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„ 7schläfer, 7 Tage, Menora, 7. 7. Einfach nur 7. Ich mag keine 7. 7 ist eine Heilige Zahl. Laut Bibel. Das ich nicht lache. 7 gute Jahre, 7 dürre Jahre, jaja. Na, wenn die meinen… Sonntag, Gottes Tag der Ruhe, ist der 7. Tag der Woche. 7. Schon wieder diese Zahl. Ich mag sie nicht!“ Angewidert und mit traurigem Blick dreht sie sich weg. Weg vom Fenster. Weg vom Blick auf die Elbe. Weg von der Werbung:„ Machen Sie ihr Leben in 7 Tagen perfekt!“, das steht an dem vorbeifahrenden weiß- blauen Schiff. „Nein, nein“, denkt sich Paikea, “die haben doch alle keine Ahnung!“ Paikeas Augen werden immer kleiner. Sie schließt beide Augen, damit sie nicht heulen muss. Doch schon rollt eine wundervolle Träne über ihre linke Wange bis zum Kinn. Paikea öffnet ihre Augen und sieht, wie diese einzige wundervolle Träne fällt. Sie fällt auf ein Magazin, das vor ihr liegt. „Mein perfekter 7. Tag!“ steht in großen gelben Druckbuchstaben über das gesamte Deckblatt hinweg. Dazu strahlt ihr eine wundervolle, blonde, langhaarige Frau entgegen. „Ich halte es nicht mehr aus!“, stammelt Paikea vor sich hin. „Ich will nichts mehr mit dem 7.Tag zu tun haben. Ich will doch nur leben, wie ich will!“ schreit Paikea in sich hinein. Der Zug fährt weiter. Weiter an der Elbe entlang. Paikea ist eine schwarzhaarige junge Frau. Sie ist auf dem Weg zur Beerdigung. Der Beerdigung ihrer besten Freundin. Ihrer einzigen Freundin. Sobald Paikea die Augen schließt, ist sie wieder unter dem Schiff. Unter einem großen Schiff. Ein Todesschiff. Es war der 7.Tag im 7.Monat des Jahres 2006. Paikea und Mirja waren pünktlich am Sonntag am Steg. Sie wollen gemeinsam Kajak fahren. Dies soll der Beginn ihres ersten gemeinsamen Urlaubes sein. Der erste und der letzte. 10 Meter vom Ufer entfernt, liegt ein 100 Meter langes und 15 Meter breites Hotelschiff. Es sieht schön aus. Zwei Familien wollen mit Kanus fahren. Dies klappt ohne Probleme. Sie bekommen Schwimmwesten: “Schwimmwesten sind für alle Boote verpflichtend, außer für Kajakfahrer!“ sagt der Leiter der Freizeitagentur während der Einweisung. „Komisch“ murmelt Paikea zu Mirja, “gerade sagte er noch, dass Kajakfahrer am ehesten kentern… .

„Ist hier jemand zugestiegen?“, eine laute, tiefe, krächzende Stimme holt Paikea aus der Erinnerung. Ein Blick auf die Uhr verrät ihr noch 30 Minuten. 30 Minuten die sie noch von ihrem bisher schwersten Gang ihres Lebens trennt. Und schon wieder zieht sich Paikeas Bauch zusammen und sie bekommt das Gefühl, als ob ihr jemand die Luft abschnürt.“ So macht das Leben keinen Spaß mehr“, denkt sich Paikea und schon holen sie ihre Erinnerungen wieder ein. Die schlimmste wiederholt sich ein paar Mal: Paikea sieht sich selbst, wie sie ertrinkt. Und schon bleibt ihr die Luft weg. Es ist wie damals. Paikea allein gegen die Strömung. „Warum musste auch das Kajak von der Strömung an das Heck des Schiffes gezogen werden?“ fragt sich Paikea. Doch niemand antwortet ihr. Es ist genauso still, wie es unter dem Schiff war. Allein. Nur Paikea. Allein? Nicht ganz.

„Kaffe, Tee, Snaaacks?“ schreit eine schrille Frauenstimme durch den ganzen Zugwagen Nr. 7. Paikea schreckt auf. „Noch 20 Minuten Zeit“, denkt sie sich, „was hätte ich alles noch machen können, wenn ich gewusst hätte, was passieren würde…“ Paikea steigt zuerst ins Kajak hinein. Sie sitzt hinten. Sie wird lenken. Mirja zögert. Sie steht mit dem Paddel in der Hand auf dem Steg. „Ich habe Angst“, sagt Mirja leise. Dann steigt sie ein. Der Leiter, der bereits die Einweisung gab, schiebt Mirja und Paikea an. Die zwei Familien waren schon über alle Berge. Ohne Probleme. Er schiebt die beiden noch mal an.
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<<platsch>>.
Das Kajak wird sofort vom Heck des anliegenden Hotelschiffes angezogen. Es war eine Sache von fünf Sekunden. Während sie fallen lacht Paikea und denkt sich:“ Jetzt kentern wir schon? Das wird ja noch lustig…“ Doch Paikea vergeht das Lachen schnell. Die Wassermassen schlingen ihre Arme um Paikeas Beine und ziehen sie in die dunkle, unbekannte Tiefe der Elbe. Paikea kämpft. Etwas war über ihr. „Das Kajak,“ denkt Paikea, „ich muss es hoch heben!“. Es geht nicht. So sehr sie sich auch bemüht, dass grüne Plastikkajak lässt sich nicht hochheben. Auf einmal wird Paikeas Herz ganz traurig. Sie realisiert, dass sie nicht unter dem grünen Plastikkajak ist, sondern unter dem großen, langen, schweren Hotelschiff, das schön aussah – von außen. Doch von unten sieht das Schiff nicht schön aus… Paikea schreit nach Hilfe. Doch unter Wasser hört sie keiner. Es ist alles rabenschwarz. Paikea kann nichts erkennen. Es packt sie die Todesangst und sie schwimmt instinktiv in die Richtung wo sie herkam, dummerweise entgegen der Strömung. Auf einmal realisiert sie, dass sie, Paikea, am Ertrinken ist. „Nein. Das kann es nicht sein!“ erwidert Paikea „das kannst du nicht bringen Gott! Echt nicht. Soll mein Leben etwa so zu Ende gehen?? Mensch Gott, dass kannst du nicht bringen! Was soll denn Mirja denken? Ich kann sie nicht allein lassen! Sie braucht mich. Ich brauche sie! Du kennst sie doch. Sie würde verzweifeln, wenn ich sterbe. Sie kennt doch hier niemanden. Das können wir ihr nicht antun!!“ Paikea schwimmt weiter mit all ihrer Kraft. Sie ist fest entschlossen zu überleben, jetzt erst recht. Doch dann, während ihrem Kampf, kommt ein gelbes, helles und unbekanntes Licht. Dieses Licht dringt in die Dunkelheit ein. Und lässt die Dunkelheit etwas verschwinden. Paikea verzweifelt noch mehr. „Ich will nicht sterben! Ich will doch niemanden enttäuschen!!!“ Ist dies das Licht, wovon die Leute sprechen, wenn sie sterben? Nein, das soll es nicht sein. Paikea nimmt ihre letzte Kraft zusammen und versucht dem Licht zu entkommen. Sie möchte leben, nicht sterben! Das Licht ist hartnäckig. Schon hat das Licht immer mehr und mehr die Dunkelheit erfüllt. Immer heller und heller. Paikea ist traurig. Sie fühlt sich allein gelassen. Doch auf einmal sieht Paikea es ein:“Okay Gott, du hast gewonnen. Schade, ich habe es mir anders vorgestellt.“ Mit diesen Worten beendet sie das Gespräch mit Gott. Sie hat keine Kraft mehr und keine Luft mehr. Sie lässt sich treiben. Sie lässt sich treiben, mit einem traurigen Herzen und der Erinnerung aus Kindergottesdienstzeiten:„Wer ein Leben mit Gott wählt, wählt auch seinen Plan!“ Dazu hatte sich Paikea entschieden und nun sollte sie es auch vollenden. Das L e b e n . Doch die Stille hört schlagartig auf. Die Wassermassen lassen sie etwas los. „Kommt jetzt der Tod?“ fragt sich Paikea ganz vorsichtig selbst. Jeden Moment wartet sie auf das Ende. Ihr Ende. Auf einmal kommt ein sehr lautes Geräusch auf sie zu. Sie schließt die Augen. Es wird immer lauter, und lauter und plötzlich kann Paikea atmen. Ja. Richtig atmen. Wie gut das tat. Gott ließ sie nicht allein, nein das laute Geräusch war der Schlüssel zum Leben.

Ein kleiner rothaariger Junge sitzt Paikea gegenüber und sieht seiner Mutter ganz fest in die Augen. „Mami“, fragt er, „wie lange kann man die Luft anhalten?“ „2 Minuten“ mischt sich Paikea ein. Der kleine Junge dreht sich um und schaut Paikea überrascht an. Paikea sprach weiter „wenn es wirklich drauf ankommt, dann schaffste 2 Minuten!“ Nun lächelt Paikea etwas. Ja, wenn es drauf ankommt. Paikeas Blick fällt erneut auf das Magazin. „Mein perfekter 7.Tag war es nicht gerade, aber immerhin hat eine von uns überlebt!“ sagt Paikea mit einem Seufzen zu sich selbst.
„Endstation, Endstation. Wir bitten alle Passagiere auszusteigen“ drängt eine alte, nuschelnde Stimme aus dem Lautsprecher. „ 7schläfer, 7 Tage, Menora, 7. 7. Einfach nur 7. 7 ist eine Heilige Zahl. Laut Bibel. Sonntag, Gottes Tag der Ruhe, ist der 7. Tag in der Woche. 7. Schon wieder diese Zahl. Ich mag die sieben. Manchmal.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.01.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Sabrina

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