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Wir haben heute den 22. Mai, 15:28 h und ich habe mich entschieden - ich ziehe um. Eigentlich war ich bisher ganz zufrieden mit meinem 1-Zimmer-all-inclusive-Apartment, die Gegend war auch ok, der Service unfassbar gut und das Essen fantastisch, ABER es ist verdammt eng geworden. Der Wohnungsmarkt in Berlin und Brandenburg bietet ja momentan eine Menge Spiel- und Verhandlungsraum, aber Lust zum Spielen und/oder Verhandeln habe ich jetzt nicht wirklich. Also habe ich es mir relativ einfach gemacht – ich habe der erstbesten WG am Rande der Großstadt, mit Garten und einem schönen, hellen und bereits möblierten Zimmer den Zuschlag gegeben. Einfach so. Selbst meine Mitbewohner lerne ich erst bei meinem Umzug kennen, die Stimmen waren halt sehr nett und sie helfen mir beim Umzug. Wo erlebt man denn noch solche Nächstenliebe.

18:57 h: Ich fang dann mal an meinen Kram zusammen zu räumen. Viel hatte und brauchte ich ja nicht – es war ja alles da. Ich glaube, den angrenzenden Parteien gehe ich heute ziemlich auf die Nerven. Sie kennen mich ja auch bisher nur als sehr ruhigen Nachbarn – das ändert sich nun! Ich habe mich schließlich auch nicht beschwert, wenn die Musik mal wieder zu laut war oder ich bei ihren zwischenmenschlichen Spielchen (trotz Oropax und Decke um den Kopf) quasi als Gast auf der Bettkante gesessen habe. Da müssen jetzt mal durch.

21:23 h: Im Grunde hatte ich hier keine schöne Zeit – das Apartment ist dunkel und klein und ich war doch die meiste Zeit sowieso allein, denn so richtig Anschluss hatte ich in den letzten 9 Monaten nicht gefunden. Entschädigt wurde ich mit einem überwältigendem Service: Hatte ich Hunger, war der Kühlschrank mit allen kulinarischen Köstlichkeiten gefüllt, hatte ich Durst, konnte ich mich auserlesener Drinks bedienen und Saubermachen war bisher auch kein Thema. Auf Dauer reicht dieses Extra aber wahrscheinlich nicht um glücklich zu werden, oder?! Auf der anderen Seite kenne ich ja nicht mal meine Mitbewohner, geschweige denn die Wohnung oder mein Zimmer. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Jetzt wünsche ich mir den einen oder anderen Freund mit dem ich genau solche Fragen mal gruppendynamisch an der Metaplantafel ausdiskutieren könnte. Ok – die Metaplantafel würde jetzt nicht in mein Apartment passen, aber auch dafür würden wir eine Lösung finden. Ich schlaf noch mal drüber.

23. Mai, 07:25 h: Die Nacht war unruhig. Pro und Contra ließen mir keine ruhige Minute. Ich scheine wild um mich geschlagen zu haben – so sieht es jedenfalls hier aus. An meinem Entschluss hat sich nichts geändert, denn ich will endlich ein erfülltes, interessantes, integriertes Leben und wenn ich dafür auf einen exklusiven Service verzichten muss, dann muss es eben sein. Ein Gedanke kam mir aber noch heute Morgen – meine WG besteht aus einem männlichen und einem weiblichen Mitbewohner. Vielleicht gibt es ja doch noch eine, wenn auch vernichtend kleine, Chance, SIE von den Vorzügen aktiven Servicemanagements zu überzeugen. Es soll ihr Schaden ja nicht sein. Ich muss jetzt aber wirklich packen.

20:05 h: Es ist Zeit Abschied zu nehmen und dazu werde ich ein letztes Mal das volle Programm mitnehmen – essen, trinken, ein Bad nehmen und vor allem: sich nicht um den Dreck kümmern, den man hinterlässt. Gestärkt und gut aussehend mach ich mich auf den Weg. Die Rushhour ist jetzt sicher vorbei – ist aber auch egal, ich nehme die Öffentlichen. Das dauert zwar doppelt so lang, aber ich habe so noch Zeit für mich. Es gab einen Knall, um mich erstrecken sich große Lachen irgendeiner Flüssigkeit und zu allem Übel ich stecke fest – mitten im Tunnel. Verdammt, jetzt habe ich schon mal eine Verabredung mit meinen wahrscheinlich neuen besten Freunden und ich komme zu spät. Bleibt zu hoffen, dass Hilfe im Anmarsch ist, ich habe das Gefühl die Luft wird knapp.

Endlich, es bewegt sich was. Es bewegt sich aber eindeutig zu schnell, alles dreht sich um mich rum und ich lande in der Pfütze. Bleib ich heute eigentlich vor nichts verschont. Die beiden müssen ja einen tollen Eindruck von mir bekommen, wenn ich denn hoffentlich bald, aber dennoch viel zu spät und total besudelt mit irgendeinem klebrigen Zeug, dessen Zusammensetzung ich nicht einmal wissen will, vor ihnen stehe. Jemand reißt an meinem Kopf. Hey, das tut weh! ‚Welchen Erste-Hilfe-Kurs hast Du denn besucht’ – ich weiß nicht mehr, ob ich das gedacht oder geschrien habe.

24. Mai, 03:29 h: Da stehen Sie, meine neuen Mitbewohner - bereit, mir nicht nur bei meinem Umzug zu helfen. Sie sehen sehr nett aus, haben freundliche Gesichter und ich mag ihre Namen: Mama und Papa. Sobald ich mit Mama mal allein bin, werde ich meinen Charme spielen lassen und schauen, wie weit ich bei ihr komme. Sollte es wider Erwarten keine Einigung geben, muss ein Plan B her. Ach ja, hatte ich mich eigentlich schon vorgestellt? Ich bin Leon – sehr angenehm!


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Tag der Veröffentlichung: 29.01.2009

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