kindheit. Damals war er wirklich schwer krank. Der königliche Arzt hatte der Königsfamilie schon gesagt, dass der junge Prinz diese Krankheit wohl nicht überleben würde. Daraufhin gab die Königin, eine begabte Magierin, ihr Leben für ihren geliebten Sohn. Seitdem war der Prinz am Leben, vollkommen Gesund und seine Mutter war tot.
Nach dem Frühstück, das er alleine einnahm, da er so spät kam, dass sein Vater schon lange fertig war, standen einige Stunden des Studiums auf seinem Tagesplan. Als Prinz war es seine Pflicht sich in jeder Hinsicht zu schulen, in dem Gebiet der Literatur, der Wissenschaften und in der Kunst der Kriegsführung und des Kämpfens. Phiel stand deshalb sehr unter Druck, er hatte nicht so viel Zeit, wie sein Vater hatte oder sein Großvater. Phiel wäre eigentlich nie der Thronfolger gewesen. Ein Prinz zwar, aber eben kein Kronprinz. Er war der zweitgeborene Sohn. Sein älterer Bruder hatte eines Tages seinem Vater gesagt, dass er kein König sein wollte. Er gab seine Bestimmung auf und wurde aus dem Palast verbannt. Seit dem hatte Phiel seinen Bruder nicht mehr in der Palastanlage gesehen. Seine einzige Gelegenheit ihn zu treffen war, die Kampfakademie für den militärischen Nachwuchs zu besuchen. Dort lebte, trainierte und unterrichtete er. Wäre er kein so hervorragender Kämpfer – nicht so wie Phiel, der ein jämmerlicher Kämpfer war – gewesen, wäre er wohl heute obdachlos.
Die Stunden der Arbeit vergingen für Phiel viel zu langsam. Er langweilte sich, als er ein Buch des wohl bekanntesten Literaten seiner Zeit. Er sah aus dem Fenster, als er einem General zuhören sollte, wie er über eine vermutlich äußerst effektive Kriegstaktik referierte. Als er dann schließlich Unterricht in den Kampfkünsten erhielt, war er auch nicht bei der Sache, was ihm den Kopf hätte kosten können, wäre sein Lehrmeister nicht so erfahren und vertraut, mit der Abwesenheit des Prinzen.
Endlich waren die Pflichten seines Tages erfüllt und er konnte seinem eigenen Vergnügen nachgehen, dass in letzter Zeit lediglich darin bestand irgendwo im Palastgarten zu liegen und in den Himmel zu starren. Er kletterte auf seinen Lieblingsbaum und setzte sich auf einen Ast, damit ihn niemand fand. Mal dachte er über seinen Traum, der ihn verfolgte, nach und mal dachte er an seine Zukunft, die ihn erwartete. Vor einigen Tagen kündigten die Weisen an, dass es an der Zeit wäre eine Frau für den Prinzen zu suchen. Er war schon seit geraumer Zeit im heiratsfähigen Alter. Das bedrückte ihn sehr. Er war noch so jung und sollte schon heiraten? Aber wenn er es nicht tat, dann müsste sein Vater, falls er in nächster Zeit auf dem Sterbebett liegen sollte, seinen Neffen zum König ernennen. Er war schon verheiratet und um einige Jahre älter. Eine Tradition besagte, dass man nur König werden durfte, wenn man verheiratet war. Eine blöde Tradition, wie Phiel dachte. Er wünschte sich deshalb mehr denn je, dass es seinem Vater noch lange gut ging. Manchmal kam ihm dieser Wunsch zwar selbstsüchtig vor, aber gegen seine Gefühle konnte er nichts ausrichten – gegen diese Gefühle und die, die vermutlich auch schon sein Bruder hatte. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste Phiel zugeben, dass er auch nicht König sein wollte. Aber wie könnte er seinen Vater enttäuschen, wo er doch schon von seinem erstgeborenen enttäuscht wurde.
Phiel starrte die vorüber ziehenden Wolken an. Eine von ihnen sah aus, wie ein Mädchen. Das brachte ihn auf die Frage, wie seine zukünftige Frau wohl sein wird? Wie sie wohl aussehen wird? Wie lange es wohl noch dauern würde, bis die Weisen ein Mädchen für ihn gefunden haben? Es wäre ihm lieber, wenn es länger dauern würde. Er fühlte sich bei weitem nicht so weit schon zu heiraten. Er war doch erst siebzehn Jahre alt. Das war noch lange nicht genug Zeit ausreichend Erfahrungen zu sammeln – in jeglicher Beziehung.
Aber seine Hoffnung hatte einen guten Nährboden gefunden. Er konnte sich nicht erwähren, die Weisen in den letzten Tagen zu beobachten und was er sah steigerte seine Annahme, noch eine Weile unverheiratet zu sein. Sie führten hitzige Diskussionen über die verschiedensten Kandidatinen. Eine war wohl eine wunderschöne Prinzessin aus Sellar, einer Stadt auf Yelda, die um einen Vulkan herum angesiedelt war. Doch ihr fortgeschrittenes Alter war wohl gegen sie als künftige Königin von Demromereon. Eine andere war anscheinend eine wohlerzogene, gebildete junge Dame, die aus gutem Hause kam. Allerdings bildete sich einer der Weisen ein, dass die künftige Frau des Prinzen ebenfalls von adligem Geblüt sein sollte. Phiel war es zwar egal, aus welcher Familie – adlig oder nicht, reich oder arm – das Mädchen kam, aber wenn so etwas ein Hindernis für seine bevorstehende Heirat sein sollte, hatte er vorerst nichts gegen solche Anforderungen einzuwenden.
„Stör´ ich dich?“, fragte eine männliche Stimme, die ihm überaus bekannt war. Als Phiel vom Ast aus hinab sah, stand dort Senahl. Man konnte sagen, er war sein bester Freund. Sein Vater war ein hoch angesehener General, der mit seiner Familie das Privileg genieste in der Palastanlage zu hausen. Sie sind zusammen aufgewachsen.
„Wenn ich ja sagen würde, würdest du doch auch nicht verschwinden.“, antwortete er.
Er hatte anscheinend Recht, denn Senahl setzte sich unter den Baum, auf dem Phiel saß. Er lehnte sich gegen den Baumstamm und blickte nach oben in den Himmel.
„Ich weiß nicht, warum du da immer hinauf starrst. Was ist denn da so spannendes?“, fragte er.
„Das verstehst du nicht.“, erwiderte Phiel.
„Ja … deshalb frag ich dich ja auch.“
Aber Phiel antwortete nicht. Er sah sich wieder die Wolken an. Senahl konnte einfach nicht verstehen, wie es ihm ging. Wenn er dort nach oben sah, konnte er sich vorstellen überall auf der Welt zu sein, nur nicht hier. Er war zwar nicht richtig unglücklich, er konnte nur dem Druck, den er Tag für Tag verspürte nicht mehr standhalten. Besonders seit sein Bruder gegangen war, seit er seine Bestimmung aufgegeben hatte, den Palast verlassen hatte und irgendwie nicht mehr zur Familie zu gehören schien. Er hatte nicht einmal versucht sich mit seinem Vater zu vertragen. Er hatte nicht einmal versucht wieder mit Phiel in Kontakt zu treten. Immer, wenn er die Kampfakademie besuchte, in der ins geheimen Hoffnung ihm zu begegnen, konnte er immer deutlich spüren, dass sein Bruder sich nicht nur gegen seine Bestimmung entschied, sondern auch gegen seine Familie, gegen ihn, Phiel.
„Prinz Phiel!“, rief eine weitere Stimme. Es war die unverkennbare Stimme von Mostreon, die ihm verriet, dass er auf der Suche nach ihm war.
„Sag ihm nicht, dass ich hier oben bin.“, flüsterte er seinem Freund zu. Er wollte nicht noch jemanden um sich haben. Schon auf Senahl hätte er im Moment gut und gerne verzichtet. Sie waren Freunde – das schon, aber das lag wohl eher daran, dass sein Vater es gerne sah, dass die beiden befreundet waren und nicht daran, dass er ihn wirklich mochte. Senahl war ein wenig arrogant – das musste Phiel durchaus zugeben.
„Er hat die fünf alten Greise im Schlepptau.“, sagte Senahl.
Mit den `fünf alten Greisen` meinte er die fünf Weisen von Deromereon, eben die fünf Männer, die für Phiel eine Frau suchten. Es war wohl so weit. Sie hatten ein Mädchen gefunden, das allen Anforderungen und Ansprüchen genüge tat. Phiel fühlte sich jetzt nicht nur bedrückt, sondern auch schlagartig unglücklich. Wenn sie jetzt eine Frau für ihn gefunden hatten würde es nur noch wenige Wochen dauern bis er schließlich verheiratet war.
Senahl wartete noch immer auf eine Reaktion von Seiten Phiels, der aber immer noch in Gedanken versunken war. Gedanken über seine Zukunft mit dem unbekannten Mädchen, mit der er eines Tages zusammen ein ganzes Reich regieren würde.
„Sieht wohl so aus, als ob sie eine Frau für dich gefunden haben.“, fügte er hinzu. Er wartete wieder auf eine Reaktion seines Freundes, doch wieder blieb sie aus. Bis die erwartete Reaktion dann doch kam.
„Erinnere mich bloß nicht daran.“, sagte Phiel.
„Wirst du dein Singleleben denn vermissen?“, fragte Senahl, während er, für Phiel unbemerkbar, Mostreon heranwinkte.
„Ich war hier immer zu eingesperrt, hatte kaum Kontakt zu irgendwelchen Mädchen. Also, wie kann man etwas vermissen, was man nie hatte?“, antwortete er in einem verbitterten Ton. Die einzigen weiblichen Geschöpfe waren seine Schwestern, ihre Hofdamen und einige wenige Hausmädchen – mit denen er aber nie gesprochen hatte.
„Hier seid ihr also.“, sagte Mostreon, der jetzt auch unter dem Baum stand und zu Phiel hinauf sah. „Schon überall habe ich nach euch gesucht. Euer Vater erwartet euch. Kommt.“, forderte er ihn auf.
„Wenn es denn sein muss.“ Phiel sprang von seinem Ast. Es brachte nichts sich zu wehren, da er wusste, dass sein Vater auf ihn wartete. Er wusste auch, dass ihn eine wichtige Neuigkeit erwartete, das versprach ihm die Präsenz der fünf Weisen. Allerdings vermochte er zu hoffen, dass es sich nicht um die Nachricht, sie hätten eine geeignete Frau gefunden, handelte.
Den Weg über zum Thronsaal, in dem sein Vater auf die Ankunft seines Sohnes, dessen Kammerdieners und die der fünf Weisen wartete, war er sehr aufgeregt. Er wollte ja seinen Pflichten gerne nachkommen, doch fragte er sich immer wieder warum das alles immer so schnell gehen müsse. Sein Vater war bei bester Gesundheit und es war kein Krieg, kein Attentat oder dergleichen zu erwarten, also wieso um alles in der Welt musste er so schnell heiraten. Es würden bestimmt noch viele Jahre ins Land ziehen, bis sein Vater auf dem Totenbett gezwungen war den Thron an seinen Sohn abzutreten. Er konnte einfach nicht verstehen, wieso das alles so passieren musste, wie es diese veraltete Tradition von ihnen verlangte.
Er fühlte sich wie auf dem Weg zum Schafott, auf dem Weg zu seiner Hinrichtung. Innerlich tobte er, doch er würde sich nie gegen eine Anweisung seines Vaters sträuben, er einfach zu viel erfurcht vor ihm. Also versuchte er sich die ganze Situation ein wenig schön zu reden – so gut es eben ging. Vielleicht war das Mädchen ja sehr nett. Vielleicht würde er sie mögen. Vielleicht könnte er sie eventuell sogar irgendwann lieben, so wie seine Eltern, deren Ehe letztendlich genauso zustande kam, sich liebten – jedenfalls bildete er sich ein, dass sie sich liebten. Zumindest schätzten sie sich … oder respektierten sich – hatte ihm wenigstens sein Bruder immer erzählt. Ob es wirklich wahr ist, wusste er nicht. Er war immerhin noch ein kleines Kind gewesen als seine Mutter ihr Leben für das seine gab.
Der Thronsaal war riesig – riesig dafür, dass sich kaum etwas darin befand, außer dem Thron des Königs in der Mitte des Saal Endes, links daneben war ein etwas kleinerer, aber ebenso prächtiger Thron für die Königin, der schon seit Jahren nicht mehr besetzt war, rechts neben dem Thron des Königs waren vier, um einiges kleinere Throne, die für den Prinzen und seine drei Schwestern gedacht waren. Früher standen dort fünf dieser kleineren Throne. Doch seit der Kronprinz seine Verantwortung niederlegte wurde einer von ihnen entfernt, als hätte es ihn nie gegeben.
Der König saß nicht auf seinen Thron, wie üblich. Er stand an einem Fenster, das zum Westen hinzeigte. Er sah hinaus, in gewohnt stolzer und majestätischer Haltung, blickte ihnen aber entgegen, als sie eintraten. Mit stetigem Blick auf die Ankömmlinge bewegte er sich auf seinen Thron zu. Seine Miene war äußerst ernst. Er bedeutete ihnen sie dürften näher kommen, setzte sich und fing an zu sprechen.
„Phiel setzt dich neben mich.“, befehligte er ihn und wiese ihn auf den Platz rechts neben ihm.
Phiel gehorchte und saß sogleich auf dem ihm zugewiesenen Platz. Sein Herz klopfte wie wild, es hämmerte. In wenigen Augenblicken sollte er den Namen seiner zukünftigen Frau erfahren. Seine Hoffnungen konzentrierten sich mittlerweile nur noch darauf, dass er sich gut mit ihr verstehen würde, dass sie nett und liebenswert war, dass er es unter Umständen sogar fertig brächte sie gern zu haben.
„Und? Was habt ihr mir und meinem Sohn mit zu teilen?“, fragte der König.
„Wir haben das Privileg“, fing einer der fünf Weisen an, Shell war sein Name, „euch, euer Hoheit und dem werten Prinz anzukündigen, dass wir eine geeignete Frau für ihn gefunden haben.“, schloss er.
„Sie ist die Prinzessin eines erwürdigen und mächtigen Stammes im Süden Yeldas.“, sagte ein anderer, Probeo.
„Eine Prinzessin also?“, wiederholte der König. „Erzählt mir mehr von ihr.“, verfügte er.
„Selbstverständlich, euer Hoheit. Wir haben bereits eine vertrauenswürdige Person ausgesendet um den Stammesführer in ihrem Namen um die Hand seiner Tochter für euren Sohn zu bitten.“, sagte Shell wieder.
„Gut.“, antwortete der König.
„Ihr Name ist Zieelda“, ergriff Heros das Wort, „und sie ist die älteste Tochter des Stammesführers des Landorianischen Stammes, im Wald Landor.“
„Sie ist zwar noch sehr jung, ist aber äußerst geeignet, die künftige Königin von Deromereon zu werden. Sie hat die richtige Erziehung genossen und hat zudem auch noch aufgrund ihrer Herkunft eine starke Verbindung zur Natur, was euch von großem Nutzen sein dürfte.“, sagte Shell wieder.
„Was soll es meinem Vater bringen, wenn meine Frau eine starke Verbindung zur Natur hat?“, fragte Phiel die Runde.
Es war still. Alle sahen ihn an.
„Phiel! Sei nicht respektlos!“, schalt der König seinen Sohn.
Da er es immer gerne vermied sich mit seinem Vater zu streiten oder bereits angefangene Auseinandersetzungen so schnell wie möglich im Keim zu ersticken, erhob sich der Prinz von seinem Platz und ging schnurstracks aus dem Thronsaal. Niemand macht Anstalten ihn auf zu halten, unterhielten sie sich doch über seine Zukunft. Nicht einmal Mestreon beabsichtigte ihn zurück zu rufen. Er stand zwar auf, sah Phiel aber nur hinterher, dann entschuldigte er sich für seinen Schützling.
„Verzeiht, euer Hoheit. Ich werde natürlich sofort mit ihm reden und ihn zur Vernunft bringen.“ Und er verließ den Raum, wie es ihm der Prinz vorgemacht hatte.
Phiel hätte sich gerne richtig gegen diese Heirat wehren. Er war noch lange nicht so weit sein Leben mit einer Frau zu sein, er war noch viel zu jung. Aber wenn sogar er sich für zu jung hielt, warum sahen die fünf Weisen – immerhin sollten sie ja weisen sein – und sein Vater ihn nicht für zu jung an? Siebzehn … und er sollte schon heiraten. Senahl war schon achtzehn, ein Jahr älter und seine Eltern dachten noch nicht einmal im Entferntesten daran ihm eine Frau zu suchen. „Er ist kein Prinz“ sagte Mostreon immer, als Phiel ihn fragte, warum gerade er sich seine Frau nicht irgendwann suchen könne und Senahl schon.
Phiel war wieder im Palastgarten. Er ging einen weiten Kiesweg entlang. Zu seiner Rechten und Linken waren bunte Blumen gepflanzt, Zironlilien, ziemlich selten in dieser Gegend, aber für den Palastgarten von Deromereon war keine Mühe groß genug, für den Palast immer das beste. Der Kiesweg führte unter eine Baumallee. Die Weidebäume hingen über den Weg, sodass man keine direkte Sicht auf den Himmel hatte – ein perfekter Schutz, falls es mal regnen sollte. Doch heute war ein sonniger und wolkenloser Tag.
Phiel wollte am liebsten wegrennen, vor der ganzen Verantwortung die ihn erwartete. Doch dann hätte er dasselbe getan wie sein Bruder vor einigen Monden. Und das konnte er nicht fertig bringen. Nach ihm gab es keinen Thronfolger mehr. Er hatte nur noch drei Schwestern, die in der Thronfolge nicht berücksichtigt wurden, also würde sein Vater seinen Neffen als seinen Nachfolger bestimmen müssen. Phiel hatte sich schon oft gewünscht, dass sein Bruder nicht gegangen wäre oder, dass wenigstens eine seiner Schwestern auf den Thron dürfe, doch das war unmöglich, denn die Tradition verbat es. Manchmal verfluchte er diese blöde Tradition. Wer hatte sich diesen Quatsch nur ausgedacht? Vermutlich ein König dessen Erstgeborener es kaum erwarten konnte auch König zu werden und auch sonst nur Söhne hatte.
Er setzte sich unter einen großen Baum, am Rande eines kleinen Sees. Er konnte sich nicht des Gedanken erwehren, sich eines Nachts vielleicht doch noch davonzustehlen. Dann müsste er auch nicht die Reaktion seines Vaters auf seinen Widerwillen die Verantwortung eines Königs zu übernehmen mit zu erleben. So mutig wie sein Bruder war er nicht. Phiel konnte sich nicht einfach vor seinen Vater hinstellen und ihm sagen, dass er noch nicht heiraten wollte und auch kein König sein wollte.
„Prinz Phiel.“, sagte Mostreon, der plötzlich hinter ihm auftauchte.
„Lass mich zufrieden.“, sagte Phiel. Er wusste, weswegen er kam. Eine Standpauke erwartete ihn, von wegen er dürfe in Gegenwart seines Vaters und den fünf Weisen nicht so respektlos sein und er dürfe seine Pflichten nicht vergessen.
„Ihr hättet dem Weisen Shell nicht widersprechen dürfen.“, belehrte Mostreon ihn.
„Ich hab ihm ja gar nicht widersprochen.“, verteidigte er sich. „Ich hab ihn lediglich gefragt, was mein Vater für einen Nutzen daraus ziehen könnte, wenn meine Frau der Natur verbunden ist.“
„Prinz Phiel. Ihr seid der Prinz, der Kronprinz.“
„Ich weiß.“, sagte der Prinz unbeteiligt.
„Ihr werdet einst der König sein, der Nachfolger eures Vaters.“
„Ich weiß.“
„Und um König zu werden müsst ihr verheiratet sein. Das verlangt die Tradition.“, sprach er weiter.
„Ich weiß.“ Als ob er es nicht wusste. Er konnte es langsam nicht mehr hören. Die Tradition ging ihm langsam richtig auf die Nerven. Vielleicht sollte er doch schon heiraten und den Thron annehmen, dann könnte er sich dieser lästigen Tradition endlich entledigen.
„Deshalb solltet ihr so schnell wie möglich heiraten, damit euer Vater eines Tages, auf seinem Sterbebett euch zu seinem Nachfolger machen kann.“, führte Mostreon aus.
„Ich weiß“ Phiel nahm einen flachen Stein und ließ ihn auf der Wasseroberfläche des kleinen Sees hüpfen.
„Sonst muss er seinen Neffen, der bereits verheiratet ist, zu seinem Nachfolger machen.“
„Ich weiß.“
Mostreon bemerkte, dass der junge Prinz ihn kaum zu hörte. Er schenkte den Steinen mehr Aufmerksamkeit als seinem Kammerdiener, der versuchte ihm die Wichtigkeit dieser baldigen Heirat klar zu machen. Dieser Versuch sollte aber anscheinend nicht so recht klappen, war der Prinz doch kaum bei der Sache. Doch der Kammerdiener gab noch nicht auf.
„Ihr müsst alles für euer Volk tun, wenn ihr eines Tages ein guter König sein wollt.“
„Was wenn ich gar kein König sein will?“
Mostreon sah ihn verwundert an. Wie konnte er nur so etwas sagen? Verstand er denn immer noch nicht die Notwendigkeit seiner Situation? Sein Bruder hatte sich schon gegen das Königsein entschieden. Wenn jetzt auch noch der junge Prinz sich dagegen entscheiden würde, bedeutete dies nicht nur eine Schande für den König, nein, auch warf dies viel künftige Probleme für das Volk Deromereons. Es würde bedeuten, dass der Neffe, der Sohn des jüngeren Bruders des Königs, Rassol, König werden würde. König Jinn Demor hatte deshalb große Bedenken. Er befürchtete schon lange, dass sein Neffe nicht die beste Wahl für das Amt des Königs sein sollte, denn er hatte sich nie viel aus seinen Pflichten des Studiums gemacht.
Phiel, der den Ausdruck seines Kammerdieners bemerkt hatte, versuchte seine zuvor getroffene Aussage etwas zu entschärfen und ihn zu beschwichtigen.
„Ich weiß das doch alles. Ich weiß, dass ich heiraten muss, um König zu werden und ich weiß, dass mein Vater nun mich als seinen Nachfolger will. Du musst es mir nicht alle paar Tage immer und immer wieder runter predigen.“ Er stand auf, drehte Mostreon und dem See den Rücken zu und ging. Während er sein schattiges Plätzchen verließ, versicherte er: „Ich werde ja heiraten.“ Und was für Mostreon nicht mehr zu hören war, war sein Sarkasmus: „Für mein Volk.“


Kapitel 2



Während Prinz Phiel noch versucht sich mit dem Gedanken an seine bevorstehende Heirat abzufinden – oder sich gar damit anzufreunden – fand sich der Bote, Rox, den die fünf Weisen schon vor wenigen Tagen ausgesandt hatten, einige Tage nach der Verkündung der gefundenen Braut, schon ganz in der Nähe der Heimat des Mädchens. Er stand vor dem Wald Lando. Gigantische Bäume, dessen Baumkronen man von hier unten gar nicht sehen konnte, ragten aus dem Waldboden. Die Stämme waren so breit, dass vermutlich ein dutzend Männer und Frauen, die eine Kette bildeten, dazu nötig waren, um einen von ihnen zu umrunden.
Er machte noch keinen Schritt über die unsichtbare Grenze des Waldes. Er sah nur hinein, schaute, ob er nicht vielleicht einen der regelmäßig patrouillierenden Späher des Stammes erblickte. Denn vor dem Antritt seiner wichtigen Reise, hatte er sich noch genauestens über den Heimatstamm des Mädchens, das er eskortieren sollte, erkundigt. Demnach wusste er, dass es gefährlich war den Wald zu betreten, ohne nicht die Erlaubnis von wenigstens einem der patrouillierenden Späher zu haben. Wenn er einfach so durch den Wald spazierte, würden ihn die Krieger des Stammes gefangen nehmen und solange nicht mehr frei lassen, bis er sie davon überzeugen konnte, dass er kein Feind sei.
Rox wagte sich einige Schritte in den Wald. Mit jedem Schritt wurde es Dunkler. Er fragte sich, wie das Dorf des Stammes wohl war, ob es dort so finster wie in der Nacht war.
Auf einmal dachte er, er hätte etwas gesehen. Ein Späher? …
Schon wieder. Irgendetwas huschte über seinem Kopf von Baum zu Baum. Er konnte nicht sehen, was es war. Aber er nahm an, dass es einer der Späher war. Er konnte nicht ausmachen, wo dieser Späher genau war. Wenn er dachte, er hätte ihn links von sich gesehen, dann hörte er ihn schon wieder hinter sich.
Plötzlich wurde er von hinten zu Boden gestoßen. Rox drehte sich blitzschnell um und konnte gerade noch einem Angriff des Spähers ausweichen. Er brachte den Späher zu fall, indem er mit seinem linken Bein seinem Gegner die Füße wegzog. Der Späher fiel zu Boden und Rox sprang zur Seite. Er beobachtete den Späher, wie er sich wieder aufrichtete.
„Ich bin hier im Auftrag von Jinn Demor, König von Deromereon.“, sagte Rox, mit der Hand an seinem Schwert, jederzeit bereit, sich gegen eventuelle Angriffe zur Wehr zu setzen. „Ich muss zu deinem Stammesführer.“
Der Späher stand nur da und sah ihn finster an. Auch er hatte seine Hand an seiner Waffe, einem Bumerang, war in Kampfposition und durchaus bereit auch anzugreifen.
Dann nahm er die Hand von seinem Bumerang und stellte er sich gerade hin, sah ihn noch kurz an und ging dann auf ihn zu. Rox zog sein Schwert einen Spalt weit raus. Der Späher ging an ihm vorbei.
„Komm mit.“, sagte er.
Rox steckte sein Schwert wieder in dessen Scheide. Vorsichtig und misstrauisch folgte er ihm. Auf ihrem Weg blickte Rox sich im Wald um. Übergroße Wurzeln wucherten über den Waldboden. Er musste aufpassen, dass er über keine dieser Wurzeln stolperte. Je tiefer sie in den Wald schritten desto dunkler wurde es. Als plötzlich Nebel aufzog, fiel Rox eine weitere Information ein, die er über diesen Wald erhalten hatte. Ein Nebelfeld bedeutete eine weitere Grenze. Der Nebel grenzte den ersten sicheren Teil von einer Zone des Waldes, in der gefährliche Monster ihn Unwesen trieben. Eine weitere Nebelgrenze zeigte dann das Ende dieser gefährlichen Zone an.
Rox, der neugierig geworden war, holte den Späher, der voraus ging, ein.
„Ist es noch weit bis zu eurem Dorf?“, fragte er.
„Dir mag es weit erscheinen, aber für mich ist es nicht weit, weil ich diese Strecke fast jeden Tag zurücklege.“, antwortete der Späher.
Plötzlich hörten sie ein Trampeln, das sich auf sie zu bewegte. Rox konnte, wenn man diese Dunkelheit betrachtete, relativ schnell erkennen um welches Monster es sich handelte. Es war ein Tarammpo. Er stampfte mit seinen Klumpigen Füßen direkt auf die beiden zu. Seinen langen Rüssel wirbelte es um sich herum, wie eine Peitsche und grölte sie an. Rox sprang zurück und zog sogleich sein Schwert, machte sich zum Kampf bereit. Der Späher hingegen stand ganz ruhig und gelassen da, wühlte in seiner kleinen Umhängetasche. Rox Augen schnellten von dem Biest zu seinem Begleiter und wieder zurück. Es würde ihn niedertrampeln, wenn er sich nicht bewegte. Innerlich machte er sich schon bereit, den Späher zur Seite zu stoßen, als dieser endlich das heraus zog, was er in seiner Tasche gesucht hatte. Er hielt eine Pfeife oder Flöte oder irgendetwas in der Art – Rox konnte es nicht genau erkennen – in der Hand.
Als das Monster nur noch wenige Meter vor ihm Stand, blies der Späher in das flötenartige Rohr – und ganz abrupt blieb es stehen. Das Ungeheuer rührte sich nicht. Es gab nur einen Laut von sich, der, wenn Rox es nicht genau gesehen und gehört hätte, unmöglich von einem solchen Ungetüm stammen konnte. Sein Rüssel bewegte sich auf den Späher zu, der wieder in seiner Tasche kramte. Der Rüssel tastete sich am Arm des Spähers hinunter, bis dieser wieder seine Hand aus der Tasche nahm und dem Tier etwas zu fressen gab, so schien es Rox.
„Tampuskraut.“, sagte der Späher. „Das fressen die Tarammpo am liebsten, nur kommen sie schwer ran, da es in den Baumkronen hier wächst.“
Das Tarammpo bettelte gierig nach mehr, doch der Späher bedeutete ihm, dass er nicht mehr habe. Daraufhin huschte es unter seinem enormen Getrampel davon, dabei stieß es immer wieder ungeschickt an die Bäum, was diesen überhaupt nicht auszumachen schien, immerhin hatten sie einige Meter Durchmesser.
„Wie kam es, dass das Vieh so plötzlich vor dir stehen blieb?“, wollte Rox wissen.
„Meine Dion.“, antwortete der Späher, als sie weiter gingen und klopfte auf seine Tasche. „Ihr klang ist zu hoch für uns Menschen, aber für die meisten Monster ist es ein beruhigender und wohlklingender Klang.“, erklärte er weiter.
„… für die meisten?“
„Na ja es gibt natürlich einige Ausnahmen, aber hier in unserem Wald hören eigentlich so gut wie alle Monsterarten auf die Dion.“
Bald nach diesem Vorfall kamen sie durch die zweite Nebelgrenze, die ihnen sagte, dass sie nun nicht mehr von Monstern angegriffen würden. Hier war es Rox sogar möglich Geräusche zu hören. Lachend spielende Kinder, plaudernde Erwachsende und Schläge von einigen Hämmern, die auf Ambosse schlugen. Sie mussten das Dorf bald erreicht haben. Und tatsächlich, ein paar Schritte weiter konnte Rox schon die ersten Hütten sehen und Kinder, die an ihm vorbei liefen und zusammen spielten.
Als die ersten der Bewohner Rox bemerkten, konnte sie nicht umhin ihn an zu starren. Er wusste, dass nicht viele durch den Wald in das Dorf kamen – zum einen, weil niemand etwas von den Bewohnern wollte und zum anderen, weil sie es nicht durch die gefährliche Zone des Waldes schafften. Die meisten, die es nicht schaffte, kehrten vorher einfach wieder um, aber es kommt schon hin und wieder vor, dass die Monster sie töteten.
Das Dorf war größer, als Rox erwartet hatte. Einige Hütten waren, wie auch überall außerhalb des Waldes, auf dem Boden. Doch einige andere Hütten befanden sich in den Bäumen. Sie waren mit Ästen, die zu Brücken umfunktioniert wurden, verbunden. Mit Wendeltreppen, die sich um einige Baumstämme schlangen, erreichte man die oberen Hütten. Rox konnte sogar einige Hütten in einer Nischenartigen Höhle in einer Schlucht, die sich in die andere Richtung, durch den Wald zog, erkennen. Eines fiel ihm noch auf, alle Hütten waren auf die Mitte des Dorfes gerichtet. Es handelte sich wohl um eine Art Dorfplatz, wo sich alle Dorfbewohner immer trafen.
Der Späher rannte voraus, auf einen anderen Mann zu und sprach mit ihm. Der Mann war wesentlich älter als der Späher und sah sehr wichtig aus. Rox fragte sich, ob dies wohl der Stammesführer des Lando Stammes war. Er wusste nicht wie er aussah – das wusste niemand, da keiner der Stammesmitglieder sich je aus dem Wald begaben – also konnte es durchaus sein, dass er es war. Der Stamm Lando kümmerte sich nicht groß um die Welt außerhalb des Waldes. Warum wusste niemand so genau. Aber man vermutete, dass der Stamm sich die Stimme der Natur bewahren wollte, indem sie sich nicht von den Einflüssen der Außenwelt beeinträchtigen lassen. Ihr Leben glich noch am ehesten dem Leben des alten Volkes von Yelda, das vor vielen tausend Jahren gelebt hatte. Damals konnte jeder die Stimme der Natur hören und jeder kümmerte sich sorgsam um die Natur, was heute nicht mehr der Fall war. Jeder nahm sich das was er brauchte – und noch ein bisschen mehr – und gab der Natur nichts zurück, nur der Stamm Lando verhielt sich anders.
Der Späher winkte Rox zu sich und den alten Mann, den er als Stammesältesten Zaru vorstellte.
„Ihr wollt also zu unserem Stammesführer?“, fragte dieser Rox.
„Ja. König Jinn von Demor schickt mich, um euren Stammesführer um die Hand seiner Tochter für seinen Sohn, Prinz Phiel, zu bitten.“, erklärte Rox.
„Nun … Ich denke dann Schulden wir eurem König, dass ihr euer Anliegen unserem Stammesführer persönlich vortragen könnt.“, sagte der Älteste und sah sich um. „Nur … ist der Stammesführer momentan noch nicht hier. Er inspiziert noch einige Sicherheitsanlagen, wird aber bestimmt bald wieder da sein. Bis dahin, kommt mit mir.“, forderte er ihn auf und ging voran.
Sie erreichten einen der gigantischen Bäume, mit einer Wendeltreppe, die nach oben führt. Rox sah hinauf. Die Hütte, die sich an diesem Baum befand, war um einiges weiter oben als die anderen. Der Älteste erklärte ihm, als er bemerkte, dass Rox dem Baum empor sah, dass dies die Hütte des Stammesführers sei. Normalerweis dürfe dort niemand hinauf, aber aufgrund der Wichtigkeit von Rox Anliegen werde für ihn eine Ausnahme gemacht.
Der Anstieg war für einen Ungeübten anstrengend, aber Rox, der immer viel trainierte, hatte keine Probleme damit. Die Hütte lag wirklich ziemlich weit oben, so weit oben, dass man schon einige Blätter der Baumkronen sehen konnte. Und so wie es schien, konnte man noch viel weiter hinauf gehen. Die Treppe schlang sich noch bis in weite Höhe an dem Baum empor.
„Hier entlang.“, wies der Älteste ihn an, indem er zum Eingang der Hütte deutete.
Rox trat ein, wie ihm geheißen und sah sich um. Die Hütte war sehr einfach eingerichtet, sodass Rox, wenn er es nicht besser wüsste, nicht gedacht hätte, dass dies die Hütte eines Stammesführers sei. Sie war mit einigen Blumen geschmückt und einem geschnitzten Bild, dass seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er trat näher und bemerkte gar nicht, dass sich der Älteste verabschiedete. Das Bild zeigte einen älteren Mann, der der Stammesführer zu sein schien, einen jugendlichen Jungen, zwei jugendliche Mädchen und ein jüngeres Mädchen zeigte. Rox war neugierig auf die zukünftige Braut seines Br- Prinzen geworden. Eines der beiden älteren Mädchen musste die Auserwählte der fünf Weisen sein. Eines fiel Rox auf. Das eine Mädchen hatte Kleider an, die nicht zu den anderen Mädchen und dem Stammesführer passten – genau wie auch der Junge.
Er setzte sich auf einen Stuhl, der an einem Tisch stand und wartete. Er vermutete, dass das Mädchen mit den traditionellen Kleidern die auserwählte war. Es stimmte ihn heiter, dass sie hübsch war, doch das war nebensächlich. Er kannte den Prinzen gut genug um zu wissen, dass seine künftige Frau noch so hübsch sein konnte, er würde sie nie mögen, wenn sie nicht liebevoll wäre. Er hoffte, für das Wohl des Prinzen, dass sie so lieblich war, wie sie aussah.
Plötzlich klopfte es. Rox, der im ersten Moment vermutet hatte, dass es der Stammesführer war, sprang auf. Doch es trat nur ein junges Mädchen ein. Sie hatte einen Korb mit diversen Früchten im Arm. Als sie diesen auf dem Tisch abstellte lächelte sie den Fremden an und packte die Früchte in eine Schale, die auf dem Tisch stand. Dann nahm sie noch eine Flasche mit einer goldenen Flüssigkeit aus dem Korb und schenkte sie in einen Holzbecher ein.
„Die Früchte sind für euch.“, sagte sie. „Ihr müsst doch hungrig und durstig von eurer Reise sein. … Hier etwas Honignektar.“, sagte sie und schob ihm den Becher entgegen. „Lasst es euch schmecken.“
Sie eilte zur Tür. Als sie diese öffnete dankte er ihr noch schnell. Und weg war sie. Rox setzte sich wieder. Er nahm den Becher und sah hinein. Honignektar. So etwas hatte er noch nie getrunken. Er roch daran. Ein süßlicher Duft stieg ihm in die Nase. Wenn es so schmeckte, wie es duftete, konnte es ja nur gut schmecken. Er trank. Noch nie hatte er so etwas Gutes probiert. Selbst im Palast von Dromereon gab es nicht so etwas Köstliches – und das mochte schon etwas bedeuten, da es im Palast sonst immer die besten Speisen und Tropfen gab.


Kapitel 3



Während Rox sich die Früchte und den vortrefflichen Nektar schmecken ließ und auf den Stammesführer wartete, gab sich das liebliche Mädchen, das er auf der Holztafel in geschnitzter Form betrachtet hatte, ihrem vergnügen hin. An einem so herrlich warmen Tag wie heute schwamm sie immer gerne im kühlen Nass des Sees Odenal, der an ihrer Heimat, dem Wald Landor angrenzte. Sie tauchte unter. Das klare Wasser umschloss ihr Gesicht. Es war kalt, aber wohltuend. Sie schwamm ein paar Züge auf das Ufer zu, ehe sie wieder auftauchte.
Dort standen die beiden, die auch auf der Holzschnitzerei abgebildet waren, der Junge und das Mädchen, die keine traditionellen Kleider des Stammes trugen, deren Namen Decs und Vienne waren. Nur waren sie jetzt ein paar Jahre älter, als auf dem Bild – auch das liebliche Mädchen war älter. Die Schnitzerei hing wohl schon ein paar Jahre in der Hütte.
„Wollt ihr nicht zusammen mit mir schwimmen?“, rief sie den beiden zu, als sie in Hörweite des Ufers war. Ihr rotes Haar glänzte nass in der Sonne.
„Es ist unsere Aufgabe auf euch aufzupassen.“, rief der junge Mann, Decs, zurück. „Und von hier aus haben einen besseren Überblick auf den See und seine Umgebung.“, erklärte er weiter.
„Stört es euch denn gar nicht in der heißen Sonne herum zu stehen und die langweilige Landschaft zu beobachten?“
Decs und Vienne sahen sich an. Dann machten sie ein paar Schritte zurück, in den Schatten eines Baumes, der zwar etwas kleiner als die Bäume war, die tiefer im Wald waren, aber immer noch einen großen Schatten warf. Das rothaarige Mädchen musste lachen und taucht noch einmal unter. Als sie wieder auftauchte sprach sie weiter.
„Jetzt seid ihr zwar aus der Sonne raus, müsst aber immer noch da herumstehen und die langweilige Landschaft beobachten.“
„Das gehört eben zu unseren Aufgaben, Zieelda.“, rief ihr Vienne zu.
„Was wenn einer von euch aufpasst und der andere kommt zu mir ins Wasser, damit ich nicht so alleine bin.“, schlug Zieelda vor. „Und das nächste Mal tauscht ihr. Und beim dritten Mal geht ihr zwei ins Wasser und ich passe auf. Wie wäre das?“, fragte sie.
„Ich wisst, dass das nicht geht.“, rief Decs.
„Dein Vater würde es missbilligen.“, gab Vienne ihm Recht.
Sie bemerkten, dass jemand vom Dorf zwischen den Bäumen auftauchte. Decs bedeutete Vienne, sie solle auf Zieelda aufpassen und ging auf das Stammesmitglied zu.
„Was mein Vater nicht weiß, macht ihn nicht heiß.“, rief Zieelda an das Ufer um die Unterhaltung weiter voran zu treiben.
„Und wenn er es doch erfahren würde …“, rief Vienne.
„… dann würde ich ihm sagen, dass es ein Befehl von mir war.“
Sie mussten jetzt alle lachen. Auch Decs, der jetzt von dem Gespräch zurückkam. Er nahm Zieeldas Umhang, der auf einen Felsen lag und sprach.
„Euer Vater möchte euch sprechen. Es scheint wichtig zu sein.“
„Oops, dann hat mein Vater wohl schon herausgefunden, dass ihr kurz davor ward euren Posten zu verlassen.“
„Ja, sehr witzig.“, gab Decs zurück.
Zieelda schwamm wieder zurück zum Ufer. Sie fragte sich, was es so wichtiges war, dass ihr Vater sie extra holen ließ. Vielleicht war etwas geschehen. Vielleicht war ihre Schwester krank. Aber dann hätte es Decs ihr gesagt. Am Ufer angekommen nahm sie ihren Umhang von Decy entgegen, während sie aus dem Wasser stieg, trocknete sich damit ab und zog ihn über.
Zusammen gingen sie wieder in den Wald. Im Schatten der Bäume wurde es schlagartig kühler. Zieelda wühlte in den Taschen ihres Umhangs, auf der Suche nach ihrer Dion. Sie verlies das Dorf nie ohne ihre Dion, wenn sie vorhatte die gefährliche Zone zu durchqueren. Selbst wenn sie Decs und Vienne, die die besten Krieger des Dorfes waren, an ihrer Seite hatte, hatte sie Angst vor den wilden Monstern die hier hausten. Deshalb spielte sie permanent auf der Dion bis sie das Dorf erreichten.
Eine Gefahr blieb, zu Zieeldas Freude, aus. Der Weg bis zum Dorf war ruhig – jedenfalls für die drei. Die Monster des Waldes wurden von den Klängen der Dion betört. Zieeldas Spiel brachte die meisten der Tiere zum Einschlafen.
Das Dorf war in heller Aufregung. Gerüchteweise hatte sich die Nachricht verbreitet, dass ein Fremder aus der Außenwelt im Dorf war, der den Stammesführer um die Hand seiner Tochter bitten wollte. Dieses Gerücht erreichte auch die Ohren von Decs, Vienne und Zieelda. Zieelda konnte nicht glauben, was sie hörte. Ein Fremder, der in das Dorf kam, wollte sie heiraten. Jemand, der sie gar nicht kannte. Wie kam dieser Fremde nur darauf sie heiraten zu wollen?
Der Stammesführer wartete am Fuße des Baumes, an dem sich seine Hütte befand, auf die Ankunft seiner Tochter. Sie schritt langsam auf ihn zu. Die Gerüchte, die im Dorf die Runde machten, stimmten sie niedergedrückt. An eine Heirat hatte sie noch nie gedacht. Sie war erst fünfzehn Jahre alt. Eigentlich hatte sie gedacht, sie würde eines Tages das Amt ihres Vaters übernehmen und Stammesführerin werden. Und jetzt sollte sich heraus stellen, dass ihr Vater sie mit einem Fremden verlobte? Das würde bedeuten, dass sie das Dor, den Wald, ihre Heimat verlassen müsste. Sie wollte nicht von hier weg. Nicht weg von ihrer Heimat. Nicht weg von ihrem Vater und ihrer Schwester. Und auch nicht weg von Decs und Vienne, die ihre engste Vertraute war. Wenn Zieelda eines Tages jemanden außerhalb des Dorfes heiraten würde, dann würden Decs und Vienne fortan Sjola, ihre Schwester, beschützen, die dann Stammesführerin werden sollte, das wusste Zieelda. Sie sah zwar ihre Schwester gerne sicher – und das war sie mit Vienne und Decs, ohne Zweifel – aber sie würde die Zeit mit den beiden sehr vermissen.
Der Stammesführer begrüßte seine älteste Tochter mit einer Umarmung. Mit seiner Hand im Rücken seiner Tochter führte er sie nach oben. Er wollte sich in der Hütte mit ihr unterhalten. Decs und Vienne kamen nicht mit, was Zieelda bedrückte. Sie fühlte sich in jeder Hinsicht sicherer und besser, wenn sich die beiden in ihrer Gegenwart befanden.
In der Hütte eingetreten, sah Zieelda einen Unbekannten, der am Tisch saß. Das musste der Fremde sein, der um ihre Hand bat. Er sah zwar auf den ersten Blick ganz nett aus, aber es war ihr immer noch lieber, wenn ihr Vater sich gegen diese Verlobung entscheiden würde. Aber dass er sie jetzt sprechen wollte, zusammen mit dem Fremden sagte ihr, dass er sich schon entschieden hatte und ihr diese Entscheidung nicht gefallen würde.
„Das hier ist meine Tochter Zieelda.“, sagte der Stammesführer zu dem Fremden. „Ihr werdet feststellen, dass sie ein wenig älter geworden ist, seit diese Schnitzerei angefertigt wurde.“ Er deutete auf die Wand, an der die Holztafel hing, die Zieelda, ihren Vater, ihre Schwester, Decs und Vienne zeigte.
„Es scheint, dass eure Tochter mit zunehmendem Alter immer hübscher zu werden scheint.“, sagte der Fremde.
Zieelda fühlte sich einerseits geschmeichelt, aber andererseits auch etwas unbehaglich. Ihr Vater bedankte sich gerne für dieses zuvorkommende Kompliment an seine Tochter.
„Mein König wird von ihr entzückt sein.“, sprach der Fremde weiter. „Und mein Prinz wird es ebenso sein.“, versicherte er weiter.
Was ging es denn seinen König und seinen Prinzen an, wen er heiratete? Es sei denn, dass nicht er ihr Mann werden würde, sondern sein Prinz. Es waren schon einige Boten in das Dorf geschickt worden, die im Auftrag ihres Königs um Zieeldas Hand für die jeweiligen Söhne der Könige zu bitten. Nur bisher hatte ihr Vater immer wieder bezeugt, dass er sie für zu jung zum heiraten hielt. Aber seit einigen Monden sprach er nicht mehr davon, dass sie zu jung sei. Er fing an zunehmend davon zu sprechen, wie ihr künftiger Mann sein sollte. Er müsste ein liebevoller, gebildeter, wohlerzogener und anständiger junger Mann sein. Liebevoll war für ihren Vater die wichtigste Eigenschaft, denn er wollt seine Tochter nicht an einen Mann verheiraten, bei dem er befürchten müsste, dass seine Tochter schlecht behandelt werden würde.
„Nun … Zieelda. Das ist Rox.“, sagte ihr Vater. „Er wurde von König Jinn aus Deromereon entsandt um mit mir zu sprechen. … Kannst du dir denken, worum es ging?“, fragte er sie.
„Nein, Vater.“, log sie. Die Gerüchte hatten ihr verraten, worum es sich bei ihrem Gespräch handelte.
„Ich will es dir sagen. Der König von Deromereon hat ihn zu uns geschickt um mich um deine Hand für seinen Sohn zu bitten.“, erklärte ihr Vater ihr.
Der Stammesführer schwieg. Er wollte das Gesicht seiner Tochter lesen, um heraus zu finden, was sie davon hielt. Er hatte seine Entscheidung zwar schon getroffen, würde sich aber sofort um entscheiden, wenn sich Unwohlsein im Gesicht seiner Tochter widerspiegelte. Der Stammesführer hatte sich nämlich entschieden, seine Tochter mit dem Prinzen zu verloben. Es war eine politisch sehr kluge Entscheidung. Wenn seine Tochter die künftige Königin von Deromereon, dem größten und mächtigsten Königreich in Yelda, sein würde, dann wäre die Sicherheit seines Stammes gewährleistet. Denn in den heutigen Zeiten kam es immer öfter vor, dass der Stamm von außen angegriffen wurde. Mit Deromereon als verbündete Nation würde er dies unterbinden können.
Aber natürlich war dies nicht der einzige Grund, warum er der Verlobung zustimmen wollte. Es war nicht einmal der Hauptgrund. Der Bote, der vor ihm am Tisch saß, Rox hatte den Prinzen in den höchsten Tönen gelobt. Er beschrieb ihn als genau den jungen Mann, den sich der Stammesführer für seine Tochter wünschte. Als liebevoller, gebildeter, wohlerzogener und anständiger junger Mann.
„Was sagst du dazu?“, fragte der Stammesführer seine Tochter.
„Was soll ich dazu sagen“, sagte Zieelda. Sie musste über die ganze Sache erst einmal nachdenken. Einen Prinzen sollte sie heiraten. Dann auch noch einen, den sie gar nicht kannte, noch nicht einmal etwas wusste, weder wie er war oder wie er aussah, noch wie er überhaupt hieß. Sie wusste gar nichts von ihm. Und da sollt sie jetzt entscheiden, ob sie die Verlobung gut hieß oder nicht?
„Würdet ihr uns wohl einen Augenblick alleine lassen?“, fragte der Stammesführer. „Ich möchte kurz mit meiner Tochter alleine sprechen.“
„Natürlich.“, antwortete Rox. Er stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und schloss sie wieder hinter sich und ließ die beiden alleine reden.
Er fand sich auf dem Balkon, der sich um die Hütte schlang, und sah nach unten. Er lehnte sich an das Geländer des Balkons und beobachtete die Dorfbewohner. Er sah drei alte Frauen, die zusammen saßen und zwei jungen Mädchen zeigten, wie man Perlenketten herstellte. Ein junger Mann kam aufgeregt zu einigen andern Männern und Frauen und zeigte ihnen ganz aufgeregt irgendein Kraut. Rox glaubte es handele sich um Tampuskraut, aber er war sich nicht sicher, von hier oben konnte er es nicht genau erkennen.
Drei kleine Kinder, von etwa acht bis zehn Jahren, rannten durch das Dorf. Sie rannten genau in die Richtung, aus der Rox in das Dorf gekommen war. Er beschloss ihnen zu folgen. Er ging über die Äste der riesigen Bäume von Hütte zu Hütte, bis er nicht mehr weiter kam. Also stieg er die dortige Treppe hinab. Er musste sich beeilen, damit er die drei Kinder nicht verlor, denn sie waren ziemlich schnell unterwegs.
Als er sie eingeholt hatte standen sie am Rande des Dorfes, direkt von der nebligen Zone, die sie von der gefährlichen Zone trennten. Rox schlich sich ein wenig näher an sie ran. Er wollte eingreifen falls die Drei auf die Idee kamen die Nebelzone zu durchqueren.
Plötzlich tauchte ein Schwert vor seiner Nase auf. Es gehörte zu einer jungen Frau, die er irgendwoher zu kennen glaubte. Sie hielt ihn davon ab weiter zu gehen, sah ihn aber nicht an. Sie beobachtete die Kinder.
„Keine Sorge. Ich pass schon auf die Drei auf.“, flüsterte sie ihm zu, ihren Blick weiterhin auf den Kindern haftend.
Jetzt fiel es ihm ein. Er kannte sie von der Schnitzerei in der Hütte des Stammesführers. Auf der Holztafel war sie auch noch jünger als jetzt. Aber wie auch die Tochter des Stammesführers ist auch sie hübscher geworden. Sie hatte blas rosa Haar, hellblaue, wunderschöne Augen und ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie sehr stark war.
Sie nahm ihr Schwert runter und steckte es wieder in seine Scheide, die sie um die Hüfte trug. Sie ging auf die Kinder zu, die jetzt durch die Nebelzone hüpften.
„Komm mit, wenn du willst.“, sagte sie zu Rox.
Die beiden folgten den Kindern durch den Nebel. Dort standen die Kinder und schubsten sich lachend und kichernd gegenseitig tiefer in den Wald.
„Das ist ein Spiel.“, erklärte sie Rox. „Die Kinder wetten, wer sich am tiefsten in den Wald traut.“
Die Kinder haben die beiden Erwachsenen bemerkt, von denen sie beobachtet wurden. Sie rannten auf die junge Frau zu.
„Vienne! Vienne!“, riefen sie im Chor.
„Wer glaubst du hat sich von uns am tiefsten in den Wald getraut?“, fragte der Junge, der am ältesten von den Dreien aussah.
Vienne, so hieß sie also. Sie überlegte und ging in die Hocke um auf derselben Höhe wie die Kinder zu sein.
„Hmm. Ich weiß nicht genau.“, sagte sie nachdenklich. „Ich würde sagen du warst es, Umi.“ Sie meinte den Jungen, der sie gefragt hatte. „Ich glaube du bist hier der Mutigste.“
„Nicht so mutig wie du.“, sagte das kleinste Mädchen.
„Ja. Noch niemand von uns hat sich bis außerhalb des Waldes getraut.“, pflichtete ihr das andere Mädchen bei.
„Nun. Ich hoffe, dass ihr wisst, dass das ziemlich gefährlich war.“, sagte Vienne. „Ich würde sogar sagen, dass es ziemlich dumm von mir war mich so weit raus zu wagen, vor allem ganz alleine.“
Die drei Kinder versicherten ihr, dass sie immer vorsichtig beim spielen waren und rannten zurück zum Dorf. Auch Vienne und Rox machten sich auf den Rückweg.
„Ist das nicht gefährlich? So etwas zu spielen meine ich.“, fragte Rox, als sie die Nebelzone wieder durchquert hatten.
„Keine Sorge Rox. Es ist immer ein Erwachsener dabei, wenn sie spielen.“, erklärte sie ihm. „Normalerweise ein Hüter.“
„Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er überrascht.
„Der Wald hat es mir verraten.“, sagte sie und lächelte ihn an.
Ihr Lächeln war noch schöner als ihre Augen. Sie strahlte richtig. Vienne lief voraus, während sie ihn noch ansah. Weil sie deshalb nicht aufpasste, wo sie hinging stieß sie mit einem jungen Mann zusammen.
„Wo warst du?“, fragte der junge Mann Vienne. Er war groß und hatte blondes Haar, trug einen Trenchcoat und ein schwarzes Bandana.
„Ich musste doch sehen ob jemand meinen Rekord bricht.“, antwortete sie. Rox hatte den Eindruck, dass sie sich gut zu kennen schienen.
„Die Kinder sollten endlich aufhören dieses Spiel zu spielen. Es ist viel zu gefährlich.“
„Ach Decs, du bist doch nur sauer, weil ich deinen Rekord damals gebrochen habe.“
„Und, hat es denn jemand geschafft deinen zu brechen?“, fragte er.
„Nein, nicht im Entferntesten.“, sagte sie stolz und hüpfte davon.
Rox sah ihr nach. Er hätte gerne mehr von ihr gewusst, nicht nur ihren Namen und dass sie den Rekord in einem Merkwürdigen Spiel hält. Dem blonden Mann blieb Rox Interesse nicht verborgen. Er betrachtete ihn kurz, dann sprach er ihn an.
„Du magst sie, oder?“, fragte er Rox.
„Na ja … sie ist echt hübsch … und … sie richt gut.“
„Ja ja. Meine kleine Schwester ist ziemlich beliebt bei jungen Männern.“
„Deine … Schwester?“, fragte Rox überrascht.
Er hoffte er hatte nicht zu viel gesagt, was Viennes Bruder verärgerte. Wieso hatte er auch gesagt, dass sie gut richt? Ihr Bruder musste ja sonst was denken, dass er ihr zum Beispiel zu nahe gekommen ist.
„Du heißt Rox, oder? Und du kommst aus Deromereon.“, sagte er.
„Äh, ja. Woher weißt du das?“, wollte er wissen.
„Der Wald hat es mir geflüstert.“
„Kann ich dich mal was fragen? Was heißt das genau? Könnt ihr mit dem Wald reden?“
„Ja.“
„Und wie läuft das so ab? Sagt der Wald zu euch: Hey ihr, da kommt so ein Typ, der aus Deromereon ist … oder wie ist das?“
„Na ja. Es ist mehr ein Flüstern. Und der Wald spricht in einer anderen Sprache.“
„Eine andere Sprache?“, fragte Rox.
„Ja. Eine Uralte, von euch längst vergessene Sprache.“, erklärte er ihn.
„ …´von euch längst vergessen?´“
„Von euch, die ihr in der Außenwelt lebt, außerhalb dieses Waldes. Vor langer Zeit sprach jeder die Sprach der Natur, mit der man mit Bäumen, Blumen und allen Pflanzen sprechen konnte.“
„Und jeder konnte diese Sprache?“
„Ja. Aber wie gesagt, ihr habt sie schon lange vergessen, wie auch die Sprache der Tiere, mit der man sich mit jeder Tierart unterhalten konnte. Doch auch wir haben die Sprache der Tiere vergessen. Aber genug. Wie ist es, hast du Lust gegen mich zu kämpfen?“
„Gegen dich kämpfen?“, wiederholte Rox, er dachte er hätte sich verhört.
„Ja. Ein kleiner Trainigskampf. Ich muss doch wissen ob du Zieelda verteidigen kannst, wenn du sie zu deinem König bringst.“
„Meinst du denn, dass ihr Vater der Verlobung zustimmt?“
„Hmm.“, sagte er und horchte. Er versuchte wohl etwas vom Wald zu erfahren, dachte Rox. „Ich glaub es nicht nur, ich weiß, dass er zustimmen wird – oder besser gesagt hat. Also, was ist?“
„Ich weiß nicht. Ich warte eigentlich auf den Stammesführer.“
„Mach dir keinen Kopf. Das geht schon in Ordnung.“, versicherte er ihn.
„Hast du hier eigentlich eine wichtige Rolle hier im Dorf?“, fragte er.
„Tja. Vienne und ich beschützen zusammen die Tochter des Stammesführers – das heißt, so lange bis sie heiratet.“
Damit hatte er Rox überredet. Die beiden verließen das Dorf. Decs führte Rox zu einem Platz, an dem sie in ruhe kämpfen konnten, ohne jemanden zu verletzen. Ihm erschienen der See, in dem Zieelda zuvor geschwommen war, und sein Ufer genau richtig für ihr Vorhaben. Dort spielten keine Kinder, saßen keine Alten und stellten irgendwelchen Schmuck her und dort war auch niemand, der sich von der harten Arbeit, die er geleistet hatte, erholen wollte. Kein Zuschauer. Nur ein See, einige Felsen und die beiden Kämpfer


Kapitel 4



Während Decs und Rox ihre Waffen zogen und sich in Kampfposition begaben, bereit anzugreifen, aber auch auszuweichen, sah Vienne entspannt drei alten Frauen zu, die neue Ketten anfertigten. Sie fädelten die handgefertigten bunten Holzperlen auf einzelne Haare eines Jonop – sie hatten bekanntlich die reisfestesten Haare. Sie fädelten die Holzperlen so schnell hintereinander auf, dass jemand, der dies nie zuvor gesehen hatte, ihn das in großes Erstaunen versetzten würde.
Vienne hörte einige Kinder hinter sich lachend vorbeilaufen. Als sie Vienne registrierten blieben sie so hastig stehen, dass ein kleinerer Junge in die größeren Kindern hineinlief. Sie drehten sich alle fast zur selben Zeit um. Ein älterer Junge, mit dunklem, stoppeligem Haar, sprang auf Vienne zu, dicht gefolgt von den anderen Kindern.
„Vienne!“ rief er. „Bitte, bitte bring uns zum See.“, bettelte er sie an.
„Warum das denn?“, wollte sie wissen.
„Na weißt du es denn nicht?“, fragte ein blondes Mädchen mit zwei geflochtenen Zöpfen.
„Decs kämpft gegen den Fremden.“, sagte der kleine Junge, der zuvor in die anderen hineingerannt war, ganz aufgeregt.
Vienne dachte sie hätte sich verhört. Warum um alles in der Welt kämpfte denn ihr Bruder gegen den Boten aus Deromereon? Sie musste sich das genau ansehen. Sie stand auf und lief in die Richtung, in der der See lag. Die Kinder, die sie baten sie zum Schauplatz des Kräftemessens von Decs mit dem Fremden Boten zu bringen, folgten ihr. Sie hatten Schwierigkeiten mit ihr Schritt zu halten, denn Vienne war nicht nur eine der besten Kämpfer des Stammes, sie war auch noch eine der schnellsten Läufer, vermutlich weil sie immer so viel und hart trainiert hatte.
Der Kampf war im vollen Gange als Vienne am See ankam. Kurz nach ihr kamen die Kinder an, gefolgt von anderen Dorfbewohnern. Sie waren alle neugierig, wie der Fremde kämpfte und ob es möglich war, dass er stärker sein könnte als Decs, der wie Vienne ein äußerst fähiger Kämpfer war.
„Was machst du denn da?!“, rief Vienne ihrem Bruder aufgebracht entgegen. Sie konnte nicht glauben was ihr Bruder dort tat, dass er einfach gegen jemanden kämpfte den er gerade erst kennen gelernt hatte, woran ja weiter nicht dran schlimm wäre, wäre er nicht friedlich gesinnt hier aufgetaucht.
„Ich kämpfe! Siehst du doch!“, rief er zurück, als er einem Fußtritt von Rox ausgewichen war.
Decs und Rox sprangen auseinander um Luft zu holen. Rox wagte einen Blick auf Vienne, er wollte wissen, wie sie diesem Kampf gegenüberstand, ob sie ihn missbilligte oder ihnen interessiert zusah. Auch diesmal blieb Decs Rox Blick nicht verborgen. Er nutzte die Gelegenheit, in der Rox für einen kurzen Moment abgelenkt war, und hechtete, mit seinem Schwert voraus, auf ihn zu.
Rox schaltete schnell. Kurz bevor Decs ihn erwischen konnte schnellte er in die Luft und landete wieder, mit dem Ellbogen voran in Decs Rücken. Der Aufprall der beiden auf dem Boden wirbelte eine Staubwolke auf. Die Zuschauer konnten zunächst nicht sehen, ob der Kampf vorbei war oder sie schon wieder ihre Klingen kreuzten.
„Ist der Kampf vorbei?“, fragte eines der Kinder.
„Hat Decs etwa verloren?“, wollte ein anderes wissen. Einige der Kinder sahen Vienne fragend an.
Vienne war vollkommen erstaunt. Nie hatte sie jemanden gesehen, der sich so schnell und gezielt bewegte. Und nie hatte sie jemanden gesehen, der Decs besiegt hatte – außer sich selbst natürlich. Sie war bisher die einzige, die ihren Bruder besiegt hatte – bis jetzt. Sie wusste, dass sie jetzt nicht mehr die einzige war, dass ihr Bruder besiegt wurde, obwohl die Staubwolke immer noch verhinderte, dass sie etwas erkennen konnten.
Blitzschnell zog sie ihr Schwert. Die Kinder, die sie ansahen und vor ihr standen sprangen zur Seite. Vienne war mit einem gekonnten Satz im Feld der Staubwolke und stieß Rox von dem Felsen, der einer Brücke ähnelte und auf dem er zuvor noch mit Decs gekämpft hatte und Decs immer noch lag. Sie fielen beide ins Wasser.
Rox tauchte als erster wieder auf. Er wusste gar nicht, was gerade geschehen war. Vor einer Sekunde stand er noch über Decs und wartete ab, ob er noch einmal aufstehen wollte. War es Decs, der ihn von dort oben hinunter gestoßen hatte? Wenn ja, wie hatte er das angestellt. Rox war sich sicher, das er noch am Boden lag, auch wenn er es nicht sehen konnte.
Vienne wurde von niemand bemerkt, als sie wieder auftauchte. Sie zog sich an einer Felswand, die dem See eine schützende Wand darbot, aus dem Wasser raus. Obwohl sie Rox nicht ansah, wusste sie genau wo er war. Er befand sich in einer direkten Linie hinter ihr, einige Meter weiter weg. Vienne stieß sich mit ihren Beinen so hart ab, wie sie nur konnte und flog, nur eine Haaresbreite über der Wasseroberfläche, direkt auf Rox zu.
Rox, der sie jetzt entdeckt hatte, schaltete so blitzschnell, wie sie erstmals auf ihn zu schnellte. Er tauchte ab als sie nur noch wenige Meter vor ihm war. Vienne verfehlte ihn und flog unaufgehalten auf die gegenüberliegende Felswand zu. Sie bremste sich mit ihren Armen ab und stieß sich mit ihren Beinen wieder ab, in die entgegen gesetzte Richtung.
Rox, der im selben Moment auftauchte, musste sich erst einmal wieder zu Recht finden. Zu spät entdeckte er sie. Vienne traf ihn mit ihrer Faust genau im Gesicht. Er sank bewusstlos zurück ins Wasser, sie bremste sich, mit Armen und Beinen im Wasser hängend, ab. Als sie auch wieder im Wasser war, schwamm sie zurück zum Ufer. Eigentlich wäre sie jetzt noch einmal getaucht um ihn zu suchen und ihn aus dem Wasser zu holen, aber ihr Kämpferinstinkt sagte ihr, dass er auch bald auftauchen würde – und auf ihren Instinkt konnte sie sich immer verlassen. Als sie das Ufer erreichte sah sie Decs, der, etwas lädiert vom Kampf gegen Rox, zu den anderen Zuschauern, die Vienne schon feierten, humpelte.
Plötzlich riefen ihr die Zuschauer aus dem Dorf zu, sie solle sich umdrehen, aufpassen und in Deckung gehen. Ihr blieb keine Zeit den Aufforderungen nach zu kommen, denn sie spürte, wie sie etwas von hinten an den Beinen packte und sie in die Luft wirbelte. Es konnte unmöglich Rox sein, der sie gepackt hatte. Also hieß das, dass er Magie beherrschte.
Als sie in der Luft war konnte sie Rox unter sich sehen. Er stand auf dem Felsen, der einer Brücke glich, und hielt sie mit seinen Händen, durch die Magie, die durch ihn floss, in der Luft. Sie konnte sein breites Grinsen genau sehen. Er dachte, er habe schon gewonnen – aber da täuschte er sich, denn er war nicht der einzige, der Magie beherrschte.
Sie bündelte ihre Energien, konsentrierte sich und ließ ihre Magie durch ihre Finger gleiten. Die Magie ran durch ihre Fingerspitzen in die Freiheit. Vienne lenkte sie nach unten, in Rox Richtung. Dieser aber konnte sie mit nur einem Kopf Schlenker abwehren. Vienne war jetzt durchaus überrascht. Sie hätte nicht gedacht, dass er so gut war, dass er die Magie ohne viel Aufhebens lenken oder abwehren konnte. Sie war regelrecht erstaunt. So erstaunt, dass sie nicht aufpasste und Rox die Möglichkeit wahrnahm und sie zurück auf den Boden schleuderte.
Wieder wirbelte eine gewaltige Staubwolke auf. Die Dorfbewohner waren entsetzt. Sie konnten nicht sehen, wie schwer Vienne verletzt war. Sie wussten nicht, ob der Kampf vorbei war.
„Hat sie verloren?“, rief einer der Erwachsenen.
„Ist sie etwa tot?“, fragte eines der Kinder besorgt.
„Was glaubst du denn?“, flüsterte eine Stimme hinter der Masse.
Alle drehten sich um. Dort war Vienne, in Deckung hinter den Zuschauern des Kampfes. Sie lächelte und war vollkommen unverletzt.
Plötzlich bemerkte Vienne, wie Rox auf einmal von rechts kam. Er stürmte auf sie zu, mit gezogenem Schwert. Vienne sprang zurück und zog ebenfalls ihr Schwert. Sie machte sich darauf gefasst, ihn mit all ihrer Kraft abzuwehren. Das war auch auf jeden Fall nötig. Er war stark, das spürte sie, als ihre Schwerter sich kreuzten. Er schlug pausenlos auf sie ein. Sie konnte aber jeden seiner Schläge mit ihrem Schwert abwehren.
Jetzt sah Vienne auch den Stammesführer und Zieelda, die sich zu den Schaulustigen gesellt hatten. Der Stammesführer sah dem Kampf durchaus interessiert zu, doch Vienne wusste, dass er solchen Schaukämpfen nicht wohlgesinnt gegenüber stand. Sie musste diesem Kampf endlich ein Ende bereiten.
Vienne nutzte die Pause, zwischen zwei Schlägen von Rox, und schlug mit ihrem Schwert das sein aus seiner Hand. Rox Schwert flog einige Meter weit weg. Auch Vienne warf ihr Schwert weg. Sie ging ihm entgegen und versuchte ihn mit einem Fußtritt zu Boden zu werfen. Rox aber konnte gekonnt ausweichen. Also sprang Vienne in die Luft, landete wie aus heiterem Himmel hinter ihm. Sie brachte ihn mit Hilfe ihres Gewichts zu Fall. Er schaffte es zwar sich auf den Rücken zu drehen, konnte sich aber nicht von ihrem Griff befreien.
„Wir sollten den Kampf unterbrechen.“, sagte Vienne und warf einen Blick auf den Stammesführer hinter sich. Wie Rox, atmete auch sie schwer. Lange hatte sie keinen Kampf mehr bestritten, der sie so sehr forderte. Jetzt konnte sie auch verstehen, dass Decs verloren hatte. Rox war wirklich ein ernst zu nehmender Gegner.
„Das war ein klasse Kampf!“, rief eines der Kinder, als Rox und Vienne wieder aufstanden.
Vienne fühlte sich etwas unwohl. Der Stammesführer hatte sie schon oft belehrt, als sie mit Decs solch einen Schaukampf abgehalten hatte. Er sah es nicht gerne, wenn man aus Vergnügen gegeneinander kämpfte. Seiner Meinung nach sollte man nur kämpfen wenn man keine andere Wahl hatte. Decs war aus dem Schneider, dachte sie, der Stammesführer war unmöglich schon so lange hier, als das er auch ihren Bruder hätte kämpfen sehen können. Sie machte sich schon auf eine Standpauke und ein finsteres Gesicht gefasst, als sie sich wieder zu ihm umdrehte.
„Du hast toll gekämpfte, Vienne.“, lobte Zieelda sie. Zieelda war im Grunde derselben Meinung, wie ihr Vater. Sie war immer auf eine friedliche Lösung von Problemen erpicht und hatte auch nicht viel für solche Kämpfe übrig, die nur dazu dienten um den stärkeren zu ermitteln. Dennoch sah sie den Kriegern immer gerne zu, wie sie Trainingskämpfe austrugen, und ganz besonders gern sah sie Vienne und Decs zu, wenn sie wieder einmal heimlich miteinander kämpften.
„Ihr ward beide sehr gut.“, sagte der Stammesführer, mehr zu Rox als zu Vienne.
Am nächsten Abend wurde ein Abschiedsfest für Zieelda gegeben. Sie sollte am darauf folgenden Tag den Stamm verlassen und mit Rox zusammen in den Norden gehen, nach Deromereon. Vienne bemerkte, dass sie sehr still war und bedrückt aussah. Sie war sich nicht sicher, ob sie mit ihr darüber reden sollte. Zieelda würde bestimmt solche Gefühle, wie Bedauern oder Schwermut bestreiten. Sie wollte es immer jeden recht machen und ihr Vater meinte, als sie gestern darüber sprachen, dass er sich sehr freuen würde, wenn Zieelda dieser Verlobung zustimmte. Vienne hatte von ihr erfahren, dass er auch sagte, dass es politisch von großem Vorteil sei, wenn ihr Stamm Familiär mit dem Königshaus verbunden sei. Da konnte Zieelda natürlich keine Einwände dagegen erheben. Sie wollte ihren Vater auf keinen Fall enttäuschen. Vienne aber wusste, dass sie ihren Vater niemals enttäuschen könnte, egal was sie tat oder eben nicht tat. Es war äußerst kompliziert.
Auf dem Fest sah sich Vienne um. Sie konnte Zieelda nirgends entdecken. Vermutlich war sie nicht in der Stimmung zu feiern. Sie beschloss ihre Freundin zu suchen und wollte sie, wenn sie sie gefunden hatte, so gut es ging aufheitern.
Sie entdeckte Decs, der sich mit dem Stammesführer unterhielt und sie zu sich winkte. Vienne musste über die Tanzfläche, auf der sich viele Tänzer tummelten und setzte sich schließlich neben Decs.
„Ich habe Gotzum“, das war der Name des Stammesführers, „gerade gefragt, ob wir nicht mit Rox zusammen Zieelda nach Demor bringen dürfen.“, klärte ihr Bruder sie auf.
„Und? Dürfen wir?“, erkundigte sie sich. Sie hätte sich sehr gefreut, wenn sie Zieelda in ihre neue Heimat begleiten dürfe. Auf ihrer Reise, konnten sie dann noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen.
„Ich würde dies sehr begrüßen.“, antwortete der Stammesführer. „Zieelda wäre bestimmt viel sicherer, wenn ihr sie zu dritt begleiten würdet. Und ich bin mir sicher, es wäre in ihrem Wunsch.“
Vienne freute sich. Sie verabschiedete sich für heute Abend und sprang auf, um sich wieder auf die Suche nach Zieelda zu begeben. Die gute Nachricht wollte sie ihr so schnell wie möglich mitteilen. Der Stammesführer rief Rox zu sich, um ihn über die Plan Änderung zu unterrichten. Decs wurde losgeschickt, um dem König von Deromereon eine Nachricht mittels Luftpost zu zuschicken.
Vienne setzte ihre Suche in der Hütte des Stammesführers fort, als sie Zieelda unten bei den Feiernden nicht fand. Dort hatte sie gleich viel mehr Glück. Zieelda stand auf dem Balkon der Hütte. An das Geländer gelehnt sah sie zu, wie die anderen sie verabschiedeten – ohne ihr Beisein. Sie seufzte.
„Wie geht es dir?“, fragte Vienne, als sie näher trat.
„Gut … mir geht es gut.“ Ihre Traurigkeit war ganz genau raus zu hören.
Sie tat Vienne leid. Sie hätte ihr gerne irgendwie geholfen, aber wie sollte sie dies anstellen? Es war ihr nicht möglich die Verlobung zu lösen. Es war ihr nicht möglich Zieelda in ihrer Heimat zu behalten. Es war ihr auch nicht möglich ihr ihren Kummer zu nehmen. Aber zumindest kann sie ihr eine freudige Nachricht überbringen.
„Dein Vater hat erlaubt“, fing sie an, „dass wir dich zum Palast in Demor begleiten dürfen. Dort werden wir dann zwei Monde nach deiner Vermählung bleiben, um sicher zu gehen, dass du auch gut behandelt wirst.“
„Das ist eine gute Nachricht.“, sagte Zieelda. „Danach werdet ihr dann Sjola beschützen?“
„Ja.“
„Das ist gut“, sagte sie reizlos. „Ich bin nur froh, dass sie die besten an ihrer Seite hat.“
„Ich bin sicher, dass sie oft den Wunsch äußern wird ihre Schwester, die künftige Königin Deromereons zu besuchen.“, sagte sie um sie aufzuheitern. Und es schien zu funktionieren. Zieelda ließ ein kleines Lächeln aufblitzen.
„Darüber würde ich mich sehr freuen. … Ich werde alles so schrecklich vermissen.“, sagte sie unter einen tiefen Seufzer und ging. Vienne folgte ihr.
Die beiden gingen ohne ein Wort zu sprechen die nächste Treppe hinauf. Es war nicht nur dunkel im Wald, sondern auch außerhalb. Sie waren jetzt nämlich auf einem Plateau, der über die Baumkronen hinaus ragte. Die Sterne funkelten, der Halbmond leuchtete und es wehte kein Lüftchen. Eine ganze Weile lang sahen sie die Sterne an, ehe sie schließlich schlafen gingen.
Am nächsten Morgen waren Vienne, Decs, Rox und Zieelda schon sehr früh auf den Beinen. Sie wollten früh aufbrechen um den Tag für ihre lange Reise vollkommen ausnutzen zu können. Ihre erste Rast planten sie in Fierd zu machen. Das war ein kleines Dorf, in dem Rox schon vor seiner Ankunft in Landor rastete. Sie würden den ganzen Tag dort hin brauchen, deshalb wollten sie die endgültige Verabschiedung kurz halten.
„Ich werde dich ganz bald besuchen kommen.“, versicherte Sjola ihrer Schwester.
„Das wäre schön.“, sagte Zieelda.
„Wir werden dich sehr vermissen mein Kind.“, sagte ihr Vater.
„Ich euch auch.“
Zieelda rannen Tränen über ihre Wangen. Sie viel ihrem Vater in die Arme, der, wie Vienne auffiel auch Tränen in den Augen hatte. Auch Sjola umarmte ihre Schwester. Wäre der Rest des Dorfes auch schon wach, dann würde diese Szene um einiges rührseliger ausfallen. Aber es entsprach ganz Zieeldas Wünschen, dass niemand außer ihrem Vater und ihrer Schwester sie verabschieden sollten.
Nach weiteren Bekundungen darüber, wie sehr man sich vermissen würde, wie oft man sich besuchen würde und wie gut es Zieelda in ihrer neuen Heimat gehen würde, machten sich die vier endlich auf den Weg.


Kapitel 5



Während sich Vienne, Decs, Rox und Zieelda noch einen Weg durch die gefährliche Zone des Waldes Landor bahnten, saß der Prinz Deromereons in einer dunklen und dreckigen Spelunke in einer kleinen Stadt an der Grenze des Königreiches. Er trank ein Glas Schnaps – zum ersten Mal in seinem Leben und es schmeckte ihm nicht wirklich gut, aber er nippte weiter daran um nicht aufzufallen. In der Kneipe waren ziemlich zwielichtige Gestalten versammelt. Einige dieser Figuren sahen ihn finster an. Phiel beobachtete sie aus den Augenwinkeln, er überlegte wieder zu gehen bevor einer dieser Figuren ihn ansprechen konnte.
Zum ersten Mal war er alleine außerhalb des Palastes und zum ersten Mal überhaupt außerhalb der Königlichen Stadt Demor. Er war nervös. Falls ihn jemand angreifen würde, konnte er sich nur schwer verteidigen. In den Kampfkünsten war er nie gut gewesen. Zugegebenermaßen überlegte er schon wieder zurück nach Hause zu gehen, denn er war etwas ängstlich. Ganz alleine – ohne Wachen in einer dunklen Kneipe, in der sich vermutlich Kriminelle trafen und eventuell zu gerne dem König etwas antun würden, wie zu Beispiel den Thronfolger entführen oder gleich zu töten. Es war Phiel durchaus zu Ohren gekommen, dass das Volk außerhalb Demors – ganz besonders so nah an der Grenze des Königreiches Dromereon, unzufrieden war und dem König die Schuld daran gab, dass sie so arm waren.
Jetzt stand Phiel auf, er hinterließ dem Wirt einige Gil um seine Rechnung zu tilgen und ging mit gebeugtem Kopf zum Ausgang der Destille. Aus seinen Augenwinkeln beobachtete er genau die anderen Gäste, die ihm nach sahen. Als er draußen war, atmete erst einmal durch. Es war ihm zum Glück niemand gefolgt. Zum Glück, dachte er, hat mich niemand erkannt. Von nun an wollte er sich einen Decknamen zulegen und sich eine Verkleidung zulegen. Seine vornehmen Kleider könnten ihn unter Umständen verraten. Niemand in dieser Gegend konnte sich solche Kleider überhaupt leisten, das hatte er schon auf den ersten Blick gesehen.
Es war schon dunkel, seit der Dämmerung war er in der Gaststätte gewesen. In der Hoffnung hier einige unauffälligere Kleider herumhängen zu finden, schlenderte er durch das Städtchen. Bei Nacht betrachtet war die Stadt noch trostloser als noch am Tage. Die Dächer der Häuser waren schäbig, den meisten fehlten Schindeln und hatten Löcher. Fenster waren eingeschlagen, Hauswände zerfleddert und Türen hingen teilweise aus den Angeln. Die Menschen hier schienen wirklich nicht viel zu besitzen. Ob wohl sein Vater davon wusste? Hatte er denn überhaupt eine Ahnung, wie es an den Grenzstädten Deromereons aussah? Vermutlich eher nicht. Er hätte doch sonst etwas dagegen unternommen … oder?
Seine Suche nach unauffälligerer Kleidung hatte jäh ein Ende. Auf einer Wäscheleine hingen einige Kleider, die ihm geeignet für seine Zwecke erschienen. Er zupfte eine Hose, ein Hemd, eine Weste und eine Jacke von der Leine. Allerdings verbat ihm sein Gewissen diese Kleidungsstücke einfach zu stehlen. In anbetracht des armseligen Hauses, zu dem die Wäscheleine offensichtlich gehörte, wollte er dessen Bewohner etwas hinterlassen. Doch seine Kleider konnte er ihnen nicht hinterlassen. Wenn sein Vater ihn suchen ließ – was er bestimmt tat, würden seine Kleider die Sucher auf seine Fährte bringen – und die Familie würde vermutlich auch noch Schwierigkeiten bekommen, man würde sie wahrscheinlich bezichtigen, sie hätten Phiel verschleppt und sie hätten ihm vielleicht sogar etwas angetan. Das wollte Phiel natürlich nicht verantworten, also beschloss er, die bisschen Gil, die er von zuhause mitgenommen hatte, den Bewohnern zu hinterlassen. Damit hatte er sein gesamtes Geld ausgegeben, aber das war es ihm Wert gewesen.
Also ging er mit seinen `neuen` alten Kleidern in den Wald, der sich hinter der Stadt erstreckt. Er wollte dort sein Nachtlager aufschlagen, das im Grunde aus nichts weiter als einigen zusammen geräumten Blättern und Zweigen bestand. Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass seine Flucht aus dem Palast etwas übereilt gewesen war. Er hatte nichts mitgenommen außer ein paar Gil und den Kleidern an seinem Leib. Er hätte sich besser vorbereiten sollen. Seit fünfzehn Tagen war er schon von zu Hause weg. In der Nacht, nachdem er erfuhr, dass die fünf Weisen eine Frau für ihn gefunden hatten und schon jemanden ausgesandt hatten, der sie nach Demor bringen sollte, schlich er sich aus seinen Gemächern in den Palastgarten, von wo er eine hohe Mauer hinunter kletterte und in die Stadt gelangte. Er war von nächtlichen Wachen entdeckt worden, konnte sie aber in den engen und dunklen, verwinkelten Gassen der unteren Stadt abschütteln. Dort kannte er sich gut aus, schon mit seinem Bruder spazierte er oft durch die untere Stadt, als sie noch Kinder waren. Sie versteckten sich oft und gerne vor ihren Wachen, die sie bei ihren Ausflügen in die Stadt beschützen sollten. Sie sind ihnen immer entwischt und machten daraus ein Spiel.
Er vermisste seinen Bruder. Vor vier Jahren hatte er das letzte Mal mit ihm geredet. Er hatte ihn zwar ab und an gesehen, doch gesprochen hatte er ihn nicht mehr, seit er den Thron an Phiel abgetreten hatte. Immer wenn er die Kampfakademie besuchte und seinen Bruder, Roxander sehen wollte, wurde er von ihm ignoriert. Als er ihn das letzte Mal besuchen wollte, hatte Roxander jedes Mal die Flucht ergriffen, wenn er Phiel begegnet war. Mit diesen Gedanken dachte er sich in den Schlaf, was sich schwieriger gestaltete, als er hoffte, da er nicht sonderlich bequem lag. Aber er hatte sich mittlerweile etwas daran gewöhnt, immerhin wachte er nachts jetzt nur noch ein bis zweimal auf.
Am nächsten Morgen musste er feststellen, dass er nicht mehr dort war, wo er eingeschlafen ist. Die Szenerie des Waldes, die er erwartet hatte, wich einer Decke und vier Wänden. Dort war ein Fenster, aus dem er sehen konnte – könnte, wenn er nicht gefesselt wäre. … Warum lag er hier auf dem Boden, gefesselt? Es kam ihm komisch vor. Wurde er entführt? Von jemanden aus der Kneipe? Hatte man ihn doch erkannt?
Plötzlich öffnete sich die Tür, zu der er mit dem Rücken lag. Er konnte nicht sehen, wer gerade eintrat. Doch das musste er auch nicht, er konnte es bald hören.
„Na, sind wir wach, euer Hoheit?“, fragte eine tiefe Stimme. „Habt ihr gut geschlafen euer Hoheit?“ Jetzt konnte Phiel das Gesicht zu der Stimme sehen. Der Mann beugte sich zu ihm runter. Eine große Narbe durchzog sein Gesicht. Er sah älter aus als er war, vermutete Phiel.
„Ich weiß nicht wovon ihr redet.“, log Phiel. Ein jämmerlicher Versuch sich in die Freiheit zu lügen. Er war verzweifelt und wusste nicht so recht, was er tun sollte.
„Oh, ihr wisst nicht was ich meine?“, fragte er sarkastisch. „Nun, euer Vater wird hoffentlich wissen was ich meine. Sonst habt ihr ein Problem.“
„Ich bin nicht der für den ihr mich haltet. Ich bin nicht der Prinz.“, versuchte er ihm klar zu machen.
„Und wer seid ihr dann?“
„Niemand. Ein einfacher Landstreicher.“, sagte Phiel.
„Ein einfacher Landstreicher“, wiederholte der Mann mit der Narbe „mit solch feinen Kleidern? Es fällt mir schwer das zu glauben.“
„Die Kleider hab ich gestohlen.“
„Gestohlen? Und danach zieht ihr los und stehlt solche Lumpen?“, sagte der Mann und verließ den Raum.
Phiel hatte schon zu Beginn des Gesprächs erkannt, dass er sich nicht in seiner Meinung umstimmen ließ. Er war wieder alleine im Raum, immer noch gefesselt. Nun war es ihm klar. Es war ein Fehler gewesen den Palast zu verlassen. Er hätte nicht weglaufen dürfen. Nichts wünschte er sich jetzt mehr als zuhause zu sein – auch wenn dies bedeutete, dass er ein Fremdes Mädchen heiraten sollte und eines Tages die schwerwiegende Verantwortung eines Königs zu übernehmen.
Aber möglicherweise hatte er dieses Leben schon bald wieder zurück. Dieser Mann hatte seinen Vater erwähnt. Wollte er vielleicht ein Lösegeld für Phiel bei dem König erwirken?


Kapitel 6



Während der Prinz weiterhin hoffte, dass er bald wieder frei sein könnte – jedenfalls so frei wie er als Kronprinz sein konnte, rasteten seine künftige Frau und ihre Gefährten in der selben kleinen Stadt. Letzte Nacht waren sie eingetroffen und mieteten sich einigen Zimmer für diese Nacht. Sie wollten schon früh wieder aufbrechen, da sie vom König schon bald in Demor erwartet wurden. Sie hatten keine Ahnung, dass dessen Sohn nur wenige Häuser weiter, schon seit einigen Tagen festgehalten wurde – sie sollten es auch nie erfahren.
Sie hatten ihre Sachen bereits wieder gepackt und wollten nach einem kurzen Frühstück weiter reisen. Eigentlich hatten sie es nicht eilig, doch Decs und Vienne hielten es für besser, wenn sie bald in Demor ankommen würden. Sie befürchteten, dass Zieelda es sich anders überlegen könnte. Vor allem Vienne wusste, dass Zieelda unter enormen Zweifeln litt. Sie zog sich immer weiter in sich zurück und sprach kaum noch ein Wort. Sie war zwar nie sehr lebhaft gewesen, doch diese Art der Zurückgezogenheit war selbst für sie nicht normal. Vienne spürte, dass sie unglücklich war.
Ihr Weg aus der Stadt heraus führte sie durch einen Wald. Die Bäume waren nicht einmal im Entferntesten so groß wie die, die Landor wuchsen. Allerdings war es in diesem Wald um einiges dunkler, als ihr zu Hause. Ein kleiner schmaler Waldweg führt durch den Wald. Obwohl Rox wusste, dass dieser Weg bei weitem nicht der Sicherste war, so führte er sie trotzdem durch diesen Wald, auf eine Bitte seines Königs hin, die ihm die Weisen überbrachten, sollte er das Mädchen auf schnellsten Wege nach Demor bringen. Er wollte die Hochzeit seines Sohnes schnell über die Bühne bringen, da er ihn so bald wie möglich verheiratet sehen wollte, damit er ihn, falls es bald nötig sein sollte, zu seinen Nachfolger ernennen konnte.
Rox fielen einige Fußspuren auf, die ihm nicht gewöhnlich erschienen. Er kniete sich hin um sie besser begutachten zu können. Es sah so aus, als hätten einige Personen etwas Schweres aus dem Wald in die Stadt gezogen hätten. Dieser Wald erschien ihm nicht gerade sehr günstig für Jäger, hier waren keine Tiere, die sich fangen ließen und selbst wenn war ihr Fleisch ungenießbar. Also konnten es auch keine Jäger gewesen sein, die hier ein Tier in die Stadt geschleppt hätten.
„Was ist los?“, fragte Vienne, die bemerkt hatte, dass Rox stehen geblieben war.
„Diese Spuren kommen mir merkwürdig vor.“, sagte er nachdenklich. Aus irgendeinem Grund wollte er diesen Spuren nachgehen. Er konnte es sich nicht erklären, aber er ging den Spuren nach. Dann hielt er kurz inne. Er hatte eine Mission, er sollte doch das Mädchen sicher zum Palast bringen.
„Wo willst du hin?“, fragte Vienne ihn. Decs und Zieelda hatten auch angehalten und warteten ein Stück weiter.
„Geht schon mal vor und wartet in der nächsten Stadt auf mich.“, sagte er. „Ich brauch nicht lange.“ Und er ging vom Weg ab, zwischen den Bäumen hindurch.
Vienne, der sein besorgtes Gesicht nicht entging, machte sich Sorgen um ihn. Er musste einen Grund haben, warum er dieser Spur folgte. Für Vienne waren diese Spuren nichts Besonderes. Lediglich eine Spur von Jägern und ihrer Beute. Trotzdem bedeutete sie ihrem Bruder, er solle alleine mit Zieelda weitergehen und sie würde sie später zusammen mit Rox einholen. Sie bahnte sich einen Weg durch das Gebüsch und verschwand alsbald zwischen denselben Bäumen wie Rox.
Sie hatte ihn bald eingeholt. Er untersuchte den Waldboden. Dort war das herunter gefallene Laub zu einem Haufen aufgeschüttet, der zerfallen war.
„Ein Lager?“, fragte sie.
Er antwortete nicht, sonder wühlte in dem Häufchen Laub herum.
„Was ist los?“, fragte sie mit mehr Nachdruck. „Glaubst du hier hat ein Verbrechen statt gefunden?“, fragte sie weiter, als wieder keine Antwort kam. „Rox!“
Er stand wieder auf. In seiner Hand hielt er einen Ring. Er kannte diesen Ring. Einst hatte er ihm gehört. Aber wie kam er hierher? Er dachte an die Spuren. War er hier? Was wollte er nur hier, so weit weg von zu Hause?
„Rox?“, fragte Vienne noch einmal. Sie sorgte sich jetzt etwas mehr um ihn, als sie bemerkte, wie er in seine Hand starrte, mit diesem besorgten Gesichtsausdruck.
„Dieser Ring … er gehört…“, er sprach nicht weiter, sondern ging jetzt den ganzen Weg, den sie gekommen waren, zurück. Vienne folgte ihm.
Es dauerte nicht lange, bis sie wieder aus dem Wald kamen. Die Spuren wurden hier um einiges undeutlicher, bis sie schließlich ganz verschwanden. Rox nahm an, dass man die Beute von hier an trug. War er hier in der Stadt? Er konnte nicht weiter gehen. Er durfte nicht weiter gehen. Rox umfasste sein Handgelenk, an dem er ein ledernes Armband trug. Er kehrte um. Vienne war überrascht.
„Was ist denn jetzt schon wieder los?“, fragte sie ihn, als sie ihm hinterher rannte.
„Nichts.“, sagte er. „Wir haben nur wichtigeres zu tun.“ Er steckte den Ring ein und machte sich auf den Weg zurück in den Wald.
Die beiden gingen schneller als zuvor, da sie Decs und Zieelda wieder einholen mussten. Vienne wollte zu gerne wissen, warum Rox sich so komisch benahm. Aus ihren Augenwinkeln konnte sie allerdings sehen, dass er immer noch besorgt war – warum auch immer. Vermutlich hatte es mit diesem Ring zu tun. Kannte er vielleicht die Person, der ihr gehörte? Aber wenn ja, warum versuchte er nicht diese Person zu finden? Er machte sich doch ganz offensichtlich Sorgen. Sie verstand es nicht, wollte aber auch nicht nachfragen. Sie befürchtete, dass er wütend werden könnte, da er nicht so aussah, als ob er darüber reden wollte.
Rox hingegen machte sich ganz andere Gedanken. Er verfluchte seine Entscheidung, die er vor einigen Jahren getroffen hatte. Damit hatte er seinem Bruder einige Schwierigkeiten eingebrockt. Er wusste, dass er eigentlich nicht im Stande war den Platz auszufüllen, den er leer hinterlassen hatte. Es war seine Schuld, wenn er jetzt in Gefahr war. Rox wollte ihn ja suchen, sicher gehen, dass es ihm gut ging – was im Moment wohl eher nicht der Fall war. Er konnte ihn aber nicht suchen. Er durfte es nicht. Aber eines nahm er sich vor: In Demor wollte er persönlich mit dem König sprechen – auch wenn allein der Versuch ihm großen Ärger einhandeln würde, er konnte dann doch nicht anders. Er wollte wenigsten einen Teil seiner Schuld wieder gut machen.
Sie gingen still nebeneinander her. Weder Vienne, die sich nicht so recht traute, noch Rox, der vollkommen in seinen Gedanken versunken war, redeten ein Wort. Als sie aus dem Wald heraus waren, mussten sie über weite Felder gehen. Vienne glaubte, sie sehe Decs und Zieelda am anderen Ende des geschlängelten Weges, der durch die Felder führte. Sie standen vor einem weiteren Wald, der an einem großen Berg grenzte. Jetzt war sie sich sicher, dass es sich um ihren Bruder und ihre Freundin handelte. Sie blieben stehen und sahen in ihre Richtung.
„Geht es dir gut?“, fragte Vienne Rox vorsichtig.
„Geht so.“, antwortete er kurz.
„Willst du reden?“
„Worüber?“
„Na, über das, was gerade passiert ist.“
„Nein.“, antwortete er entschlossen. „Aber sonst ist mir jedes Thema recht.“, fügte er hinzu, als er merkte, dass er sonst weitere Fragen darüber erwarten durfte.
„Woher kommst du?“, fragte Vienne, die dieser peinlichen Stille entkommen wollte. Ihr war auch jedes Thema recht.
„Aus Demor.“
„Schon immer?“
„Ich bin dort geboren und aufgewachsen.“
„Bist du eigentlich wichtig in Demor?“, fragte sie. „Ich meine, man wird dich ja wohl nicht einfach so zu uns schicken um Zieelda nach Demor zu bringen, oder?“
„Das wohl nicht.“, sagte er. „Ich bin einer der besten Kämpfer in der Kampfakademie Demors.“
„Beeindruckend.“, gestand Vienne ein.
Sie erfuhr, dass er seine Familie vor vier Jahren verloren hatte, doch mehr wollte er auch über dieses Thema nicht sprechen. Das verstand sie selbst nur zu gut. Decs´ und Viennes Eltern waren auch tot, schon seit fünfzehn Jahren. Damals war sie erst vier Jahre alt gewesen und Decs war acht. Sie wurden damals erst zu Stammesmitgliedern, denn der Stammesführer hatte sie in seiner Familie aufgenommen. Decs und Vienne hatten keinerlei Erinnerung an ihre Eltern, deshalb sprachen sie auch nicht gerne darüber. Vienne selbst dachte auch nicht gerne an sie, da es für sie sehr schmerzhaft war an ihre Eltern zu denken.
Sie hatten den Wald bald erreicht, bei dem Decs und Zieelda warteten. Decs sah seine Schwester an, die sehr zerstreut und ein bisschen traurig wirkte. Als er ihren Blick einfing, hoffte er sie würde den seinen verstehen. Er wollte wissen, was mit Rox los war. Sie wich ihm aus, was Decs sofort verstand. Vienne wusste selbst nicht was mit ihm los war.
Sie setzten ihren Weg, der sie durch den Wald führte, fort. Decs drehte es so, dass er alleine mit seiner Schwester hinter den beiden anderen gehen konnte. Es konnte doch nicht sein, dass sie gar nichts wusste. Er fragte sie.
„Was war denn?“
Sie erzählte ihm, was vorgefallen war, dass sie der Spur gefolgt waren, dass sie ein Lager entdeckt hatte und dass Rox dort etwas gefunden hatte, dass ihn noch mehr beunruhigte. Auch erzählte sie ihm, dass sie zurück in das Dorf gegangen waren, sogleich aber wieder umkehrten, Rox aber nicht sagte, was das alles zu bedeuten hatte.
„Ich schlage vor, wir füllen unsere Wasserflaschen hier auf.“, sagte Rox, als sie schon seit einigen Stunden durch den Wald gingen. Er wies sie darauf hin, dass der Wasserfall, der vom Berg herab floss, sich ganz in der Nähe in einem kleinen See sammelte. Sie beschlossen diesem Vorschlag nach zu gehen, da sich ihnen vor der nächsten Stadt, in der sie nächtigen wollten, wohl keine Gelegenheit mehr bot ihre Wasserflaschen aufzufüllen.
Der See, in dem sich das Wasser des Wasserfalls sammelte, war näher als sie dachten. Sie mussten nur durch einige Bäume und einem dichten Gestrüpp, welches ihnen verriet, dass nicht viele Menschen hier durch kamen.
Zieelda und Decs füllten die Wasserflaschen auf. Vienne wusch sich Flecken aus ihrer Kleidung, die sie den Beeren des Gebüsches verdankte. Rox setzte sich an das Ufer des Sees. Er griff sich wieder an sein Handgelenk, was Vienne nicht entging. Er macht sein Armband ab und hervor kam eine Narbe. Vienne erkannte, dass es sich um eine Brandnarbe handelte. Was das Zeichen, das es war, aber bedeutete, wusste sie nicht.
„Was ist das?“, fragte sie ihn.
„Eine Narbe.“, sagte er ausdruckslos.
„Woher ist die?“, sie konnte ihre Neugier über ihn nicht mehr zurückhalten.
„Aus meinem alten Leben.“, sagte er nach einer kurzen Weile.
„Dein altes Leben?“, wiederholte sie.
„Hör zu“, fing er an, als er wieder aufstand und sein Armband wieder anlegte, „es ist mir eigentlich verboten darüber zu reden.“, sagte er ernst.
„Warum?“, fragte sie ihn. „Hast du was angestellt?“
„Willst du mich ärgern?“
„Hast du oder hast du nicht?“, fragte sie hartnäckig.
„… Kann man so sagen, ja.“, antwortete er widerwillig.
„Und was?“, fragte sie weiter.
„Wie schon gesagt, es ist mir verboten worden darüber zu reden.“, sagte er, als er zu den anderen ging.
„Und warum?“, fragte sei weiter.
„Tradition.“, sagte er über seine Schulter hinweg.
Sie gingen zu den anderen beiden, die es sich mittlerweile in der Sonne gemütlich gemacht hatten. Vienne wollte eigentlich mehr über diese Tradition erfahren, doch sie wollte ihn lieber nur unter vier Augen danach fragen. Was war das nur für eine merkwürdige Tradition? Rox wurde gebranntmarkt und durfte nicht darüber sprechen? Es kam ihr durchaus verwunderlich vor. Sie wusste nicht viel über Deromereon und seine Sitten und Bräuche, aber diese Tradition kam ihr schon irgendwie unglaubwürdig vor. Sie beschloss ihn im Auge zu behalten und ihn, wenn es die Situation zuließ, noch einmal danach zu fragen.
Nach kurzer Pause machten die vier sich wieder auf den Weg. Noch vor Sonnenuntergang mussten sie um den Berg gekommen sein und den Wald verlassen haben, denn in dann trieben hier nachtaktive, Blut saugende Fledermäuse ihr Unwesen. Wenn sie jemanden bissen, dann sondern sie ein Gift ab, das in nur wenigen Stunden tötet, wenn man keine entsprechende Behandlung erfuhr. Die umliegenden Städte und Dörfer hatten schon oft Jäger engagiert, die die Blutsauger erledigen sollten, doch bisher hatte es niemand geschafft – sie hatten es nicht wieder zurück aus dem Wald geschafft. Eine Legende besagt, dass die getöteten Jäger des Nachts durch den Wald streiften und immer noch versuchten die Fledermäuse zu jagen, damit sie ihr abgegebenes Versprechen doch noch einlösen können. Aber wie gesagt, es war nur eine Legende, an die sowieso nur die wenigsten glaubten.
Rox ging voran, die anderen hinterher. Er dachte nach. Er wollte so schnell wie möglich nach Demor zurück. Er wollte wissen, ob es wirklich möglich war, dass das sein Ring war, der Ring des Kronprinzen.
Plötzlich wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Um ein Haar hätte ihn ein Pfeil getroffen. Doch er landete stattdessen vor ihm in einem Baum. Rox sah in die Richtung aus der der Pfeil geflogen kam. Vienne und Decs zogen ihre Waffen und stellten sich schützend vor Zieelda. Niemand war zu sehen. Rox sondierte die Gegend genau, doch er konnte niemanden erspähen. Dann – Ein kräftiger Schlag von hinten. Er sank bewusstlos zu Boden.
Vienne und Decs konnten es sich nicht erklären. In einem Moment glaubten sie hinter Rox einen Schatten zu sehen und im nächsten Augenblick, während Rox schon zu Boden fiel, war der Schatten auch schon wieder weg. War vielleicht doch etwas an dieser Legende dran? Gab es diese rastlosen Seelen, diese Jäger wirklich?
Zieelda, zwischen Vienne und Decs eingepfercht, hatte Angst. Sie wusste nicht was hier passiert, wer sie angriff. An Viennes Arm geklammert, die mit dem Rücken zu ihr stand, versuchte sie den Angreifer zu entdecken. Doch keine Spur von ihm, nicht in den Bäumen und nicht hinter den Bäumen.
„Bring sie hier raus!“, sagte Decs zu Vienne und schob sie weiter, seinen Blick weiterhin tief in den Wald haftend.
„Und du … und Rox?“, fragte Zieelda.
„Los! Geht schon!“, forderte er sie auf.
Vienne, die ihren Bruder zwar ungern alleine hier im Wald zurück lassen wollte, packte Zieelda am Arm und zerrte sie mit sich. Es war ihre Aufgabe Zieelda zu beschützen, Gotzum hatte sie und ihren Bruder persönlich beauftragt auf sie acht zu geben. Decs würde schon alleine zu Recht kommen, er war ein hervorragender Kämpfer – der zweit beste des Stammes. Sie sah Rox an, als sie an ihm vorbei gingen. Wie er da lag, bewusstlos. Decs würde sich auch um ihn kümmern, auf ihn aufpassen.
Sie rannten durch den Wald. Vienne fürchtete, dass sie möglicherweise verfolgt würden. Ob sie dem Angreifer gewachsen war oder nicht, wusste sie nicht. Deshalb ging sie lieber auf Nummer sicher und lief, mit Zieelda im Schlepptau, so schnell sie konnte zwischen den Bäumen hindurch. Es war zwar nicht klar, dass sie außerhalb des Waldes sicher waren, aber dort konnte Vienne wenigstens die Gegend besser sondieren und es gab für mögliche Angreifer nicht so viele Versteck Möglichkeiten.
Auf der Flucht vor dem Unbekannten fragte sie sich, ob diese Legende wirklich wahr sein könnte. Geister, die durch den Wald streifte und versuchten Fledermäuse zu jagen, die sie getötet hatten. Für sie klang es immer noch irgendwie unglaublich. Aber in anbetracht der aktuellen Situation – dass sie nämlich von einem Unbekannten angegriffen wurden, den sie nicht sehen konnte – dachte sie, dass es womöglich doch wahr sein konnte.
„Argh!“, rief Zieelda plötzlich auf. Sie war zu Boden gefallen.
„Was ist?“, fragte Vienne.
„Irgendwas hat mich gebissen.“, antwortete sie und untersuchte ihren Knöchel, an dem sie den brennenden Schmerz verspürte. Zieelda traute sich kaum die Blessur anzufassen so sehr schmerzte sie. Blut trat aus der Wunde und noch etwas anderes, eine zähflüssige grüne Flüssigkeit.
„Kannst du aufstehen?“, wollte Vienne wissen. Sie mussten weiter gehen, denn sie hörte etwas, das ihr gar nicht gefiel. Der Angreifer musste Decs besiegt haben und war jetzt auf dem Weg zu ihnen. Notfalls würde sie Zieelda tragen, denn sie mussten jetzt wirklich hier raus.
Zieelda versuchte aufzustehen. Sie konnte nicht auftreten. Bevor sie aber wieder hinfiel wurde sie von Vienne aufgefangen. Sie legte Zieeldas Arm um sie und zusammen gingen sie weiter.
Sie erreichten bald das Ende des Waldes. Vienne blieb stehen, schubste Zieelda aber weiter, damit sie außerhalb der Gefahrenzone war, wenn es zu einem Kampf kam. Zieelda humpelte einige schritte weiter, zu einem Felsen, der aus dem Boden ragte und stützte sich darauf ab.
Nichts passierte. Niemand kam aus dem Wald heraus. Vienne hörte keine Geräusche, die darauf schließen lassen könnten, dass jemand kam. Sie starrte angestrengt zwischen den Bäumen hindurch.
„Siehst du … etwas?“, fragte Zieelda.
„Nein.“, antwortete Vienne, drehte sich um und sah gerade noch, wie Zieelda bewusstlos wurde und von dem Felsen rutschte. Vienne lief auf sie zu. Doch noch ehe sie sie erreichte, verspürte sie einen Stich in ihrem Rücken und alles wurde schwarz.


Kapitel 7



Während die Zukunft von Rox, Decs, Vienne und Zieelda – wie auch die von Prinz Phiel – weiter im Ungewissen liegt, saß ein junges, blondes Mädchen, in tiefer Meditation versunken, auf einem Podest in mitten eines gewaltigen Raumes, in dem sich weiter nichts befand. Es war dunkel, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Aber etwas sehen brauchte das Mädchen auch nicht. Sie befand sich in einer anderen Welt.
Vor wenigen Tagen noch war sie zu Hause bei ihrem Vater und ihren Freunden. Jetzt ist sie hier, körperlich in diesem Raum, aber geistig in dieser grauen dunklen Welt. Seit sie hier war, hatte sie schon erfahren, dass diese Farblosigkeit nicht üblich war. Eigentlich war es hier immer hell und vor allem bunt, die Bewohner waren früher glücklich und freundlich – jetzt waren sie niedergeschlagen und alles andere als freundlich. Alles sahen sie sie finster an, als ob sie ein bösartiges Monster wäre.
Leider weiß das Mädchen immer noch nicht, was sie hier eigentlich genau soll. Die Männer und Frauen, die sie eines Nachts aufweckten, hatten sie um Hilfe gebeten. Sie sagten ihr, ihre Welt sei in Gefahr und diese Gefahr würde auch in ihre Welt übergreifen. Natürlich hatte sie sofort eingewilligt, dass sie ihnen – so gut sie könne – helfen würde. Kurz hatte sie überlegt, dass es vielleicht unüberlegt von ihr war, einfach mit ihnen mit zu gehen. Ihr Vater fand sie schon immer etwas zu naiv.
Ihr Vater. Er hatte bestimmt schon bemerkt, dass sie weg war. Er hatte bestimmt schon einen Suchtrupp losgeschickt um sie zu suchen. Er machte sich bestimmt sorgen um sie. Ihr Aufbruch war so schlagartig von statten gegangen, dass sie ihm keine Nachricht hinterlassen konnte. Er dachte bestimmt sie sei entführt worden. Erst verlor er seine älteste Tochter, weil sie zu ihrer Hochzeit aufbrach, und dann war auch noch plötzlich seine jüngste Tochter weg.
Sie ging eine Straße entlang, die durch ein Dorf führte. Sobald sie von den Bewohnern bemerkt wurde, flüchteten sie in ihre Häuser, sie riefen ihre Kinder, die auf der Straße spielten, nach Hause. Eines der Kinder, ein Junge blieb vor ihr stehen, als es zu seiner Mutter lief. Er bückte sich und griff nach einem Stein, hob ihn auf und warf ihn auf das Mädchen, dann rannte er weg. Mit seinem Stein hatte er sie an der Hüfte getroffen, obwohl sie versucht hatte ihm auszuweichen.
„Hey!“, rief sie ihm hinterher, doch er war schon verschwunden. Das wird bestimmt ein blauer Fleck, dac

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Tag der Veröffentlichung: 17.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für alle Final Fantasy Fans.

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