Cover

Der Brief

Martin zeigte immer wieder auf den Brief: "Hier steht es schwarz auf weiß: Herr Martin Koch, sie haben eine Traumreise gewonnen, für zwei Personen. Wir bezahlen Ihre Weltreise acht Wochen lang!" Natürlich wollte er die Reise antreten, und füllte aus was gefragt wurde. Dann klebte er einen Sticker auf den Bestellschein und fragte mich, was ich denn von den angebotenen Artikeln haben möchte. "Nichts", war meine kurze Antwort. "Ja, für 30 Euro musst Du schon bestellen, dann bekommst Du auch noch einen wertvollen Ring im Wert von 20.000 Euro und nimmst an der Sonderverlosung teil, dann hätten wir auch noch Taschengeld."
Ich schluckte drei Mal und dachte nur, wie kann man so bescheuert sein das zu glauben, in der Regel werfe ich ja solche Briefe gleich weg. Nun kreuzte er an: 1 Tischdecke mit verschiedenen kleinen Deckchen, also 7-teilig für 29,95. "Ja", bemerkte ich, "das sind keine 30 Euro, da musst Du was nehmen über 30 Euro sonst ist alles umsonst." "Dann nimm doch den Mantel dazu, der sieht toll aus für 9,95.", schlug er vor.
Da Martin nun doch nicht auf mich hören wollte, sagte ich: "Ja gut mach das."

Es dauerte nur wenige Tage und das Paket kam an. Ich war gerade am Kartoffeln schälen und Martin konnte es nicht erwarten, dass ich es öffnete. Schließlich riss er mir das Küchenmesser aus der Hand und schnitt den Karton auf. "Hier ist Ihr Geschenk: Ein wertvoller Goldring mit Perle.", las er vor. Ich glaubte so einen schon mal aus dem Kaugummi-Automaten geholt zu haben. Der "wertvolle Ring" liegt heute noch oiginal verpackt in einem Glasschälchen zwischen Fahrradventilen und Autoglühbirnen. Dann brachte er die Tischdecken hervor, die meiner Meinung nicht schlecht waren, ich benutze sie heute noch hin und wieder. Die Rechnung und div. Prospekte so wie ein erneutes Glückwunschschreiben lag nun vor ihm auf dem Tisch. Schließlich griff er noch einmal in den Karton holte etwas feuerrotes heraus und fragte: "Und was ist das?" "Der tolle Mantel in Lederoptik", sagte ich ironisch.

Wie der Mantel in seiner Klarsichthülle so da lag, sah er aus wie eine gewöhnliche Plastic- Tischdecke. Niemals würde ich so etwas anziehen, nicht einmal in der größten Not!
"Guck auch!", forderte Martin mich auf, "hier muss man rubbeln." Um meine Ruhe zu haben, weil ich am Kochen war, nahm ich das Küchenmesser und rubbelte. Ja, dass war nun die "offizielle" Bestätigung für die Traumreise und das musste man wieder auf den Bestelllschein aufkleben und wieder eine Bestellung machen im Wert von mindestens 30 Euro.

Martin war das Essen an diesem Tag unwichtig. Schnell war er fertig und wartete nur darauf, dass ich aufstand und den Tisch abräumte. Nachdem ich den Tisch dann sauber geputzt hatte, breitete er die wertvollen Schreiben aus. Ich fischte die Rechnung heraus und legte sie auf den Schreibtisch, denn die war wichtig die musste ich auf jeden Fall bezahlen.

Wir planten eine Weltreise

 Mein Mann war total euphorisch, ich musste ihm gegenüber Platz nehmen und er hatte einen großen Fragebogen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. "Vorläufiger Reiserouten-Planer".Ja, da stand tatsächlich, wir sollten unsere Reisewünsche aufschreiben, die Länder und Orte, die wir gern sehen wollten. Sie würden danach die offizielle Reiseroute zusammenstellen und zuschicken. Also legten wir los, und ich muss sagen, jetzt hatte Martin mich schon ein wenig angesteckt mit seinem Reisefieber.
"Den Anfang möchte ich in Skandinavien machen, Schweden, Norwegen Finnland, und Lettland." begann ich mit meinen Wünschen.
"Wieso, ausgerechnet Skandinavien?", wollte er wissen, "mein Vater war im Krieg dort." Ich versuchte es ihm schmackhaft zu machen in dem ich von Wäldern, Rentieren und Fjorden schwärmte. Er nickte und notierte und ich fügte hinzu: "Außerdem will ich unbedingt die nackten Männer sehen, wenn sie reihenweise aus der Sauna ins eiskalte Wasser springen!" Mein Mann schaute mich entgeistert an: "Das will ich aber nicht sehen!" "Macht nichts, dann bleibst Du im Hotel oder schaust bei den Frauen zu.", beruhigte ich ihn. "Das muss ich aber nicht notieren?", wollte er wissen. "Nein, das kommt später bei den Details.", erklärte ich.

 Jetzt kam ich langsam in Fahrt und fuhr fort: "Dann fahren wir mit dem Postschiff entlang der Küste von Skandinavien zurück und von Stockholm aus reisen wir weiter nach Schottland." "Was wollen wir denn in Schottland? Da gibt es doch gar nichts zu sehen!", kam es empört von Martin. "Doch, eine schöne Landschaft und Männer in Schottenröcken und Dudelsäcken und ob die Männer unter den Röcken Unterhosen tragen, das werde ich herausfinden!", verteidigte ich meinen Standpunkt. Mein Mann konterte kleinlaut: "Muss das sein, mit dem Schiff? Ich gehe auf keinen Kahn, der könnte untergehen und ich kann nicht schwimmen."

 "Auf jedem Schiff gibt es genügend Schwimmwesten und Rettungsboote", behauptete ich . Darauf meinte Martin ängstlich, "und warum sind bei der Titanic dann fast alle ertrunken?" "Mensch, wir fahren ja nicht mit der Titanic. Am besten Du vergisst die Weltreise , Du Agsthase."

Nun musste ich erst mal Kaffee kochen. Martin klebte indessen seine Päpperchen auf den Bestellschein. "Das Taschengeld in Höhe von 20.000 Euro, ist auch noch dabei!", stellte er erfreut fest. "Das ist ja gut, und Du glaubst, dass Du das gewinnst?", wollte ich wissen. "Hier steht der Gewinn ist garantiert!" Er tippte mit dem Finger auf das "Großgedruckte". Kopfschüttelnd brachte ich den Kaffee. Was denkst du, wie viele Leute in unserem Ort den gleichen Brief bekommen haben mit den selben Versprechungen. "Das kann nicht sein, denn hier steht ja "Herr Martin Koch" drauf, der Brief ist nur an mich." Ich gab es auf, er wollte mir einfach nicht glauben. 

 Martin schaute mich fragend an: "Wie geht es dann weiter?" Einen Augenblick überlegte ich. "Ja gut, wir werden durch Schottland fahren und nach Irland kommen." Martin passte das nicht: "Das können wir doch auslassen, Irland ist doch gar nicht interressant. Wie wäre es mit London?" "Bring mich jetzt nicht durcheinander, Irland und Island will ich auf jeden Fall mitmehmen!" Meine Stimme hatte einen drohenden Unterton und Martin meinte: "Na gut." Ich bestand darauf, die irische Musik gefiel mir und einen original Irischen Coffee wollte ich auch! Die heißen Quellen auf Island waren auf alle Fälle sehenswert man soll darin sogar Eier kochen können, hatte mein Lehrer behauptet. "Sag blos, Du willst auch noch rohe Eier mitnehmen?", mein Mann fand das gar nicht witzig. Ich hatte eine unanständige Bemerkung auf der Zunge, schluckte aber lieber. Ich ermahnte ihn nun weiter zu machen, damit der Brief noch  auf die Post käme.

 "Von Island aus fliegen wir nach London, da kannst Du Big Ben ansehen , die Tower Bridge und den Palast der Queen. Da bleiben wir nicht lange und nehmen einen Flieger nach Kanada." Martin wollte das nicht aufscheiben. "Ich habe Flugangst ich steige in kein Flugzeug ein!" Ich war leicht gereizt. Natürlich hatte ich auch Flugangst, aber da diese Reise bestimmt niemals Wirklichkeit würde, sagte ich zu meinem Mann: "Das müssen wir in Kauf nehmen, wann hat man schon die Möglichkeit die ganze Welt zu bereisen."  

 "Schreib weiter!", forderte ich meinen Göttergatten auf. "Nach einer Rundreise durch Kanada, werden wir die Niagarafälle besichtigen und die Rocky Montains. Die seien gewalig, habe ich gelesen." "Wo hast du das gelesen", wollte Martin wissen. Es war mir fast peinlich aber ich sagte: "In einem Buch von Steven King." Martin konnte es nicht lassen den Kopf zu schütteln und zischte: "Ihr und eure Bücher!" 

"Wie gehts weiter?" wollte ich wissen, "was willst Du in den USA gerne sehen?" Mein Mann wurde langsam schreibfaul und meinte:" "Eigentlich gar nichts. Die Städte sind mir zu groß und jeder Ami läuft mit einer Waffe rum, ein falsches Wort und du bist eine Leiche." "Was ist mit Südamerika? Brasilien Chile und Mexiko?", hakte ich nach. "Nein da gibt es die Drogenmafia, dahin will ich nicht!" "OK, dann fliegen wir weiter nach Hawaii", schlug ich vor. Das gefiel ihm scheinbar und er brachte es zu Papier. Sicher dachte er an die Frauen , mit Bütenkränzen und "Oben Ohne" "Der Zettel ist schon halb voll!", ließ er mich danach wissen.

"Von Hawaii aus, geht es nach Australien. Die Urwälder und Wüsten, die Buschmänner und die Kängurus sind das Anschauen wert. Die Farben Australiens sollen einmalig sein. Sidney sei eine hochmoderne Stadt.", diktierte ich Martin zum notieren. "Ja gut, aber da hat es Haifische im Wasser.", warf er ein. "Wir wollen doch das Land sehen und nicht die Haifische füttern!"

Langsam hatte ich genug von der Reiseplanung, zumal ich genau wusste, dass meine Mühe umsonst war.
"Was wollen wir eigentlich bestellen?", lenkte ich ab. Mein Martin zeigte auf den mitgelieferten Mini-Katalog: "Such Dir was aus. Zuerst machen wir die Planung fertig."

 "Dann fahren wir nach Neuseeland, da heißt es, sind die Schafe schöner als in Bayern die Kühe. Das Klima sei so gesund und die Landschaft unsagbar schön.", war mein nächster Vorschlag.

"Schön, schön, und wann geht es wieder nach Hause?" war seine nächste Frage. "Wenn wir überall waren." Ich hatte schon keine Lust mehr. Also sollte ich langsam zum Ende kommen. "China und Japan lassen wir mal aus, wenn es da schön wäre, kämen nicht so viele von dort nach Deutschland um Schloss Schwanstein zu sehen. Außerdem mag ich die chinesische Musik gar nicht und die Japaner essen Haifischflossen um ihre Potenz zu steigern. Sie schneiden den lebenden Tieren die Flossen ab und werfen die dann wieder ins Meer. Grausam, nein dahin gehe ich nicht!"

Das freute meinen Mann, denn nun ging es ja fast wieder Richtung Heimat. "Aber nach Nepal fahren wir schon noch, der Mount Everest ist etwas, was man dringend ansehen sollte!", schlug ich vor. "Danach werden wir über Afrika zurückfliegen. Kapstadt, der Nationalpark und der Kilimadscharo sind auch sehr wichtig bei einer Weltreise und wenn ich bis dahin keine nackten Eingeborenen gesehen habe, müssen wir in den afrikanischen Busch! Einem Affen will ich ja auch noch die Hand schütteln und ein Kamel knutschen, ich liebe Kamele, die sind mir so ähnlich."

"Du und deine schmutzigen Phantasien!" fauchte Martin, "aber der Kili.. wie heißt er noch, den will ich sehen, da war mein Arbeitskollege auch schon." In Ägypten werden wir dann auf einem Kamel die Pyramiden besuchen, dann geht es durch Frankreich zurück nach Hause. Ach nein nicht Frankreich, lieber Italien weil Frannkreich kennen wir ja von der alljährlichen Tour de France, die wir doch jedes Mal im Fernsehen mitverfolgen." Ich war mit meiner Planung fertig und mein Martin vom Schreiben fix und fertig. Er rieb sich seine Hände, faltete den Bogen zusammen und fragte: "Was willst du nun bestellen?" Meine spontane Antwort war: "Handtücher, die können wir auf der Reise gut gebrauchen."
Noch einmal kontrollierte er ob auch alle Aufkleber an ihrem Platz waren dann wurde der Brief zugeklebt.

Natürlich war es meine Aufgabe den Brief in den Postkasten zu bringen.

 

Dann kam der Gewinn.

 

Es vergingen wenige Tage, da füllte sich unser Briefkasten mit Reiseangeboten. Werbung von Reiseveranstaltern die genau die Ziele ins Vesier nahmen, die wir in unserer Planung angegeben hatten. Natürlich nicht gratis, sondern gleich mit Teilzahlungsangeboten. Ach nein, man hatte unseren Fragebogen mit allen persönlichen Daten gleich mehrmals weiterverkauft. So sah ich es jedenfalls.
Martin glaubte natürlich immer noch an den Gewinn. Es vergingen wieder ein paar Wochen und regelmäßig kam Post von dem kleinen Versandthaus. Plötzlich war von der Weltreise gar keine Rede mehr. Jetzt gab es 500.000 Euro zu gewinnen. 

Dann bekam Martin einen Brief, ganz ohne Werbeprospekte, mit dem Aufdruck: "Großes Fest in Aulendorf, Herr Martin Koch hat gewonnen!" Hastig öffnete mein Mann den Brief. Auf der oberen Hälfte des Briefbogens stand ganz groß:
1. Preis Weltreise 8 Wochen lang, daneben ein roter Stempel: wurde zugeteilt.
2.Preis 20.000 Euro, daneben der Stempel wurde zugeteilt.
Darunter stand etwas kleiner geschrieben: Herzlichen Glückwunsch sie haben bei der Auslosung gewonnen mit beiliegendem Scheck erhalten sie ihren Gewinn-Anteil. Jetzt entdeckte mein Mann den Scheck über den Betrag von 1,oo Euro. 

Impressum

Bildmaterialien: Bild zum Cover:Eigenes Foto.
Tag der Veröffentlichung: 01.06.2017

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /