Es ist nun schon fünfzig Jahre her, als ich zum ersten Mal in Oberschwaben einkaufen ging. Weil ich mich nun gar nicht in meiner neuen Heimat auskannte, sorgte mein Mann dafür, dass mich seine Schwester begleitete.
Kaum waren die Kinder zur Schule, da klingelte sie an meiner Wohnungstür. Da ich noch nicht ausgehfertig gekleidet war, kam sie in die Wohnung, schaute in jedes Zimmer und zum Schluß in den Kühlschrank. "Oh je, da ist ja gar nichts drin!", rief sie empört.
Ich nahm die Einkaufstasche und meinen Geldbeutel und ließ mich von ihr zum einzigen Supermarkt am Ort führen. Hiltrud, so heißt meine Schwägerin, wusste genau was ich einkaufen musste. "Das Wichtigste ist Mehl, Eier und Mil, (damit meinte sie Milch, der Schwabe ist ja sehr sparsam und spart auch wenn eben möglich ein paar Buchstaben ein.) Dann kannst du "Spätzle "machen, das passt immer."
Hiltrud bemühte sich hochdeutsch mit mir zu sprechen, was ihr sichtlich Mühe machte. An der Metzgertheke kaufte sie 4 Paar Seiten und forderte mich auf, auch davon zu kaufen, denn die könne man warm und kalt essen. Dem Metzger stellte sie mich als neue Schwägerin vor, sagte aber gleich dazu: "Die kann net schwätzen, die kommt aus Preußen, die spricht." Den Sinn diesen Satzes habe ich erst später verstanden. Ich wollte von ihr wissen, was Martin sonntags gerne isst. "Kauf Rindsrouladen, die mag er", riet sie mir. Also kaufte ich für jeden 2, da ich sonntags immer gern für 2 Tage koche. Langsam bekam ich Angst, dass mir das Geld an der Kasse nicht reichte.
Nachdem sie mir noch "einen" Butter in den Korb gelegt hatte, meinte sie, dass ich auch "Breschtling" kaufen sollte, die tät mein Mann mögen. Nun war ich zu faul zu fragen, was das denn ist und Hiltrud führte mich zum Obst. Bei den Erdbeeren nahm sie ein Schälchen, roch daran und meinte: "Die schmecken gut." Ich überlegte wie sie da wohl so schnell eine von gegessen hatte, um zu wissen wie die schmecken. Als Letztes legte ich einen Kopfsalat in meinen Korb und dann ging es Richtung Kasse. Der Kassenbon kam und ich hatte gerade noch 2 Mark übrig.
Meine Tasche war schwer und Hiltrud mit ihrem kleinen Beutelchen mit 4 Paar Saitenwürste hüpfte Richtung Heimweg. Mühsam schleppte ich meine Tasche heim und schwor mir, nie wieder ohne Fahrrad zum Supermarkt zu gehen.
Am Sonntag nach dem Frühstück begann ich mit viel Liebe und guten Zutaten die Rouladen vorzubereiten. Pünktlich deckten die Kinder den Tisch und ich trug die besten Rindsrouladen auf, die die Welt je gesehen hatte. (Glaubte ich wenigstens.) Jedem legte ich eine köstlich duftende Roulade auf den Teller. Um Ärger zu vermeiden, hatte ich den Zwirnsfaden schon abgelöst. Den Kindern schmeckte es, man sah es ihnen an. Von ihnen erwartete ich auch kein Lob. Mein Mann verzog keine Miene und ich war mir nicht sicher ob er es mochte. Bernhard, unser Sohn fragte, ob er noch eine haben könnte. Da griff Martin auch zur zweiten Roulade.
Ich konnte mich nun nicht mehr zurück halten und fragte, "Martin schmeckt das Essen?" Als ob ich nun etwas Unverschämtes gesagt hätte, polterte mein Mann mich an: " Wenns schmecken tät, dann würde ich es nicht essen!" Jetzt war mir der Appetit vergangen, ich stand auf, nahm meinen Teller mit und ging in die Küche. Das Maß war voll, ich heulte. Warum war ich nur hierher gezogen?
Zum Kaffee waren wir bei Martins Mutter eingeladen. Die erkundigte sich natürlich was es zum Essen gab und wie es denn war. "Es gab Rindsrouladen," erzählte er und auf die Frage ob sie gut waren antwortete er: "Kann man essen." ich ging mit Hiltrud in die Küche und fragte was das nun wieder zu sagen hatte. Von ihr erfuhr ich dann: "-Kann man essen- ist die höchste Auszeichnung für gutes Essen. Ja und die Sache mit dem Schmecken sei eben auch ganz einfach. Wenn etwas schmeckt, dann ist es verdorben, also es riecht übel und dazu sagt man hier "schmecken". Also riecht der Schwabe am Essen und wenn es schmeckt, dann isst er es nicht.
Im Laufe der Jahre, die ich nun hier bin, habe ich manches gelernt so sagt man in ganz Deutschland wenn etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen ist: "Das stinkt zum Himmel." Hier im Schwabenland hat das eben nur "a Gschmäckle".
Bildmaterialien: Bilder Google
Cover: Coverbild Google
Tag der Veröffentlichung: 29.02.2020
Alle Rechte vorbehalten