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Ein kleines Paradies




Der Morgen beginnt mit dem ersten Sonnenstrahl in mein Gesicht. Ich räkele mich einmal und gähne. Ich sperre so weit meinen Mund auf, dass man meine kleinen Beißerchen sehen kann. Was ich als erste tun werde?
Natürlich fressen. Was sonst? Ich habe doch Hunger. Zum Glück liegen vor mir gleich ein paar Heuhalme. Ich schnappe mir ein paar und mümmele los.
Gerade, als ich mich aufgerichtet habe und mein schönes warmes Plätzchen, was ich mir wie ein Nest aus Heu hingeschoben habe, verlassen habe, höre ich die Kirchenglocken. Welcher Tag heute ist weiß ich nicht. Für mich haben die Tage keinen Namen.
Doch ich hasse dieses Geräusch, da es sehr laut ist. Die Kirche musste gleich in der Nähe des Hauses sein. Ich werde mich nie daran gewöhnen, was ich wahrscheinlich auch meinen Meerschweincheninstinkt zu verdanken habe. Ich zucke zusammen und halte kurz inne, bevor ich den Halm, der gerade in meinem Mund steckt, weiter fresse.
Nach dem zehnten mal läuten oder so...ach eigentlich kann ich ja gar nicht zählen, aber ich wollte etwas intelligenter klingen, wenn ich sage, wie oft ich dieses Geräusch ertragen muss. =)
Egal...jetzt verstummt sie endlich. Und da kommt auch schon die Oma des Mädchens, das auch oft hier ist und die für mich gerade diese Zeilen schreibt.
Sie füttert uns jeden Tag. Schon bei dem kleinsten bekannten Geräusch oder Geruch springe ich auf und strecke meine Nase in den Wind. Meine Töchter fangen an zu quieken und ich quieke mit. Was für einen Lärm wir machen. Aber wir freuen uns eben aufs Frühstück.
Sie kommt näher und begrüßt uns fröhlich, wie jeden Tag. Sie redet immer mit uns, als wären wir Menschen. Das gefällt mir.
Manchmal sitzt auch das Mädchen bei uns und scheint uns einfach zuzuhören, auch wenn sie uns nicht verstehen kann. Sie sieht uns zu und lächelt, wenn wir schlafen.
Ihre Oma stellt nun einen großen Napf mit allerlei Leckereien in den Käfig. Gurken, Äpfel, Möhren...mhm...
Alle kommen aus ihren Häuschen und rennen zum Futter, das uns erwartet. Und dann wird drauflos gemümmelt. Ich kann gar nicht genug kriegen. Es riecht so gut. Ich möchte immer noch mehr. Wir streiten uns regelrecht ums Futter. Aber trotzdem bekommt jeder etwas ab.
Als der Napf dann fast leer ist, lecke ich noch den letzten Rest des Gurkensaftes aus. Wirklich lecker.
Aber am liebsten fresse ich eigentlich Melone. Die schmeckt auch immer so saftig und süß und zergeht so schön auf meiner kleinen Zunge. Und natürlich auch Löwenzahn und Grashälmchen. Ich könnte mich reinsetzen, was ich ja buchstäblich eigentlich tue. =)
Und so wie die Oma des Mädchens ist, bekommen wir auch gleich noch ein bisschen mehr, wenn wir etwas betteln. Sie verwöhnt uns immer schön. Das gefällt uns natürlich.
Ich glaube, wenn wir sie immer so mit großen Augen ansehen kann sie nicht widerstehen, was ja wieder zu unserem Vorteil ist...Wir wissen eben wie man an Futter kommt.
Aber sie kümmert sich auch sehr gut um uns. Wir haben hier ein wahres Meerschweinparadies.
Nach dem Fressen werde ich wieder müde und verkrieche mich in eines der Holzhäuschen und schlafe sofort ein.
Am Nachmittag schaut das Mädchen bei uns vorbei. Sie freut sich immer uns zu sehen. Auch sie begrüßt uns. Dann schaut sie mich an, greift einmal in den Käfig und schwupps hat sie mich auf dem Arm und ich darf wieder einmal die Welt außerhalb des Käfigs kennen lernen. Sie setzt sich mit mir auf die Gartenbank und streichelt mich. Ich lege mich gemütlich hin und genieße die Sonne, die ich jetzt sehen darf. Es tut gut. Vor meinem Gesicht sehe ich ein paar Blumen stehen. Sie haben so viele Farben und riechen bestimmt auch gut.
Und da kommt auch schon wieder die Oma des Mädchens und ich weiß, ich bekomme wieder etwas zu naschen. Sie ist durch den Garten gegangen und hat extra für mich ein paar Löwenzähne gesammelt. Wie aufmerksam!
Meine Nase ist wieder nach oben gestreckt und ich schnuppere. Lecker.
Ich habs wirklich gut hier. Nach einer Weile darf ich wieder zu den anderen in den Käfig. Die Sonne war schön und nun schlafe ich schon wieder ein.
Das ist doch mal ein Meerschweinchenleben – fressen und schlafen, durch den Käfig springen und spielen, alles ausprobieren und anknabbern und ab und zu gestreichelt werden und die große weite Welt sehen...


© Anika B.

Impressum

Texte: Copyright by Anika B. (Cover, Text und Bilder by Anika B.)
Tag der Veröffentlichung: 20.06.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für mein Meerschweinchen Stupsi † 20.7.2010. Ich denk an Dich und hab Dich lieb!

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