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S`Ärschle

 

S´Ärschle

Ich bin ja nun schon fast 50 Jahren in Oberschwaben. Man sollte glauben, dass mich hier nichts mehr überraschen kann. Aber neulich hatte ich einen Prospekt im Briefkasten und mein innerer Schelm ging wieder mal mit mir durch.  

 

 

 „Ich gehe mal zum Briefkasten“, sagte ich zu meinem Mann und nahm den Schlüssel um hinüber ins Haupthaus zu gehen, in dem sich  die Postfächer befinden.  Nichts war dort, nur ein gelbes DIN A4 Blatt, welches zweimal gefaltet war. Also Werbung. Keine Zeitschrift, kein Wochenblatt nichts.

So kam ich zurück in die Stube, wo mein Mann schon seinen Sitzplatz gewechselt hatte, um über die Post  herzufallen. Mit großem Bedauern gab ich ihm das einzelne Blatt. Sorgfältig faltete er es auseinander und las: „Edeka Markt“. Während ich das Essen zubereitete, las er mir nun Zeile für Zeile laut vor. Ich erfuhr, dass Kiwi 19 Cent kosteten und aus welchem Land sie kamen. Es war mir nicht wichtig, denn dieser Laden war nicht gerade mein Einkaufsziel, nicht mehr. Meine Gedanken gingen  zurück, viele Jahre zurück. Vor 30 Jahren ungefähr kam ich an diesem Laden nicht vorbei. Er war damals noch übersichtlich und in der hauseigenen Bäckerei gab es Käswecken. Nicht etwa Brötchen mit Käse belegt, nein luftig lockere Brötchen in denen ein wenig Käse eingebacken war, ein Traum! Ich wäre 10 Kilometer gefahren für einen einzigen Wecken, so lecker waren die! Aber leider liegt die Betonung auf waren, so etwas Gutes gibt es schon lange nicht mehr.

Jetzt war mein Mann auf der unteren Seite der Broschüre angelangt und er las mir noch immer vor. Ganz in Gedanken versunken hörte ich: „Neu in unserem Angebot: Ärschle, 500 Gramm 1,75.“

 Während des Mittagessens ging mir das „Ärschle“ nicht mehr aus dem Kopf. Ich musste unbedingt dorthin und mir die neue Brotsorte anbieten lassen.  Haben wollte ich es ja nicht, aber ich musste sehen, wie die Verkäuferin ihr neues „Ärschle“ anpreist. Das Angebot würde ich dann mit einem passenden Spruch ausschlagen.

Schnell hatte ich Schuhe angezogen und eine Jacke, dann schob ich auch schon los. „Ich bin gleich wieder da, ich hole nur etwas zum Kaffee!“, rief ich meinem Mann zu. „Schon recht“, war seine einsilbige Antwort.

Die paar Stufen hatte ich schnell überwunden, dann ging es das kurze Gässele hinab zur Hauptstraße, wo schon auf der gegenüber liegenden Straßenseite der kleine Edeka Markt ist. Ich freute mich schon auf das Gesicht der Verkäuferin. Sie ist eine gebürtige Schwäbin, eine Eingeborene, wie ich sie in Gedanken bezeichne. Sie hält sich strikt an die oberschwäbischen Regeln: Immer freundlich alles ernst nehmen und notfalls zum Lachen in den Keller gehen, ja und niemals hochdeutsch sprechen. Ich habe ihr noch nie ein Lachen abringen können, obwohl ich jederzeit einen saublöden Spruch auf der Zunge habe.

Am Eingang waren gerade frische Blumen eingetroffen. Ich konnte nicht widerstehen und suchte einen bunten Frühlingsstrauß aus. Mit den Blumen im Korb trat ich bestens gelaunt an die Bäckertheke.

„Griaß Gott, was derfs denn heit sein?“, begrüßte sie mich lächelnd und natürlich auf schwäbisch. „Ja, die Erdbeertorte sieht ja toll aus, sind die Erdbeeren frisch?“, fragte ich. Ich erfuhr, dass sie aus Kalifornien kamen und natürlich täglich frisch geliefert wurden.  „Gut, da nehme ich doch zwei Stückchen, bitte.“ Während sie die Stückchen einpackte, ließ ich meine Augen über das Regal mit dem Brot gleiten, was ihr nicht entging. „Jo hättens vielleicht no a Loible welle?“, fragte sie mich erwartungsvoll.( Also auf deutsch: Möchten Sie noch einen Laib Brot?-) Ich wollte eigentlich gar kein Brot, aber dann fiel mein Blick auf einen Teller mit Brotstückchen zum Probieren. Auch das entging ihr nicht. „Jo, do hätten mer ebbes ganz Nuies im Angebot  `s Ärschle. Testen Sie amol!“, forderte sie mich auf, von der neuen Brotsorte zu probieren. Ich langte zu und aß ein Stückchen. Also ganz ehrlich gesagt fand ich keinen Unterschied zu den anderen Brotsorten, außer dass die Form des Brotes ein wenig unanständig war. Auf einem Werbeschildchen war zu lesen: "S´Ärschle", hergestellt aus Dinkel und Emmer.

 Neugierig beobachtete sie mich, wie ich bedächtig das Stückchen Brot verzehrte. Dann kam was kommen musste: „Etzele?“ Das heißt also:  Wie schmeckt es Ihnen?“ (Etzele oder jetzele kann man auslegen wie man will es passt halt immer.) Sie erwartete jetzt meine Meinung zu dem Brot und ich sagte: „Ja ganz gut, obwohl irgendwas fehlt daran, vielleicht etwas mehr Salz? Nein ich glaube eher etwas Kümmel. Jetzt hab ichs, Pfeffer ist es! Ein wenig Pfeffer ans Ärschle, das könnte nicht schaden!“ Nun, dachte ich, wird sie loslachen, aber nein! Emsig griff sie nach einem Block auf dem sie notierte: Kundin Frau Koch glaubt, das Ärschle sollte mit etwas Pfeffer gewürzt werden.

Dann lies sie den Block in der Schublade verschwinden und erkundigte sich: „Wellet se nun a Ärschle, heit zur Einführung nur 1,75?“

Fast hätte ich gesagt, dass ich Brot essen will und nicht einführen, aber dann kam eine neue Kundin an die Theke und ich sagte laut: „Nee, ich nehm ein „Genetztes“, geschnitten, das mit dem Ärschle muss ich mir noch durch den Kopf gehen lassen, ich war mit meinem alten immer zufrieden.“ Weil sie mich dabei so seltsam anschaute, fügte ich noch hinzu: „Mit der alten Brotsorte mit dem Genetzten.“ Ich täuschte mich nicht, als ich zahlte sah ich ein leichtes Zucken um die Mundwinkel.

(Ein Genetztes ist ein ganz normales rundes Brot, was nach dem Backen mit Wasser genetzt wird.) 

Gekraulte Eier

S´Ärschle

Ich bin ja nun schon fast 50 Jahren in Oberschwaben. Man sollte glauben, dass mich hier nichts mehr überraschen kann. Aber neulich hatte ich einen Prospekt im Briefkasten und mein innerer Schelm ging wieder mal mit mir durch.  

 

 

 „Ich gehe mal zum Briefkasten“, sagte ich zu meinem Mann und nahm den Schlüssel um hinüber ins Haupthaus zu gehen, in dem sich  die Postfächer befinden.  Nichts war dort, nur ein gelbes DIN A4 Blatt, welches zweimal gefaltet war. Also Werbung. Keine Zeitschrift, kein Wochenblatt nichts.

So kam ich zurück in die Stube, wo mein Mann schon seinen Sitzplatz gewechselt hatte, um über die Post  herzufallen. Mit großem Bedauern gab ich ihm das einzelne Blatt. Sorgfältig faltete er es auseinander und las: „Edeka Markt“. Während ich das Essen zubereitete, las er mir nun Zeile für Zeile laut vor. Ich erfuhr, dass Kiwi 19 Cent kosteten und aus welchem Land sie kamen. Es war mir nicht wichtig, denn dieser Laden war nicht gerade mein Einkaufsziel, nicht mehr. Meine Gedanken gingen  zurück, viele Jahre zurück. Vor 30 Jahren ungefähr kam ich an diesem Laden nicht vorbei. Er war damals noch übersichtlich und in der hauseigenen Bäckerei gab es Käswecken. Nicht etwa Brötchen mit Käse belegt, nein luftig lockere Brötchen in denen ein wenig Käse eingebacken war, ein Traum! Ich wäre 10 Kilometer gefahren für einen einzigen Wecken, so lecker waren die! Aber leider liegt die Betonung auf waren, so etwas Gutes gibt es schon lange nicht mehr.

Jetzt war mein Mann auf der unteren Seite der Broschüre angelangt und er las mir die Brotsorten vor. Noch ganz in Gedanken versunken hörte ich: „Neu in unserem Angebot: Ärschle, 500 Gramm 1,75.“

 Während des Mittagessens ging mir das „Ärschle“ nicht mehr aus dem Kopf. Ich musste unbedingt dorthin und mir die neue Brotsorte anbieten lassen.  Haben wollte ich es ja nicht, aber ich musste sehen, wie die Verkäuferin ihr neues „Ärschle“ anpreist. Das Angebot würde ich dann mit einem passenden Spruch ausschlagen.

Schnell hatte ich Schuhe angezogen und eine Jacke, dann schob ich auch schon los. „Ich bin gleich wieder da, ich hole nur etwas zum Kaffee!“, rief ich meinem Mann zu. „Schon recht“, war seine einsilbige Antwort.

Die paar Stufen hatte ich schnell überwunden, dann ging es das kurze Gässele hinab zur Hauptstraße, wo schon auf der gegenüber liegenden Straßenseite der kleine Edeka Markt ist. Ich freute mich schon auf das Gesicht der Verkäuferin. Sie ist eine gebürtige Schwäbin, eine Eingeborene, wie ich sie in Gedanken bezeichne. Sie hält sich strikt an die oberschwäbischen Regeln: Immer freundlich alles ernst nehmen und notfalls zum Lachen in den Keller gehen, ja und niemals hochdeutsch sprechen. Ich habe ihr noch nie ein Lachen abringen können, obwohl ich jederzeit einen saublöden Spruch auf der Zunge habe.

Am Eingang waren gerade frische Blumen eingetroffen. Ich konnte nicht widerstehen und suchte einen bunten Frühlingsstrauß aus. Mit den Blumen im Korb trat ich bestens gelaunt an die Bäckertheke.

„Griaß Gott, was derfs denn heit sein?“, begrüßte sie mich lächelnd und natürlich auf schwäbisch. „Ja, die Erdbeertorte sieht ja toll aus, sind die Erdbeeren frisch?“, fragte ich. Ich erfuhr, dass sie aus Kalifornien kamen und natürlich täglich frisch geliefert wurden.  „Gut, da nehme ich doch zwei Stückchen, bitte.“ Während sie die Stückchen einpackte, ließ ich meine Augen über das Regal mit dem Brot gleiten, was ihr nicht entging. „Jo hättens vielleicht no a Loible welle?“, fragte sie mich erwartungsvoll.( Also auf deutsch: Möchten Sie noch einen Laib Brot?-) Ich wollte eigentlich gar kein Brot, aber dann fiel mein Blick auf einen Teller mit Brotstückchen zum Probieren. Auch das entging ihr nicht. „Jo, do hätten mer ebbes ganz Nuies im Angebot  `s Ärschle. Testen Sie amol!“, forderte sie mich auf, von der neuen Brotsorte zu probieren. Ich langte zu und aß ein Stückchen. Also ganz ehrlich gesagt fand ich keinen Unterschied zu den anderen Brotsorten, außer dass die Form des Brotes ein wenig unanständig war. Auf einem Werbeschildchen war zu lesen: "S´Ärschle", hergestellt aus Dinkel und Emmer.

 Neugierig beobachtete sie mich, wie ich bedächtig das Stückchen Brot verzehrte. Dann kam was kommen musste: „Etzele?“ Das heißt also:  Wie schmeckt es Ihnen?“ (Etzele oder jetzele kann man auslegen wie man will es passt halt immer.) Sie erwartete jetzt meine Meinung zu dem Brot und ich sagte: „Ja ganz gut, obwohl irgendwas fehlt daran, vielleicht etwas mehr Salz? Nein ich glaube eher etwas Kümmel. Jetzt hab ichs, Pfeffer ist es! Ein wenig Pfeffer ans Ärschle, das könnte nicht schaden!“ Nun, dachte ich, wird sie loslachen, aber nein! Emsig griff sie nach einem Block auf dem sie notierte: Kundin Frau Koch glaubt, das Ärschle sollte mit etwas Pfeffer gewürzt werden.

Dann lies sie den Block in der Schublade verschwinden und erkundigte sich: „Wellet se nun a Ärschle, heit zur Einführung nur 1,75?“

Fast hätte ich gesagt, dass ich Brot essen will und nicht einführen, aber dann kam eine neue Kundin an die Theke und ich sagte laut: „Nee, ich nehm ein „Genetztes“, geschnitten, das mit dem Ärschle muss ich mir noch durch den Kopf gehen lassen, ich war mit meinem alten immer zufrieden.“ Weil sie mich dabei so seltsam anschaute, fügte ich noch hinzu: „Mit der alten Brotsorte mit dem Genetzten.“ Ich täuschte mich nicht, als ich zahlte sah ich ein leichtes Zucken um die Mundwinkel.

(Ein Genetztes ist ein ganz normales rundes Brot, was nach dem Backen mit Wasser genetzt wird.)  

  

  

 

 

 

 

Gekraulte Eier

 Da heute ein schöner Sommertag ist, bin ich natürlich auch gut gelaunt. So gehe ich über den Hof um nach Post zu schauen, obwohl ich genau weiß, dass mir sicher niemand geschrieben hat. Aber es ist Mittwoch und noch immer ist der gelbe Zettel nicht da, der mit der Werbung von dem kleinen Supermarkt in meiner Nachbarschaft. Als ich kurz darauf zurück komme halte ich ihn in meine Hand.

„Ist das alles?“, fragt mich mein Mann vorwurfsvoll. Bevor ich einen Blick darauf werfen kann, hat er ihn mir aus der Hand gerissen. „Kiwi kosten 25 Cent und Rettich 1,25€“, ruft er mir in die Küche. „Das kann nicht sein, Kiwi kosten immer 19 Cent“, behaupte ich.

Endlich bringe ich Kaffee und Erdbeerkuchen und mein Mann legt mir den Zettel neben meinen Teller und meint verärgert: „Dann guck doch selber nach!“ Ja nach dem Kaffee werde ich mir das Blatt Papier genau zur Brust nehmen.

Über Obst und Gemüse, bin ich Dank Martin, meinem Göttergatten ja nun schon informiert, so lese ich was frisch aus der Backstube geboten wird. Spätestes jetzt wird jeder Leser erkennen, dass wir uns hier mitten in Oberschwaben befinden. Es gibt also das schwäbische Haferbrot, Kürbiskernweckle, Baurabaguettes, Butterrohrnudel, Vesperlaible und Donauwelle. Na ja im Grunde ist da nichts Anrüchiges dabei. Die untere Hälfte des Blattes bietet Delikatessen an von unseren europäischen Nachbarn, hört sich lecker an. Ich wende den Prospekt und überfliege die Konserven und Getränke. Dann traue ich meinen Augen nicht, ich lese es ein zweites Mal und kann es nicht glauben was da steht:

 

 Wir wissen nicht, ob Familie B…. Ihre Eier krault, aber wir bekommen Sie  wöchentlich frisch von garantiert glücklichen Hühnern. Diese Woche zum Schnäppchenpreis 10 Stück 1,99€.

 

Meine Fantasie geht mit mir durch! In Gedanken sehe ich alle Männer der Umgebung vor dem kleinen Bauernhof Schlange stehen.

Gebackener Kuchen und Lachspitzen

 

 Der kleine Supermarkt an der Hauptstraße, hat es mir ja schon angetan. Wenn ich mal irgendetwas benötige, zwischen meinen Wocheneinkäufen, dort gibt es alles. Der Laden ist nicht so groß und sehr übersichtlich. Bis jetzt war, wenn ich den Supermarkt betrat immer mehr Personal dort anzutreffen als Kunden. Ich finde das nicht schlecht, denn man kann an jedem Regal eine Frage loswerden, die dann auch gewissenhaft beantwortet wird.

Am Dienstag mache ich mich gleich früh auf den Weg um Katzenfutter zu kaufen. Nicht dass sie nun glauben, ich hätte keines im Hause und die arme Katze müsste vor Hunger schreien. Nein das kommt bei mir nicht vor, ich habe immer reichlich Vorrat. Aber meine zickige Katze frisst nicht das was sie gestern schon hatte oder vielleicht vor drei Tagen, nein sie will ständig neue Sorten. Zum Glück füttere ich ja immer noch die Katze meiner verstorbenen Nachbarin, die frisst dann das, was meine verschmäht. Nun hat Tina, so heißt meine verwöhnte Katze, sich schließlich auf Trockenfutter eingeschossen, was sie aber bis daher gemieden hat. Deshalb ist das dann nach zwei Tagen aufgebraucht. Also gehe ich los, Trockenfutter zu kaufen.  

 Auf dem kurzen Weg hinunter zur Hauptstraße überlege ich was ich denn sonst noch brauchen könnte. Ja ich werde an die Bäckertheke gehen und meinem Mann eine Bretzel mitnehmen.

Schon bin ich unten angekommen. Am Eingang werde ich freundlich von dem Bäckermeister begrüßt, der wohl gerade eine Frühstückspause macht. Auf dem Weg zum Regal mit dem Katzenfutter fragen mich 3 Verkäuferinnen ob sie mir helfen können. Ich lehne dankend ab, denn Trockenfutter kaufen kann doch nicht so schwer sein. Ich habe die Wahl zwischen mindestens sechs verschiedenen Sorten und keine Ahnung. Also lege ich 2 Tüten in meinen Korb, ein preiswertes und ein teures. „Mit Truthahn“, lese ich und denke das wird meiner Tina wohl schmecken. Nun biege ich ab zur Bäckertheke. An der Fischtheke leuchten die Augen der dort platzierten Verkäuferin sie hofft vergebens, dass ich von ihren Lachspitzen kaufe. Lachspitzen, denke ich, was ist denn das? Ich schaue noch einmal genau hin. Jetzt dämmet es mir, sie meint natürlich Lachsspitzen. 

Nun bin ich bei den Backwaren angekommen. Als Erstes lasse ich mir eine Bretzel geben. Die Verkäuferin meint: „Ich habe auch Butterbretzeln.“ „Nein danke, heute nicht!“, gebe ich zur Antwort.

Inzwischen fällt mein Blick auf den Zwiebelkuchen. „Der sieht gut aus“, sage ich, „bitte 2 Stück.“ Die Stücke sind riesig und gar nicht teuer. Meine Augen hängen an einem kleine weißen Schildchen :“Kuchen gebacken“ steht darauf. Die Verkäuferin erzählt von zwei Sorten Zwiebelkuchen und ich mache mir Gedanken um den gebackenen Kuchen. „Ja bitte noch einen Zopf!“ Wieder erzählt mir die Dame von großen und kleinen Zöpfen und dass sie nun leider nur noch einen mittleren hat und ich suche die Theke ab nach ungebackenem Kuchen. „Ja das ist in Ordnung, geben sie den ruhig.“, bestätige ich.

Nachdenklich lege ich alles in meinen Korb, während ich immer noch am grübeln bin was das Schildchen da soll mit der Aufschrift „gebackener Kuchen“. Hat schon jemand in einer  Bäckerei etwas anderes erwartet?

 

 

 

Der Sternenhimmel ist überall gleich

 

Schwabenkulur 

 Liebe Leser,

ich komme aus Ostwestfalen-Lippe und habe nach Oberschwaben geheiratet. Mein Mann gehört zu den Ureinwohnern hier und ich als Reingeschmeckte werde jetzt versuchen, Euch die schwäbische Kultur näher zu bringen.
Was also hier genau so ist, wie überall in Deutschland, das ist der Sternenhimmel.
Will man morgens schnell ein paar Brötchen holen, so sollte man hier Weckle verlangen und keinesfalls das ..le vergessen. Vorher gut überlegen: Nehme ich Laugenweckle oder Knautzenweckle, vielleicht Milchweckle oder Kaiserweckle, Körnerweckle, Käsweckle oder etwa doch das normale Wasserweckle? Ach ich kann gar nicht alle aufzählen, in Bezug auf Wecken können sich die Bäcker hier so richtig austoben. 
Die Nachbarin kehrt immer noch vor ihrer Haustür. Da ich offensichtlich nur eine Papiertüte vom Bäcker in meinem Korb habe, fragt sie mich: „Na waren sie schon beim Bäck?“ Ja, die Schwaben sind von Natur aus sparsam, sie sparen wo sie können, auch an Buchstaben. Der Bäcker ist der „Bäck“ und der Metzger heißt „Metzg“. Sie wartet förmlich darauf, dass ich jetzt eine der landesüblichen Fragen stelle, die da lauten: Na, sind sie auch schon auf de Füß? Oh, sind sie auch schon fleißig? Oder ganz einfach, was die meisten fragen: Ja, tun Sie schon kehren?- Mein Verstand verbietet mir solche dummen Fragen, wobei ich besonders die letzte vollkommen hirnlos finde. Stattdessen wünsche ich ihr einen schönen Tag bei dem herrlichen Sonnenschein. Sie schaut mich verwundert an und ist fast beleidigt, hat sie doch extra solange vor der Tür hin und her gekehrt.
Um die Mittagszeit kommt unsere Tochter auf ein kleines Schwätzle zu uns. Sie bringt meinem Mann die neueste Ausgabe des Amtsboten.
Schnell bereite ich drei Tassen Kaffee und lege für jeden von uns eine kleine Leckerei auf einen Dessertteller. Von Klatsch und Tratsch halte ich nicht viel, deshalb höre ich auch nur mit einem Ohr, was man sich über wen erzählt, zumal ich die Leute ja auch nicht persönlich kenne. Mein Mann meint jetzt auch seinen Senf dazu geben zu müssen und sagt: "so so." Was das heißt, muss man sich selber zusammen reimen denn die Schwaben lieben es mit wenig Worten alles zu sagen. 

 Da ihre Mittagspause auch um ist, hat sie es plötzlich eilig. Schnell einen flüchtigen Kuss und weg ist sie.
Es ist Donnerstag und weil bei uns am Freitag sehr früh die Müllabfuhr kommt, bringe ich meinen Kübel heute schon an die Straße. Ausgerechnet in diesem Moment kommt mein Nachbar. Sein kunterbuntes Hawaii-Hemd sorgt dafür, dass ich ihn schon von Weitem erkenne. Ich habe den Verdacht, dass er eine ganze Wagenladung dieser Hemden besitzt. Er kommt mit Riesenschritten immer näher und ich habe keine Möglichkeit vor ihm zu flüchten. Die Sonne scheint auf das Hemd und es erscheint mir heute ganz besonders farbenfroh.
Verdammt jetzt habe ich auch noch seinen Namen vergessen! Es kommt mir daher sehr gelegen, dass er mich mit „Grüß Gott Frau Nachbarin", begrüßt.
„Guten Abend Herr Nachbar!“ erwidere ich seinen Gruß mit dem letzten Rest meiner guten Laune. Danach mache ich einen Versuch, mich zu entfernen, aber zwecklos. Der Hüne versperrt mir förmlich den Weg. Mit seinem langen Zeigefinge fährt er über den Rand meines Abfalleimers. Verächtlich schaut er zuerst seinen Finger an und dann mich. „Den dürftens dann auch mal putzen“, meint er vorwurfsvoll. Der kommt mir heute gerade recht, denke ich und verteidige mich: „Für einen Mülleimer ist der sauber genug, finde ich.“
„Ihr Neigeschmeckten habt nicht die geringste Ahnung von schwäbischer Sauberkeit!“ Jetzt habe ich den Eindruck, dass er mich unbedingt beleidigen will. In Gedanken sehe ich ihn, wie er seinen Müll fein säuberlich abwäscht, bevor er ihn in den frisch geputzten Dreckeimer wirft. Nun hole ich dreimal tief Luft, um nicht unhöflich zu werden. „Sie haben ja gar keine Ahnung, wie umständlich das bei uns ist, an unserer ganzen Wohnanlage gibt es außen keinen Wasserhahn. Wenn ich also den Kübel putzen will, sie werden lachen, ich mache das auch manchmal, dann muss ich das Wasser aus der Küche hinaustragen.“ Damit will ich das Thema Abfalleimer abhaken, aber mein lieber Nachbar ist noch nicht fertig mit den guten Ratschlägen.
„Es wäre überhaupt besser, wenn Sie Ihr Gefäß erst am Freitagmorgen an die Straße stellen würden“, belehrt er mich, „aber da kommt man nicht so bald aus dem Bett, gell?“ Dieser Klugscheißer, will er mich jetzt auf die Palme bringen? Ich kratze den letzten Rest Höflichkeit zusammen und antworte ganz ruhig: „Ich weiß ja nicht, ob Sie täglich zur Arbeit gehen, aber mein Mann und ich haben fünfzig Jahre lang gearbeitet. Wir sind jeden Morgen sehr früh aufgestanden. Seit wir im Ruhestand sind, gönnen wir uns ein wenig mehr Schlaf, das ist schließlich auch nicht verboten.“
Scheinbar hatte ich genau den Nerv getroffen, denn plötzlich wird er kleinlauter: „Ich meine es doch nur gut, denn seit der Abfall gewogen wird, laufen abends immer junge Leute umher, die ihren Abfall in fremde Eimer werfen.“ Tatsächlich gibt er nun den Weg frei. „Na, dann schönen Abend noch!“, sagt er und begleitet mich noch an den Parkplätzen vorbei, bis ich auf den Gartenweg abbiege.
Meinem Mann ist es aufgefallen, dass ich heute eine Ewigkeit gebaucht habe, um den Eimer an die Straße zu bringen. „Wohin hast Du den Kübel denn gebracht?“, fragt er mit einem hinterhältigen Grinsen, „ich meine nur, nicht dass Du ihn morgen nicht mehr findest.“ Nun muss ich ihm von meiner Begegnung berichten und mein Mann meint: „Freilich schafft der nichts, der hat ja genug Wohnungen vermietet.“
Wie jeden Freitagmorgen werde ich von lautem Gepolter geweckt. Jeder der vielen Kübel wird geleert und zweimal gerüttelt. Dann wird der Deckel zugeknallt und lärmend ziehen die Arbeiter die Dreckeimer über die Randsteine, genau vor die Einfahrt unserer Tiefgarage. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss aufstehen. Einen Kaffee genehmige ich mir noch, dann wird es Zeit, den Eimer von der Straße zu holen. Bei der Gelegenheit schiebe ich ein paar Kübel zur Seite, damit die Einfahrt wieder frei ist. Ja, das ist mein westfälischer Ordnungssinn. Während der Schwabe sagt: „Das ist nicht mein Dreckkübel“, denke ich an die Leute die jetzt zur Arbeit fahren, aus der Tiefgarage heraufkommen und dann aussteigen müssen weil die Einfahrt verstellt ist. Besonders bei Schnee und Glatteis ist das sehr ärgerlich.
Mein Nachbar, der Hüne, hat seinen Hof genau neben unserer Terrasse. Eine dichte hohe Hecke trennt die beiden Grundstücke. Da ich meistens die Tür offen habe, höre ich wie er mit seinen Kübeln auf den Hof kommt. Sofort beginnt die große Putzorgie. Er schrubbt und bürstet mit viel Geklapper. Zum Schluss kommt ein Hochdruckeiniger zum Einsatz. Das Wasser spritzt über die Hecke. Erst nach einer Stunde sind alle Behälter sauber.
Ja das ist oberschwäbische Gründlichkeit!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.06.2016

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