Der Sommer war fast vergangen und wieder stellte mein Mann die Frage: "Fahren wir in diesem Jahr nicht nach Oberjoch?"
Unsere Tochter Siggi hat auch nicht immer Zeit und sie überlegte, wann es denn unseren diesjährigen Ausflug geben könnte. Dann sollte ja auch das Wetter schön sein und Gudrun müsste Zeit haben. Weil wir Gudrun nicht sooft sehen, freuten wir uns immer wenn wir uns dort mit ihr trafen.
Die beiden Schwestern hatten sich dieses Mal etwas ganz Besonderes ausgedacht, von dem wir keine Ahnung hatten. Als Siggi dann verkündete, dass wir am Sonntag nach Oberjoch fahren, war mein Mann voller Vorfreude. "Ja aber an den Vilsalpsee möchte ich auch!", ließ er uns wissen. Der ist ja in Österreich und wir waren fast jedes Jahr einmal dort. In diesem Jahr hatte es leider nicht geklappt.
Siggi, die schon das ganze Ausflugsprogramm zusammengestellt hatte, übelegte ob sie es möglich machen könnte. "Ja, aber dann müssen wir früher wegfahren, denn dort wird der Parkplatz um 10 Uhr gesperrt." willigte sie ein.
Nein, das ging nicht, wir mussten auf den Vilsalpsee verzichten.
Am Freitag bereitete ich alles für ein Picknick auf unserem Liebingsrastplatz vor und am Samstag belud Siggi um 9 Uhr ihr Auto. Dann ging es los.
Bei schönstem Herbstwetter erreichten wir unseren Lieblings-Rastplatz. Wie immer legten wir auf den großen Steintisch eine mitgebrachte Tischdecke. Der Kaffee in der Thermoskanne war noch heiß und es gab dazu Salat, Brötchen, Frikadellen, Tomaten und gekochte Eier. Es schmeckte uns gut, in der frischen Luft.
Ein Ehepaar aus Friedrichshafen hielt auch an und nachdem sie unser Picknick begutachtet hatten brachten sie frische Bodenseeäpfel zum Nachtisch zu uns.
Siggi telefonierte unterdessen mit Gudrun und gab mir eine Reisetablette, die ich nehmen sollte, denn wir würden gleich den kurvenreichen Pass nach Hindelang hinunterfahren. Ich fand zwar es sei nicht notwendig die Tablette zu nehmen, aber sie bestand darauf. Kurz darauf packten wir zusammen und stiegen die Treppen hinab zum Auto.
Nun fuhren wir die Straße hinunter nach Hindelang. Wegen Bauarbeiten war die Strecke teilweise nur einspurig befahrbar, daher hielt sich der Verkehr in Grenzen. Auf einem Parkplatz wollten wir uns mit Gudrun und Katalin treffen, also steuerte Siggi den Treffpunkt an. Dort war jede Menge Betrieb und wir stellten unser Auto zwischen Viehtransportern und Pferdeanhängern ab. Von Gudrun war nichts zu sehen. Wir warteten mindestens 30 Minuten und Siggi empörte sich über die ständige Unpünktlichkeit ihrer Schwester.
Inzwischen hatte ich bemerkt, dass wir uns direkt neben einer Bergliftstation befanden. Es dämmerte mir nun warum ich die Reisetablette nehmen musste. Meine Feststellung behielt ich vorerst für mich. Endlich kam Gudrun, aber allein, unsere Enkeltochter war nicht mitgekommen.
Nun überquerten wir den Parkplatz und gingen Richtung Liftstation. Gudrun bemühte sich mir schonend beizubringen, was ich ja schon geahnt hatte, wir würden mit dem Kabinenlift auf den Berg hinauffahren. Alle kannten meine fürchterliche Höhenangst und sie kannten meinen Vorsatz nie wieder in einen Berglift zu steigen. Mir kamen die Tränen und Gudrun glaubte, dass ich vor lauter Angst zu weinen begann. Nein so war es nicht, ich hatte mir vorgenommen nicht nach unten zu schauen und wollte ganz tapfer sein, ich weinte vor Rührung weil die Mädchen uns die Freude machen wollten, noch einmal auf einen Berg zu kommen. Gudrun hatte schon alles geregelt der Lift wurde angehalten, damit wir in Ruhe einsteigen konnten. Dann ging die Fahrt los, die ich als ausgesprochen angenehm empfand.
Oben angekommen genossen wir die tolle Aussicht, und ließen uns in dem Bergcafé nieder. Wir bestellten uns jeder eine Kleinigkeit und ließen den Blick auf die Berge auf uns einwirken.
Draußen vor dem Restarant hätte ich es noch ein paar Stunden ausgehalten, aber ich wollte ja noch zum Gipfelkreuz. Gern wäre ich auch ein wenig gewandert, aber dann hätten wir vielleicht den letzten Lift verpasst.
Ich konnte mich gar nicht trennen von dem Berg und steuerte ein Bänkle an, von dem ich noch einmal alles überschauen konnte. Wer weiß, ob ich noch einmal auf einen Berg hinaufkomme.
Als wir dann mit dem Lift hinunterfuhren saß Gudrun entspannt mir gegenüber. Sie war sichtlich froh, dass ihre Überraschung bei uns so gut angekommen war.
Kurz danach traten wir die Heimfahrt an. Es war ein wunderschöner Tag und mein Dank geht an unsere beiden Töchter.
Schon während der Heimfahrt sagte mein Mann: "Gell, aber nächstes Mal möchte ich doch wieder nach Oberjoch."
Gudrun hatte viele Fotos gemacht, mit dem schönsten Bild ließ sie für uns 2 Tassen anfertigen.
Ich genutze sie täglich.
Bildmaterialien: Eigene Fotos.
Cover: Prospekt
Tag der Veröffentlichung: 05.02.2020
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