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Die Oster-Überraschung

 Heute ist Ostersonntag und dicker Nebel liegt auf unserem Städtchen. Es ist schon fast neun Uhr und ich mag nicht aufstehen. Jetzt reiße ich mich dann doch zusammen, denn ich will ja heute ein Festessen kochen.  Martin, mein Mann ist natürlich schon eine ganze Weile auf und hat irgendwann Kaffee gekocht.

Also raffe ich mich auf, und schiebe meine alten Knochen langsam aus dem Bett.  Die Reue kommt stehenden Fußes. Mein Knie ist angeschwollen und schmerzt im Duett mit meinem Rücken. Nun humpele ich zuerst ins Bad. Meine Haare sträuben sich, sie wollen sich nicht frisieren lassen. Mit Stehhaaren verlasse ich das Bad.

Ich sehe es ein: Heute ist nicht mein Tag!

In der Stube wartet Martin schon sehnsüchtig, der Kaffee steht auf dem Tisch, dazu hat er den Apfelkuchen aus dem Gefrierschrank geholt und wartet, dass der auftaut.

„Ach“, jammere ich, „mein Knie tut heute weh!“ „Was maulest?“, fragt mein Gatte. Ich wiederhole: „Mein Knie tut mir weh!“ „Nein“,  sagt Martin, „es liegt kein Schnee“

Inzwischen stehe ich neben ihm und wage noch einen dritten Versuch. „Ich sagte nur, mein Knie tut heute weh!“ Zornig schaut mein Mann mich an und brummt: „Schwätz deutsch mit mir, ich habe nichts verstanden.“ Resigniert schenke ich mir einen Kaffee ein, und sage: „Wollte Dir nur frohe Ostern wünschen.“ Inzwischen merke ich, dass er auf den Apfelkuchen wartet, und schiebe ein Stück für ihn zum Auftauen in den Backofen. Für mich mache ich ein Marmeladenbrot, jetzt schmeckt mir noch kein Kuchen.

Während ich meinen abgestandenen  Kaffee trinke, nehme ich eine Schmerztablette. Nach 30 Minuten fühle ich mich dann fit für meinen Lammbraten. Ich verschwinde zum Kochen in der Küche. Mein Braten duftet, es ist ein Gedicht. Als nächstes schäle ich ein paar Kartoffeln, danach ist der Spargel dran.

Ich muss an Siggi denken, die doch vor ein paar Tagen aus dem Krankenhaus gekommen ist. Zwar hatte ich sie zum Essen eingeladen, aber nein, sie will in Ruhe selber kochen. Wir waren Donnerstag gemeinsam beim Einkaufen. Da habe ich ihr gleich für Niko das Ostergeschenk da gelassen.

Wieviele Stunden sie wohl in der Küche gestanden ist, um die riesige Torte zu machen? Und jetzt will sie heute auch noch selbst kochen, hoffentlich übernimmt sie sich nicht.

Unterdessen schwärmt mein Mann von der Torte, die Siggi gestern gebacken hat. „Ob sie uns wohl besucht mit der Torte?“, fragt er mich. Ich hätte ihm das Bild nicht zeigen sollen, was sie gestern gepostet hat. „Nein“, bemerke ich, „sie hat doch auch Familie.“ Offenbar denkt er an nichts anderes mehr als an die Torte.

„Ach ja“, meint Martin, „wenn da alle bei Siggi sind, dann will ich auch gar nicht hin“.  „Na Gott sei  Dank“, denke ich, und gieße einen ordentlichen Schluck Weißwein über meinen Braten. Heute habe ich wirklich keine Lust mit den Stehhaaren durch die Gegend zu fahren.

Es ist Zeit, die Soße abzuschmecken, da fehlt was, stelle ich fest. Nach kurzem Überlegen hole ich vom Bärlauch ein paar Blätter, schneide sie klein und greife noch einmal zur Weißweinflasche. Ja jetzt passt alles, ich könnte mich in der Soße ertränken, der Tod müsste sagenhaft sein.

Pünktlich, wie beim Militär, stelle ich das Essen auf den Tisch. Alles ist perfekt und ausnahmsweise ist auch der Spargel nicht verkocht. Ich kann selbst nicht glauben, dass ich das gekocht habe. Dass es meinem Mann schmeckt, sehe ich, hake aber nicht nach, denn seinen Kommentar „Kann man essen“, will ich heute nicht hören.

Stattdessen eröffnet mir Martin, dass wir um zwei Uhr zu Siggi fahren, bevor die Torte ohne ihn gegessen wird. Ich denke an meine Stehhaare und sage missmutig: „Ich werde nach dem Essen mit Siggi chatten und  fragen, ob es denn recht ist.“

Zweimal fragt er während des Essens: „Und weiß Siggi schon Bescheid?“

„Ich habe den Laptop doch noch gar nicht an“ sage ich fast verzweifelt.

Kaum habe ich abgeräumt da schreibe ich Siggi an. Die scheint von der Idee nicht begeistert, denn irgendwann muss sie sich ja auch ausruhen. Sie meint, wir könnten ja am Ostermontag kommen. Martin ist sichtlich beleidigt.

"Vielleicht kommt Siggi ja noch zum Kaffee zu uns", denkt Martin laut. Ich überlege einen Augenblick, dann sage ich: "Bestimmt nicht, die kann noch nicht mit dem Auto fahren. Nach Ostern kriegt sie die Fäden raus, vielleicht darf sie dann wieder fahren." 

Kurz darauf schickt sie mir ein Bild von der Torte, wo ein großes Stück fehlt. Ich zeige es ihm und mein Mann setzt Kaffeewasser auf. „Dann werden wir eben Apfelkuchen essen“, bestimme ich jetzt, und ich muss sagen, der ist auch lecker. 

Soeben räume ich den Kaffeetisch wieder ab, da klingelt es zweimal. Wenn es bei mir zweimal an der Haustür klingelt, dann ist es jemand aus der Familie. Also gehe ich die Tür öffnen.

 

 

 Grinsend steht mein Enkel vor der Tür, mit einem Päckchen in der Hand. „Siggi schickt mich, ich soll Euch ein Stück von der Torte bringen.“

In der Küche packe ich es vorsichtig aus, es ist ein Riesenstück, ein Viertel der ganzen Torte. Am meisten freut Martin sich und ich bedaure, gerade Apfelkuchen gegessen zu haben. Kurzum entscheide ich: „Abendessen fällt heute aus, heute Abend wird Torte gegessen!“  Dass  ist nun ganz im Sinne meines Gatten.

Im Chat schreibt Siggi: „Raffi kommt gleich.“ Ich stelle mich ahnungslos und schreibe zurück: „Was will er denn?“ Siggi antwortet: „Er hat eine Überraschung für Euch.“  „Ja“, schreibe ich zurück, „er ist schon da, Danke!!“

Am Abend mache ich einen leichten Kaffee, dazu gibt es ein Stück von der Torte. Lecker sage ich, Siggi ist die beste Tortenbäckerin auf der Welt. Morgen gibt es noch mal ein Stück. Darauf freue ich mich jetzt schon!

 

Ach ja meine Töchter, Torten backen können sie alle! 

Jede hat ihre besondere Spezialität. Während es bei Siggi die Sahnetorte ist, macht Gudrun die beste Buttecremtorte und Tina macht Obsttorten, die einem schon beim Anblick Freude bereiten.

Ostertorte schmeckt auch nach Ostern

 Ja, meine Töchter fingen früh an mit dem Tortenbacken, woher sie dieses Talent haben, ist mir bis heute ein Rätsel. Zwar habe ich früher immer am Samstag einen Kuchen gebacken, aber Torte, die gab es nur an Festtagen.

Ich hatte mit dem Tortenboden mal mehr und mal weniger Glück, mal wurde er schief, mal zu fest und manchmal fiel er einfach zusammen. So kaufte ich meistens meinen Boden beim Bäcker.

Das änderte sich schlagartig, als Siggi den ersten Tortenboden machte. Ihr gelang einfach alles. Wenn sie mit dem Rührgerät arbeitete spritzte sie auch nicht die ganze Küche voll, nein sie legte geschickt ein Tuch über ihre Hand.

Ihre erste Torte war eine Schwarzwälder-Kirschtorte. Wir bekamen Besuch von Gudrun, ihrem Mann und ihrer Kleinen. Es muss an der Torte gelegen haben, dass sich ihre Besuche ab da mehrten. Wir waren alle glücklich, dass Siggi an ihrem 26. Geburtstag immer noch bei uns wohnte.

Danach zog sie in eine eigene Wohnung. Alt genug war sie ja und einen Beruf hatte sie schon lange. Zwar konnte sie nicht kochen, denn das hat sie nie interessiert, aber sie konnte Torte backen! Inzwischen habe ich zu meiner Freude festgestellt, dass sie jetzt auch das Kochen sehr gut beherrscht. Somit gehe ich davon aus, dass ihr Nico nicht nur Torte essen muss.

Da der Apfel bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt, wundert es mich gar nicht, dass auch er hin und wieder mit eigenen Kreationen überrascht.

Ostern ist also vorbei und im Internet taucht ein Bild auf mit einer Ostertorte , die rundum mit lauter Schokoriegeln eingerahmt ist. „Das Bild muss ich gleich mal der Siggi schicken, das gefällt ihr doch sicher“, denke ich ohne Hintergedanken und schicke ihr das Foto.

Das Bild von der Torte habe ich längst vergessen und es ist wieder Sonntag.

Nachdem ich die letzten Spuren vom Kochen in meiner Küche beseitigt habe, schmeiße ich meinen Laptop an um das Neueste von meinen Freunden zu erfahren.

Aha, Siggi hat eine Nachricht geschickt, da schaue ich doch gleich mal nach, was es Wichtiges gibt.  Nichts, außer einem Bild, mit einer Torte, eingerahmt von Schokoriegeln und bunt verziert. Das ganze ziert eine schöne Schleife.

 

 

 „Die sieht ja super aus!“, schreibe ich darunter. Kurz darauf kommt die Nachricht: „Koch Kaffee, wir kommen!“

Damit hatte ich jetzt gar nicht gerechnet, letzte Woche hatten wir doch erst Torte und heute schon wieder? Ich koche also Kaffee und stelle vier Tassen auf den Tisch. „Du kannst den Kaffeetisch eindecken“, sage ich zu meinem Mann und bringe das restliche Geschirr. Als der die Zuckerdose erblickt, die bei uns nur Siggi benutzt, weiß er wer zum Kaffee kommt. Über sein Gesicht sehe ich ein freudiges Lächeln huschen, er ahnt oder hofft, dass sie nicht ohne Kuchen kommt.

Kaum stelle ich die Kaffeekanne auf den Tisch, da klingelt es. Martin erschrickt, das macht er immer wenn es klingelt und ich gehe die Tür öffnen. Nico stürmt in die Stube und ruft ganz aufgeregt: „Ich habe dabei geholfen!“ Nun kommt auch Siggi mit ihrer Tortenbox.

Sie geht in die Küche, die bei mir etwas klein geraten ist, mein Mann und Nico hinterher. Ich platze schier vor Neugier, habe aber in der Küche keinen Platz mehr. Somit gehe ich zurück an den Tisch und warte geduldig.

Lange muss ich nicht warten, da stellt Siggi die Torte auf den Tisch. „Zu schade davon zu essen“, sage ich und bekomme ein großes Stück auf den Teller. Nachdem ich Nico gebührend gelobt habe für das wirklich reizende Kunstwerk, lassen wir uns die Torte schmecken. Ich muss sagen: „Einfach köstlich!“

 

 

 

 

Hier die Rum-Nougat Roullade vom 1. Mai 

 

 

 

Whisky- Kirsch- Torte zum 80. Geburtstag


 

Es ist wieder Oktober und Martin freut sich auf seinen 80. Geburtstag. Wir haben ein paar Gäste zum Kaffee eingeladen. Eigentlich hatten wir eine schöne Feier geplant in einem Landgasthaus und wollten dazu wieder einmal die ganze Verwandtschaft einladen. Nun haben wir aber die Kündigung für unsere Wohnung bekommen und somit sind wir gar nicht in Feierlaune. Aber eine kleine Feier mit Kaffee und Torte, die soll natürlich stattfinden.  

„Papa, was wünschst du dir denn für eine Torte zum Geburtstag?“, fragt Siggi ein paar Tage vor seinem Ehrentag. Nachdem sie die ganze Palette ihrer Torten aufgezählt hat entscheidet er sich für eine „Schwarzwälder Kirschtorte.“ „Gut“, sagt Siggi, „dann muss ich nur noch frische Sahne kaufen, alles andere habe ich vorrätig.“ Siggi macht also einen wunderbaren Tortenboden, glutenfrei, wegen Gudrun und beginnt das Kirschwasser zu suchen, das sie glaubt vorrätig zu haben. Soeben fährt Klaus, zum Einkaufen. „Kannst du mir ein Kirschwasser mitbringen?“, fragt sie ihn. „Ja“, verspricht er. Siggi unterbricht ihre Arbeit und wartet auf das Kirschwasser.

Als sie ihre Arbeit fortsetzen will, ist das Kirschwasser immer noch nicht da. „Klaus“, ruft sie hinauf, „hast du das Kirschwasser vergessen?“ „Nein“, ruft der von oben, „aber weil du es nicht geholt hast, habe ich es getrunken, ich hatte Durst!“ Na, Siggi hat schon viel erlebt und da ist es auch gar kein Problem. Schnell nimmt sie den Whisky aus dem Regal und gibt der Torte einen neuen Namen. Jetzt wird es eine Irische-Whisky-Kirschtorte.

 

 

Die Torte schmeckt allen vorzüglich da langt sogar Gudrun zwei mal zu. Je mehr wir von dem Kuchen essen, um so besser wird unsere Laune, dem hohen Alkohol-Anteil sei Dank.

Als am späten Nachmittag der Bürgermeister zum Gratulieren kommt, nimmt auch er gern ein Stück von der stark nach Whisky duftenden Torte.

Dank Siggis Torte wurde es doch eine kleine gelungene Feier.  

Impressum

Bildmaterialien: Cover und Fotos: Sieglinde Koch
Tag der Veröffentlichung: 13.04.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für meine Töchter, die mich immer wieder mit wunderschönen, leckeren Torten überraschen. Ich liebe Euch und Eure Torten!

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