Ich dachte, ich könnte fliegen
Die Wolken waren so nah. Sie hingen tief am Himmel. Einige sahen dick und schwer aus, andere leicht wie Federn. Ich konnte nicht abschätzen, ob es noch ein Gewitter geben würde, oder ob sie nur so aussahen. Die Wolken waren so unterschiedlich. Manche sahen auch leicht geschwungen aus und hingen wie kleine Nebelschwaden weit oben am Himmel. Und noch ein paar andere sahen aus, wie tausend kleine weiße Schäfchen.
Ich spürte die Luft, den warmen Wind in meinem Haar. Die Luft war an diesem Tag wärmer als sonst. In der Sonne könnte man gegrillt werden. Und der Wind brachte nicht einen einzigen kühlen Luftzug. Auch die Wolken schienen irgendwie an der Sonne vorbei zu ziehen, anstatt sich mal vor sie zu bewegen. Meine Haut war schon ein wenig gerötet. Ich hoffte, das sich das Rot in Braun umwandeln würde. Aber auch wenn ich ein wenig schwitzte, war ich froh, dass es Sommer war. Ich war froh, dass die Sonne schien und dass es warm war. Obwohl die Wärme langsam ein wenig überhand nahm.
Ich spürte, wie meine nackten Füße das grüne weiche und manchmal auch etwas stachelige Gras berührten. Am liebsten wäre ich ganz weit weg irgendwo am Meer gewesen und hätte den körnigen und weichen Sand zwischen meinen Zehen gespürt. Am liebsten hätte ich einfach da im Sand gestanden. Und dann hätte ich meine Arme ganz weit, so weit wie nur möglich, ausgebreitet, den Kopf nach hinten gelegt,... Ich hätte den, vom Wasser etwas abgekühlten, Wind in meinem Gesicht gespürt und den Geruch des Meeres in meiner Nase gehabt. Und dann hätte ich meine Augen ganz leicht geschlossen und gedacht:
Das ist Freiheit!
Vielleicht wäre es das gewesen, für einen Moment.
Doch kurz drauf öffnete ich wieder meine Augen und musste enttäuscht feststellen, dass ich gar nicht, wie geglaubt, an diesem Ort war. Dass ich nicht dort im Sand stand, ihn nicht unter meinen Füßen spürte und auch nicht das Meer vor mir sah. Auch wenn das Rauschen des Wassers immer noch in meinen Kopf widerzuklingen schien. Doch das war alles nicht wahr.
Ich war in meinem Zimmer, saß vor dem Fenster und sah voller Sehnsucht hinaus in die Wolken.
Ich dachte wirklich, ich könnte fliegen. Frei sein und fliegen, wohin ich wollte. Dorthin, wo es schön ist und wo es mir gefällt, wie am Meer. Ich wollte einfach unabhängig und frei sein.
Stattdessen war ich einfach nur ganz tief in meinen Gedanken versunken. Wie in einer anderen Welt. Die Welt meiner Fantasie und Vorstellungen, Träume und Wünsche.
Und leider waren es eben nur meine Gedanken, die kleine weiße Flügelchen bekamen und davon flogen.
© Anika B.
Texte: Copyright by Anika B.
Tag der Veröffentlichung: 04.07.2010
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