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Prolog

Kennt ihr meine Geschichte schon? Nicht? Dann muss ich sie euch erzählen. Es geht um Dæmon und mich, um unsere Freunde und unsere Beziehung, über Übernatürliches und fantastische Jahre meines Lebens, das ich nun nicht mehr lebe. Denn ich bin tot. Oder besser gesagt, ich bin untot. Und hier ist meine Geschichte:

 

Müde trotte ich den Bürgersteig entlang. Wieso musste mein Boss den Football-Spielern auch anbieten, ihren Sieg bei uns zu feiern? Und warum mussten die nur so lange feiern? Ich arbeite in einem kleinen Café, das in unserer Stadt sehr beliebt ist.

Kapitel 1: Kidnapped?

Ich realisiere es erst gar nicht, als ein Auto neben mir hält. Ein Typ steigt aus dem Jaguar und ich bleibe stehen und beäuge ihn misstrauisch. Er hat dunkelbraune Haare, die lässig verwuschelt sind, und dunkle Augen. Er trägt schwarze Jeans und ein weißes Shirt, das eng anliegt und die Muskeln darunter erahnen lässt. Er hält mir die Beifahrertür auf.

„Steig ein, Süße.“ Ich schüttele den Kopf.

„Wieso?“

„Weil du doch mit Sicherheit nicht nach Hause laufen willst. Und weil ich es sage“, antwortet er mit seiner tiefen Stimme. Ich weiche ihm aus und laufe um ihn herum.

„Ich kenne sie nicht.“ Ich wende mich von ihm ab, da packt er mich auf einmal und schmeißt mich auf den Beifahrersitz. Im nächsten Moment hat er schon die Tür zu geschlagen und steigt auf der anderen Seite ein.

„Spinnen sie? Was soll das?“, fauche ich.

„Man sollte mir besser gehorchen“, knurrt er böse und will mich anschnallen. Ich schlage seine Hand weg und will aussteigen, aber er hat die Tür verriegelt. Er lacht und schnallt mich an, fährt los.

„Was zum Teufel tun sie? Das ist Freiheitsberaubung!“, keife ich und schnalle mich wieder ab, greife zu ihm auf die Seite und entriegele die Tür. Ich springe aus dem Auto und stolpere die Landstraße entlang. Sofort hat er mich eingeholt und hält mich fest.

„Ich sage es nicht noch einmal“, knurrt er bedrohlich, „steig ein. Du kommst jetzt mit mir!“

„Nein!“, schreie ich ihm entgegen und reiße mich von ihm los. Natürlich ist er wieder schneller und packt mich am Arm. „Hilfeee“, brülle ich in die Nacht und hoffe, dass mich jemand hört. Seine Hand schließt sich über meinen Mund, erstickt jeden weiteren Schrei.

„Du weißt nicht, was du da sagst, Süße. Wenn du wieder schreist, knebele ich dich.“ Er holt sein Handy heraus und telefoniert mit jemandem.

Wenige Minuten später kommt ein anderer Kerl an gejoggt. Er trägt ebenfalls Jeans und ein weißes T-Shirt, aber er hat blonde fingerlange Haare.

„Ich hab dir doch gesagt, du sollst eine aus 'ner Bar abschleppen. Oder Chloroform mitnehmen“, lacht er, als er sieht, wie ich mich wehre.

„Dann schmecken sie nicht mehr“, mault mein Entführer.

„Was soll das jetzt? Lass mich doch mal los, und mach ein Antiaggressionstraining!“, beschwere ich mich. Mein Arm ist schon ganz taub.

„Hi, ich bin Dean“, stellt sich der andere vor.

„Hallo Dean“, begrüße ich ihn. „Könntest du deinem Kumpel jetzt bitte sagen, dass er seine Flossen von mir lassen soll? Ich gehe dann einfach nach Hause und wir vergessen das Ganze.“

Der andere lacht: „Stimmt, Dean, einmal nach Hause, bitte“, fordert er Dean auf. Dean hält uns die Hintertür des Jaguars auf und Mr. Namenlos schiebt mich rein.

„Ich will das nicht!“, meckere ich. Namenlos verdreht die Augen, Dean lacht leise und steigt vorne ein. Er fährt über kleine Straßen, die nicht einmal beleuchtet sind. Eine halbe Stunde später hält er im Wald vor einem großen Haus. Toll, erinnert mich an die Cullens aus Twilight. Wie Recht ich damit haben sollte, ahnte ich ja noch nicht.

Kapitel 2: Vampire – na klar!

Namenlos schiebt mich durch die Tür. Ich verdrehe die Augen. Wunderschön, hier. Was jetzt?

„Mann, du musst dich schon um sie kümmern. Reden wir erst mal“, erklärt Dean und läuft eine Treppe herauf. Natürlich muss Namenlos mich hinterher zerren.

„Lass doch endlich mal los!“, zische ich, oben angekommen.

„Nein“, antwortet er stur.

„Lass sie los. Setz dich, Süße. Tut mir Leid, er ist ungehobelt.“ Ich rücke mir einen Stuhl an den Glastisch und setze mich gegenüber von Dean. „Wie heißt du?“, erkundigt er sich.

„Cosmea“, antworte ich schüchtern.

„Hübsch“, meint er. „Das da ist Dæmon. In der Öffentlichkeit auch Damon, aber wir sind hier zu Hause.“ Dæmon knurrt wieder etwas. „Tja, zu deinem Pech hat er dich als seine Blutspenderin auserwählt.“

„Was?“, rufe ich entsetzt und Panik steigt in mir hoch. Nadeln?

„Als Blutspenderin. Wir sind Vampire, Cosmea, und die trinken nun mal Blut. Aber mit Tierblut funktioniert das nicht, und zu viele sollen auch nicht von uns wissen, also brauchen wir Blutspender. Und Dæmon hat eben dich ausgesucht.“

„Ich will das nicht“, piepse ich entsetzt.

„Da hast du kein Mitspracherecht“, antwortet Dæmon. „Meine Letzte wurde eben zu alt, also brauchte ich eine Neue. Pech, dass du alleine so spät unterwegs warst.“

„Ich schmecke bestimmt nicht gut“, versichere ich ihm.

Er lacht. „Ein Vampir riecht so was.“

„Dir geht es als Blutspenderin nicht schlecht“, beruhigt Dean mich, „nicht wie früher.“

„Was war den früher?“, hake ich nach, und wieder liegt Panik in meiner Stimme.

Dæmon lacht. „Da wurden Blutsklaven einfach im Keller angekettet, und wenn man etwas brauchte waren sie da. Jetzt hauen sie in der ersten Zeit dauernd ab und man ist permanent damit beschäftigt, sie zurück zu holen. Das alles liegt an einer einzigen Sklavin. Ihr Blut war besonders süß, aber sie war besonders wehrhaft. Da wurden sich die Vampire dem Zustand der Sklaven bewusst und erließen ein Gesetz, dem zufolge auch Blutsklaven gut behandelt werden müssen.“

„Dæmon hält noch immer nichts davon“, erklärt Dean. Ich starre ihn an. Also bin ich bei einem Vampir gelandet, der mich gerne in den Keller sperren würde, der mein Blut trinken wird und mich dann töten wird?

„Ganz ruhig. Es ist nicht sehr schlimm, und du wirst auch nicht zu viel Blut verlieren. Die alte Blutspenderin ist jetzt zwar tot, aber man stirbt einen sanften Tod. Und einige werden auch verwandelt“, erklärt Dean. Sanfter Tod. Sehr beruhigend. Er sieht mich an. „Dusch erst mal und schlaf eine Nacht drüber.“

Dæmon zeigt mir widerwillig das Bad und ich dusche kurz. Dann komme ich in ein Handtuch gewickelt wieder heraus. Er läuft voraus, in ein Schlafzimmer. Dort reicht er mir ein T-Shirt und einen Slip. Okay, haben die etwa für Blutsklaven vorgesorgt? Ich sehe ihn an und er starrt zurück.

„Was?“, will er wissen.

„Könntest du weggucken?“, frage ich.

Er schnaubt. „Gewöhn dich dran, ich sehe nicht das erste Mal 'ne nackte Frau, und du bist meine Blutsklavin. Du solltest dich mir ganz hingeben und tun was ich sage.“

„Vergiss es“, erwidere ich schlecht gelaunt. Er verdreht die Augen und zieht sich bis auf die Boxershorts aus. Calvin Klein, war ja klar. Als er sich kurz umdreht, ziehe ich mich auch um.

„Leg dich hin“, befiehlt er.

„Nein?!“

„Doch!“

„Kommt nicht in Frage!“

„Du tust was ich sage!“, knurrt er wieder so wütend und schubst mich aufs Bett.

„Fick dich ins Knie, du Arschloch“, weise ich ihn ab.

Wieder schnaubt er. „Entspann dich, dann tut es nicht weh.“

„Was? Nein! Dean hat gesagt ich soll eine Nacht drüber schlafen!“, keife ich sauer.

„Und ich hab Hunger“, meint er kurz angebunden und schlägt seine Reißzähne in meinen Hals. Also eben waren die noch nicht da. Kann er die ausfahren, oder was?

„Ah, aua, hör … auf!“, schreie ich ihn an und versuche erfolglos, ihn von mir weg zu schieben. Tatsächlich schmerzt es am ganzen Körper, als er in tiefen Zügen von mir trinkt.

„Halt still“, nuschelt er sauer an meinem Hals. Kurz darauf hört er auf. Ich will aufspringen, fühle mich aber zu schwach und kippe zurück ins Bett.

Er deckt mich zu.

„Schlaf schön!“, grinst er und ich versuche noch etwas zu erwidern, als er sich neben mich legt, aber ich dämmere weg.

Kapitel 3: Abhauen ist nicht – oder: Diego

„Wah!“, schrecke ich hoch. Dæmon steht grinsend vor mir.

„Hast du Hunger? Es gibt Frühstück. Komm einfach in die Küche, wenn du dich angezogen hast.“ Er verschwindet, ehe ich antworten kann. Gähnend rappele ich mich auf. Auf einem Stuhl liegt ein hellblaues Top und eine Jeans. Selbst Unterwäsche. Woher zum Teufel weiß dieser kranke Kerl mein Körbchengröße? Ich schlüpfe in Ballerinas. Zeit, hier ab zu hauen. Ich öffne dass Fenster. Ein Ast reicht gerade bis zu mir und vorsichtig steige ich auf das Fensterbrett und schwinge mich bis auf den Boden. Phu, der Teil war einfach. Ich laufe los. Hoffentlich findet mich auf der Landstraße jemand, denke ich, als ich gegen einen Stein pralle. Okay, kein Stein, aber der steinharte Körper von Dæmon. Er sieht mir ins Gesicht, nimmt mich dann auf den Arm, ohne meine Versuche, abzuhauen, überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, und springt wieder zurück durch das Fenster.

„Mach das nicht noch mal“, droht er, als er mich in die Küche schleift.

Dean grinst, als er mich sieht. „Abhauen ist nicht, Süße. Wir haben nichts gegen Knoblauch, verbrennen und glitzern in der Sonne nicht, können Weihwasser vertragen und einige Vampire sind sogar gläubig und gehen in die Kirche, aber schnell und stark sind wir trotzdem. Keine Chance.“

„Du hast vergessen, dass die Bücher bei dem, was unser übernatürlich gutes Aussehen und unser Alter betrifft recht haben“, fügt Dæmon hinzu. Dean schiebt mir einen Brotkorb rüber.

„Bedien dich. Ja, wir sind alt. Und im Grunde unverletzlich.“ In dem Moment klingelt es an der Tür. Dæmon schenkt mir ein tiefschwarzes böses Grinsen.

„Tja, jetzt ist es mit Abhauen wirklich vorbei. Beim nächsten Mal wird Diego dein Gedächtnis nämlich schön von Flucht-Gedanken rein waschen.“ Dean kommt mit diesem Diego zurück. Lange braune Haare, braune Augen, Jeans und weißes T-Shirt.

„Ach, wegen der neuen Blutspenderin war abgeschlossen“, grinst der Kerl. „Hi, ich bin Diego. Wenn du abhauen solltest, werde ich die Gedanken aus deinem Gedächtnis löschen, wie Dæmon dich so schön vorgewarnt hat.“ Also stimmt das mit den Fähigkeiten auch. Provokativ grinst er Dæmon an und seine Augen blitzen belustigt, als der wieder nur wütend etwas knurrt. Es klingelt wieder.

„Das ist Jenna!“, ruft Dean freudig und flitzt zur Tür.

„Nur ein Mensch kann so trampeln“, grinst Diego.

Dean kommt mit einem Mädchen herein.

„Hi, ich bin Jenna“, stellt sie sich vor. „Dean's Spenderin.“

„Cosmea“, erwidere ich, „die von Dæmon.“

„Das tut mir Leid“, sagt sie mitfühlend, und sie meint es scheinbar ernst. Warum muss Dæmon auch so … idiotisch sein, nicht so nett wie Dean und Diego? Dean zieht Jenna auf seinen Schoß und sie lehnt sich an ihn, kippt den Kopf ganz leicht zur Seite. Dean's Fangzähne wachsen und er versenkt sie langsam in Jenna's Hals. Er scheint ihr nicht einmal so weh zu tun wie Dæmon mir gestern, sie ist völlig entspannt. Dean trinkt mehrere Minuten und leckt dann kurz über Jenna's Hals. Die Bisswunden verschließen sich. Unauffällig fahre ich über meinen eigenen Hals. Meine sind noch da, ich spüre die beiden Punkte, wo Dæmon seine Zähne in meinen Hals geschlagen hat, genau. Wieso? Dean bedankt sich bei Jenna und sie steht auf und tanzt durch's Zimmer. Kein Schwächeanfall.

Kapitel 4: Eifersuchtsvampir

Nach dem Frühstück zieht Dæmon mich wieder in sein Zimmer.

„Ich hab' auch Hunger“, erklärt er kurz angebunden „Du hast ja jetzt gesehen wie es läuft.“

„Ich will das nicht!“, protestiere ich. Ich denke an die Schmerzen, die ich gestern hatte. Ich möchte nicht, dass mir jemand Blut abzapft. Auch kein noch so heißer Vampir namens Dæmon, der mich jetzt finster aus seinen dunklen Augen ansieht.

„Du hast da kein Mitspracherecht!“, argumentiert Dæmon und zieht mich zu sich.

„Nein!“, wehre ich schwach ab, aber Dæmon setzt schon an. In dem Moment stürmen Dean und Diego rein.

„Mensch, Dæmon, lass ihr doch ein wenig Zeit!“, versucht Dean Dæmon zur Räson zu bringen und Diego zieht mich aus dem Zimmer. Er drückt mich auf das Sofa und ich fange hemmungslos an zu schluchzen.

Diego sagt nichts und nimmt mich in den Arm.

„Ich weiß, dass es schwer ist“, sagt Jenna, die hereinkommt. „aber bei Dæmon muss es echt die Hölle sein. Er ist zu ungeduldig. Lass dir nichts von ihm sagen und du gewöhnst dich auch bald daran. Dann kannst du nach Hause“, beruhigt sie mich.

„Warum ist er nur so ein Idiot?“, frage ich.

„Keine Ahnung. Hat es weh getan, als er von dir getrunken hat?“, hakt Diego nach. Ich nicke. „Nicht mal die Wunden hat er verschlossen …“, murmelt Diego und fährt über meinen Hals.

„Ich hatte gesagt, er soll dir eine Nacht Zeit lassen“, empört sich Dean, als er hereinkommt. „aber nein, gleich gestern braucht er Blut, und jetzt schon wieder. Manchmal versteh ich diesen Jungen einfach nicht.“ Unwillkürlich muss ich lachen, denn ein Junge ist Dæmon ja wirklich nicht, auch wenn er sich ein wenig so aufführt.

„Da kannst du ja nichts für“, winke ich ab und lächele Dean an.

„Ich hätte es nur wissen müssen“, erklärt der entschieden.

„Aber ich weiß, warum er dich ausgesucht hat“, meint Diego, „du riechst wirklich ziemlich gut.“

„Und alleine auf der Straße … war ich wohl ein leichtes Opfer“, murmele ich und ärgere mich über mich selbst. Ich hätte mir ja ein Taxi rufen können! Diego nimmt mich in den Arm.

„Irgendwann wird jemand von dir trinken, und es wird dir nicht weh tun“, verspricht er.

„Ich möchte nicht, dass Dæmon noch mal von mir trinkt. Er war … grob“, flüstere ich.

„Er kann auch anders. Aber die Seite kommt sehr selten zum Vorschein“, erklärt Dean. „Möchtest du, dass Diego dir einmal zeigt, dass es auch anders geht?“ Ich sehe ihn an und nicke dann langsam. Diego zieht mich vorsichtig zu sich. Ich lege den Kopf schief, aber er beißt mich noch nicht.

„Du solltest dich entspannen“, flüstert er mir ins Ohr, „ich werde dir ja nichts tun.“ Ich lehne mich mit einer Schulter an ihn. Wow, er ist nicht kalt, wie man das von einem Vampir erwartet. Entspannt und viel ruhiger lehne ich mich an ihn und er hält meine Hände. Ich spüre seinen Atem auf meinem Hals, bevor er vorsichtig die Zähne in mein Fleisch schlägt.

Ich spüre, wie meine Halsschlagader pulsiert, und er sanft mit der Zunge über meinen Hals leckt, während er trinkt. Es tut nicht weh, zieht nicht einmal. Stattdessen spüre ich jeden Muskel deutlich und werde mir bewusster, was ich bin. Ich … ich glaube, ich … ich könnte jetzt einen Marathon laufen. Faszinierend.

Nur eine halbe Minute später lässt Diego von mir ab und leckt über die Wunde. Ich spüre wie sie kribbelt und in Sekundenschnelle verheilt.

„Wow“, murmele ich benommen.

„Dass isst doch schon viel bessser. Danke, Cossmea“, lispelt Diego und wartet bis seine Zähne wieder verschwinden.

„Wieso riecht es hier nach Cosmea's Blut?“, will Dæmon misstrauisch wissen, als er hereinkommt. Diego leckt sich provokativ über die Lippen. „Diego! Du hast von meiner Blutsklavin getrunken! Für wen hältst du dich eigentlich?“, brüllt Dæmon ihn an.

„Dæmon, sie ist keine Blutsklavin. Sie ist eine Spenderin. Das heißt sie macht das freiwillig, und für die, für die sie es tun möchte. Und solange du so grob mit ihr umspringst wird sie dir, schätze ich, nicht einen einzigen Tropfen Blut geben“, erklärt Jenna ruhig. Dæmon schnaubt und springt aus dem Fenster. Dean will ihm etwas hinterherschreien, aber Diego hält ihn zurück, er meint Dæmon müsse sich erst einmal abregen.

„Ich bring dich nach Hause, okay?“, fragt er. Ich nicke dankbar.

Kapitel 5: Home

Wir fahren in einem silbernen Passat. Ich nenne ihm die Adresse und er setzt mich vor der Haustür ab.

„Kommst du noch zu uns?“, möchte er wissen. Ich nicke und lächele ihm zu, steige aus und laufe durch den Vorgarten. Er winkt und fährt ab. Im nächsten Moment reißt meine Mutter die Tür auf und zieht mich herein.

„Ich habe mich die ganze Nacht gefragt, wo du bleibst“, schnattert sie aufgeregt. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin die reifere und vernünftigere von uns beiden. Manchmal. „Warum hast du nichts gesagt? Oh, ist das aufregend. Meine Tochter hat einen Freund!“ Ich stöhne auf.

„Mum … ich wollte dich gestern nicht wecken. Die Footballspieler sind erst so spät gegangen und … naja. Es ist nicht mein Freund!“

„Ach komm schon“, murrt sie enttäuscht, „na los, erzähl mir alles. Wie heißt er? Ist er beliebt? Was hattet ihr zusammen? Ist er gut im Bett?“

„Mum“, erwidere ich genervt, „wir hatten rein gar nichts. Wir sind nicht zusammen. Er heißt Dæ … äh, Damon.“ Auch wenn es Diego war, der mich gebracht hat. Begierig hängt sie an meinen Lippen. „Oh, bitte Mum, ich gehe jetzt duschen, dann zur Arbeit und dann … äh … ja.“

Ich lasse sie mit offenem Mund und großen Augen stehen und springe unter die Dusche. Meine Kleidung kommt währenddessen in die Waschmaschine. Hm, sie riecht nach Dæmon. Äh, quatsch, bäh, sie riecht nach Dæmon. Meine Gedanken kann ich unter dem warmen Wasserstrahl wunderbar ordnen. Als ich meine Haare föhne wir mir klar, dass ich wieder zu den Vampiren fahren werde. Heute, direkt nach der Arbeit. Fertig. Ich werde das mit Dæmon regeln. Ein für alle mal. Toll, echt, mir klappern die Zähne. Warum muss ausgerechnet mein Vampir so ein Arschloch sein? Warum muss er gerade mich aussuchen? Und warum müssen diese Wesen überhaupt existieren? Pfuibäh. Das würde ich mal gerne ändern. Aber bevor ich mir jetzt den Holzpflock schnappe, werde ich es wohl mit reden versuchen.

Ich bitte Mum um ihr Auto, um zur Arbeit zu fahren, und sie leiht es mir ohne lange zu zögern. Gut, dann muss ich nicht bis in den Wald laufen.


„Bitte, Mrs. Brown, ihr Kaffe und ihr Erdbeerkuchen. Guten Appetit“, wünsche ich der alten Dame und sie strahlt mich an. Hinter dem Tresen nimmt mir mein Boss die Schürze ab.

„Danke, Cosmea, ich übernehme hier kurz, bis Jonathan auftaucht. Der ist schon wieder zu spät zu seiner Schicht, der kann was erleben! Aber du musst ja nicht unbedingt Überstunden machen.“ Er zwinkert mir zu. Jaaa, im Grunde ist er ein netter Kerl. Genau wie sein Sohn Jonathan. Ich ziehe mein Café T-Shirt aus und etwas vernünftiges an. Ein kurzer Blick in den Spiegel – wow, die Bisswunden an meinem Hals sind weg. Ich schwinge mich hinter das Steuer des Wagens und gebe die Straße ins Navi ein. Nach einer Viertelstunde Fahrt auf der Landstraße sehe ich den Wald, finde allerdings nicht den Waldweg. Der ist dem Navi auch völlig unbekannt. Pff. Da sehe ich Diego. Er deutet auf eine kleine Einfahrt, die ich völlig übersehen habe. Dankbar nicke ich ihm zu. Er läuft voraus, und ich parke das Auto vor dem Haus. Er begrüßt mich lächelnd.

Kapitel 6: Feel like Home

„Schön, dass du gekommen bist.“ Ich trete hinter ihm ins Haus. Dæmon sitzt am Tisch und ließt eine Sportzeitung.

„Hallo“, sage ich.

„Hi“, grummelt er.

„Keinen Hunger?“, möchte Diego wissen. Dæmon schnaubt. Diego sieht mich an und ich verstehe. Ich gehe in Dæmon's Schlafzimmer und setze mich aufs Bett. Etwa eine halbe Minute später spüre ich einen leichten Luftzug und auf einmal steht Dæmon da, mit verschränkten Armen an der Wand lehnend, und er mustert mich vorsichtig. Okay, ruhig bleiben, ermahne ich mich. Im Bruchteil einer Sekunde sitzt Dæmon neben mir. Er schweigt immer noch. Okay, reden, Cosmea. Egal. Vorsichtig lege ich den Kopf schief und gebe ihm meinen Hals preis. Er sieht mich nur an. Lange. Dann beugt er sich vorsichtig vor, und beißt mich. Ich drücke mich eng an ihn und er umschlingt mich mit seinen Armen, die hartem Stahl gleichen, zieht mich näher an ihn. Ich empfinde gar nichts. Ein kurzes Piksen am Anfang, dann gar nichts. Dæmon leckt über meinen Hals. Vorsichtig lehnt er seinen Kopf an meine Schulter. Plötzlich ist dieser harte Kerl ja ganz lieb …

„Besser?“, frage ich nach einer Weile.

Er nickt ohne mich an zu sehen. „Danke.“ Fast verstehe ich es nicht, als er leise noch ein „Sorry“ dahinter setzt. Abwesend starre ich auf den Boden. Erst als er meine Wange berührt, komme ich wieder in der Realität an. Zärtlich streichelt er meine Wange und legt seine Lippen dann auf meine. Überrascht lasse ich es zu. Der Kuss wird länger. Sanft löst er sich dann von mir. Schade. Okay, ich hab ihn falsch eingeschätzt. Grad ist er wohl der zahme Löwe …

„Bei dir auch besser?“

Ich bejahe.

„Es hängt immer auch davon ab, wie du daran gehst. Wenn du dich wehrst, schmerzt es. Diesmal warst du entspannter. Aber das gestern … lag an mir, Sorry“, flüstert er rau. „Ich konnte mich nicht mehr zurück halten … du hast extrem süßes Blut … und du riechst so gut … und ich habe schon seit einigen Wochen nichts mehr getrunken. Es tut mir Leid. Obwohl das kein Ausdruck dafür ist. Dean hat ja Recht, ich bin ein totales Arschloch.“

„Nein … du hast dich entschuldigt … es ist dir bewusst, dass es falsch war … damit ist alles begraben“, widerspreche ich. Er steht auf und zieht mich hoch. Ich stehe so nah an ihm und blicke hoch in seine Augen, die so wütend funkeln können. Aber jetzt sind sie ausdruckslos. Dabei dacht ich, er würde mich nochmal küssen …

„Danke“, meint er völlig normal und wir gehen ins Wohnzimmer. Dean und Diego werfen sich hinter seinem Rücken erleichterte und mir dankbare Blicke zu.

„Ich … fahre jetzt wohl besser“, murmele ich unbehaglich. Dean will noch etwas sagen, aber ich bin schon aus der Tür, als er ansetzt.


Der Wagen meiner Mum holpert über den unebenen Waldweg als plötzlich eine Gestalt vor mir auftaucht. Erschrocken trete ich auf die Bremse, aber schlittere unaufhaltsam auf den Typen zu. Im letzten Moment ist er plötzlich verschwunden. Erschrocken klammere ich mich am Lenkrad fest und versuche nicht zu hyperventilieren. Ganz ruhig, sage ich mir, da klopft es an die Fensterscheibe. Erschrocken fahre ich zusammen und schreie auf. Ich drehe den Kopf. Meine Güte, Diego. Er steht da und mustert mich besorgt. Statt aus zu steigen lasse ich nur das Fenster herunter.

„Hey, alles in Ordnung? Du bist leichenblass“, meint er besorgt.

„Ha – alles in Ordnung? Warst du das grade, vor meinem Auto? Weißt du, wie ich mich erschrocken habe? Himmel, Diego!“

„Sorry“, meint er kleinlaut. „Du warst so schnell weg … wir machen uns Sorgen. Für Jenna ist das ihr zweites Zuhause geworden, das würde ich dir so gerne gönnen … aber … “, er verstummt.

„Verstehe schon. Danke, Diego“, murmele ich kläglich und fahre das Fenster wieder hoch. Er klopft dagegen, doch ich trete aufs Gas. Hoffentlich springt er mir nicht nochmal vors Auto.


Meine Mutter hat mir Spaghetti zum Aufwärmen überlassen, und einen Zettel. Sie ist zu ihrer Schwester gefahren. Solche Aktionen startet sie öfters mal, besonders seit mein Cousin in einer Nacht plötzlich verschwand. Ich setze mich an die Hausaufgaben, nachdem ich fertig mit essen bin, doch richtig konzentrieren kann ich mich nicht. Shit, bis morgen muss das fertig sein, morgen ist wieder Schule. Dabei könnte ich nach den Ereignissen gestern und heute noch ein Wochenende dran hängen. Ich recherchiere stattdessen über Vampire. Eigentlich finde ich nichts neues heraus. Untot, Blut, das typische mit Sonnenlicht, Knoblauch, Weihwasser und Holzpfählen, was aber scheinbar nicht der Wahrheit entspricht. Eine Menge moderne Geschichten, Fan Fictions und ähnliches Krams, aber nichts nützliches. Seufzend trolle ich mich ins Bad, gehe duschen und dann ins Bett.


Am nächsten Morgen gehe ich zur Schule, lasse den Unterricht an mir vorbeirauschen. Ich habe Bauchschmerzen. Zum Glück fallen die letzten Stunden aus und ich kann nach Hause. Ohne etwas zu essen lege ich mich aufs Sofa und schlafe sofort ein.


Es ist kalt, ich bin nass. Jemand steht über mir, tritt nach mir, bis ich mich aufrappele. Er drückt mich an die Wand.

Bitte nicht …“, kommt es heiser aus meiner Kehle. Doch er hört nicht, setzt seine Zähne an. Ich spüre den Schmerz, den er mir zufügt, als er trinkt. Mein Widerstand wird deutlich schwächer. Ich kann nicht mehr. Eisenketten an meinen Händen, das Gewicht zieht mich herunter, ich falle auf den Boden.

Miststück“, zischt er. Er zieht mich grob hoch. Ein letzter Versuch. Er wird mich sowieso töten. Mit Verachtung schlage ich nach ihm, und als er ausweicht spucke ich ihm ins Gesicht. Verwundert sieht er mich an.

Ist dir dein Leben so egal?“, fragt er. Eine neue Ladung spucke. „Wirklich?“ Jetzt ist er sanft. Ich ahne böses.


Mit einem erstickten Schrei fahre ich hoch. Irgendetwas hat mich geweckt. Glücklicherweise wohl, denn ich möchte diesen Albtraum nie zu Ende träumen. Scheiß Blutsauger. Es klingelt. Ich rappele mich auf und gehe durch den Flur, sehe in den Spiegel. Ich sehe echt mies aus, aber da ist jetzt auch nichts zu machen. Ich öffne die Tür. Dæmon steht davor. Unwillkürlich mache ich einen Schritt zurück. Wenn er jetzt noch Blut will …

„Cosmea?“, fragt er. „Hey, Cosmea?“ Er muss etwas gesagt haben, Mist. Er drückt die Tür zu und schiebt mich wieder ins Wohnzimmer.

„Alles ok? Ich habe mehrfach geklingelt und du reagierst nicht … Du siehst echt schlimm aus.“

„Was machst du hier?“, will ich wissen, als er mich aufs Sofa drückt.

„Ich habe deine Angst gespürt und dachte, es wäre was passiert.“

„Du hast … meine Angst gespürt?“, hake ich verwirrt nach.

„Sag den anderen nichts davon“, murmelt er, „also was war los?“

„Nur ein Albtraum“, nuschele ich verwirrt.

Er befühlt meine Stirn. „Du hast Fieber, leg dich wieder hin. Hast du überhaupt schon etwas gegessen oder getrunken, heute?“

Ich schüttele den Kopf. Seufzend deckt er mich zu und begibt sich in die Küche. Es klappert, und ich dämmere weg.


„Hey Süße, es ist mitten am Tag. Wenn du jetzt schläfst, kannst du nachher nicht mehr schlafen“, weckt mich eine sanfte Stimme.

„Mum?“

„Ich hatte einen ganz schönen Schrecken, als dein Freund in der Küche stand. Aber er hat dir etwas zu essen gemacht. Ich bringe dir gleich einen Fiebersaft“, erklärt sie. Ich brummele. Dæmon kommt mit einer Schüssel, einem Löffel und einer Tasse wieder herein.

Mum lässt uns alleine. Er stellt die Sachen ab und setzt sich neben mich. Er zieht mich hoch. Ich wehre mich, bin aber zu schwach. Ich hasse es, krank zu sein.

„Pfoten weg“, schnauze ich ihn heiser an. Er lacht leise.

„Ich bin stärker.“ Ich verdrehe die Augen, zu mehr fühle ich mich nicht im Stande. Er nimmt die Teetasse, reicht sie mir. Fast rutscht sie mir aus der Hand, doch er hilft mir. Der Tee ist nicht mehr besonders heiß, und ich schaffe es, ein paar Schlucke zu nehmen. Dann stellt er die Tasse weg und nimmt die Schüssel.

„Mund auf!“

„Ich kann selber essen!“, protestiere ich, doch der Löffel ist schon in meinem Mund. Irgendeine Suppe hat er gekocht, und sie ist ziemlich gut. Ich gebe auf, lasse mich von ihm füttern wie ein kleines Kind.

„Hey ihr zwei süßen. Hier ist der Fiebersaft“, kündigt Mum an und stellt den Saft auf dem Wohnzimmertisch ab. „Fiebersaft für Kinder“, steht darauf. Oh mann, Mum!

Impressum

Texte: Annisoli
Bildmaterialien: novizin. Vielen Dank! :*
Tag der Veröffentlichung: 24.04.2013

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