Prolog
Atemlos und völlig außer Kontrolle erreichte ich die Haustür. Ich klingelte bei Mischa, aber er öffnete mir nicht. Hatte ich etwas anderes erwartet? Ich rüttelte entschlossen an der Tür, doch zu meiner Überraschung ließ sie sich ganz leicht öffnen. Ich rannte los, nahm drei Stufen auf einmal, mein Herz schlug immer heftiger, je höher ich kam. Mein Atem ging so schnell, das ich dachte, meine Lunge würde dem Druck nicht mehr standhalten können. Mischas Wohnungstür stand offen. „Mischa!“, rief ich erstickt, meine Lunge schmerzte. Ich musste stehen bleiben und warten, bis meine Lunge sich beruhigte. Dann lief ich in seine Wohnung. „Mischa!...Mischa?“ ich schaute überall nach. In der Küche, dem Bad, seinem Schlafzimmer, schließlich betrat ich das Wohnzimmer und mein Herz stockte... Aber nur für den Moment, bevor es so heftig in meiner Brust zu schlagen begann, dass mein ganzer Körper bebte. So verdammt heftig hatte es noch nie geschlagen, selbst, als Mischa mich das erste Mal geküsste hatte und da war es schon so kraftvoll gewesen, dass ich damals dachte ich würde ohnmächtig werden. Ich traute meinen Augen nicht, meine Hand schnellte gegen meinen Mund, ein verzweifelte Laut entkam mir, als ich erstarrt stehen blieb und mit großen Augen sah, was hier passiert war....
Die Geschichte
Vorsichtig schraubte ich das zierliche Nagellackfläschchen zu, das war gar nicht so einfach, wenn man das mit nur zwei Fingern probierte. Aber eine andere Möglichkeit hatte ich in diesem Augenblick nicht. Die blutrote Farbe auf meinen Nägeln musste trocknen und das möglichst ohne irgendwo gegen zu kommen. Ich wollte hässliche Muster verhindern.
Ich hatte es geschafft, die Flasche war zu, auch wenn der Deckel schief darauf gedreht war, aber das war mir egal. Hauptsache zu, bevor Penny kam und wie ein abhängiger Junkie an dem Nagellack schnüffelte. Das tat sich nämlich immer, sie hatte es von mir. Leider. Und sie würde kommen, im Hintergrund hörte ich bereits den Abspann ihrer Lieblingssendung. Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück, schloss meine Augen und spreizte meine Finger. Gleich würde sie kommen und mich fragen , ob ich ihr auch die Fingernägel lackieren würde. Nein, würde ich antworten. Penny konnte stur sein, aber sie würde nicht länger nachfragen, stattdessen würde sie mich mustern und mich fragen wohin ich heute Abend gehen würde. Ich überlegte, ob ich ihr die Wahrheit sagen sollte.
Wahrscheinlich wusste sie es ohne hin schon. Also würde ich sagen: „Penny, ich gehe heute Abend ins „Nightmare“.“.
„Hailey?“ Ich öffnete meine Augen und blickte meiner kleinen Schwester in die Augen. „Was ist Penny?“ „Lackierst du mir-“ „Vergiss es, Penny. Der war viel zu teuer, außerdem muss ich los.“
„Etwa so? In den Sachen?“ Penny zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Ich sah sie genervt an. „Wer bist du, meine Mutter? Wenn hier jemand was zu sagen hat, dann bin ich das-“ „Hailey!“ Ich stöhnte. Lily, meine Pflegemutter war von der Arbeit gekommen, Freitags kommt sie immer früher. Sie arbeitet bei Fishers einem Supermarkt nur zwei Straßen weiter. Jetzt stand sie in der Küchentür und schlüpfte genervt aus ihren abgenutzten Sandalen. „Lass Penny in Ruhe! Wie oft soll ich das noch sagen? Außerdem hat sie recht, was erlaubst du dir? Noch nicht mal achtzehn und schon so ein Fummel! Wo willst du überhaupt hin?“
Ich schnaubte, „Ins „Nightmare“ will ich. Und was heißt hier Fummel, nur weil das schwarze Top meinen Busen betont?“ Lily schüttelte mit dem Kopf. Sie wusste, bei mit war jegliche Erziehung sowieso verloren. „Komm wenigstens nicht zu spät nach Hause, hörst du? Danny braucht dich morgen.“ „Ja doch.“,murmelte ich entnervt und erhob mich. Lily verschwand in der Küche und Penny lief zu ihr. Auf dem Weg in mein Zimmer hörte ich sie nach einem Schokoriegel fragen. Mit Karamell. Ich rollte mit den Augen, es war immer das Gleiche.
Mein Zimmer war nicht sonderlich groß, es war schmal und klein, aber immer noch besser, als sich mit seiner Schwester eins zu teilen. Ich stellte das Fläschchen in mein Regal, versteckt zwischen leeren Parfümfläschchen und meinem Schmuckkästchen, aus dem ich mir direkt noch ein paar große Ohrringe griff. Dann stellte ich mich vor meinen Spiegel, der an einer Tür meines Kleiderschrankes befestigt war. Ich warf einen letzten Blick auf mein Äußeres, während ich mir die Ohrringe in die Ohrlöcher hängte. Es waren große silberne Ringe, die schwer an meinen Ohrläppchen hingen, wenigstens verhinderten sie, das Sam sich gleich wieder sabbernd an meinen Ohren zu schaffen machen konnte. Ich schaute an mir runter. Fummel, von wegen! Das Top war der Hammer! Schwarz, Trägerlos und damit schulterfrei. Dazu trug ich eine dünne dunkelblaue Strumpfhose, eine kurze schwarze Hotpan und die geilsten Schuhe überhaupt. Sieben Zentimeter Absatz! Schwarzer Lack und zwei meiner Zehen schauten vorne durch die runden Öffnungen heraus. Ich lächelte mich an, wobei die blaue Strähne, die ich links in meinen braunen Haaren, welche mir ungefähr bis zur Mitte meines Halses reichten, hatte, besonders auffiel. Ich überprüfte meinen Kajal, wobei ich zufrieden feststellte, dass es eine gute Idee war, mein Pony kürzer zu schneiden. Früher hätte ich es mir aus dem Gesicht halten müssen, heute war es schön kurz und reichte nur noch bis zu meinen Augenbrauen. Dann drehte ich mich zu meinem nicht gemachten Bett, auf dem die rote Tasche mit Geld lag. Ich griff sie mir und stellte gleichzeitig fest, dass mein Nagellack die perfekte Wahl gewesen ist. Ich lächelte noch einmal und verließ schließlich mein Zimmer.
„Ich bin dann weg!“, rief ich in die Küche. Penny schaute um die Ecke und runzelte mit der Stirn.
„Das Top-“, setzte sie an, doch ich unterbrach sie, „Penny! Geh Schokoriegel essen und lass mich in Ruhe!“, fauchte ich und zog die Haustür hinter mir zu. Hier draußen war es bereits dunkel. Einzelne Lichter brannten in den einfachen Häusern und irgendwo bellte ein Hund. Die Straße war nicht beleuchtet. Warum auch? Den Strom konnte man sich für die Reichen aufsparen, dachte ich grimmig und ging los. Meine Absätze waren deutlich zu hören, sie hallten auf den Teer der Straße. Ich liebte dieses Geräusch! Und ich musste es genießen, denn im „Nightmare“ würde es wie immer so laut sein, das man seine eigenen Worte nicht verstehen konnte...
...Schon von weitem waren die Bässe vom „Nightmare“ zu hören. Ich erreichte den zugestellten Parkplatz und musste mich darauf konzentrieren, mit meinen hohen Schuhen über den Kies zu laufen. Je mehr Autos ich hinter mit ließ, desto belebter wurde es um mich herum. Ich hielt Ausschau nach einem dunkelgrünen Van. Es war Cocos Auto. Ich entdeckte das Auto zwar nicht, aber das war auch gar nicht nötig, Coco entdeckte mich. „Hailey!“,rief sie mir entgegen. Ich drehte mich um und blickte sie entsetzt an. Also, wenn Lily meinte, mein Top sei ein Fummel, dann würde sie sagen, Coco wäre nackt! „Coco!? Bist verrückt?“ Meine Freundin blieb geschockt stehen. „Was?“, fragte sie. „Das Kleid.“,sagte ich und zeigte ihr demonstrativ auf ihren Ausschnitt.
„Hast du keinen BH darunter?“ „Doch, aber sicher.“ ,Coco zog sich nervös an ihrem Kleid herum. „Meinst du es ist-“ weiter kam sie nicht. Eine Stimme hinter mir führte ihren Satz zuende, „zu sexy?! Nein. Gerade richtig.“ Genervt drehte ich mich um. „Sam.“, sagte ich trocken. „Hailey, jetzt sei nicht so. Heute wollen wir Spaß haben, ok!? S-P-A-ß!“ Sam konnte ziemlich nerven, wenn er angetrunken war. Ich roch das Bier und rümpfte die Nase. Coco hatte aufgehört ihr Kleid zu richten,
stattdessen umarmte sie erst mich und dann Sam, der es sich nicht nehmen ließ, noch einen Blick in ihren Ausschnitt zu werfen. „Sam hat recht, heute Abend will ich nichts anderes als Party!“,sagte Coco und hackte sich bei mir ein. Sam war bereits verschwunden. Gut so! Wir waren schon fast am Eingang, als Coco mich hinter eine Mülltonne zog. „Jetzt Mal ehrlich, Hailey, wie findest du mein Kleid?“, flüsterte sie mir zu. Ich warf noch mal einen Blick drauf. „Ich bin froh, wenn es beim Tanzen deinen Hintern bedeckt lässt.“,gab ich zu bedenken. Coco warf mir einen bösen Blick zu. „So kurz ist es gar nicht. Schau nur!“ Coco drehte sich einmal um sich selbst, damit ich das Ausmaß von Kleid erkennen konnte. Sie hatte recht, so kurz war es wirklich nicht und der Ausschnitt, ich konnte mit leben, Coco auch und Sam erst recht. Also, es gab kein Problem. Das sagte ich ihr auch, sie wirkte zufrieden und wir gingen zum Eingang.
Der Türsteher lächelte uns entgegen. „Abend Ladies, auch schon volljährig?“, fragte er und schaute demonstrativ -nicht- in Cocos Ausschnitt. „Nein.“,beantwortete ich seine Frage wahrheitsgemäß.
„Na dann mal her mit euren Ausweisen.“ Ich zückte meinen Ausweis aus meiner roten Tasche und übergab ihn dem Türsteher. „Wünsch euch viel Spaß. Jedenfalls bis zwölf Uhr.“ Die letzten Worte schienen mir stärker betont. Ich lächelte zuckersüß und betrat mit Coco das Innere des „Nightmare“.
Man, was war die Bude wieder voll! Ok, es war Wochenende, was erwartete ich da. Coco stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt nach etwas – oder jemandem – Ausschau. „Wen suchst du? Sam?“, fragte ich. Sie schaute mich genervt an. „Mensch Hailey, hörst du mir irgendwann auch mal zu? Heute morgen in Mathe hab ich dir doch von dem DJ erzählt. Rick, erinnerst du dich? Er legt heute hier auf und er sieht verdammt gut aus!“ „Ich konnte dir nicht zu hören, falls du dich erinnerst, ich musste mir schließlich eine überzeugende Ausrede für meine nicht vorhandenen Hausaufgaben ausdenken, wobei du mir im Übrigen nicht sehr hilfreich warst.!“ Coco stöhnte.
„Dann hättest du mir eben in der Pause zu hören können, da hab ich dir nämlich nochmal von Rick erzählt!“ Hatte sie das? „Mag sein.“, sagte ich. „Wie auch immer. Wie gehen jetzt zum DJ Pult und du redest ihn an!, sagte Coco und packte mich energisch am Arm. „Was? Wieso sollte ich ihn anreden, wenn du doch was von ihm willst?“ „Ganz einfach, Hailey, du kannst so was wesentlich besser als ich! Oder willst du, dass ich mich noch mal so blamiere, wie beim letzten Mal?“ „Fehler sind da, um gemacht zu werden und daraus zu lernen!“, konterte ich, woraufhin Coco mich wütend ansah. Ich konnte sehen, wie sie scharf Luft einsog. „Na gut.“, gab ich schließlich klein bei. Was tat man nicht alles für seine Freundin. Also kämpften wir uns durch die tanzende Menge in Richtung DJ Pult. Cocos Finger an meinem Arm begannen zu schwitzen. Immer musste sie so nervös werden. Ich wurde gegenüber Jungen nie nervös. Kein Wunder, dass sie mich immer vorschickte. Ich seufzte und trat nahe an das Pult heran. Der DJ -Rick- zwinkerte mir zu und zog sich mit der einen Hand dir Kopfhörer von den Ohren, während er mit der anderen Hand einen Regler aus seinem Pult nach oben schob. „Was gibt’s Kleine? Hast du einen bestimmten Musikwunsch?“, fragte er freundlich. Ich ignorierte das Wort „Kleine“ und kam direkt zu Sache. „Meine Freundin-“ und dabei zerrte ich Coco vor mich. „Sie würde sich über einen Drink von dir freuen und gerne ein bisschen mit dir quatschen!“ Coco lächelte verlegen und blickte mehr zu Boden als in die Augen des Djs. Ich stupste sie an und Coco blickte auf. Der DJ lächelte noch immer. „Hi.“,sagte Coco schüchtern. „Hey. Ich bin Rick. Und du?“ „Coco.“ „Was? Du musst lauter sprechen, sonst versteh ich dich nicht.“ „Coco.“,wiederholte sich, diesmal lauter. „Coco? So wie Coco Chanel?“ „Ja! Genau!“, Coco strahlte über beide Ohren. „Cool.“, sagte Rick und widmete sich kurz seiner Musik. Coco schaute mich traurig an. „Er mag mich nicht.“ „Mensch, Coco. Er arbeitet hier, falls du es vergessen hat, er kann sich nicht die ganze Zeit um dich kümmern!“, erklärte ich ihr. Sie zog gerade einen Schmollmund, als Rick sich wieder zu ihr wand. „Was willst du denn trinken, Coco?“ Verblüfft schaute sich mich an. Ich grinste und machte ein Daumen hoch Zeichen. Coco war überglücklich und wandte sich ihrem Dj wieder zu. Ich beobachtete sie noch einen Moment, um sicher zu gehen, dass das Gespräch auch so verlief, wie Coco es sich vorgestellt hatte. Rick schien wirklich nett zu sein. Schließlich entschied ich mich dazu, mir einen Drink zu holen, doch auf dem Weg zur Bar stellte sich Sam mir in den Weg. „Bock zu tanzen?“, fragte er grinsend und hauchte mir seinen stinkenden Bieratem ins Gesicht. „Mit dir? Nein danke.“, sagte ich kurz angebunden und ließ Sam einfach stehen. Ich bekam gerade noch mit, wie er ein anders Mädchen anflirterte und die tatsächlich dumm genug war, mit ihm auf der Tanzfläche zu verschwinden. Ich verdrehte die Augen und erreichte endlich die Bar. „Einen Tequila bitte!“, rief ich dem Kellner zu. Der nickte und schenkte mir ein großzügiges Pinchen ein. Hier drinnen spielte das Thema Volljährigkeit keine allzu große Rolle mehr. Der Kellner überreicht mir den Tequila und malte mir einen blauen Strich auf die Hand. Abgerechnet wurde hinterher. Ich leerte den Tequila recht schnell und spürte den Alkohol in meiner Kehle. Das tat gut. Ich schaute mich nach Coco um und erkannte, dass auch sie mittlerweile ein Glas in der Hand hielt und Rick gerade einen Schluck abgab. Ich lächelte, lief doch alles Bestens. Fast alles. Sam tauchte wieder auf. „Wo hast du denn die Kleine von eben gelassen? Ist sie dir entlaufen? Oder holt sie dir noch ein Bier?“, fragte ich genervt von seiner Anwesenheit. „Sie musse aufs Klo. Willst du tanze?“ Sam war eindeutig schon betrunken. „musse“ und „tanze“ gehörten wohl weniger dem richtigen Sprachgebrauch an. Ich stöhnte erneut. „Sam, lass mich einfach in Ruhe! Ich will nicht mit dir tanzen. Jetzt nicht und auch nicht gleich! Such deine Tussi und tanz mit der!“ fauchte ich. „Schon gut“, hickste er und abwehrend die Hände, wobei er ein Mädchen anrempelte. Das Mädchen schaute ihn wütend an. „Tschuldige.“, sagte Sam und verschwand in Richtung der Toiletten. Erleichtert drehte ich mich wieder zur Bar. „Noch einen bitte.“, verlangte ich von dem Kellner und kurze Zeit später rannte mir erneut Alkohol die Kehle hinab. So ließ es sich aushalten. Mir war langweilig. Coco hatte ihren Rick, Sam nervte mich und ich hatte keinen zum Tanzen. Dabei war ich doch gerade deswegen weg. Tanzen in der Disco war Freitagsabends eine willkommene Abwechslung nach einer langen Woche, in der nur Schule und meine Aushilfsjob bei Danny existierte. Ich ließ mir noch zwei weitere Tequilas und einen Wodga geben, und endlich zeigte der Alkohol seine erste Wirkung und mein Verstand vernebelte sich langsam. Neben mir unterhielten sich zwei Jungen, der einer erzählte einen Witz, den ich unter gewöhnlichen Umständen wahrscheinlich nicht für allzu witzig gehalten hätte, aber jetzt lachte ich laut darüber. Vielleicht zu laut, denn die beiden Jungen drehten sich zu mir um und der eine zeigte dem anderen eine Vogel, womit er wohl eindeutig mich meinte, was mir allerdings ziemlich egal war. Ich lachte und bekam mich kaum noch ein. Der Kellner stellte mir ein weiteres Pinchen mit einer klaren Flüssigkeit hin, ich nickte dankbar und kippte mir das Zeug herunter.
„Gerade mal halb zehn und du hast schon 9 Striche auf deiner Hand. Wow, ich bin beeindruckt. Da kann ich mit meinen 4 Strichen wohl kaum mithalten.“ Verwirrt drehte ich mich von dem Kellner, der gerade mein leeres Pinchen spülte, weg und blinzelte einem Jungen ins Gesicht. Ich schätzte, er war ein oder zwei Jahre älter als ich. „Wie bitte?“,sagte ich und hatte Schluckauf. Der Junge nahm meine Hand und wies auf die blauen Striche auf meiner oberen Handfläche. Dann zeigte er mir seine Hand. Vier Striche. Ich verstand, auch wenn mein Verstand eindeutig länger brauchte. Ich winkte ab. „Kannst es ja noch – hicks- nachholen. Ich gib dir auch -hicks- einen aus.“ Ich hob bereits die Hand, um den Kellner heran zuwinken. „Lass mal, ich hab vorerst genug. Und ich schätze du auch.“,sagte er und nahm meine erhobene Hand nach unten. „Was soll das? Jetzt will ich – hicks- mal freundlich zu nem Jungen sein und du...“ „Du darfst auch freundlich zu mir sein. Auf der Tanzfläche.“,sagte der Junge und zeigte in Richtung der Tanzfläche. Ich schaute ihn an. „Tanzen? Ich mit dir?“ „Ja, warum nicht? Nur weil du mit dem Bierstinker nicht tanzen willst, heißt das doch noch lange nicht, das du nicht mit mir tanzen kannst, oder?“ Ich lachte. „Wenigstens stinkst du nicht nach Bier.“,sagte ich. Er lachte. „Und was ist?“ Ich nickte und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche führen. Rick legte gerade etwas schnelleres auf und auf der Tanzfläche war ich dann nicht mehr zu stoppen. Mein Körper bewegte sich im Rhythmus der Musik und mein Verstand, vom Alkohol betäubt arbeitete nicht weiter. Ich ließ die Hüften schwingen und dabei schaute ich dem Jungen in die Augen. Er lächelte und seine Hände legten sich auf meine Hüften. Wow, der konnte tanzen! Außerdem sah er nicht schlecht aus. Wirklich nicht schlecht. Er war einen Kopf größer als ich und hatte helle Haare, im Licht der Discokugel konnte ich nicht sagen, ob sie braun oder blond waren. Jedenfalls waren sie leicht gelockt, wenn auch nicht allzu lang. Man konnte ohne Zweifel sagen, dieser Junge sah gut aus! Ich musterte ihn und untersuchte seine Gesichtszüge.
Seine Augen leuchteten blaugrau und seine Wangenknochen passten perfekt zu seiner hübschen Nase. Stark und doch irgendwie nicht zu sehr ausgeprägt. Er lächelte noch immer und bemerkte, dass ich ihn eingehend betrachtete. Ich lächelte zurück und gab mich schließlich wieder ganz der Bewegung hin. Wir tanzten und das bald nicht mehr weit von einander entfernt. Ich war mit dem Rücken an seiner Brust, während seine Hände leicht auf meinen Hüften verweilten. Ich wusste nicht, wie lange wir so tanzten. Jedenfalls lange. Erst, als Rick nach Minuten einen langsameren Rhythmus anspielte erwachte ich aus meiner Trance. Nassgeschwitzt standen wir uns einen Moment unschlüssig gegenüber, während sich um uns herum sämtlich Pärchen zusammen suchten und tanzten. „Wollen wir was trinken?“, fragte ich. Er nickte und wir gingen zur Bar. Der Kellner reichte uns zwei Longdrinks und der zehnte Strich prangte auf meiner Hand. Die kühle Flüssigkeit tat richtig gut und ich lief mir wenig Zeit, um das Glas zu leeren. „Wie heißt du eigentlich?“ Ich stellte das Glas ab und schaute ihn an. „Hailey. Und du?“ „Hailey. Ich bin Mischa, Mischa Blake.“
Ich öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, als mich plötzlich eine Stimme von hinten ansprach. „Hailey? Kommst du mal mit aufs Klo?“ ,Coco stand mit erhitzen Wangen neben mir und schaute mich erwartungsvoll an. Ich schaute von Mischa zu ihr und wieder zurück. „Geh ruhig mit deiner Freundin. Ich warte hier auf dich.“ Ich nickte und Coco packte mich am Arm. „Wow, Hailey. WER ist das? Ich meine Rick ist heiß und nicht, dass ich dir ihn wegnehmen möchte, aber wow der ist... nicht schlecht!“ Ich nickte erneut. Wir erreichten die Damentoilette. Coco zog mich in einer der Kabinen und schloss ab. „Hailey?“ „Was ist denn los?“ „Rick...“ „Was? Hat er dir was getan?“,besorgt blickte ich in ihr Gesicht. „Nein, nein.“,beruhigte sie mich. „Alles in Ordnung. Sogar mehr als das. Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm nach Hause fahren will! Hast du gehört?“
Ich runzelte skeptisch die Stirn. „Coco, hältst du das wirklich für eine gute Idee. Du kennst den Typen gerade Mal seit zwei Stunden.“ „Aber Rick ist nett!“ „Das ist ja auch schön und gut. Dagegen habe ich ja auch gar nichts. Trotzdem finde ich, du solltest ihn erstmal näher kennenlernen, bevor du mit ihm nach Hause fährst!“ Sie schmollte. „Aber Hailey, überleg doch mal, endlich interessiert sich mal ein Typ für mich! Ich will nichts falsch machen!“ „Dann fahr nicht mit ihm.“ „Hailey! Du bist wirklich eine hervorragende Freundin.“,sagte Coco sarkastisch. „Ich weiß, darum sage ich dir ja auch, du sollst heute noch nicht mit ihm fahren! Ich würde mir die ganze Zeit Sorgen machen.“ „Warum? Weil irgendetwas passieren könnte?“ „Irgendwas? Jetzt hör mir mal gut zu, meine Liebe. Ich will dich nur davor bewahren, mit einem unbekannten DJ-Typen nach Hause zu fahren, höchstwahrscheinlich in seinem Bett zu schlafen, mit ihm und ganz …. möglicherweise deine Unschuld an ihn zu verlieren! Kapierst du das nicht? Oder willst du es einfach nicht verstehen?“, schrie ich Coco an. Diese schaute mich entsetzt an, doch dann fing sie sich wieder. „Ach Hailey. Nur weil du glaubst, schon reifer als ich zu sein... Sag mir doch einfach ins Gesicht, dass du eifersüchtig bist, weil dein Typ an der Bar dich nicht gefragt hat, ob du mit ihm kommen willst! Weißt du was? Auf so einen Ratschlag kann ich echt verzichten!“, damit schloss sie die Türe auf und rannte davon. Geschockt und wütend trat ich aus der Kabine heraus und schaute einigen Mädchen ins Gesicht, die uns gehört haben müssen. „Was ist? Hab ich etwa auf der Stirn stehen 'Glotzt mich an, ich bin ein schwarzes Schaf'?“, fauchte ich und verließ die Toilette mit lautem Absatz. Was sollte das bitte? Ich war bestimmt nicht eifersüchtig! So ein Schwachsinn!
Ich blickte mich um, doch ich konnte Coco nirgends entdecken. Die Tanzfläche war überfüllt, mein Blick ging zum DJ Pult, erleichtert stellte ich fest, dass Rick noch da war. Sie war also noch hier. Ich wollte sie zur Rede stellen, doch ich bekam keine Möglichkeit dazu. Sie war verschwunden. Klasse! Ich atmete tief ein und ging zurück zur Bar, die mittlerweile auch ziemlich voll war, die zwei Kellner hatten alle Hand zu tun. Ich schaute auf auf die Uhr über der Bar. 22.30 Uhr. Noch anderthalb Stunden, dann war auch dieser Spaß vorbei. Seufzend suchte ich nach Mischa. Ich entdeckte ihn an dem gleichen Platz, wo wir vorhin waren. Er lächelte mir bereits entgegen. „Alles in Ordnung?“, fragte er. Ich schüttelte bloß mit dem Kopf. Ich hatte wenig Lust, ihm die ganze Sache zu erklären. „Ach, meine Freundin spinnt.“, sagte ich und winkte ab. „Hier, ich hab uns noch einen Drink bestellt.“ Misch hielt mir ein volles Glas hin. Dankbar nahm ich es entgegen. „Ich hole auf, siehst du?“ Er zeigte mir seine Hand, auf der jetzt neun Striche zu sehen waren. Ich lächelte. „Das weiß ich zu verhindern!“, sagte ich und nahm einen großen Schluck aus dem Glas.
Wir blieben noch eine Weile an der Bar und leerten unsere Drinks. Ab und zu schaute ich mich um, und suchte Coco, doch ich fand sie nicht. Schließlich gab ich auf und überlegte mir, morgen mit ihr zu sprechen. Heute Nacht hätte es so wieso keinen Zweck mehr. Meine ganze Aufmerksamkeit galt nun Mischa. Er lachte gerade über ein Mädchen, dass sich auf der Tanzfläche ziemlich blöd anstellte, die hatte schon einiges intus. Na ja wer hatte das nicht? Mein Verstand arbeitete nur noch
auf niedrigstem Level. Ich gackerte schon wieder, meine Lachanfälle waren unkontrolliert. Nicht nur die, ich schwankte schon ziemlich. Einmal so sehr, dass ich mich an Mischa festhalten musste, um nicht umzukippen. Das Mädchen fiel hin und lachte über sich selbst. Ich bekam mich nicht mehr ein. Mischa erging es nicht anders. Die Zeit verging und ich verlor jegliches Gefühl für Zeit und Raum. Irgendwann fanden Mischa und ich uns auf der Tanzfläche wieder. Rick spielte wieder was schnelles und die Tanzfläche war bis zum Erbrechen gefüllt. Ich ging völlig auf in der Musik, der Wahnsinn. Schließlich stoppte die Musik, ein Raunen und Maulen ging durch die Disco. Rick griff zum Mikrofon und sagte: „24 Uhr, Partypeople! Alle Minderjährigen müssen jetzt raus. Für die anderen geht’s rund Yeah!“ Die Musik setzte wieder ein und die ersten Teenager strömten zum Ausgang, während die am Eingang die ersten Volljährigen auf den Einlass warteten. Die Tanzfläche leerte sich zunehmend, Mischa und ich wurden mitgezogen. Ich wurde zu allen Seiten gedrückt und gezerrt. Warum hatte ich nur so viel getrunken? Ich packte mir an den Kopf, um das Schwindelgefühl zu unterdrücken, was mich überkam. Plötzlich kam mir alles hier stickig und eng vor. Ich versuchte mich frei zu kämpfen, doch es gelang mir nicht. Ich stolperte und stöhnte.
Schließlich wurde ich von hinten gepackt und zum Rand geführt, wo weniger los war. „Man, jedes Mal das gleiche, alle rennen auf einmal nach draußen.“ ,redete Mischa und hielt mich am Arm feste.
Nach und nach kamen mehr und mehr nach drau0ßen. Mir kam es vor wie eine Ewigkeit, alle mussten bezahlen, ihre Jacken aus der Garderobe holen und schließlich ihre Ausweise entgegennehmen. „Gleich sind wir dran.“, sagte Mischa. Doch dann gab es ein Problem mit der Kasse und drei Mädchen vor uns konnten nicht bezahlen, also standen wir weitere zehn Minuten in der stickigen Disco. Am Eingang ließ man schon Mal die Ungeduldigen rein. Direkt wurde es wieder voller und die Luft nicht besser. Gut das ich nicht an Klaustrophobie leide, dachte ich.
Mischa und ich wurden an die Wand gedrückt. Ich stöhnte. Mein Schwindelgefühl wurde wieder stärker. „Du siehst nicht gut aus, Hailey!“ ,sagte er besorgt. „Mir ist auch nicht gut.“ Mischa schaute mir in die Augen. „Gleich sind wir draußen. Dann geht es dir besser.“ Er lächelte. „Wie kommst du nach Hause?“, fragte er mich. Ich überlegte. „Coco, meine Freundin, sie wollte mich mitnehmen, allerdings-“ ,ich schaute mich um „Ich weiß nicht wo sie ist...“ Mischa schaute sich ebenfalls um. „Ich bring dich nach Hause.“, sagte er schließlich. „Das ist nicht nötig, Coco wartet bestimmt schon draußen. Bloß keine Umstände.“ „Umstände? Das macht mir nichts aus. Ich lass dich bestimmt nicht alleine hier!“ Ich konnte nichts mehr erwidern, Mischa schob mich zur Kasse und wir bezahlten, holten unsere Jacken und schließlich meinen Ausweis. „Bist du schon 18?“, fragte ich, als Mischa keinen Ausweis bekam. „Ja.“, sagte er und wir traten ins Freie. Die Nachtluft war klar und ich sog einen großen Atemzug ein. Das Schwindelgefühl ebbte langsam ab. Ich schaute mich nach Cocos Wagen um, doch zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass ihr Van nicht mehr da war. Das versetzte mir nun doch einen Stich. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mich hier einfach zurücklässt. „Hailey?“ Mischa schaute mich besorgt an. „Sie ist weg... Coco ist weg.“, brachte ich hervor. „Komm, ich bring dich nach Hause, mein Wagen steht da drüben.“ Sanft packte er meinen Arm und führte mich zu seinem dunkelblauen Auto. Ich musste an Coco denken, der Gedanke an sie ließ mich einfach nicht los. Ich war wirklich enttäuscht von ihr. Gleichzeitig voller Sorge, Coco hatte Alkohol getrunken und dann Auto gefahren. Nicht das Mischa das Gleiche vorhatte, aber ich hatte wesentlich mehr Angst um Coco, als um uns. „Warte, Mischa.“ „Was ist?“ „Coco, sie fährt Auto und hat Alkohol getrunken! Wir müssen sie suchen!“ Mischa sog scharf nach Luft. „Ich hab auch getrunken. Hailey, ihr ist bestimmt nichts passiert.“ Doch ich war mir da plötzlich nicht mehr so sicher. „Mischa ich....-“ weiter kam ich nicht. Panisch hielt ich mir meine freie Hand vor den Mund und riss mich von ihm los, das nächste Gebüsch war nicht weit und ich stürzte drauf los. Hinter einem der Büsche stolperte ich und übergab mich. Mischa rief nach meinem Namen. Er folgte mir. Nein! Sollte er das hier wirklich sehen? Nein, das wollte ich ihm ersparen, doch zu spät. Mischa legte seine Hände auf meine Schultern. Seine warmen Hände auf meinen nackte Schultern taten gut, sie hatten was beruhigendes an sich. „Tut mir ...leid. Ich wollte nicht, dass du-“ Er unterbrach mich: „Schon gut , Hailey. Ist nicht das erste Mal, dass ich so was sehe.“ ich ließ mich auf die Beine ziehen. „Geht es wieder?“, fragte er und hielt mir ein Taschentuch hin. „Danke..“,antwortete ich und nickte. Mischa brachte mich zum Auto zurück und ich ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder. Die Übelkeit und der Schwindel waren noch immer nicht ganz weg, also schloss ich meine Augen und versuchte mich zu beruhigen.
Es funktionierte,mir ging es mit jedem Atemzug besser, ich wurde ruhiger, zu ruhig um sagen zu können, ich sei noch wach schließlich bekam ich nicht mehr mit, wie Mischa ins Auto stieg und los fuhr.
.. „Hailey?“,flüsterte Mischas Stimme in mein Ohr. „Hailey, wach auf.“,sagte er sanft. Ich öffnete meine Augen und blickte ihm direkt ins Gesicht. Mischa hatte sich über mich gebeugt, mit der einen Hand stütze er sich auf der Mittelkonsole seines Autos ab, während er die andere auf meine Schulter legte. Er lächelte mich an und ich spürte seinen Atem in meinem Gesicht. „Mischa.“,flüsterte ich.
„Ich wusste nicht wo du wohnst, also bin ich zu mir nach Hause gefahren. Du hast ziemlich fest geschlafen.“ „Ich weiß.“ „Also, was hältst du davon, wenn du heute Nacht hier bleibst und ich dich morgen früh nach Hause fahre? Ich meine, ich kann dich auch noch nach Hause bringen, allerdings ist es schon sehr spät. Wir haben gleich ein Uhr, falls du es genauer wissen willst. Ich weiß ja nicht, was mit deinen Eltern-“ „Nichts. Es geht in Ordnung.“, unterbrach ich ihn. Eltern hatte ich keine außer Lily, aber das musste ich ihm nun wirklich nicht erzählen. Nicht jetzt. Außerdem war ich viel zu müde für irgendwelche Diskussionen. „Schön, dann komm mit mir.“,sagte er und löste meinen Gurt. Ich stieg aus dem Wagen und schaute mich um. „Wo sind wir hier? Ich meine, wo wohnst du?“ „Morganstreet.“ „Morganstreet? Dann dürfte die Thursstreet nicht weit sein, oder?“ „Nein, die ist zwei Straßen weiter. Warum? Wohnst du etwa dort?“ „Nein, aber Coco.“ „Soll ich dich zu ihr fahren?“, bot er mir an. Ich überlegte. „Ich versuche erstmal sie anzurufen.“,sagte ich und griff nach meinem Handy in der Tasche. Das ich da nicht schon früher drauf gekommen war! Schnell suchte ich ihre Nummer im Telefonbuch und drückte umgehend auf den grünen Hörer. Mischa blickte mich gespannt an. Nach gefühlten Stunden nahm endlich jemand ab. „Ja? Hier bei Coco.“ „Coco?“
„Was? Wer spricht da?“ „Hier spricht Hailey. Cocos Freundin, wer bitte spricht da?“ Ich hörte ein Rauschen. „Rick, hier spricht Rick.“ Rick? „Was machst du mit Cocos Handy? Ist sie bei dir? Ist alles in Ordnung?“, fragte ich aufgebracht und ich spürte, wie mein Herz raste. „Ja, sie ist hier und ihr geht es gut. Willst du sie mal sprechen? Ich warne dich aber, sie ist ziemlich voll...“ „Was? Gib sie mir. Sofort.“ Ich wartete. „Hailey?“ „Coco! Wo bist du und was machst du?“,ich brüllte fast. „Ich bin noch im Nightmare. Bei Rick.“ gluckste sie und im Hintergrund hörte ich ein Lachen und wieder ein Rauschen, nein, kein Rauschen, das war Musik! Sie war tatsächlich noch im Nightmare.
„Wo ist dein Wagen? Er stand nicht mehr auf dem Parkplatz.“, fragte ich. „Mein Wagen? Ich weiß nicht...doch! Sam, er hat ihn genommen. Er wollte mit ein paar Kumpels zu sich nach Hause fahren...und feiern.“,sagte sie, sichtlich bemüht nicht zu lallen. „Du hast was? Sam deinen Wagen gegeben?“ Ich glaubte nicht, was ich da hörte. „Ja, was isn daran so schlimm. Ich krieg ihn ja wieder, du weißt doch, Sam ist mein Nachbar...“ „Das weiß ich, ich bin ja nicht blöd. Aber hast du dir mal überlegt, wie du nach Hause kommen willst? Und jetzt sag mir nicht, du gehst mit zu Rick!“
„Mensch Hailey, jetzt reg dich mal ab. Ich feiere doch nur... und hab meinen Spaß. Rick fährt mich nach Hause, hast du gehört, nach H-a-u-s-e. Ich werde nicht mit zu ihm gehen. Wo bist du denn? Ich kann dich hier nirgends sehen.“ „Ich bin nicht mehr im Nightmare, es ist schon nach Mitternacht, falls es dir entgangen sein sollte.“ „Ach ja, hatte ich vergessen. Rick hatte ja den Türsteher bequatscht, dass ich noch länger bleiben kann... Aber.. Moment mal, wie bist du denn nach Hause gekommen? Du wolltest doch mit mir fahren!“ „Ich bin nicht zu Hause.“ „Was? Wo denn sonst?“ „Bei Mischa-“, ich stockte. „Mischa? Wer bitte ist Mischa? Hailey? Jetzt sag du mir bitte nicht, dass du mit zu einem fremden Typen gefahren bist und bei ihm übernachtest!“ „Ich-“, sie hatte recht. Da hatte ich ihr vorhin noch den größten Vortrag gehalten und jetzt war ich es selbst, die bei einem mir fremden Jungen ins Auto gestiegen und zu ihm nach Hause gefahren war. „Hailey? Sag mir, dass das nicht wahr ist! Wenn doch, dann bin ich echt sauer! Du darfst dir jeden Spaß erlauben und ich? Ich bleibe auf der Strecke!“ Ich wusste keine Antwort. „Weißt du was, wir unterhalten uns morgen! Ich komme gegen Mittag zu Danny, da wirst du ja sein nehme ich an?! Und dann wirst du mir alles erzählen, hast du gehört?“ ,Coco war aufgebracht, aber dann lachte sie, „Hör auf, Rick, das kitzelt!“, rief sie und dann war sie weg. Ich hörte nur noch ein langes „Tuuuut“.
„Alles in Ordnung, Hailey?“ Mischa hatte seinen Wagen abgeschlossen und war neben mich getreten. Ich nickte. „Coco, ihr geht es gut. Sie ist noch im Nightmare.“ „Was ist mit ihrem Wagen?“ „Sam, ein Freund, er hat ihn. Ist auch egal, sie sind Nachbarn.“ „Siehst du, alles gut gegangen. Du musst dir keine Sorgen mehr machen... Was ist? Willst du mit reinkommen?“, fragend hob Mischa eine Augenbraue. Auch wenn das total gegen meine Prinzipien verstößt. Ich konnte -wollte sein Angebot nicht ausschlagen. Jetzt war es sowieso egal, ich war nicht besser als Coco und Lily würde mir die Hölle heiß machen, wenn sie davon erfährt. Außerdem lockte mich seine Nähe, sein Atem in meinem Gesicht und seine Hände auf meinen Schultern... Ich schüttelte meinen Kopf. Hailey, du gehst zu weit!, ermahnte ich mich. „Ja, ich komme mit. Aber nur unter einer Bedingung, ich schlafe auf der Couch und du in deinem Bett!“,sagte ich energisch, so konnte ich wenigstens eines meiner Prinzipien aufrecht erhalten. Mischa lachte. „Nein, nur wenn du in meinem Bett schläfst und ich auf der Couch! Schließlich bin ich ein Gentleman!“ Ich lachte ebenfalls. „Na schön, wie du willst!“, sagte ich und hackte mich bei ihm ein.
… Seine Wohnung war nicht sonderlich groß. Wir standen in einem schmalen Flur, während ich meine geschwollenen Füße aus meinen hohen Schuhen quälte. Tut das gut! Mischa zog sich ebenfalls seine Schuhe aus und betrat den Raum, gleich neben der Eingangstür zu meiner rechten.
Die Küche, stellte ich fest, nachdem ich ihm gefolgt war. „Willst du was trinken? Oder essen?“, fragte er mich, während er sich ein Glas Milch einschenkte. „Nein, danke. Ich bin einfach froh, endlich schlafen zu können.“,sagte ich müde. „Das Bad ist gleich neben an. Du kannst dich waschen und ich bring dir ein Hemd von mir, dass kannst du über Nacht anziehen. Natürlich nur, wenn du willst.“,sagte Mischa und nickte in Richtung Flur. Ich lächelte schwach. „Danke.“,gähnend stand ich auf und trat aus der kleinen Küche in den Flur. Es gab insgesamt vier Türen, wenn man die Eingangstür nicht mit zählte. Ich ging an der Garderobe vorbei, wo zwei Jacken hingen und ein paar Schuhe standen, unter anderem meine. Die Badezimmertür stand halb offen, ich ging hinein und schloss die Türe ab. Kurz schaute ich mich um, neben den gewöhnlichen Dingen, wie Dusche und Toilette gab es ein kleines Waschbecken, über welchem ein Spiegelschrank angebracht war. Ich legte meinen Schmuck ab und wusch mir das Gesicht, mit milder Seife, die auf dem Waschbeckenrand lag. Dann griff ich wahllos nach einem Handtuch. Während ich mir das Gesicht abtrocknete, roch ich an dem Handtuch. Der Duft war ein Gemisch aus Männerparfüm und Seife, es roch ausgesprochen gut. Schließlich legte ich das Handtuch wieder weg und betrachtete mich im Spiegel. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, das meine Schminke – ohne jegliche Restbestände – abgegangen war. Dann klopfte es leise an der Tür. „Hailey? Ich hab hier ein Hemd für dich.“ ,sagte Mischa. „Oh, ja, warte, ich schließe auf.“ ,antwortete ich und schloss die Türe auf. Mischa lächelte mir entgegen. „Ich hoffe, du hast dich zurecht gefunden?“ „Ja, ...ich hoffe, es war in Ordnung für dich, dass ich dein Handtuch benutzt habe?“ „Sicher, hier. Ich hab einfach irgendeines genommen.“ Er hielt mir ein dunkelgrünes Hemd entgegen. Ich griff danach und lächelte ihm dankbar entgegen. „Dann will ich mich mal umziehen.“, sagte ich und wartete, dass Mischa sich umdrehte und ging. „Ja, ich bereite schon mal dein Bett vor...“, damit drehte er sich um und verschwand im Raum gegenüber der Küche. Ich schloss die Türe wieder und begann mich auszuziehen. Meine Sachen legte ich auf eine Kommode neben der Dusche. Ich behielt bloß meine Unterwäsche an und zog mir dann sein Hemd über, doch ich musste feststellen, dass dieses Hemd keine Knöpfe hatte. Das konnte ich wohl kaum so anlassen. Ich überlegte. Mir blieb nichts anders übrig, als Mischa nach einem anderen Hemd zu fragen, also schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper und zog das grüne Hemd so gut wie es ging zu. „Mischa?“ Ich blickte zu dem Zimmer, wo er eben reingelaufen war, doch das Zimmer schien leer. „Ja? Stimmt was nicht?“ Ich fuhr herum, Mischa kam aus einem anderen Raum, gegenüber des Bades. „Ich.. also, das Hemd. Man kann es nicht zu machen, es hat keine Knöpfe.“, sagte ich. „Oh, das wusste ich nicht. Warte ich hole dir ein anderes.“ Mischa verschwand wieder in dem Raum gegenüber der Küche und kam nach ein paar Augenblicken mit einem roten Hemd in der Hand wieder raus. „Dieses hat Knöpfe, ich hatte es vor ein paar Tagen an, ich hoffe, dir macht es nichts aus, dass es getragen ist. Ich würde dir gerne ein sauberes geben, allerdings bin ich mit solchen Dingen nicht allzu gut ausgestattet.“ Mischa hielt mir ein leicht zerknittertes Hemd hin. „Das macht mir nichts aus. Wirklich, das geht schon in Ordnung. Ich kann froh sein, dass du mich überhaupt mit zu dir genommen hast. Also werde ich deine Gastfreundschaft nicht überstrapazieren!“ Er lachte. „Glaub mir, das tust du nicht. Ich freue mich über ein bisschen Gesellschaft.“ Ich lächelte. „Na dann, auf ein neues.“,sagte ich und verschwand im Bad. Ich schlüpfte aus dem grünen und hatte bereits einen Arm in dem roten Hemd, als Mischa plötzlich im Türrahmen stand. „Ach ja, falls-“, er stockte. Ich erstarrte. „Oh, Hailey, entschuldige, ich wollte nicht... ich dachte... du hättest die Türe abgeschlossen..aber als ich angeklopft habe, ist die aufgegangen..“, sofort drehte er sich um und ich starrte in seinen Rücken.
Ich musste ultrarot sein. Schnell schlüpfte ich mit dem zweiten Arm in das Hemd und knöpfte es hastig zu. So viel zu meinen Prinzipien! Mischa hatte mich gesehen, nicht dass das schlimm war, aber ich war fast nackt gewesen! Wie peinlich! „Ich.... ich bin fertig. Du kannst dich wieder um...drehen.“ stotterte ich. Mischa wand sich mir wieder zu. Er war nicht weniger rot, wie ich mich fühlte. „Tut mir leid, das war wirklich nicht meine Absicht.“,entschuldigte es sich nocheinmal. Ich nickte nur. „Eigentlich wollte ich dir nur sagen, wo du eine unbenutzte Zahnbürste finden kannst, da-“, er zeigte auf die Kommode. „drinnen.“ „Ok, danke.“ Unschlüssig standen wir uns gegenüber. Wie war das noch? Ich wurde nicht nervös gegenüber Jungen? Diese Regel galt hier anscheinend nicht. Mischa war eindeutig eine Ausnahme. Ich war nervös. „Also...“, Mischa kratzte sich am Kopf, wobei sich eine seiner blonden Locken um seinen Finger wickelte. „Ich geh dann mal... in die Küche.. die Milch, ich muss sie noch in den Kühlschrank stellen, sonst wird sie schlecht...“. Verlegen wand er sich ab. „Mach das.“,mehr brachte ich nicht heraus. Schließlich hockte ich mich hin und nahm mir eine der Zahnbürsten, um mir meine Zähne zu putzen....
… „Du kannst jetzt ins Bad, ich bin fertig.“ ,sagte ich und trat in den Flur. Mischa kam aus der Küche. „Ok, dann mal eine gute Nacht. Wenn du noch was brauchst, dann meld dich einfach.“
„Danke.“, sagte ich und steuerte auf das Zimmer gegenüber der Küche – seinem Schlafzimmer- zu.
Dann drehte ich mich noch einmal zu ihm um und sagte: „Schlaf gut, Mischa. Und noch mal danke für alles.“ „Nichts zu danken. Träum was schönes.“, antwortete Mischa und verschwand im Bad. Ich schaute ihm noch nach, dann ging ich in sein Schlafzimmer. Es war ebenfalls nicht größer als die anderen Räume. Das Doppelbett nahm den gesamten Raum ein und ließ nur wenig Platz für einen Kleiderschrank. Ich kroch in das Bett und zog mir die Decke bis zur Brust. Es brannte kein Licht, der einzige Lichtstrahl kam aus dem Badezimmer und fiel nur schwach in das Schlafzimmer, dessen Tür ich nicht geschlossen hatte, ich schaute in den Flur, was ich wohl besser nicht getan hätte, jedenfalls wäre es angebrachter gewesen, denn kaum lag ich ruhig im Bett, trat Mischa nur bekleidet mit einer dünnen Schlafanzughose aus dem Bad. Er konnte mich nicht sehen, oder wenigstens denken, ich würde schon schlafen. Aber das tat ich nicht, im Gegenteil. Ich sah ihn und sein Anblick ließ mich hellwach werden. Ich konnte seinen nackten Oberkörper sehen, seine muskulösen Arme, sein flacher Bauch, der leichte Muskeln erahnen ließ. Wow, Mischa war eindeutig mein Typ. Greif ihn dir! Hörte ich Cocos Stimme in meinem Kopf. Coco!, wollte ich sagen und sie ermahnen. Doch natürlich wäre das sinnlos gewesen, schließlich konnte sie mich nicht höre. Aber, so jemand war ich nicht. Nur weil ich jemanden attraktiv fand, würde ich nicht gleich alles mit ihm machen. Aber Träumen war erlaubt, das verstieß schließlich nicht gegen meine Prinzipien.
Bei dem Gedanken musste ich lächeln und schloss meine Augen, was mich zugleich von Mischas Anblick befreite und mich in einen tiefen Schlaf schickte.
… Sanfte Sonnenstrahlen weckten mich. Ich blinzelte, wo war ich? Ich streckte und richtete mich auf. Mischa! Richtig, ich war bei Mischa zu Hause... im Bett. Ich erinnerte mich, oder besser meine Kopfschmerzen erinnerten mich zwangsweise an gestern Abend. Ich musste nur auf meinen Handrücken schauen, um zu wissen, woher sie kamen. 12 Striche und 30 $ ärmer. Seufzend stand ich auf. Mein Blick fiel auf den Wandspiegel, ich sah furchtbar aus, meine Haare standen in alle Himmelsrichtungen. Klasse! Versuchsweise versuchte ich sie zurecht zu zupfen, es hatte wenig Zweck. Schließlich schaute ich in den Flur, dort war alles still. Ob Mischa schon auf war? Ich beschloss erstmal ins Bad zu schlüpfen, wo ich mich frisch machte. Ich wechselte wieder in meine Klamotten und wusch mich. Im Spiegelschrank suchte ich nach einer Bürste, doch stattdessen fand ich kleine Fläschchen mit parfümartigen Mixturen. Wahllos griff ich eines der Fläschchen, schraubte es auf und roch daran. Der grünliche Inhalt roch nach... Wiese? Ich überlegte und roch noch einmal. Minze? Zitrone? Ich konnte es nicht genau sagen, jedenfalls erfrischend und frühlingshaft. Ich stellte es zurück und nahm ein weiteres. Noch schwieriger, dachte ich. Es roch nach Kräutern oder so, ziemlich stark. Ich ließ es bleiben, noch länger darüber nachzudenken. Was auch immer der Grund dafür war, dass Mischa solche Mixturen in seinem Badezimmer aufbewahrte, ich konnte mir nicht vorstellen, dass diese sein Parfüm, oder Rasierwasser waren. Schulterzuckend schloss ich den Schrank und gab es auf, nach einer Bürste zu suchen.
Ich ging in die Küche, auch hier schien bereits die Sonne und wärmte die Fließen unter meinen Füßen. Ich suchte mir ein Glas und nahm mir die Milch aus dem Kühlschrank, als Mischa im Türrahmen erschien. „Guten Morgen, Mischa.“, begrüßte ich ihn. „Morgen“,murmelte er. Mischa wirkte noch ziemlich verschlafen und seine Haare waren ebenso zerzaust wie meine, als ich aufgestanden war. Für einen kurzen Moment glaubte ich, er müsste erst überlegen wer ich war. Erst als er mich fragte, ob ich gut geschlafen hätte, schien er sich sich richtig zu erinnern. „Ja, dein Bett ist klasse. Ich hoffe, du kannst das gleiche von deiner Couch behaupten, sonst hätte ich nämlich ein ziemlich schlechtes Gewissen.“, sagte ich. Er lachte. „Soll ich uns was zum Frühstück machen?“, fragte er dann. „Ne, lass mal. Ich bin wirklich lang genug hier gewesen. Ich muss jetzt erstmal nach Hause und außerdem-“ ,mein Blick fiel auf die Küchenuhr. „muss ich in einer Stunde in Dannys Restaurant sein. Mein Aushilfsjob.“ Ich erhob mich. „Warte doch, ich kann dich fahren.“, sagte Mischa. „Ist schon ok, wirklich, ich nehm den Bus. Ich weiß ja, wo die Haltestelle ist, schließlich wohnt Coco nicht weit. Kümmere dich erstmal um dich. Ich hab dich jetzt lang genug mit meiner Anwesenheit genervt.“, sagte ich. Mischa schaute mich bestürzt an. „Du nervst mich nicht.“, sagte er dann. Ich lachte. „Wie auch immer, ich geh jetzt und-“, weiter kam ich nicht. „Sehen wir uns wieder?“, fragte Mischa unmittelbar und schaute mich fragend an. „Sicher...warum nicht?“,antwortete ich überrascht. Er lächelte, was hinreißend aussah. „Du arbeitest also im „Danny eats and drinks“?“, fragte er. „Ja, genau.“ „Hm.“ Ich merkte, wie ich nervös wurde, also Zeit zu gehen. „Also... Mischa. Ich geh dann jetzt. Wir sehen uns.“, ich rauschte an ihm vorbei, zog meine Schuhe an und hängte mir meine Tasche um. Mischa stand an der Tür und öffnete sie, als ich fertig war. Ich stieg die ersten Stufen hinunter. „Hailey?“ ,ich drehte mich um. „Ja?“ „Der Abend mit dir war sehr schön. Danke dafür.“ „Ach... nichts zu danken. Immer wieder gerne.“, erwiderte ich. „Ich werde drauf zurück kommen.“,lachte er und hob zum Abschied die Hand. Ich tat es ihm nach, dann war er in seiner Wohnung verschwunden und ich machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle...
….Als ich in unsere Straße einbog, sah ich Lily, die gerade dabei war, die Wäsche aufzuhängen.
Sie sah mich kommen und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung dafür, dass ich mir die halbe Nacht die größten Sorgen um dich gemacht habe?“,begrüßte sie mich. „Dir auch einen schönen guten Morgen, Lily.“,gab ich zurück. „Hailey! Lenk nicht ab. Wo warst du?“ Sollte ich ihr die Wahrheit sagen? „Ich hab bei Coco geschlafen. Es war schon spät-“ „Hailey! Lüg mich nicht an! Ich hab Cocos Mutter heute morgen auf dem Markt getroffen, sie hat mir erzählt, dass Coco erst nachts um 2 Uhr nach Hause gekommen ist. Sie war mit einem fremden
Jungen unterwegs. Also?“ Aufgebracht sah mich an. Ich überlegte fieberhaft, was ich ihr sagen sollte. Blieb mir überhaupt eine andere Möglichkeit, als die Wahrheit zu sagen? „Lily, ich …. ich hab bei einem Jungen übernachtet.“ Jetzt war es raus. „Einem Jungen? Einem fremden Jungen?“
„Ja... aber Mischa ist-“ „Das ist mir herzlich egal, wer er ist oder wie er ist, Hailey! Du hättest wenigstens Bescheid sagen können! Ich hätte dich abgeholt und mir keine Sorgen mehr machen müssen!“ „Abholen? Etwa zu Fuß? Lily, das ist lächerlich!“, rief ich. „Nein, das ist es nicht, das ist nur vernünftig. Aber zu so was bist du ja anscheinend noch nicht in der Lage, mein liebes Kind. Lass dir eines gesagt sein, nächsten Freitag bleibst du zu Hause. Keine Party, kein Club! Und ab heute eine Woche Hausarrest.“ ,damit warf sie wütend eine Wäscheklammer in den Korb. Ich starrte sie an. „Hausarrest? Lily, das ist-“ „Was? Nicht fair, vielleicht? Na warte, wenn dir das nicht genug ist, dann verlängere ich gerne um eine Woche.“ „Ich... oh, Lily. Du bist nicht meine Mutter!“, warf ich ihr wütend an den Kopf und rannte ins Haus, vorbei an Penny, die mir im Schlafanzug entgegen kam, in meine Zimmer, schloss die Türe und warf mich auf mein Bett. Ich heulte nicht. Ich lag einfach nur da und rührte mich nicht. Ich bereute, was ich zu Lily gesagt hatte, das hatte sie nicht verdient. Aber es war mir rausgerutscht. Zu spät. Scheiße. Genervt von mir selber erhob ich mich von meinem Bett, mir blieb keine Zeit, mich selbst zu bemitleiden, schließlich musste ich in einer halben Stunde bei Danny sein. Ich griff nach einem dunkelblauen Top und einem Jeansrock, damit verschwand ich im Bad und duschte mich. Das Wasser tat richtig gut und ich fühlte mich sogar ein bisschen besser, nachdem ich fertig war. Zügig schminkte ich mich ein wenig und verließ das Bad. Meine rote Tasche lag auf meinem Bett, ich zählte noch das Geld, was ich hatte und verließ schließlich ohne ein weiteres Wort das Haus. Doch Lily war noch immer im Garten, sie blickte mich an. „Ich hole dich nachher bei Danny ab, wenn deine Schicht zu ende ist. Ich bekomme Gabriels Auto, dann müssen wir nicht laufen.“ ,Sie sagte das, ohne jegliche Betonung. Ich konnte ihre Stimmung nicht einschätzen. Das wollte ich aber auch gar nicht. Mir blieben 10 Minuten....
...Und zehn Minuten kam ich zu spät. Ich hatte Glück, Danny war noch nicht hier, und es war kaum was los. Einerseits zu spät für Frühstück, anderseits zu früh, um Mittag zu essen. Ich betrat das Restaurant und ging hinter den Tresen, wo ich in einer der Schubladen meine Tasche verstaute und meine Schürze herausholte. Während ich sie mir umband, trat Fiona aus der Küche, in der Hand zwei Salate. „Ach, Hailey. Schön das du auch endlich kommst. Ich wollte schon Danny anrufen.“,sagte sie unfreundlich. „Was? Um mich zu verpetzen?“, giftete ich sie an. „Oho, auch noch zickig werden. Scheinst ja nicht gerade die beste Laune zu haben. Schlecht geschlafen?“, fragte sie süffisant. Ich schickte ihr einen vernichtenden Blick zu. Fiona lachte und warf sich ihre blonde Mähne kokett in den Nacken. Biest! Dachte ich und widmete mich schlecht gelaunt den zu spülenden Gläsern zu. Das konnte ja ein Tag werden.... ich begann zu spülen, ein Glas nach dem anderen und dabei ignorierte ich Fiona vollkommen. Stattdessen wanderten meine Gedanken zu Mischa. Wäre ich doch nur bei ihm geblieben. Dann hätte ich mir das alles ersparen können, dachte ich. Was er wohl jetzt machte? Ich wusste es nicht. Ich wusste gar nichts über ihn. Arbeitete er? Ging er noch zur Schule? Lebte er alleine? Oder waren seine Eltern nur nicht zu Hause gewesen? Aber ich hatte doch alle Räume gesehen, oder? Nein! Ich war nicht im Wohnzimmer gewesen. Vielleicht gab es dort ja noch einen weiteren Raum? Das Elternschlafzimmer? Möglich wäre es.
Vielleicht hatte er auch eine Freundin. Bei diesem Gedanken bekam ich ungewollt einen Stich im Bauch. Was ging mich das an? Ich sah das Bild von gestern Nacht vor meinen Augen, sein nackter Oberkörper. Mischa war vergeben. Da war ich mir sicher. Ich seufzte und stellte das letzte Glas zum Abtropfen auf die Spüle. „Die Arbeit scheint ja wirklich schrecklich zu sein, dass du sooo herzzerreißend seufzen musst.“ Ich wurde aus meinen Gedanken geholt und dachte schon Fiona wollte sich wieder über mich lustig machen, doch vor der Theke stand Coco....
...“Coco.“, sagte ich erleichtert und wirklich froh, sie zu sehen. Sie lächelte mir entgegen. „Hailey.“,sagte sie. „Du hast dir die Haare frisch gefärbt.“,stellte ich fest. „Ja, wie gefällt dir das rot? Ich dachte, nach so lange blond, musste mal was neues her. Na was sagst du?“ „Sie klasse aus! Rot passt viel besser zu deinen grauen Augen.“ „Ja, das hat Rick auch schon gesagt. Schön, dass es dir gefällt!“ „Rick?“ „Ja, ich war heute morgen bei ihm, er wohnt neben Fisher´s, du weißt schon, der Supermarkt, wo Lily arbeitet.“ „Ja, klar.“ „Das hört sich aber nicht begeistert an?! Was ist los?“,fragte Coco. Ich nahm das Trockentuch in die Hand und begann die Gläser abzutrocknen. „Lily, ich hatte einen kleinen Streit mit ihr. Wegen heute Nacht.“ „Ah, daher weht der Wind. Mach dir nichts draus.“ Coco setzte sich auf einen der Barhocker und zupfte sich an ihren Haaren herum.
„Meine Mutter hat heute Morgen auch nen ganz schönen Aufstand gemacht. Wegen Rick, er hatte mich nach Hause gebracht. Na ja, es war bereits 2 Uhr oder so, aber hallo? Ich meine, ich bin jung und will was erleben, da kann es halt schon mal später werden. Meine Mutter jedenfalls hat Rick gleich mit ins Haus genommen und ihn eine halbe Stunde ins Kreuzverhör genommen, während sie mich hoch geschickt hatte, damit ich mich bettfertig machte. Was ich natürlich nicht gemacht habe, stattdessen habe ich gelauscht und schon gedacht, dass Rick nun endgültig die Nase voll von mir hat, nachdem meine Mutter so mit ihm gesprochen hatte. Ich meine, über was sie mit ihm gesprochen hat. Verhütung und so nen Kram. Hallo? Bin ich zwölf? Na ja, jedenfalls. Wo war ich? Ach ja, ich durfte ihn dann noch an die Haustür bringen und dann hat er mich doch tatsächlich gefragt, ob ich ihn nicht besuchen wollte! Kannst du dir das vorstellen? Ein Junge hat mich gefragt!
Nicht das ich noch nie einen Jungen so gekannt habe wie Rick, aber …. das mit ihm ist schon wirklich toll.“, ,schwärmte Coco und schaute dabei gedankenverloren auf ihre Fingernägel. „Das freut mich wirklich für dich. Rick, er ist wirklich nett, das kann ich nicht anders sagen und solange er dich glücklich macht. Vielleicht können wir ja mal was zu dritt unternehmen.“ ,schlug ich vor. „Oder besser zu viert.“, sagte Coco. Ich blickte sie verwirrt an. „Bist du schwanger?“ „Ach nein, Hailey. Ich meine Du, Rick, S-“ „SAM?“ Entgeistert ließ ich das Geschirrtuch fallen. Coco fing an zu lachen. „Dein Blick, echt genial!“ ,prustete sie. „Also, wenn ich ehrlich sein soll, ich find das nicht komisch, Coco.“ „Ich aber. Nein, nein, Scherz beiseite.Ich rede nicht von Sam, ich rede von Mischa.“ „Mischa?“ „Ja, so heißt er doch? Der Typ von der Bar gestern. Bei dem du übernachtet hast, wovon du mir im Übrigen noch alles erzählen musst!“,erwartungsvoll blickte sie mich an. Ich spürte, wie mir sämtlich Röte ins Gesicht stieg. „Ahh Hailey, so rot wie jetzt warst du noch nie! Sag, was ist passiert? Habt ihr euch geküsst?“, sie wartete ab, ob ich etwas sagte und lehnte sich weit über den Tresen. Doch ich war nicht in der Lage etwas zu antworten. „Nein, ihr habt doch nicht etwa miteinander-“,begann Coco laut zu quietschen. Ich konnte sie gerade noch rechtzeitig unterbrechen. „Coco!“, zischte ich und im gleichen Moment drehten sie sämtliche Gesichter zu mir. Einschließlich Fiona, die nun interessiert näher kam. „Nicht so laut.“, sagte ich zu Coco gewandt. Coco kicherte. „Du bist mir aber noch eine Antwort schuldig!“, sagte sie, bevor sie sich zu Fiona wand, die nun neben ihr erschienen war. Zum ersten Mal war ich Fiona dankbar, dass sie aufgekreuzt war, so blieb ich Coco eine Antwort schuldig, die ich eigentlich beruhigend mit einem nein hätte beantworten können, doch irgendwie war es mir doch peinlich, obwohl ja gar nichts passiert war. „Coco, du sollst Hailey doch nicht ständig von der Arbeit abhalten.“, schimpfte Fiona gespielt. „Ach Finchen, ich unterstütze meine Freundin bloß und sage ihr wo das Glas noch feucht
ist, aber davon hast du ja keine Ahnung.“, konterte Coco geschickt und Fiona lief mindestens genauso so rot an wie ich zuvor. Sich schnaubte verächtlich und marschierte ohne mich oder Coco noch eines Blickes zu würdigen in die Küche. Wir mussten los lachen und bekamen uns nicht mehr ein. „Also, was ist passiert? Ich meine, zwischen Mischa und dir?“, fragte sie, als wir uns beruhigt hatten. „Nichts.“, gab ich zurück. „Nichts? Kein Kuss? Noch nicht mal annähernd?“ Ich schüttelte den Kopf. Coco wirkte enttäuscht. „Ich hatte mich schon auf ne ganz heiße Story gefreut.“, schmollte sie. „Da muss ich dich wohl enttäuschen.“ „Ich merks.“,sagte sie. „Aber, vielleicht hast du mir ja was zu erzählen?“, fragte ich und mir entging das Leuchten in ihren Augen nicht. „Rick und ich, wir steigern uns langsam. Heute Nacht hatte er mich bloß umarmt, eben gab es zum Abschied schon ein Küsschen auf die Wange...“, mit eine leichten Bewegung fasste Coco sich an ihre Wange und seufzte. Ich lächelte. „Du hast sein Angebot also direkt angenommen und hast ihn besucht?“ ,fragte ich. „Ja, er wohnt mit einem Kumpel zusammen in einer kleinen Wohnung, voll knuffig. Heute Abend will er mir seine Plattensammlung zeigen! Ist das nicht toll?“ „Ja, scheint ja wirklich was Ernstes mit euch werden zu können!“ ,freute ich mich. „Ja, das kann es durchaus, aber nun endgültig genug von mir, wie sieht es bei Mischa und dir aus? Kann da auch mehr werden?“ Ich überlegte, konnte es mehr werden? „Wir kennen uns ja noch nicht...“ „Ach Hailey, als wäre das eine Ausrede! Ich kenne Rick genauso lange, wie du Mischa!“ Das stimmte. Aber war es das gleiche? „Ich weiß es noch nicht...“ „Aber ihr seht euch doch wieder, oder?“ „Ich denke schon...“ „Na also! Das wird schon. Er sah doch wirklich nett aus... mit seinen Löckchen!“ Ich musste Lachen. „Ja, da hast du recht.“ ,und wenn sie wüsste das nicht nur seine Locken so toll an ihm waren... Ich lächelte. „So, machst du mir noch ne Cola? Nach dem ich so viel geredet habe, ist mein Mund ganz trocken.“ ,fragte sie. Ich nickte und griff nach einem Glas. „Na, meine Damen, wieder mal beim Kaffekränzchen?“ Ich schaute auf, Danny war gekommen. „Hallo Danny!“,begrüßten Coco und ich ihn gleichzeitig. Er lachte. „Und alles im grünen Bereich?“ „Klaro, güner als grün.“,sagte Coco und zwinkerte mir zu. Ich wurde rot. „Na dann. So, ich muss jetzt die neue Lieferung entgegennehmen, würdest du mir helfen Hailey?“ ,fragte Danny. „Klar, kein Problem. Sorry, Coco-“ „Ach, schon ok, schließlich bist du ja zum Arbeiten hier. Ich trink noch schnell meine Cola und dann hau ich ab.“ „Ok.“, antwortete ich und reichte ihr das Glas mit der Cola.
Danny und ich verließen das Restaurant und Danny winkte den Lieferanten herbei. Ich schaute nochmal zurück zu Coco, ich sah gerade noch, wie sie Fiona die Zunge rausstreckte und mir schließlich ein Zeichen machte à la „Wir telefonieren morgen“. Ich nickte ihr zu und nahm die erste Kiste mit Lebensmitteln entgegen...
… Endlich stellte ich die letzte Kiste in den Vorratsraum. Puuhh. Zum Glück musste ich das nicht immer machen! Ich lächelte, außerdem musste beim nächsten Mal Fiona helfen. Ich ging zurück an die Theke, ein Gast wollte bezahlen. Ich reichte ihm die Rechnung und bedankte mich für das Trinkgeld. „Ich mach jetzt Schluss.“, sagte Fiona und zählte ihr Trinkgeld. „Ist ok, bis morgen dann.“, verabschiedete sich Danny, der gerade die Abrechnung machte. Ich sagte nichts, woraufhin Danny mich mit hoch gezogenen Augen musterte. Ich zuckte nur mit den Schultern. Er schüttelte nur mit dem Kopf und murmelte irgendetwas, dass sich wie „Typisch Mädchen“ anhörte. Fiona verschwand. Ich warf einen Blick auf die Uhr über der Theke. Noch drei Stunden, dann konnte auch ich endlich nach Hause gehen, oder besser, mich abholen lassen. Ich seufzte und griff nach einem Lappen und begann einen der Tische zu reinigen. „Diese Ohrringe stehen dir ausgezeichnet.“ Ich hielt im Putzen inne und schaute mich verwirrt um, vor mir stand niemand geringeres als.....Mischa und hielt mir meine silbernen Ohrringe entgegen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Mischa.“, begrüßte ich ihn, wobei es mehr ein Flüstern war. „Hailey, ich dachte, ich besuch dich mal, nach dem du ja heute morgen so schnell aufbrechen musstest und wir keine Zeit mehr hatten, zusammen zu Frühstücken.“ „Ich...-“ „Du?... Hier, deine Ohrringe, du hattest sie bei mir liegen gelassen.“ „Danke.“ Ich nahm die Ohrringe aus seiner Hand. Mischa schaute sich um. „Hier war ich noch nie drinnen. Schön ist es hier.“ „Ja, das ist es. Ich arbeite gerne hier. Danny und seine Leute sind nett und wegen des Trinkgeldes kann ich mich nicht beschweren.“, sagte ich, nach dem ich meine Stimme wieder gefunden hatte. Warum war ich plötzlich so nervös? Ich musste an das Gespräch mit Coco denken. Konnte aus Mischa und mir mehr werden? Ich blickte ihn an und er schaute in meine Augen. War ich zu schnell? Ich meine, konnte ich jetzt
schon überlegen, dass zwischen uns mehr werden könnte? Selbst wenn wir uns erst seit wenigen Stunden kannten? Und rein gar nichts passiert war? „Ich hatte mich schon auf ne ganz heiße Story gefreut.“ - hörte ich Cocos Stimme in meinem Kopf. Ich wusste es nicht. „Alles in Ordnung?“, fragte er schließlich und lächelte. „Ja, alles in Ordnung. Möchtest du was trinken?“ ,lenkte ich ab. „Gerne. Was empfiehlst du mir,denn?“,sein Blick löste sich noch immer nicht von mir, was mich nur noch nervöser machte. „Einen Milchkaffee?“ „Wenn du das sagst.“ Wenn er wüsste, wie das ist... ihn so
lächeln zu sehen!
Steif ging ich zur Theke, Mischa folgte mir und ließ sich auf einem Barhocker nieder. Ich bediente den Kaffeeautomaten. Danny stand auf und verschwand in der Küche. „Ist er dein Chef?“, fragte Mischa und blickte Danny nach. „Ja, das ist Danny.“, sagte ich und stellte Mischa den Kaffee hin.
Ich hatte ihm sogar zwei Kekse dazu gelegt. „Vielen Dank.“ Er griff nach dem Zucker und der Milch. „Noch mehr Milch in einen Milchkaffee?“, fragte ich erstaunt. „Ich liebe Milch. Davon kann ich nie genug bekommen.“ „Ich kann mich erinnern, du hast gestern Abend Milch getrunken und heute morgen habe ich nichts anderes in deinem Kühlschrank gefunden.“, stimmte ich ihm zu. „Siehst du, wir kennen uns schon besser, als manch altes Ehepaar.“ Er lächelte und schaute mir in die Augen. Meine Gesichtsröte nahm innerhalb von Sekunden zu. Sollte das etwa eine Anspielung sein? Ich konnte nicht länger darüber nachdenken, ein Gast winkte mich zu sich. „Oh, ich muss kurz zu dem Gast.“, sagte ich zu Mischa und ging zu dem Tisch, an dem ich erwartet wurde.
Ich war verwirrt. Mischa brachte mich wirklich um den Verstand. Wie machte er das nur? Ich war nie nervös gegenüber einem Jungen gewesen! Außer vielleicht in der fünften Klasse, als ich in Jimmy verliebt war. Verliebt?
War ich etwa in Mischa verliebt? Ich starrte vor mich hin. Konnte das sein? Nach vielleicht zwölf Stunden? Konnte ich da schon verliebt sein? Oder dachte ich nur, dass ich es war? Oh man, war ich verwirrt! „...wechseln?“ „Was? Entschuldigen sie, was haben sie gerade gesagt?“ Der Gast lächelte, „Ich habe gefragt, ob sie mir den Zehner wechseln könnten?“ „Oh,... ja, natürlich.“ Ich durchsuchte mein Portmonee und gab ihm schließlich das Wechselgeld. „Danke, bitte sehr.Und stimmt so.“ Ich schaute in meine Hand. Wow, sieben Dollar Trinkgeld. „Vielen Dank!“, sagte ich überrascht. Der Gast lächelte und warf Mischa einen Blick zu, „Dann können sie sich mit ihrem Freund einen schönen Abend machen.“ „Was? Er ist nicht mein Freund. Er ist nur-“ „So wie der sie ansieht, denke ich nicht, dass es nur mit ihnen befreundet ist.“, sagte der Gast und zwinkerte mir zu. Ich schaute zur Theke und begegnete Mischa Blick. Seine Augen, sein Blick... Ich war verliebt. Nach nur zwölf Stunden war ich tatsächlich verliebt. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. In meinem Bauch begann es zu kribbeln, sicherheitshalber hielt ich mich an dem Tisch fest. Ich glaube, ich hatte vergessen zu atmen, denn mir wurde kurz schwindelig, als ich das merkte holte ich tief Luft. „Danke, für das Trinkgeld. Schönen Tag wünsche ich ihnen noch.“, sagte ich ,ohne Mischa aus den Augen zu lassen. „Den wünsch ich ihnen auch, junge Dame.“ ,der Gast erhob sich und zog seine Jacke an. Ich wartete, bis er das Restaurant verlasse hatte, bis ich meinen Blick kurz von Mischa abwandte, um die leere Tasse von dem Tisch zu nehmen. Wie elektrisiert ging ich zurück zum Tresen...
… Mischa lächelte und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, ich steckte die Tasse in die Spülmaschine. „Wie machst du das nur?“, fragte ich. Er schaute auf. „Was mache ich wie?“ Ich ging zu ihm hin. „Mich so .. zu verunsichern? Ich bin normalerweise nicht so....nervös.“ „Mach ich das?“ „Ja, und wie.“ „Ist das schlimm?“, fragte er. Ich schaute ihm in die Augen. „Irgendwie … nein. Ich glaube nicht.“, hauchte ich unter seinem Blick. „Dann ist ja gut.“, flüsterte er zurück und ich zuckte zusammen, Mischa hatte meine Hand berührt. Er lächelte vorsichtig, wartete, dass ich es ihm gleich tat. Ich tat es. Erst zaghaft. Dann wurde mein Lächeln immer größer. So standen wir uns gegenüber, bestimmt mehrere Minuten, ohne dass einer von uns ein Wort sagte. Wir standen einfach nur da und schauten uns lächelnd an. Ich hätte mein Leben lang so stehen bleiben können, oder sogar noch länger. Gab es etwas noch schöneres? Vielleicht ein Kuss … von Mischa? Mein Blick wanderte zu seinen Lippen. Sie sahen weich aus und wunderschön. Dann hörte ich ein Räuspern hinter mir. Sofort schreckte ich zurück und merkte erst jetzt, dass ich mich näher zu Mischa gebeugt hatte, während ich seine Lippen bewundert hatte. Wer weiß was passiert wäre, wen Danny nicht hinter mir aufgekreuzt wäre. Auch Mischa war aufgeschreckt. „Ich wollte euch Turteltauben ja nicht stören, aber Hailey, du solltest arbeiten, Magareth braucht dich in der Küche.“, sagte Danny ernst. „Natürlich. Ich gehe sofort.“, antwortete ich und warf Mischa einen Blick zu. Er sah ein bisschen enttäuscht aus. „Ich muss so wieso gehen. Sir, es war mein Fehler, dass ich Hailey von der Arbeit abgehalten habe, es tut mir leid.“, sagte Mischa, stand auf und legte das Geld für seinen Kaffee auf den Tresen, nicht ohne Trinkgeld. „Auf wiedersehen.“, sagte er zu Danny gewandt. Dieser nickte und ging dann zu einem Gast, der etwas bestellen wollte. „Wann sehe ich dich wieder?“, fragte Mischa leise. „Ich weiß nicht. Ich hab Hausarrest...bis nächste Woche.“, sagte ich traurig. „Hm.“
Er schien zu überlegen. „Eine Woche...ziemlich lange Zeit. Ohne dich.“ ,fügte er hinzu. Mein Herz machte eine Hüpfer. Würde er mich etwa vermissen? „Ich will nicht eine Woche warten ,bis ich dich wiedersehen kann, Mischa!“, flüsterte ich und war einen Schritt auf ihn zu gegangen. Mein Gesicht war seinem plötzlich wieder ganz nah. Ich zögerte und jetzt? Mischa schien nicht verdutzt. Er sah mich nur an. „Bald, Hailey, bald sehen wir uns wieder. Ganz bestimmt.“,mit einer leichten Bewegung berührte er meinen Arm, sofort bekam ich eine Gänsehaut. Wow. Dann wand er sich langsam ab und verließ das Restaurant. Von draußen hob er noch einmal die Hand. Ich hob meine ebenfalls und ließ sie erst Augenblicke später langsam wieder sinken. Danny warf mir einen skeptischen und leicht drängenden Blick zu, ich nickte und verschwand in der Küche. Magareth drückte mir einen Kartoffelschäler in die Hand und so verbrachte ich die nächsten anderthalb Stunden damit, kiloweise Kartoffeln zu schälen....
… Lily kam spät. Ich hatte bereits im Restaurant zu Abend gegessen. Kartoffelgratin. Schweigend fuhren wir in Gabriels Auto nach Hause. Lily schaute streng geradeaus. Mein schlechtes Gewissen meldete sich zurück. Die Schmetterlinge waren verschwunden, dafür war ein dicker Klos in meinem Hals. Ich wusste, dass ich den Anfang machen musste. „Lily....-“ „Nicht jetzt Hailey. Lass uns morgen reden, ja? Das heute hat mir gereicht.“ Ich nickte verbissen und stieg aus dem Wagen und ging ins Haus. Lily würde Gabriel, unserem Nachbarn noch die Autoschlüssel wieder bringen.
Im Haus brannte nur im Wohnzimmer Licht und der Fernseher flackerte. Ich zog meine Schuhe aus und legte meine Tasche ab. „Penny?“ ,rief ich, erhielt aber keine Antwort. „Penny? Bist du im Wohnzimmer?“ Ich betrat den Raum und sah meine Schwester... schlafend auf der Couch. Ich nahm mir eine Decke von den Sessel, legte sie über Penny und hockte mich neben sie. Ihre Welt war noch in Ordnung. Friedlich und vollkommen ohne Probleme. Ich küsste sie auf die Stirn, bevor ich mich erhob und beschloss ins Bett zu gehen.....
….Mein Magen weckte mich am nächsten Morgen. Heute war Sonntag. Keine Schule, keine Arbeit,... kein Mischa. Nichts. Außer Hausarrest. Gequält stand ich auf und schlurfte ins Bad. Nach einer heißen Dusche ging es mir gleich ein bisschen besser. Ich ging zur Küche und konnte schon vom Flur aus die Stimme meiner Schwester und von Lily hören. Lily... heute würde ich mit ihr reden müssen. Ich würde mich bei ihr entschuldigen müssen, für das, was ich zu ihr gesagt hatte.
Aber nicht nur darüber musste ich mit ihr sprechen. Mischa. Ich würde Lily von ihm erzählen und hoffte, sie irgendwie davon zu überzeugen meinem Hausarrest aufzuheben. Ich betrat die Küche.
„Morgen, Hailey!“, begrüßte Penny mich. „Morgen, Penny und...Lily.“ Lily schaute kurz auf, blickt e dann aber wieder in ihre Zeitung. Ich ließ mich auf einem Stuhl nieder und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein. Penny hatte die Cornflakes alle gemacht, also griff ich seufzend zu einer Scheibe Brot. Das Frühstück verlief schweigend. Ich versuchte ein paar mal Augenkontakt mit Lily aufzunehmen, aber vergebens. Irgendwann hob sie den Kopf, ich wollte gerade ansetzten, als sie sich mit Penny unterhielt. „Penny, geh dich doch bitte anziehen, ja? Max wartet sicher schon auf dich.“ „Darf ich etwa rüber und mit ihm spielen?“, Penny machte große Augen. Lily nickte. „Auch wenn ich eigentlich lesen üben sollte?“ Lily nickte erneut. Penny sprang freudig auf und verließ die Küche. Jetzt blickte Lily mich endlich an. Ich schluckte. „Das war geplant, oder? Eigentlich sollte Lily heute für die Schule lernen, aber du hast sie weggeschickt, damit du mit mir reden kannst. Hab ich recht?“ „Hast du. Ich glaube, dass der Gesprächsbedarf zwischen uns groß ist. Penny halten wir daraus, aber du wirst heute Nachmittag mit ihr üben.“ Ihre Stimme klang nicht besonders freundlich. Ich nickte ergeben. Lily atmete tief ein und dann begann sie: „Hailey, ich muss sagen, ich bin maßlos enttäuscht. Nicht einmal so sehr von der Tatsache, dass du Freitagabend nicht nach Hause gekommen bist, sondern wie du dich mir gegenüber verhalten hast.“ ,sie blickte mich an. Ich musste wieder schlucken. Sie machte nicht gerade den Eindruck, als hätte ich die Möglichkeit, meinen Hausarrest aufheben zulassen. „Ich weiß...es tut mir leid, dass, was ich gesagt habe, dass... ist mir nur so rausgerutscht. Wirklich. Lily..... auch wenn du nicht meine leibliche Mutter bist, so bist du trotzdem die einzige für mich, Mutter meine ich. Ich habe doch sonst keine.“, sagte ich, schaffte es aber nicht, ihr in die Augen zu blicken.
Sie stieß Luft aus, vorsichtig schaute ich auf. Lily sah mich an. „Ach Hailey. Ich weiß, dass es dir leid tut und das du es nicht so gemeint hast, trotzdem hat es mich verletzt. Seit fünf Jahren wohnt ihr jetzt schon bei mir. Du hast den ...Tod deiner Eltern sehr schlecht verkraftet. Penny war noch zu klein, um das alles zu verstehen. Aber du warst schon 12 als es passierte. Du hast lange gebraucht,um mich zu akzeptieren. Ich habe dich nie gedrängt, Mama zu mir zu sagen, dass will ich auch gar nicht, doch ich war froh, als du mich endlich nicht mehr als jemanden betrachtet hast, den du nicht wolltest. Den du nicht als ...sagen wir mal Erziehungsberechtigten angesehen hast. Wir haben uns langsam angenähert und ich war .. bin wirklich sehr glücklich darüber. Doch als du mir gestern so direkt ins Gesicht gesagt hast, ich sei nicht deine Mutter, habe ich gedacht, … diese ganzen Jahre wären umsonst gewesen, ich hatte wirklich einen Moment geglaubt, ich hätte mir es die ganzen Jahre nur eingebildete, dass du mich ...magst. Hinterher wurde mir klar, dass ich überreagiert hatte...“ „Oh,Lily.“, brachte ich hervor. Sie lächelte schwach. „Es tut mir wirklich leid..“ „Schon gut. Wir sollten das einfach vergessen. Ok?“,fragend schaute sie mich an. Ich nickte und stand auf, um sie zu umarmen. Sie drückte mich an sich, „Aber bestrafen muss ich die trotzdem, hast du gehört, nicht deswegen, aber wegen dem nicht-nach-Hause- kommen.“, sagte sie.
Ich seufzte. „Und da führt auch kein Weg dran vorbei?“ Sie schaute mich streng an. „Wirklich keiner?“ „Was schlägst du vor?“, fragte Lily. Ja! Ich hatte es geschafft, wir befanden uns auf Verhandlungsbasis! „Hausarrest kürzen?“ ,fragte ich betont leise. Lily überlegte. „Na gut. Was hälst du davon, wenn wir den Hausarrest aufteilen und sagen, er gilt heute und die nächsten drei Freitage.“ Ich staunte. „Aber, dafür musst du mit Penny üben, ja?“ Ich atmete erleichtert auf. „Danke, Lily!“, sagte ich und wollte gerade aus der Küche stürmen, um Coco anzurufen, doch Lily hielt mich am Arm feste. „Nicht so schnell, setz dich doch noch mal, du hast mir schließlich noch gar nichts von deinem neuen Freund erzählt.“ Ich lief puderrot an. Oh Gott. Klar, ich wollte ihr von Mischa erzählen, aber ihr Denk-bloß-an-Verhütungs-Blick ließ mich diesen Gedanken in weite Ferne schieben. Aber Lily ließ mir keine Wahl, also erzählte ich von Mischa. Natürlich nicht alle Details, zum Beispiel die Geschichte, mit dem Hemd im Badezimmer oder das ich seinen nackten Oberkörper bereits gesehen hatte. „Na gut, Hailey, dann hoffen wir mal das Beste für euch.“ sagte Lily schließlich und ließ mich gehen. Puuuhh. Ich ging auf mein Zimmer, schloss die Türe ab und stopfte eine Decke vor den Türschlitz am Boden, das dämpfte die Geräuschkulisse nach außen. Eine Angewohnheit von mir, eine Art Vorsorge, meine Telefonate mit Coco waren nicht immer ganz... Jugendfrei beziehungsweise nicht für Pennys oder Lilys Ohren bestimmt. Ich legte mich auf mein Bett und wählte ihre Nummer. Coco antwortete, ohne das ich lange warten musste.
Sofort erzählte sie mir von Rick. „So viele Platten, der Wahnsinn! Da ist alles dabei! Wow!“ Ich kam gar nicht zum Reden „Mensch Hailey, das hättest du sehen müssen! Und noch was, ich hatte ihm aus Versehen eine Cola über sein Hemd gekippt und er musste sich umziehen, vor meinen Augen! Du wärst umgefallen!“ ich wollte sie fragen, wie es dazu kam, dass sie ihm die Cola – aus Versehen- über sein Hemd gekippt hatte, also besser „was“ sie gemacht hatten, aber dazu kam ich nicht. Coco hatte ein sehr großes Redebedürfniss. Nach einer ganzen Stunde nahm sie endlich mal Luft und beendete ihre Reden „Eins noch, Hailey..... Rick... er...er.. küsst perfekt!“ Ich kreischte, Coco doppelt so laut. „Ist das nicht toll?“ „Ja! Das ging aber schnell!“ „Ja, ich bin auch echt voll verknallt. Wie sieht es bei dir aus?“ Meine Hände begannen zu schwitzen. „Ich.. also... bei mir..“ „Mensch Hailey! Sag es doch gleich, ich meine wow, du bist verliebt! Jetzt haben wir beide einen Freund! Genial! Warum hast du denn nichts gesagt?“ „Du hast mich nicht wirklich zu Wort kommen lassen...“ „Uhhh, du und Mischa, klingt echt super. Habt ihr euch auch schon geküsst?“ Ich schwieg. „Nein? Ach Mensch. Bei deinen anderen Freunden ging das aber wesentlich schneller. Sam zum Beispiel, ihr wart gerade mal eine halbe Stunde zusammen!“ „COCO.“, rief ich mit Nachdruck in den Hörer. „Das mit Mischa ist was anderes.“ „Schon gut. Hast du wenigstens seine Handynummer? Ich krieg ständig liebe SMS von Rick.“ „Nein, hab ich nicht.“ „Auch nicht? Hast du eigentlich irgendwas von ihm?“ „Nein.“, sagte ich, aber erst jetzt wurde mir bewusst, wie anders das zwischen mir und ihm war. Coco hatte recht. Meine früheren Beziehungen waren ...wie soll ich sagen, schneller gewesen? Oder.... wollte er gar nichts von mir!? Mir kamen erste Zweifel.Ich hatte nichts von ihm, keine Handynummer,... „Hailey? Bist du noch dran?“ „Ja.“, sagte ich. „Hey, mach dich nicht verrückt, das kommt alles noch, ich muss jetzt aber Schluss machen, Rick fragt, ob wir zusammen essen gehen wollen. Sehen wir uns morgen in der Schule?“ „Ja, bis morgen.“ antwortete ich und legte auf. Plötzlich war meine gute Laune wie weggeblasen. Ich zweifelte, dass alles so rosarot kommen würde. Mischa machte zwar nicht den Eindruck, als sei er grundsätzlich nicht interessiert, aber war er auch verliebt? Ich rief mir sein Gesicht vor Augen, den Blick im Restaurant, der so … tief war, dass ich für einen Moment völlig gefesselt war. Und mit ihm kamen mir auch seine Worte wieder ins Gedächtnis. „Bald, Hailey, bald sehen wir uns wieder. Ganz bestimmt.“, er wollte mich wieder sehen und ich ihn. Aber wann? Am Liebsten sofort!
Ich setzte mich aufrecht hin und überlegte. Woher sollte ich wissen, wann er hatte Zeit hatte? Ich konnte ihn nicht anrufen und fragen. Ich konnte höchstens vorbei gehen und klingeln. Ja! Das würde ich mache, morgen nach der Schule würde ich zu ihm gehen. Ich lachte und ließ mich zurück fallen. Der Gedanke ihm morgen wieder zu sehen, ließ einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch erwachen.....
….Der Vormittag war schrecklich gewesen. Vor allem Mathe. Ich hatte schon wieder keine Hausaufgaben gemacht. Jetzt musste ich ein Referat halten, über Integralrechnung. Seufzend stieg ich in Cocos Van. „Was machst du nur für Sachen, Hailey?“ „Jedenfalls kein Mathe.“, sagte ich und schnallte mich an, entschieden meine schlechte Laune endgültig abzulegen, denn gleich würde ich vor Mischas Haustür stehen und ihn endlich wiedersehen. Coco nahm mich mit, schließlich wusste ich, dass Mischa nicht weit von ihr entfernt wohnte. Sie war ganz aus dem Häuschen gewesen, als ich es ihr erzählte. „Triffst du dich heute mit Rick?“ „Nein, leider nicht, er muss arbeiten. Na ja. Aber ich werde ihn noch anrufen.“, sagte Coco, während vor Mischas Haus hielt, um mich raus zu lassen. „Viel Glück!“ ,sagte sie, drückte mir beide Daumen und zwinkerte siegessicher. Ich stieg aus. Coco fuhr davon. Da stand ich nun und schaute hoch zu seiner Wohnung. Ob er überhaupt zu hause war? Von Außen war nichts zu erkennen. Mit eiligen Schritten ging ich zur Haustüre und schellte. Man ,war ich nervös! Die Schmetterlinge schlugen wild mit ihren Flügeln. Nichts. Mischa öffnete nicht. Enttäuschung breitete sich in mir aus. Ich schellte noch einmal. Wieder nichts. Ich hatte mich so gefreut ihn wieder zusehen... ich wollte nicht einfach gehen. Ich setzte mich auf eine Treppenstufe vor der Türe und überlegte. Sollte ich hier warten? Was wenn er erst heute Abend wieder kam? Gedankenverloren öffnete ich meinen Rucksack und mein Blick viel auf meinen Collegeblock. Ich könnte ihm eine Nachricht hier lassen! Ich suchte nach einem Stift und schrieb los.
Hallo Mischa,
ich bins Hailey. Ich war heute hier, um dich zu besuchen. Leider warst du nicht da.
Mein Hausarrest ist … verschoben. Wir könnten uns treffen, wenn du willst?
Meld dich bitte...
Ich schrieb meine Handynummer und meine Adresse mit auf den Zettel, ich zögerte und überlegte, ob ich noch ein Herzchen drauf malen sollte, dass kam mir dann aber doch zu kindisch vor. Ich malte nie Herzchen! Na gut, ich hatte auch behauptet nie nervös zu werden.... Also malte ich doch ein Herz. Wusste ja sonst keiner.. außer Mischa. Ich steckte den Zettel sichtbar unter die Türschwelle und stand auf. Ich wartete noch fünf Minuten, in der Hoffnung, Mischa würde doch noch kommen, bevor ich mich schließlich auf den Weg zur Bushaltestelle machte....
… Zu Hause versuchte ich mich auf meine Hausaufgaben zu konzentrieren. Erfolglos. Mathe versuchte ich erst gar nicht. Lily war auf der Arbeit und Penny schaute Fernsehen. Da fiel mir ein, dass ich ja mit ihr lernen sollte, also ging ich ins Wohnzimmer und überredete sie eine halbe Stunde mit mir zu üben. Schließlich gab sie nach und wir lernten.
Am Abend kam Lily von der Arbeit. Sie stellte sich in die Küche, um zu kochen. Penny brachte gerade ihre Schulsachen in ihr Zimmer und ich wollte Lily helfen, als es plötzlich an der Haustür klingelte....
„Ich geh schon.“ ,sagte ich und ging zur Tür. Ich öffnete sie und sofort wurden meine Knie weich und die Schmetterlinge flatterten aufgeregt. „Mischa!“, rief ich und konnte mein freudiges Grinsen nicht verbergen. „Guten Abend Hailey. Ich hoffe, ich störe nicht?“ „Aber nein. Natürlich nicht. Komm doch rein.“ „Eigentlich wollte ich dich ausführen.“ „Mich ausführen?“ Er lächelte. „Ja, nachdem du doch keinen Hausarrest mehr hast und ich dich gerne wiedersehen wollte, habe ich gedacht, lade ich dich zum Essen ein.“ Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Innerlich jubelte ich wie ein kleines Mädchen. „Geh ruhig.“ Ich drehte mich um, Lily stand hinter mir. Sie blickte zwischen Mischa und mir hin und her. Als ich immer noch nichts sagte, bemerkte Lily: „Willst du mich denn gar nicht vorstellen?“ „Doch, Mischa? Das ist Lily, meine....Mutter. Und Lily, das ist Mischa m-..ein Freund.“ Die beiden gaben sich die Hand und ich rannte schnell in mein Zimmer. Wie peinlich! Da hatte ich mich doch fast versprochen! Was soll ich nur anziehen? Wie sah ich überhaupt aus? Erschrocken schaute ich in den Spiegel. Ich stand da in eine Jogginghose und einem alten Top. Bravo! In Windes Eile durchwühlte ich meinen Kleiderschrank und schlüpfte in ein einfaches blaues Sommerkleid. Meine Haare waren in Ordnung und auch der Rest konnte sich sehen lassen. Ich schnappte meine Tasche und lief zurück zur Haustür. Lily war schon in die Küche geeilt, weil das Nudelwasser überkochte, sie rief mir nur noch ein „Schönen Abend“ hinterher. Ich erreichte die Tür. Mischa betrachtete mich und lächelte. „Das Kleid steht dir sehr gut. Fast so gut wie mein Hemd von Freitagnacht.“ Ich schloss die Türe. „Vielen Dank auch.“ sagte ich und wollte ihn freundlich in die Seite boxen, doch Mischa war schneller, er packte meine Hand. Ich hielt inne, erst jetzt viel mir auf, dass er die ganze Zeit eine Hand hinter dem Rücken gehalten hatte. „Nicht so stürmisch, meine Hailey.“ ,flüsterte Mischa und holte seine Hand hinter dem Rücken hervor, in der er eine rote Rose hielt. Meine Augen wurden groß. „Die ist für dich.“ ,sagte er und reichte mir die Rose. „Danke...“ Ich nahm sie in meine Hand und roch daran. „Das ist wirklich sehr aufmerksam von dir.“ ,fügte ich hinzu. Er sah mir in die Augen und zum ersten Mal sah ich ,dass er beim Lächeln ein Grübchen auf der linken Wange hatte. Mischa hielt mir seinen Arm hin und ich hackte mich ein. Elegant führte er mich zum Auto und wir fuhren los...
...Das Restaurant lag mitten in der Innenstadt, gar nicht so weit von Dannys. Allerdings wirkte dieser Laden ein wenig gehobener. Klasse! Dafür war ich mal wieder überhaupt nicht vorbereitet. Im Auto hatte ich entdeckt, dass mein Kleid einen Flecken hatte und die Träger erlaubten tiefe Einblicke in meinen Ausschnitt, vielleicht hätte ich doch besser etwas anderes angezogen. Unsicher blickte ich nochmal in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass ich mich trauen konnte, das Auto in einem angemessenen Zustand verlassen zu können. Meine blaue Strähne schimmerte in gleichem Ton, wie mein Kleid. Der Kajal war noch da und auch die Wimperntusche war nicht verwischt. Ich wollte aussteigen, als meine Tür sich öffnete. „Darf ich bitten?“, lächelte Mischa mir entgegen. Ich lächelte zurück und er nahm meine Hand.
Gemeinsam traten wir in das Restaurant. Ruhige italienische Klänge kamen uns entgegen, Gläser klirrten, weil einige Geschäftsmänner anstoßen und wahrscheinlich ein gelungenes Geschäft feierten. Anderswo lachten zwei Frauen und bewunderten ihre Pelzmäntel. Wo hatte er mich nur hingebracht? Dies war wohl kaum angemessenen für mich, in meinem höchstfragwürdigen Outfit.
Mischa ließ sich von alle dem nicht beeindrucken, er führte mich an einen der Tische und wir setzten und gegenüber an einen Tisch für zwei Personen. Sofort kam ein Kellner, zündete zwei Kerzen auf unserem Tisch an und gab uns die Karten zum Bestellen. Ich wurde nervös. Mal wieder. Unsicher blickte ich mich um, glaubte einige Blicke auf mir ruhen, doch als ich mich umsah, schien sich keiner für uns zu interessieren. Mischa war in seine Karte vertieft, er bekam davon nichts mit, oder er ließ es sich einfach nicht anmerken. Schließlich nahm auch ich meine Karte und als ich sie öffnete, entfuhr mir sogleich ein erstaunter Laut. Jetzt blickten uns die Leute definitiv an! Ich blinzelte mit den Augen, war das wahr? Hier kostete eine Cola schon fünf Euro. Mischa blickte mich an. „Alles in Ordnung?“ ,fragte er. „Na ja.. die Preise...“ „Mach dir darüber keine Sorgen. Ich hab genug Geld, nimm einfach was du möchtest.“ Ich nickte fassungslos. Woher hatte er das Geld?
Ich würde ihn fragen, sobald ich mich durch die Karte gearbeitete hatte. Nach einigen Minuten kam der Kellner zurück und nahm unsere Bestellungen auf. Ich bestellte Lachs und Mischa Trüffelraviolli. Na denn. Ich knetete mir nervös die Hände. Warum wurde ich nur so nervös? Ich konnte es mir nicht erklären. Mischa lehnte sich über den Tisch zu mir, die Ellbogen dabei auf dem Tisch und den Kopf auf seinen Händen gestützt. Ich verlor mich in seinen Augen. Wow. So extrem war es mir bisher nie ergangen. Was machte ihn so besonders? Er sah wirklich gut aus, aber davon gab einige. Sein Charakter? Sicher, der gefiel mir. Aber ich spürte, dass es da noch etwas geben musste, warum gerade Mischa mich so sehr fesselte und bei ihm meine normalen Symptome, wie beispielsweise nie nervös zu werden plötzlich außer Kraft gesetzt wurden. Nur was war dieses etwas? Während ich noch überlegte, kam der Kellner mit den Getränken. Ich kam nicht drauf. Ok, fürs erste beließ ich es dabei, dass dieses etwas gab und fing stattdessen ein Gespräch an, ich hatte Fragen, woher er zum Beispiel so viel Geld hatte, ja, im Grunde wusste ich noch nichts über ihn. Also, dies war die beste Gelegenheit das zu ändern. Bevor ich ansetzte, änderte die Musik, Phil Collins mit One more night. „Mischa? Sag mal, was arbeitest du eigentlich? Oder gehst du noch zur Schule?“ „Nein. Ich mache eigentlich nichts.“ „So rein gar nichts?“ „Nein. Jedenfalls nicht mehr. Ich bin letztes Jahr mit der Schule fertig geworden.“ „Oh. Dann bekommst du Geld von deinen
Eltern?“ „Nein. Nicht von meinen Eltern. Meine Mutter lebt in Europa und arbeitet dort als Lehrerin. Sie verdient nicht so viel, dass es für uns beide reicht, außerdem hat sie einen neuen Mann und sorgt für Kinder im Kinderheim.“ „Oh. Das habe ich nicht gewusst. Ich dachte, deine Eltern lebten zusammen mit dir.“ „Nein. Das wäre auch gar nicht mehr möglich. Mein Vater ist tot.“ „Oh....Das tut mir leid.“Ich konnte sehen, wie sich ein Schleier von Trauer über seinem Gesicht ausbreitete. Ohne nachzudenken nahm ich seine Hand. Er lächelte schwach. „Wann...?“ „Letztes Jahr, als ich mit der Schule fertig war. Wir waren in New York, bei meiner Tante. Von der ich auch das ganze Geld bekomme. Dort ist es passiert.“ ,sagte Mischa leise und hatte den Blick gesenkt. „Wie schrecklich.“, fügte auch ich leise hinzu und drückte seine Hand. „Wie ist dein Vater gestorben?“ ,fragte ich leise und schämte mich im nächsten Moment, ihn das zu fragen. „Er ist aus einem Hochhaus gesprungen.“, sagte Mischa. Ich starrte ihn fassungslos an. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. „Das ist ja schrecklich. Warum...warum hat er sich umgebracht?“ Ich konnte seine Reaktion nicht einschätzen, doch das er so reagierte, hätte ich nicht gedacht. „Umgebracht? Du glaubst, es war Selbstmord?“ Vorsichtig nickte ich. „Nicht?“ Tausend Szenarien gingen mir durch den Kopf. Wurde er aus dem Fenster gestoßen? War es ein Unfall? Die Mafia? Das CIA? „Nein, er hat sich nicht umgebracht, zumindest nicht freiwillig, er wollte nicht sterben. Nie. Im Gegenteil, er suchte genau nach dem Gegenteil von Tod.“ Ich verstand nicht, was Mischa meinte, doch sein Gesichtsausdruck sagte mir, wie schwer diese Thema für ihn war und das es ihn sehr beschäftigte.„Wie meinst du das mit dem Gegenteil von Tod? Das habe ich nicht ver-“,weiter kam ich nicht, denn der Kellner servierte unser Essen. Es schmeckte gut, doch ich konnte mich nicht so richtig auf mein Essen konzentrieren, immer wieder hing ich in Gedanken an Mischas Vater. Das Gegenteil von Tod? Leben. Aber das tat er doch, oder? Das machte alles keinen Sinn. Wieso sprang jemand aus dem Fenster, wenn er leben wollte? Ich schüttelte den Kopf und leerte meinen Teller. Mischa brauchte wesentlich länger als ich. Er sah alles andere als glücklich aus.
Wir schwiegen eine ganze Weile, ich wagte kaum ihn anzuschauen. Was war nur los? Die Stimmung hatte sich schlagartig geändert. Hätte ich doch bloß nicht angefangen zu fragen! Dann wäre jetzt noch alles gut. Mist. Mischa stocherte in den Resten auf seinem Teller herum, sein Gesichtsausdruck schien nachdenklich, aber auch wütend. War das meine Schuld? „Tut mir Leid, das wollte ich nicht.“, sagte ich unvermittelt. Er blickte auf. „Was?“ „Das ich so blöde Fragen gestellt habe, dazu hatte ich kein Recht. Jetzt bist du schlecht gelaunt und ich bin der Grund. Tut mir Leid.“ „Aber Hailey, dass ist doch nicht deine Schuld. Wirklich, ich darf mich nicht immer so in Gedanken fallen lassen, wenn es um dieses Thema geht. Es ist meine Schuld. Sorry.“, er lächelte und ich antwortete ebenfalls mit einem Lächeln. „Da bin ich aber erleichtert. Ich werde auch nicht mehr fragen.“ „Doch, tu das ruhig, egal was du wissen willst, es ist gut, wenn du es weißt.“ „Wenn du meinst....“ „Ja, ganz sicher!“ Entschlossen blickte er mich an. „Na gut, das gibt es tatsächlich noch etwas, was mich interessiert. Aber wenn es zu persönlich ist, dann musst du es mir auch nicht sagen, ok?!“ „Nichts ist zu persönlich.“ „Was meintest du damit, dass dein Vater das Gegenteil vom Tod erreichen wollte? Ich meine das Gegenteil ist doch leben, oder?“ „In gewisser Weise hast du recht. Leben ist tatsächlich das Gegenteil von tot sein.“ „Also, warum ist er dann aus dem Hochhaus gesprungen? Er lebte doch. Er besaß doch schon das Gegenteil vom Tod.“ „Nicht ganz.“ „Wie?“
„Er lebte ja, aber nur … begrenzt. Er wollte aber na ja... kein begrenztes Leben.“ „Begrenztes Leben? Was heißt das? War er eingesperrt?“ „Nicht direkt eingesperrt. Vielleicht doch, ein wenig. Er wollte keine Grenzen. Er wollte Vollkommenheit.“ „Grenzlose Vollkommenheit. Leben. Mal ehrlich Mischa. Ich will dir wirklich nicht zu nahe treten, aber bist du dir sicher, dass dein Vater ganz ...gesund gewesen ist? Ich meine ...kein Mensch kann vollkommen sein. Es gibt keine grenzenloses vollkommenes Leben.“ „Doch! Sag nicht so etwas, von dem du keine Ahnung hast! Du verstehst nichts davon! Gar nichts!“, wütend stand er auf, die Leute blickten schockiert zu uns, flüsterten, auch ich war erstarrt und blickte Mischa sprachlos an. Er war richtig aufgebracht! Kurze Zeit blickte er mir einfach in die Augen, dann knallte er zwei scheine auf den Tisch, drehte sich um und verließ ohne ein Wort das Restaurant. Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Herz schlug laut und schnell. Was hatte ich getan? Ich versuchte meine Beine zu kontrollieren und kam langsam auf die Beine. Langsamen Schrittes verließ ich das Restaurant, die Blicke der anderen Leute in meinem Rücken. Draußen umgab mich kühle Nachtluft und ich fröstelte. Ich schaute mich um und rechnete schon fest damit, den nächsten Bus nehmen zu müssen, als ich Mischas Auto sah. Ich ging auf das Auto zu, es war leer. „Mischa? Bist du hier? Mischa! Ich wollte das nicht. Bitte.“ Ich blickte mich um, nichts. Ich seufzte. Das hatte ich ja mal wieder super hin bekommen. „Mischa?“ Was hatte ich nur getan? Mit jeder Minute, die ich hier alleine stand, fühlte ich mich immer mieser. Mein schlechtes Gewissen verprügelte mich innerlich. „Mischa?“ Ich war so grausam gewesen. Wie konnte ich nur solche Sachen sagen!? Ich drehte mich mit dem Rücken zum Auto und lehnte mich gegen die Fahrertür. Schließlich ließ ich mich auf den kalten Asphalt sinken. Was war hier eigentlich los? Grenzloses Leben? Jedes Leben hatte Grenzen. Jedes Leben war begrenzt. Ewiges Leben.... das ist doch Unsinn! „Nein.“ „Was?“ Verwirrt schaute ich mich um, scheinbar hatte ich laut gedacht. „Ich meinte das alles vollkommen ernst, Hailey. Das Gegenteil vom Tod. Ein Leben ohne Grenzen, wie mein Vater es finden wollte und ich es auch will.“ Mischa stand neben mir. „Mischa-“, setzte ich an, doch mit einer Geste brachte er mich zum Schweigen. „Komm, ich will dir etwas zeigen.“ Ich nahm seine Hand und ließ mich hochziehen. Beide stiegen wir ins Auto und Mischa startete den Motor. „Mischa, es tut mir Leid.“, mehr sagte ich nicht und er auch auch nicht, wir schwiegen, bis wir das Ziel erreicht hatte. Seine Wohnung.
… Das Treppenhaus war dunkel. Mischa hielt es nicht für nötig, das Licht einzuschalten. Schweigend stiegen wir die Treppe hinauf. Schließlich erreichten wir seine Wohnung und er schloss die Türe auf. Mischa schaltete das Licht auf dem Flur ein und zog seine Jacke aus. „Komm rein, Hailey.“ Ich war unschlüssig in der Tür stehen geblieben. Obwohl mir die Wohnung nicht mehr unbekannt war, fühlte sich alles plötzlich so fremd an. „Was ist?“, fragte Mischa. Ich schüttelte bloß mit dem Kopf und trat schließlich in die Wohnung. Ich blickte in die Küche, alles unverändert. Auch im Schlafzimmer und Badezimmer schien mir nichts ungewöhnlich zu sein. „Was willst du mir zeigen?“, fragte ich. „Komm mit ins Wohnzimmer.“ Ich folgte ihm. Es war das einzige Zimmer, wo ich nicht drinnen gewesen war, als ich bei Mischa übernachtet hatte. Er schaltete das Licht ein. Das Wohnzimmer war der größte Raum der Wohnung. Gegenüber der Tür, in der ich stand, gab es zwei Fenster mit schweren Vorhängen, die bis zum Boden reichten, sie waren jedoch nicht zu gezogen. Rechts neben mir stand ein langes dunkles Sofa aus weichem Leder, davor ein länglicher Holztisch und schließlich ein brauner Sessel. Rechts von mir befand sich eine große Schrankwand, mit sehr vielen Büchern, Bildern und anderen Dingen. Außerdem ein kleiner Fernseher und ein Radio. Auch hier erschien mir nichts außergewöhnlich zu sein, bis ich in den Raum trat und mir keine zwei Meter neben der Tür eine weitere Tür aufgefallen war. Sie war schmaler als die anderen Türen der Wohnung. Ich trat auf sie zu und hatte bereits eine Hand an ihrem Griff, als Mischa mich zurückhielt. „Nicht! Hailey!“, erschrocken hielt ich inne und schaute ihn verwirrt an. „Bevor du da rein gehst, will.... sollte ich dir etwas erklären.“ Ich nickte. „Setz dich doch bitte auf das Sofa.“ Steif drehte ich mich um und ließ mich auf dem Sofa nieder. Mischa setzte sich in den Sessel, kurz raufte er sich durch seine blonden Haare und seufzte. Dann endlich wand er sich zu mir. „Hailey... es gibt da etwas, was ich dir noch nicht über mich erzählt habe. Ich weiß, das wird sich alles komisch anhören für dich, vielleicht … willst du auch …. ich weiß nicht....vielleicht nichts mehr mit mir zu tun haben wollen ,weil du denkst ich sei verrückt... oder so.“ Er schaute mir in die Augen. Ich schluckte, was kam jetzt? „Als du vorhin sagtest, es gebe kein ´ewiges Leben´, damit hast du nicht ganz recht. Jedenfalls glaube ich das. Weißt du, alles hat vor langer Zeit angefangen. Mein Urgroßvater war der erste aus unserer Familie, der es probiert hat. Er war Arzt und kannte sich gut mit sämtlichen Heilkräutern aus. Irgendwann traf er auf einen Mann, ich weiß seinen Namen nicht mehr... jedenfalls wollte dieser Mann von meinem Urgroßvater geheilt werden, aber nicht einfach von irgendeiner Krankheit, er wollte ´für immer´ geheilt werden. Mein Urgroßvater wusste erst nicht, was der Mann damit meinte. Also erklärte der Mann sein Anliegen, er wollte unsterblich werden. Mein Urgroßvater hatte zunächst gelacht, doch dem Mann war die Sache wirklich sehr ernst. Schließlich überzeugte er meinen Urgroßvater ihm zu helfen, ein Mittel zu finden, um unsterblich zu werden. Die Beiden wurden Freunde und begannen alles möglich in Erfahrung zu bringen, zu sammeln und zu experimentieren. Mixturen aus verschieden Kräutern, Pflanzen, Tierblut, sogar ihr eigenes Blut benutzen sie. So ging es einige Jahre, irgendwann wurde der Mann krank. Sehr krank, er hatte so gut wie keine Möglichkeit mehr, dem Tod zu entkommen, aber beide gaben in dieser Zeit nicht auf, weiter nach dem Mittel zu suchen, sie waren besessener denn je.
Schließlich, nach unzähligen Versuchen und Tierversuchen, glaubte mein Urgroßvater endlich ein Mittel gefunden zu haben, er gab es seinem kranken Freund. Sie warteten ein paar Tage, doch es half nicht. Der Mann starb. Aus Trauer aber, gab mein Urgroßvater nicht auf. Er glaubte, das Mittel hätte nur nicht gewirkt, weil sein Freund zu krank gewesen sei. Also probierte er es selbst aus. Er trank das Mittel und testete es, in dem von einer Brücke sprang, oberhalb eines Flusses mit starker Strömung. Er wusste, wenn er das überleben würde, wäre er unsterblich. Doch das hat niemand erfahren. Die Strömung war zu stark... er wurde davon getrieben. Sein Sohn, also mein Gr0ßvater hatte das Ganze mitangesehen. Er konnte seinem Vater aber nicht helfen, er hatte nur ein Bein und kam kaum voran. Er konnte nur zu sehen, wie sein Vater davon getrieben wurde...“ ,Mischa machte eine Pause. Ich saß wie versteinert. Konnte ich glauben, was mir gerade erzählt wurde. Sicherlich hatten schon mehrere versucht ewiges Leben zu erreichen, aber diese Geschichte hörte sich wirklich heftig an. „Was...ist dann passiert?“, fragte ich. „Mein Opa hat immer daran geglaubt, dass sein Vater es geschafft hatte, auch wenn er ihn nie wieder gesehen hatte. Und aus Liebe zu seinem Vater und den festen Glauben an Unsterblichkeit, wollte mein Opa das gleiche Mittel herstellen, um ebenfalls unsterblich zu werden, dumm nur, dass mein Urgroßvater nach tausend Versuchen irgendwann aufgehört hatte, alle Rezepte nieder zuschreiben. So hatte mein Großvater kaum einen Ansatzpunkt für die richtige Mixtur, außer einen, er wusste das mein Urgroßvater Efeu benutzt hatte, Efeu was schon damals als heilende Pflanze angesehen war. Also begann mein Opa ebenfalls alle Möglichkeiten aus, später lehrte er meinem Vater, was er alles wusste. Kurze Zeit arbeiteten sie zusammen, doch sie fanden kein Mittel. Auch sie hatten Tierversuche gemacht, um ihre Mixturen zu testen, doch vergebens, schließlich starb mein Opa und mein Vater blieb allein zurück. Er versuchte es weiter, was nichts brachte. Dann machte er einige Jahre Pause, lernte meine Mutter kennen und die beiden heirateten, schließlich kam ich. Als ich acht war, ließen meine Eltern sich scheiden, meine Mutter zog es nach Europa und mein Vater blieb mit mir hier in den Staaten. Mein Vater begann zu dieser Zeit erneut damit, das Mittel zu finden, er erzählte mir die Geschichte von meinem Urgroßvater und meinem Opa. Irgendwann wollte ich ihm unbedingt helfen, also lehrte er mir, was er alles wusste und ich las die wenigen Aufzeichnungen meiner Vorfahren. Es war alles unglaublich spannend, wir gaben nicht auf. Dann vor etwa einem Jahr, glaubte mein Vater, dass er es hatte, das richtige Mittel, er probierte es an eine Ratte aus und sie überlebte! Wir waren verrückt, danach es aus zu probieren, zu schauen, ob es auch bei uns funktionieren würde. Das wäre ein Wunder! Verstehst du?
Wir besuchten meine Tante in New York. Mein Vater sagte mir am Abend, egal was passieren würde, ich sollte nie aufgeben danach zu streben, die Unsterblichkeit zu erlangen. In der Nacht sprang er aus dem Fenster und starb...“ Ich konnte mich nicht bewegen. Das war einfach unfassbar!
Es klang alles so naiv, doch sie waren so überzeugt davon gewesen. „Es war ein Schock. Schließlich lebte ich ein paar Monate bei meiner Tante und die Wohnung meines Vaters wurde aufgelöst, dabei fand man auch die Ratte, von der wir geglaubt hatten, sie hätte überlebt, doch sie war tot. Wahrscheinlich war sie erst während unserer Abreise nach New York gestorben, ohne dass wir es mitbekommen hatten. Ich war außer mir, doch für meinen Vater, habe ich mir geschworen, nicht aufzugeben. Also habe ich New York verlassen und bin hierher zurück gekommen. Das war vor drei Monaten, seitdem bin ich hier und suche weiter, mixe, lese, schreibe, experimentiere. Das ist die Geschichte.“ Er blickte mir noch immer in die Augen. „Wahnsinn.“, mehr schaffte ich nicht.
„Willst du … gehen?“, fragte er. „Ich könnte es verstehen.“ Er senkte den Blick. „Du musst glauben … ich sei verrückt, was?“ Glaubte ich das? „Ich... ich bin sprachlos, ja, aber... das du verrückt bist, das glaube ich nicht. Jedenfalls nicht sehr. Ich finde das irgendwie … ich weiß nicht... mutig? Ich bin mir nicht sicher, ob das das richtige Wort ist, das zu beschreiben. Ich habe auf jeden Fall Respekt vor dem was deine Vorfahren versucht haben und.... auch, dass du es weiterhin versuchst. Selbst, wenn ich es mir nur sehr schwer vorstellen kann, dass es so etwas wirklich gibt, ewiges Leben. Unsterblichkeit. Das klingt so fern. So unerreichbar.“ „Das ist es nicht. Nicht wenn man feste daran glaubt. Komm, jetzt möchte ich es dir zeigen.“ Mischa stand auf und trat vor mich. Ich nahm seine Hand und erhob mich ebenfalls. Wir gingen zu der schmalen Tür, Mischa öffnete die Tür und führte mich hinein, hinein in die Welt der Unsterblichkeit....
….Das war das erste was ich gedacht habe, als ich in diesem kleinen Nebenraum stand. Ich war mal wieder sprachlos. Und wie. Wie konnte ich das beschreiben? Ich befand mich in einem Raum, dessen Wände, Boden und Decke von unendlich vielen Efeuranken übersät war. Überall grüne Blätter in den verschiedensten Größen, Formen und Wachstumsrichtungen. Ich nahm einen Atemzug und meine Nase war voll von dem Geruch von Efeu. Hier gab es keine Möbel, das Fenster war so gut wie zu gewachsen, eine tellergroßes Loch war noch frei. Heller Mondschein schien hinein und legte einen sanften Lichtschleier auf die Pflanzen. „Komm weiter herein.“ ,sagte Mischa.
Wie stellten uns in die Mitte des Raumes, immer noch schaute ich mich fasziniert um und traute meinen Augen nicht. Wie war so etwas möglich? „Hast du das gemacht?“, fragte ich. „Ja.“ „Das ist unbeschreiblich.“ Ich schaute zu Boden und erschrak, die Ranken kletterten an meinen Beinen hinauf. Mischa folgte meinem erschrockenen Blick, „Hab keine Angst.“ Ich sah, dass das Efeu auch von ihm Besitz ergriff. „Was passiert hier?“, fragte ich panisch, als das Efeu meine Hüfte erreichte.
Mein Herz begann höher zu schlagen, immer höher, je höher die Ranken mich verschlangen. „Lass dich darauf ein, Hailey. Hab keine Angst. Fühlst du es?“, fragte Mischa. „Was soll ich fühlen? Ich … Mischa bitte, lass uns gehen! Das ist... unheimlich! Bitte!“ ,rief ich laut und versuchte ich zu bewegen, doch das Efeu hatte mich fest im Griff. Ich versuchte mich zu drehen, doch es half nicht, ich steckte fest. „Hör doch auf, Hailey. Vertrau mir! Es wird dir nichts passieren! Hörst du nicht, wie sie ruft? Fühlst du ihre Kraft?“ „Mischa wovon zum Teufel sprichst du hier?! Bist du-“ verrückt, wollte ich sagen, doch sofort fiel mir unser Gespräch wieder ein, ich hatte gesagt, das er nicht verrückt ist. Hatte ich mich getäuscht? Ich schaute in sein Gesicht und er sah mich traurig an.
„Verrückt? Hailey.... die Kraft des Efeus, die Unsterblichkeit, sie ist in diesem Raum. Warum fühlst du sie denn nicht? Warum glaubst du mir nicht? Hilf mir doch, hilf mir sie zu finden. Ich habe doch sonst keinen... mein Vater ist tot, meine Tante will von alle dem nichts wissen. Hailey, bitte nicht du auch noch! Bitte! Bleib hier und hilf mir, zusammen können wir das schaffen! Wir werden unsterblich!“ Er flüsterte verzweifelt. Ich sah ihn erstarrt an. Mein Herz schlug heftig in meiner Brust, ich war verwirrt, einerseits wusste ich ich sollte verschwinden, diesem Aberglauben nicht trauen, anderseits wollte ich Mischa hier nicht alleine lassen... Sein trauriger Blick fesselte mich, ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, seine Worte hallten immer wieder in meinem Kopf. „Hilf mir!“ hörte ich ihn immer und immer wieder sagen. „Lass mich nicht allein!“ Diese Worte machten es noch schlimmer. „Ich habe doch sonst keinen!“ Was passierte hier? Plötzlich packte er mich an den Schultern. „Hailey! Sag doch endlich etwas!“ Ich schluckte. Was sollte ich sagen? Mein Mund war zu trocken, kein Wort bekam ich raus. Bis eben war mein Leben noch vollkommen in Ordnung und jetzt? Jetzt gab es plötzlich magisches Efeu und den Gedanken an Unsterblichkeit und Mischa., der mich verzweifelt anschaute und sich mit seinen Hände auf meinen Schultern versuchte, an mir festzuhalten. „Hailey.“,flüsterte er nochmal. Wir schauten uns an. „Bitte.“,fügte er leise hinzu. „Bleib bei mir.“ Die Efeuranken berührten mein Kinn, ich schreckte zurück. Mein Atem, mein Herz, mein Blut, alles pulsierte und ging schnell. Mein Verstand schien zu versagen. Mischas Hände verschwanden von meinen Schultern, berührten meinen Arm, der hinter Efeu versteckt war. „Mischa. Ich weiß nicht, ob ich das kann.“, flüsterte ich unsicher. „Du kannst, ganz bestimmt, du kannst es, Hailey. Zusammen, du und ich, wir schaffen das. Vertrau mir.“, antwortete Mischa mit einem Flüstern, nahm mein Gesicht zwischen seine Hände und näherte sich mit seinen Lippen. Das Efeu hatte uns fast vollkommen umschlossen. „Vertraust du mir?“, flüsterte er fragend, als er lediglich einen Hauch von Atem von meinen Lippen entfernt war. „Ich.... ich.....“, ich konnte mich nicht konzentrieren, seine Lippen...seine warmen Händen....sein Atem... sein Geruch... „Ich vertraue dir.“, hauchte ich und wusste, diese Worte bedeuteten mehr als nur die Antwort auf Frage des Vertrauens, sie waren eine Entscheidung. Meine Entscheidung Mischa zu helfen, zu helfen unsterblich zu werden. Dann berührten sich unsere Lippen, erst sachte und zart. Dann stärker, suchend, verzweifelt klammernd. Als könnten wir nicht ohne einander. Ich spürte mein Herz laut pulsieren, ich glaubte seines zu hören und ich konnte sie spüren, die Unsterblichkeit, die Kraft des Efeus, die mich rief, ich wusste, ich war ihr verfallen, ich wollte nicht mehr ohne dieses Gefühl von Leben, von Stärke. Wie eine Süchtige versuchte ich das Gefühl zu halten, Mischa erging es nicht anders. Unser Kuss wurde fordernder und intensiver. Wir wollten immer mehr. Uns und dieses Gefühl, diesen Moment niemals verlieren... Allein das Wissen, das dieser Kuss und damit dieses Gefühl nicht ewig bleiben würde, schmerzte und zerrte und verlangte, dass wir ein Mittel fanden, dass uns ein Leben voll mit diesem Gefühl bescherte. Endlich verstand ich Mischa, wie sehr er es wollte, für sich und seinen Vater. Ich würde ihm helfen, ich konnte gar nicht mehr anders. Mein Schicksal war besiegelt. Ich wollte Unsterblichkeit.
Fortsetzung folgt.
Tag der Veröffentlichung: 14.02.2010
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