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Sternenengel




Ich träumte von der Nacht, sah den schwarzen Himmel über der Welt und wollte leben wie Du. Ich wollte, dass die Nacht mein Tag ist und der Tag meine Nacht. Ich wollte träumen wie Du, ich sah Dir zu. Wenn Du träumtest, wurden neue Sterne geboren und hast Du einen ganz besonderen Traum, voller Gefühle und bunter Farben, dann fallen ganz selten Sterne hinab zur Erde, sie fliegen über dem dunklen Himmelszelt und sehen wunderschön aus. Man nennt sie Sternschnuppen.
Jede Nacht saß ich an meinem Fenster und sah in den Himmel, darauf hoffend einmal eine zu sehen. Sternschnuppen sind etwas ganz besonderes, sagtest Du, wenn man eine sieht, darf man sich etwas wünschen. Und Du erzähltest, dass diese Wünsche wirklich in Erfüllung gehen würden, aber auch nur, wenn man wirklich ganz fest daran glaubt.

***



Ich hatte einem Wunsch. Ich wollte so sein wie Du. Schon lange kannte ich Dich, ich war noch klein, als ich dich zum ersten Mal sah und trotzdem wusste ich, dass es in meinem Leben nie jemand anderen als Dich geben würde. Wir waren füreinander bestimmt. Als Du mir zum ersten Mal erschienen bist, schlief ich ganz tief und träumte. Und da warst Du. Du sahst wunderschön aus und hast mit mir geredet. Von da an erschienst Du mir jede Nacht in meinen Träumen und erzähltest mir Geschichten von der Welt. Ich wollte immer wie Du sein. Meine Mama hielt Dich für einen Fantasiefreund, wenn ich ihr von Dir erzählte.
Als ich älter wurde, sah ich Dich auch außerhalb meiner Träume, Du warst einfach da. Ich sagte niemandem mehr etwas davon. Auch heute erzähltest Du mir noch immer Geschichten, die schon tausende von Jahren alt waren. Geschichten vom Mond und den Sternen, sie handelten von Tag und Nacht, von Sonne und Mond. Du sagtest oft, ich sei etwas besonderes, ich sei wie Du, doch da lagst du falsch. Wenn ich wie Du wäre, würde ich bei dir sein, ich würde am dunklen Himmel zwischen all den Sternen leben.

***



Gedankenverloren träumte ich davon dort oben am Himmel zu sein und die Sterne von ganz nah zu sehen. Plötzlich kam mir ein Windzug entgegen. Ich sah in die Richtung, wo er herkam und sah Dich plötzlich vor mir stehen. Ich lächelte, wie immer, wenn ich Dich sah. Du setztest Dich neben mich, nahmst meine Hand in Deine.
„Du bist nun alt genug.“ sagtest Du. „Ich muss dir etwas wichtiges erzählen.“
Ich lauschte aufmerksam Deinen Worten. Du erzähltest mir, ich sei kein Mensch, sondern ein Engel wie Du, nur deshalb kann ich Dich sehen.
Du hattest mir gesagt, Du bist ein Sternenengel, unsterblich. Du lebst im Himmel zwischen all den Sternen, Du erschaffst neue und passt auf sie auf, wenn sie wachsen. Und nun sagtest Du, ich sei auch ein Engel. Ich verstand nicht so richtig wie das gehen sollte, denn ich war doch ein Mensch, aber trotzdem wurden meine Augen größer und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
„Freu dich nicht zu schnell!“ warntest Du mich und mein Lächeln verschwand zugleich, als Du weiter sprachst. Du sagtest, in der Nacht sieht man Sterne am Himmel und am Tage die Wolken. Und dann erzähltest Du mir davon, dass ich kein Engel wie Du sei, Du sprachst von einem Wolkenengel. Vor vielen Jahren war ich einer gewesen, doch dann starb ich durch einen schrecklichen Unfall, ich wurde im Körper eines Menschen wiedergeboren. Doch der Körper war nur Fassade, in der ich mich weiter regenerieren sollte. Sobald ich alt genug war, sollte ich erfahren, wer ich wirklich war und wieder meinem Schicksal folgen.

***



Ich hatte erwartet, dass ich mich über die Neuigkeit, erfahren zu haben, wer ich wirklich war, freute, doch ich konnte nicht fröhlich sein. Allerdings verstand ich nun einiges. Deine Geschichten über Sonne und Mond und Tag und Nacht, alle handelten sie von unserem Schicksal. Du erzähltest mir, dass Wolkenengel auch im Himmel leben, aber in einer anderen Welt, sie schlafen, wenn es Nacht ist und stehen auf, wenn der Tag kommt. Sie formen die Wolken und lassen sie durch den Himmel ziehen. Sie sind das komplette Gegenteil zu den Sternenengeln.
So schön mein vorhergesehenes Leben auch klang, war ich nun doch sehr traurig darüber. Wenn ich wieder ein Wolkenengel sein würde, würde ich Dich nie wieder sehen. Ich senkte den Kopf, um eine Träne zu verstecken.
Auch Du wirktest nicht erfreut über mein Schicksal, doch sagtest Du nach eine Weile ganz leise:
„Es gibt nur eine Möglichkeit, wie wir zusammen sein können.“ Ich sah erwartungvoll zu Dir auf.
„Warte darauf bis du eine Sternschnuppe siehst und wünsche dir ein Engel der Sterne, wie ich, zu sein!“ Du strichst sanft über mein Gesicht.
„Er wird in Erfüllung gehen.“ sagtest Du und löstest Dich danach in Luft auf. Es war unsere einzigste Chance zusammenzusein.

***



Jede Nacht saß ich am Fenster, wartete darauf, dass die Nacht kam, wartete bis die Sterne zu sehen waren und wünschte mir aus tiefstem Herzen, eine Sternschnuppe zu sehen. Am ersten waren nicht mal die Sterne da, auch am nächsten und dem darauffolgenden Tag hatte ich kein Glück. Mit jedem Tag wurde meine Hoffnung kleiner und ich dachte daran wie Du sagtest, in der Nacht sieht man Sterne am Himmel und am Tage die Wolken. Vielleicht würde es nicht gehen, wir waren viel zu verschieden.
Eines nachts starrte ich wie immer gebannt in den Himmel. Ich hatte Tränen in den Augen, mein Herz schmerzte vor Sehnsucht nach Dir. Es war der zehnte Tag, nachdem Du gegangen warst. Und endlich sah ich sie, eine wunderschöne Sternschnuppe, die heller als alle anderen Sterne leuchtete, flog über den Himmel. Sofort schloss ich die Augen und sagte meinen Wunsch ganz leise im Kopf immer wieder hintereinander auf. Ich weiß nicht, wie lange ich das tat, es mussten viele Minuten vergangen sein.
Nach einer Weile spürte ich überall Wärme. Ich öffnete die Augen, um mich herum waren ganz viele blaue Schmetterlinge, sie schillerten und verwandelten sich dann schlagartig in ganz viel warmes und helles Licht. Es war nun überall, ich konnte nichts mehr sehen, das Licht war so hell und alles schien sich zu drehen, mir wurde schwindlig. Vor meinen Augen wurde es nun schwarz und ich merkte nur noch, dass ich zu Boden fiel.

***



Nach mehreren Stunden, so kam es mir vor, öffnete ich endlich wieder meine Augen. Ich sah in Dein wunderschönes Gesicht. Du saßst neben mir und hielst meine Hand. Ich war so froh Dich wieder zusehen. Und dann bemerkte ich Dein Lächeln und wusste, mein Wunsch hatte sich erfüllt. Wir schwebten zwischen tausenden von Sternen, sie glitzernden und leuchteten so hell, was man von der Erde aus gar nicht sehen konnte. Ich war bei Dir, würde es immer sein, ich war ein Sternenengel so wie Du.

Impressum

Texte: Copyright by Anika B.
Tag der Veröffentlichung: 06.09.2010

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