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Leidenschaft?

Ich war immer der Meinung, dass man seinen Beruf mit Liebe und Leidenschaft auswählen und ausüben sollte. 


Ich kann nicht behaupten, dass ich jemals im Leben eine große Leidenschaft hatte.

Meine Mutter war Schneiderin und von ihr lernte ich Stoffe von einander zu unterscheiden. Solche die kratzig waren auf der Haut und die, von denen man Schürzen machen konnte und vor allem Seide. Ja das war mein Lieblingsstoff. Sie nähte mir aus Resten seidene Kleider die leise raschelten, wenn man sie trug.

Ach, ich liebte es ihren Schrank auszuräumen und jedes Teil anzusehen danach sortierte ich es ordentlich wieder in den Schrank. Die Liebe zum Stoff und die Ordnungsliebe, ist das einzige was mir von ihr geblieben ist, neben dem Talent aus jedem Stück Stoff etwas Brauchbares zu machen. Als meine Mutter gestorben war, faszinierte mich jede Frau, die an einer Nähmaschine arbeitete, ich konnte stundenlang zusehen.

Im Kindergarten las die Kindergärtnerin jeden Tag ein Märchen vor. Gespannt wartete ich jeden Tag auf ein neues Märchen. Da ich nun mal ein gutes Gedächtnis hatte, erzählte ich die Geschichten abends meinen Puppen und wenn es jemand anders hören wollte, dann erzählte ich es auch gerne.

Das ist nun eine Leidenschaft die mir lange erhalten blieb. Meine Freundin Margot freute sich immer, wenn ich ihr eine Geschichte erzählte. Ja sie war ganz verrückt darauf. Wenn mir nichts einfiel, was sie nicht schon kannte, dann erfand ich eine und sie war zufrieden.

Gleichzeitig übte ich mich in Handarbeiten, das lag mir auch sehr gut und es gab nichts was mir zu  schwer war. Dabei half mir meine große Ausdauer. Ich war stolz auf jedes fertige Teil, was ich selbst gemacht hatte.

Dann bekam ich eine Stelle als Kindermädchen für ein einziges Kind. Der kleine Hans-Hermann war hochbegabt und forderte mich richtig heraus. Er wollte von morgens bis abends Geschichten hören. 

Ich wurde nicht müde seinem Wunsch nachzukommen. Sein Lieblingsmärchen war der Wolf und die sieben Geißlein. Das wollte er täglich hören. So kam ich auf die Idee das Märchen jeden Tag zu verändern. Die Geißenmutter bekam von mir mal ein Fahrrad, oder ein Mofa, mal einen Traktor oder gar ein Auto. Der Kleine war fasziniert und konnte nicht genug bekommen. Solange ich dort war, erzählte ich Märchen den ganzen Tag beim Spazieren gehen und auch beim Spielen, da spielten wir dann die Märchen.

Ich weiß nicht wer trauriger war der Kleine oder ich, oder seine Mutter, als ich Abschied nehmen musste.  

 

 

Dann wurde ich erwachsen

 

Ja und dann kam die Zeit, in der ich ganz allein für mich Sorge tragen musste. Für Leidenschaft gab es keinen Platz. Wichtig war, mit dem wenigen was ich verdiente auszukommen. Wenn ich da eine Leidenschaft hatte, dann war es die, täglich mein Geld zu zählen und zu rechnen, wie ich Miete und Essen bezahlen konnte.

Das änderte sich dann, als ich selber Kinder hatte. Auch meine Kinder verlangten regelmäßig nach einem Märchen und da ich Übung hatte, kam ich dem Wunsch gern nach. Zwar war die Wirklichkeit alles andere als märchenhaft aber wieder waren der Wolf und die sieben Geißlein der Mittelpunkt in unserem bescheidenen Heim. Von einem Schrotthändler bekam ich eine uralte Nähmaschine und ich begann den Kindern ihrer Kleidung zu nähen. So kam dann auch ich hin und wieder zu einem Kleid. Jahrelang war das Nähen dann meine große Leidenschaft. Diese zweckmäßige Beschäftigung gefiel sogar meinen Kindern, ich konnte nebenher erzählen und wenn das Teil fertig war, bekam einer von uns etwas zum Anziehen.

Wie in jeder Familie, treibt es die Kinder aus dem Haus, sobald sie Volljährig sind. Die Großen waren schon ausgezogen, was mir blieb waren die beiden Kleinen.

 

 

 

Das ist Gudrun, (in meinen Büchern wird sie Hannah genannt.) Ihre Leidenschaft war es, der 5 Jahre jüngeren Schwester das Fläschchen zu klauen und auszutrinken, was ihr aber keinesfalls geholfen hat, sie ist immer die Kleinste geblieben.

 

 

Das hier ist Siggi, meine Jüngste. (Sie wird in meinen Büchern Helena genannt.) Sie ist trotzdem die größte von Allen, auch wenn Gudrun ihr immer alles weggetrunken hat.

Die Kinder wurden viel zu schnell erwachsen

 

Langsam wurde es still im Haus, und ich eröffnete ein Bastelgeschäft mit einer Stoffecke. Meine alte Leidenschaft kam wieder auf. Nun nähte ich Trachtenröcke und Blusen, die ich danach im Laden verkaufte.

Ich bastelte schöne Dinge vorwiegend Fensterbilder und hatte einen Raum in dem ich den Kunden alles zeigen konnte. So zeigte ich vielen Frauen wie man nach einem Schnittmuster arbeitet und ein ordentliches Kleidungsstück näht.

Dann war der große Trend Rupfenpuppen zu basteln. Da machte ich Kurse und hatte fast jeden Tag meinen Bastelraum voll.

Siggi teilte meine Liebe zum Basteln und hatte immer tolle Ideen. Sie blieb auch am längsten bei uns und half wenn sie zu Hause war im Geschäft. Nach den Rupfenpuppen waren es die Hexen, die jeder wollte. Also machten wir Hexen und dann kam die Zeit der Seidentücher.

Alles was ich machte, machte ich mit Leidenschaft und dabei wurde ich älter. Siggi war inzwischen auch schon ausgezogen mein Mann ging in Rente, bekam einen Schlaganfall und ich machte mein Geschäft zu.

 

Und was ist geblieben?

 

 

Inzwischen haben wir das Haus aufgegeben, es war zu groß für mich, denn mein Mann konnte nicht mehr viel helfen. Wir wohnen in einer 3-Zimmerwohnung. Ja meine Leidenschaften habe ich inzwischen längst vergessen. Nähen und Handarbeiten kann ich nicht mehr, meine Augen und meine Finger machen bei den Leidenschaften nicht mehr mit. Was geblieben ist? Das Erzählen!

Mein Enkel hört mir gern zu. Sein Lieblingsmärchen ist das tapfere Schneiderlein. Ich liebe es wenn die Kinderaugen an meinen Lippen hängen und wenn sie lachen oder staunen. manchmal, kullern auch die Tränen wenn das Märchen traurig ausgeht.

Eines Tages zeigte mir Siggi das Programm von BookRix, und seit dem habe ich wieder eine neue Leidenschaft. Dort lernte ich viele nette Freunde kennen und dort ich kann schreiben, was mir gerade in den Sinn kommt. Ich freue mich dann immer riesig, wenn es den Lesern gefällt. 

Ja und geblieben ist die Liebe zu meinen Kindern. Jeden Geburtstag feiere ich mit Leidenschaft, weil dann immer die meisten unserer Kinder kommen.

Aber eine heimliche Leidenschaft hat mich immer begleitet. Das ist die große Liebe zum Butterkuchen. Den könnte ich zu jeder Tageszeit und zu jedem Anlass essen. Der einzige Haken daran ist, dass man den hier wo ich wohne, so selten kaufen kann und ich habe nie gelernt einen köstlichen Butterkuchen zu backen. 

 

 

Da sitzen sie, unsere Töchter, bei meiner vorigen Geburtstagsfeier. Links Siggi, daneben Bettina , Gudrun und Susanne die in meinem Buch "Ronja" heißt. Auch mein Sohn aus Mühlheim war da, hatte aber auf der Bank keinen Platz mehr. 

Impressum

Bildmaterialien: Cover eigenes Foto, "Rupfenpuppen" sämtliche Bilder mein Eigentum
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2015

Alle Rechte vorbehalten

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