„Ein Haustier? Ein Tier im Haus, das geht niemals!“, hatte ich von meiner Mutter gelernt, „Es ist schmutzig, knabbert die Möbel an, hat Flöhe und frisst viel zu viel. Damit hat man nur Arbeit, aber keinen Nutzen.“
So hatte es mir meine Mutter erklärt, als ich mich als Kind vorsichtig nach einem Haustier erkundigte. Ich ging davon aus, dass Mütter Recht haben, deshalb hielt ich mich daran.
Meine Kinder wuchsen auf einem Geflügelhof auf, und hatten den ganzen Stall voll Streicheltiere, Ziegen, Katzen Schafe und Ponys, da stellte sich die Frage nach einem Haustier nicht. Jedoch zogen wir eines Tages in unser Haus im Städtchen und es fehlte ihnen doch mit der Zeit etwas.
Mein Mann Martin, hat aber vor allem Angst was größer als eine Fliege ist, deshalb kam ich nie auf die Idee ein Haustier zuzulassen.
Unsere Mädchen brachten von Freunden einen Käfig mit einem Hamster und einen mit einer Rennmaus, die sie im Heizungskeller aufstellten. Eines Tages entwischte die Maus jedoch und rannte durchs ganze Haus. Martin weigerte sich zu Bett zu gehen, solange die Maus nicht in ihrem Käfig war. Zum Glück fand ich die Maus noch am späten Abend.
Maus und Hamster wurden also verschenkt und bei uns war der Frieden wieder hergestellt.
Nun waren in unserem Ort zwei wohlhabende Damen, die dem Tierheim im Kreis wohl gesonnen waren.
Als ich im Frühjahr in meinem Garten beschäftigt war, kam eine dieser Damen am Gartenzaun vorbei und sprach mich an: „Sie haben doch zwei so freundliche Mädchen, glauben Sie nicht, dass die am Samstag mit ins Tierheim möchten? Wir gehen dort immer mit den Hunden spazieren.“
Spontan sagte ich: „Kann gut sein, aber die jüngere liebt Katzen.“
„Das macht nichts“, meinte die Dame, „dort gibt es auch viele schöne Katzen, die sind froh wenn sie gestreichelt werden.“
Von da an fuhren unsere Mädchen jeden Samstag und Sonntag ins Tierheim. Helena und ihre Freundin immer und Hannah manchmal.
Wenn die Mädchen abends heimkamen, waren sie zwar total verschwitzt, aber voller Erlebnisse, die sie berichten mussten. So erfuhr ich bald, dass Hannahs Lieblingshund „Gat“ hieß und ein Bobtail war. Helena schwärmte von „Sat“. Er war ein Schäferhund und soeben halbtot eingeliefert worden.
Auf der Landstraße hatte man ihn aufgegriffen. Sat wurde operiert und ich erfuhr jede Woche, wie es dem Hund ging.
Bald brachten Hanna und Helena Fotos von ihrem Lieblingshunden.
Hannah schwärmte nur für „ihren Gat“ und das Foto steht heute noch bei uns im Flur. Helena dagegen präsentierte gleich 3 Lieblingshunde. Der eine war ein kleiner weißer, wirklich niedlich, ferner einen Jagdhund der aber keinen Schwanz hatte, er hieß „Arco“ und gefiel mir nun überhaupt nicht.
Auch von Sat zeigte Helena das erste Foto, noch mit einer riesigen Halskrause, kein schönes Bild.
Da unsere beiden Töchter sehr schlau sind, bettelten sie nie, dass sie den Hund gerne wollten, nein sie stellten es ganz anders an.
So sagte Hannah eines Tages: „Mama, wir haben heute niemanden, der uns mit ins Tierheim nimmt, bitte fahr doch du, da ist es immer so schön.“ Ja gut, dachte ich, dann sehe ich wo meine Kinder ihre Freizeit verbringen.
Wir parkten unser Auto auf dem Parkplatz, genau neben dem Platz, wo in einem großen Zwinger viele Hunde miteinander tollten. Helena öffnete das Tor und wir gingen auf den Platz. Ich trug an dem Tag ein dunkelblau-weiß gestreiftes Trachtenkleid im Friesenstil. War es nun das Kleid, oder war es meine Figur, ein riesiger Bernhardiner kam in großen Sprüngen direkt auf mich zu. Er küsste mich zur Begrüßung mit seiner feuchten Schnauze. Da konnte ich nicht anders, ich nahm ihn in den Arm.
Die Damen aus unserem Ort waren auch da und entschuldigten sich, dass sie nicht besser aufgepasst hatten. Ich fand es nicht unangenehm.
Dann nahmen wir jeder einen Hund mit und gingen spazieren. Hannah nahm nur Gat, einen anderen wollte sie nicht Helena war da anpassungsfähig, sie nahm das, war noch nicht draußen war. Ich erinnere mich, dass ich einen großen Hund mit langen Haaren hatte. Wir machten zwischendurch eine Pause und setzten uns auf eine Wiese dabei legte ich meinen Kopf auf den Hund, der es gern geschehen ließ.
Zum Schluss wollte Helena noch mit „ihrem“ Sat laufen. Die Tierheimleitung hatte ein Schild an seiner Gittertür angebracht: „Mein Name ist „Sat“, ca. 10 Jahre, unvermittelbar.“ „Warum das denn?“ wollte Helena wissen. Sie bekam zur Antwort: „Der ist gefährlich mag keine Männer und keine Kinder. Er ist bissig!“ Helena weinte und schließlich bekam Sat einen Maulkorb und wir durften dann doch eine kleine Runde laufen. Der Hund tat mir leid, und ich hätte ihm gern den Maulkorb abgenommen.
Es vergingen Wochen, Hannah war ins Allgäu gezogen, um dort in einem guten Hotel die Lehre zur Hotelfachfrau zu machen. Ihre Liebe galt von nun an den Bergen.
Auch Helena begann ihre Lehre. Sie ging jedoch weiterhin jedes Wochenende ins Tierheim.
Helena wohnte noch bei uns im Haus und immer wenn wir allein waren, versuchte sie, mich zu überzeugen ihren Sat zu uns zu nehmen. Ja ich war schon bereit, aber was wird Martin dazu sagen?
Er wird keine Nacht mehr schlafen wenn im Haus ein Hund ist.
Schließlich beschlossen wir, es zu versuchen. Und sie heckte mit ihrer Freundin, einer jungen Geschäftsfrau, die auch ein totaler Hundefreund war, einen Plan aus:
Sie wollten den Hund probeweise über das Wochenende zu uns bringen. Da hätte Helena Zeit und konnte sich ausschließlich mit dem Hund befassen. Bei Nacht sollte er in ihrem Zimmer bleiben.
Nun kam der Freitag, an dem wir das Experiment starten wollten. Morgens erinnerte Helena mich noch einmal: „Ich fahre nach Feierabend mit Ulrike los, dann gehen wir noch mit dem Hund eine Runde, damit er nicht ins Auto macht und dann kommen wir. Vergiss nicht den Papa vorsichtig vorzubereiten.“
Mein Mann hatte Frühdienst und war schon weg. Ich öffnete meinen kleinen Laden, der bei uns im Haus war und schaute mich um. „Hoffentlich wird mir der Hund nicht die ganze Einrichtung auseinander nehmen“, dachte ich bei mir und sah skeptisch auf die vielen kleinen Beutelchen mit Perlen und Kugel und die Rollen mit Schleifenbändern, ich ahnte nichts Gutes. Ja und wenn mal Kinder kommen, oder Männer?
Inzwischen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Bildmaterialien: Cover und sämtliche Fotos : Eigene
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2015
ISBN: 978-3-7438-5296-9
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Zum Andenken an unseren "Sat", den wir niemals vergessen werden.