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Kork - Leseprobe -



Tara lief mit dem Wind um die Wette. Sie flitzte den Hang hinauf und kletterte dann den ausgetrockneten Bachlauf empor. Erst als sie den Rand des Korkwalds erreicht hatte, blieb sie stehen und drehte sich um.
Nichts! Keine Bewegung, so weit ihr Blick reichte. Doch Zor würde kommen. Es konnte nur wenige Schattenlängen dauern, bis er mit seinen Holzfällern die Klamm durchquert hätte.
Sie reckte den Kopf. Der Dunst über dem Fluss verdichtete sich zu einer düsteren Nebelwand: Wenigstens diesen Zauber beherrschte sie noch. Tara setzte sich ins Gras und winkte dem Nebel mit den Vorderpfoten: In dichten Schwaden kroch er flussaufwärts zur Klamm hinüber; füllte sie bald völlig aus und verdeckte den schmalen Saumpfad. Ein Neigen der langen Ohren und auch das Tal war in undurchdringlichen Nebel gehüllt. Das sollte Zor eine Weile aufhalten.
Erleichtert wandte sie sich ab. Sie betete, er würde in irgendeine Schlucht stürzen. Aber sie wusste, er war zu vorsichtig. In diesem Nebel würde er nur so langsam weiterreiten, wie es der Instinkt seines Pferdes erlaubte.
Tara sprang in den Wald, zwischen wispernden Korkeichen hindurch. Sie liebte es, den Geschichten zu lauschen, die der Nachtwind ihnen zutrug. Aber jetzt durfte sie keine Zeit verlieren, sollte die Flucht vor den Holzfällern gelingen. Vielerorts schon hatte sie mit ansehen müssen, wie Waldbewohner von umstürzenden Bäumen erschlagen worden waren. Oder sich plötzlich gefangen sahen, weil schwere Stämme die Höhlenausgänge versperrten.
Als Tara durch ein Gestrüpp aus Myrten und Zistrosen sprang, stolperte sie plötzlich.
„Has', was schaust du in die Wolken?“, schnauzte Pikko sie an. Drohend hob er eine winzige Axt.
„Zwerg, was stehst du mir im Weg?“, fauchte Tara ihrerseits. „Ich bin in Eile. Holzfäller sind im Anmarsch.“
„Was schert mich das! Ich brauche keine Bäume.“
„Ach tatsächlich? Und wozu dann die Axt?“
„Für das Feuer in meiner Schmiede reichen ein paar Zweiglein. Die lassen sich immer finden.“
Tara wandte sich naserümpfend ab und flitzte weiter. ,Autark‘ nannten die Zwerge ihre Lebensweise; dabei war es nichts weiter als Ich-Sucht. Und Pikko übertraf alle.
Erst am Rande der großen Lichtung, tief im Wald verborgen, hielt Tara wieder an.

***

Inzwischen hatten die Holzfäller den Fluss durchquert und galoppierten durch das Dorf am Talende. Sie hielten vor einem alten Haus. Das Dach war frisch gedeckt und die Fassade von Kletterrosen überrankt. An seiner Seite verbaute ein langer flacher Schuppen den Blick auf die angrenzenden Felder. Zwei Männer kehrten den hinteren Teil des Hofes und inmitten eines Bergs bunter Bänder spielte ein kleines Mädchen.. Neben dem Tor kniete ein junger Mann vor einer Reihe Holzfässer.
Zor parierte sein Pferd vor ihm. „He Bauer, wir wollen hier rasten. Bring uns Brot und Wasser!“
„Ich bin kein Bauer. Ich bin Eno, der Winzer!“
„Um so besser. Dann bring uns Wein!“
„Wohin führt euer Weg?“ Eno musterte die Männer mit unverhohlener Neugier.
„Er ist hier zu Ende. Wir werden den Eichenwald fällen.“
Eno schüttelte den Kopf über soviel Einfalt: „Der Wald gehört den Alten Wesen. Niemand vermag ihn ohne ihre Erlaubnis zu betreten.“
Zor hob die Augenbrauen und grinste dann verächtlich. „Wer auch immer dort haust, wir werden ihn verjagen. Der Schutz der Priester feit uns gegen jeden Zauber. Dann könnt auch ihr endlich ungestört eurem Tagwerk nachgehen.“
„Uns stört hier niemand!“

***

Pikko leckte die letzten Frühstückskrümel aus seinen Barthaaren. Er betrachtete das aufgeschichtete Holz neben dem Kamin, bevor er das Feuer in seiner unterirdischen Schmiede entfachte: ,Noch ein paar Rebzweige zusätzlich zu den Eichenästen gäben ein gutes Feuer.‘ Er nickte, schulterte seine Axt, griff sich eine Fackel und marschierte zum talwärtigen Ende seines Höhlenreichs.
Irgend etwas versperrte ihm völlig den Ausstieg. Pikko hieb mit der Faust dagegen; es fühlte sich an wie .... Er hielt seine Fackel höher: Was für ein enormes Stück Holz!. Er stemmte sich dagegen; vergeblich.
„Dass doch der Blitz dreinführe!“ Pikko hackte mit seiner Axt darauf ein. Eine Hand voll Späne löste sich. So ging es auch nicht; er brauchte Hilfe. Ausgerechnet er! Der große Pikko, Stolz des ganzen Zwergengeschlechts.
Sein morgendlicher Zusammenstoß mit Tara fiel ihm wieder ein: Die Holzfäller! Er wollte ihnen eine Lektion zu erteilen, die sie ihr Leben lang nicht vergessen würden.

***

Am Teich inmitten der großen Lichtung trafen sich jeden Morgen die großen und kleinen Bewohner des Waldes.
„Holzfäller!", rief Tara ihnen schon von weitem zu. „Wir müssen fliehen."
Fedra, die Elfenprinzessin, schob ihre grauen Flechten in den Nacken, während sie ihr entgegenging. „Du bist ein Angsthäschen! Niemals wird ein Mensch sich unterfangen, unseren Wald anzutasten. Seit undenklichen Zeiten hat keiner mehr gewagt, auch nur einen Fuß hineinzusetzen.“
Tara schlenkerte die Ohren: „Sie wollen ja nicht hinein in den Wald. Sie werden ihn Baum für Baum vernichten wie anderswo auch. Der König braucht unermessliche Mengen Holz für seine Schiffe.“
„Und Kalo, der höchste seiner Priester, nutzt die wohlfeile Gelegenheit, überall die letzten meines einst mächtigen Volkes ihrer Heimat zu berauben. Niemand mehr soll sich gegen die Herrschaft jener Götter erheben, auf deren Namen Kalo seine Macht gründet.“
„Siehst du? Ich weiß doch, wovon ich rede: Ich bin in den letzten zwei Jahren mit meiner Sippe fünf Mal vor Zor und seinen Leuten geflohen.“
„Nichtsdestotrotz; fürchte dich nicht!“ Die Elfenprinzessin band ihre Schleifen neu. „Hier im Hain ist meine Magie ungebrochen und noch kraftvoll genug, euch vor allem Bösen zu bewahren.“
Ein paar Wildschweine schnoberten neugierig heran. Da erklang ein fremdes Geräusch: Ihm folgte das Ächzen eines Baumes, wie ein Schluchzen, das den ganzen Wald erfüllte.
Tara erstarrte; die Hasenkinder stoben auseinander und verschwanden im Gebüsch. „Kommt ihr wohl raus da!“ Tara hielt zwei Hasenmütter fest, die hinterherspringen wollten. „Und dann nichts wie weg hier!“
„Und wir?“, grunzte Cingala, eine graufellige alte Bache. „Wovon sollen wir leben ohne die Korkeicheln? Wir werden verhungern, bevor der Winter zu Ende ist.“
Fedra stellte sich der Häsin in den Weg: „Tara, bitte bleib hier! Wir können die Wildschweine doch nicht einem ungewissen Schicksal aussetzen!“
„Das Tal ist gefährlich!“ Ein alter Hase duckte sich ängstlich. „Die Hunde werden uns jagen.“
„Wir müssen des Nachts über den Fluss.“
„Und wohin dann?“
„Ich weiß es auch nicht, weit und breit gibt es nur noch Felder und abgeholzte Berghänge. Aber hier können wir nicht bleiben“, murrte Tara.
Bedrückt lauschten sie den Axtschlägen, die pausenlos durch den Wald schallten.
„Tara, du hattest Recht!“ Fedra sank ins Gras. „Diese Holzfäller fürchten sich nicht vor dem Wald. Der Bann, der ihn so viele Zeitalter schützte, hat seine Wirkung verloren.“
„Dann unternimm etwas, wenn wir bleiben sollen!“
„Allein vermag ich den Zauber nicht aufrechtzuerhalten. Die Kräfte der Magie erschöpfen sich immer mehr; und die Menschen haben sich von uns abgewandt, denn die Priester beherrschen ihre Herzen.“
Im nächsten Augenblick schlitterte eines der herumhüpfenden Hasenkinder durchs Moos, überschlug sich mehrmals und kollerte schließlich in einen Felsspalt. Tara sprang auf, aber die Öffnung war zu klein für sie. Sie lugte hinein: Dort unten stand Pikko neben dem Kleinen.
„Tara - wunderbar!“ Pikko sah auf, als ihr Schatten über ihn fiel, und winkte mit seiner Axt. „Bist du mit deiner ganzen Sippe hier oben? Ihr müsst mir unbedingt helfen!“
„Hilf erst einmal dem Kleinen aus deiner Höhle“, entgegnete Tara. „Dann sehen wir weiter.“ Sie knickte missbilligend ein Ohr zur Seite. ,Dieser Zwerg! Ständig versucht er, alle Welt für sich einzuspannen.‘
Pikko hob ihr das Häschen entgegen und kroch anschließend selber ins Freie. Er hockte sich zu den Alten der Sippe: „Ihr müsst mir helfen“, wiederholte er. „Die Holzfäller haben mir einfach den Ausgang zugesperrt. Wie soll ich da vernünftig arbeiten? In meinem Alter kann ich doch nicht jedes Mal den Berg erst rauf und dann wieder runter, wenn ich ins Tal muss. Das sind Störenfriede; ich will sie hier nicht haben!“
„Solange noch ein Baum steht, werden sie nicht gehen“, orakelte Tara.
„Das werden wir ja sehen“, knurrte Pikko. „Aber zuerst helft mir, den Ast vor meinem Tor wegzuschaffen.“
Die Hasen zogen mit Pikko den Berg hinunter. Immer lauter wurde das Schluchzen und Ächzen der Bäume, je weiter sie kamen. Viele Äxte waren gleichzeitig am Werk. Vorsichtig näherten sich Tara und Pikko dem Waldrand. Die Korkeichen senkten ihre Zweige tief hinab und hüllten die beiden in ihre Blätter, um ihnen Deckung zu geben.
Zwischen ihnen und Pikkos Höhle waren die Holzfäller an der Arbeit. Wohl an die zwanzig mächtige Bäume hatten sie schon gefällt.
„Das ist eine ganze Armee“, flüsterte Tara. „Unmöglich, sie aufzuhalten.“
„Und wir werden ihnen den Spaß doch verderben“, feixte Pikko. „Ich habe einen Plan.“


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Weltweite Weihnachten - Leseprobe -



„Nein, und nochmals nein!“ Erbost hieb die Hexe Befana ihren Besen auf den Konferenztisch. „Ich bin jetzt fast dreitausend Jahre im Geschäft. Aber soviel Scheinheiligkeit ist mir noch nicht untergekommen.“
„Aber Befana, es war doch nur ein Vorschlag, künftig ins Ausland zu gehen“, versuchte das Christkind sie zu beschwichtigen. „Es muss doch auch in deinem Interesse sein, neue Absatzmöglichkeiten zu erschließen.“
„Hah! Jetzt, nachdem ihr mir den einheimischen Markt kaputt gemacht habt, kommt ihr damit! Unzählige Generationen von italienischen Kindern waren glücklich und zufrieden mit den Geschenken, die ich ihnen am 6. Januar brachte.“
„Wenn sie jetzt nicht mehr damit zufrieden sind, solltest du schleunigst überlegen, mit welchen Innovationen du die Nachfrage förderst,“ warf Nikolaus ein.
„Das brauche ich nicht zu überlegen“, giftete Befana ihn an. „Meine Geschenke sind so gut wie eh und je. Solide Trentiner Handwerksarbeit. Aber ihr, ihr habt die Kinder unersättlich gemacht; erst das Christkind mit immer bombastischeren Weihnachtsgeschenken! In den letzten Jahrhunderten heizt du zusätzlich den Konsumrausch an, weil du schon einen Monat vor mir mit der Schenkerei anfängst. Und seit einigen Jahrzehnten drängt sich auch noch Lucia dazwischen, statt in ihrem Schweden zu bleiben, wo sie hingehört.“
„Ach Befana, wie gerne würde ich mich auf den schwedischen Markt beschränken. Bei dir gibt es ja nicht einmal überall Schnee.“
„Und hell ist es in Italien auch im Winter“, trumpfte Befana auf. “In Wirklichkeit braucht kein Mensch hier deine Lichter. – Konsumterror – nichts als Konsumterror.“
Lucia brach in Tränen aus: „Was soll ich denn machen? In Schweden gibt es jetzt überall elektrische Beleuchtung, in den Häusern und auf den Straßen. Mein Lichterfest ist nur noch Folklore für die Touristen. Ich bin immer weniger gefragt.“
„Di-ver-si-fi-ka-tion,“ machte sich Knecht Ruprecht wichtig. „Das wäre die richtige Strategie gewesen. Aber inzwischen hast du dafür den Anschluss verpasst.“
„Ja, du Oberstratege!“ Jetzt wurde auch Lucia zornig. „Du und Nikolaus, ihr habt euch Rentiere und einen Schlitten gemietet und unter dem Deckmantel der Völkerverständigung eure Weihnachtsmann-Legende überall auf der Welt verbreitet.“
„Immer mit der Ruhe, Leute.“ Das Christkind seufzte vernehmlich. „Mit dieser Streiterei kommen wir nicht weiter. Lasst uns zu den Fakten zurückkehren.“
„Jawoll,“ rief Nikolaus. „Und Fakt ist, dass im Zuge der allgemeinen Globalisierung auch eine kulturenübergreifende Nachfrage nach Weihnachten entstanden ist. Mit den althergebrachten Formen der Arbeitsorganisation können wir diese Nachfrage nicht mehr bewältigen.“
„Und wir begrüßen es außerordentlich“, ergänzte das Chrístkind, „wenn die Kinder aller Religionen an das Christkind glauben. Daher müssen wir strategisch geschickt vorgehen, um diesen Glauben nicht zu enttäuschen.“
„Na, du hast doch eine ganze Armee Weihnachtsengel“, maulte Befana, „sollen sie eben künftig Geschenke schleppen und nicht bloß ‚Halleluja‘ singen.“


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Tag der Veröffentlichung: 17.11.2011

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