Was wir sind, sind wir nicht durch die Geburt;
was ich bin, bin ich durch mich selbst.“
Ludwig von Beethoven
Mit einem Schwung flog die Zimmertüre auf. Erschrocken drehte sich Nora um. „Musst du immer hier so reinplatzen? Kannst du nicht wie jeder normale Mensch anklopfen.“ Wütend funkelte sie Peter an. „Entschuldige", zerknirscht schaute er sie an. ,,Aber sag mal,verwundert sah er sich um, wie sieht es denn hier aus? Ist bei dir ein Orkan durchgefegt?“ „Wie du siehst packe ich und da ich zwei Monate wieder zu Hause wohne, brauche ich fast alle Sachen“, sagte Nora etwas genervt. „Aber dafür muss du doch nicht so eine Unordnung machen!“ „Das war mir klar. Du mit deinem pedantischem Ordnungssinn“,sagte Nora spöttisch.
„Besser ein Pendant, als so eine Chaos“, konterte er zurück.
,,Bin ich froh das wir getrennte Zimmer haben, du würdest mich mit deinem Ordnungsfimmel zum Wahnsinn treiben.“ Wütend drehte Nora sich um und packte weiter ihre Sachen. Wie konnten zwei Menschen nur so verschieden sein. Sie war immer sehr spontan in ihrem Handel, aber Peter überlegte dreimal bevor er etwas machte. Manchmal war er sogar richtig spießig. Trotzdem liebte sie ihn. Mit ihm konnte man stundenlang diskutieren. Wie oft hatte sie sich dabei die Köpfe heiß geredet. Nur wenn er seinen Schulmeisterton anschlug dann sah sie rot. Aber er konnte auch zärtlich und verständnisvoll sein. Meistens, nach so einem Streit landeten sie im Bett und versöhnten sich dort wieder. Er war ein hinreißender Liebhaber, dass musste sie wirklich zugeben.
Auch Peter gingen einige Gedanken durch den Kopf als er sie betrachtete. Er kannte ihr Temperament, dass im krassen Gegenteil zu ihrem kühlen blonden Aussehen, sehr südländisch sein konnte. Was bei ihren Diskussionen und Streitigkeiten oft zum Vorschein kam. Er hasste sie manchmal dafür das sie nicht sachlich bleiben konnte. Aber im Bett liebte er ihr Temperament. Der Sex mit ihr war nie langweilig. Bei dem Gedanken fing es auf seiner Haut an zu kribbeln. Seine Hand glitt ihr von hinten unter den Pullover. Er massierte ihre Brustwarzen und ihren Körper. Erst wollte Nora ihn abwehren, aber dann stöhnte sie leise auf. Seine Hände glitten zwischen ihren Beinen und er merkte wie feucht sie war. Er hob sie hoch und legte sie auf das Bett.
Lustvoll gab sie sie sich seinen Berührungen hin. Als sie den Höhepunkt erreichte, schrie sie auf und ihre Hände krallten sich in seinen Rücken. Komm zu mir, stieß sie keuchend hervor. Ich will dich spüren. In ihrem Kopf explodierten tausend Lichter, als er in sie eindrang. Seine Bewegungen wurden stärker und er trieb sie zum Höhepunkt. Nass vor Scheiß und atemlos blieben sie nebeneinander liegen.
Nach einer Weile fragte Nora ihn: „ Was wolltest du eigentlich, als du in mein Zimmer kamst?“ Grinsend schaute er sie an. ,,Eigentlich wollte ich nur wissen wann deine Eltern Morgen in ihren Urlaub aufbrechen.“Nora zuckte mit den Schultern. „Ich glaube ganz früh am Morgen, aber genau weiß ich das auch nicht. Wir werden es heute Abend erfahren. Mama hat uns zum Essen eingeladen.“ „Ich finde es schon bemerkenswert was deine Eltern vorhaben. Die Jüngsten sind sie ja auch nicht mehr“,sagte Peter nachdenklich. „Jetzt mach aber mal halb lang.“ Empört funkelte Nora ihn an. „Mein Vater ist gerade erst einundsechzig und meine Mutter zwei Jahre jünger. Außerdem sind die beiden Top fit.“ „Schon gut, schon gut“,abwehren hobt Peter die Hände. ,,Ich finde es toll, was sie vorhaben. Zwei Monate quer durch Spanien reisen. Vielleicht mache das auch mal, wenn ich älter bin“ „Na bis dahin haben wir ja noch eine Menge Zeit", lachte Nora. ,,Erstmal müssen wir unser Studium schaffen und gute Lehrer werden. Meine Eltern haben sich all die die Jahre nichts gegönnt, sondern nur für ihren Beruf als Architekten und für mich gelebt. Das sie sich jetzt eine Auszeit nehmen, wo ich Erwachsen bin, finde ich gut. Einmal mit dem Wohnwagen quer durch Spanien reisen, davon haben sie schon lange geträumt.“ „Wolltest du eigentlich nie Architektur studieren, wie deine Eltern?“
Nora schüttelte den Kopf. „Nie, ich bin eine Absolute Niete im Zeichnen.“„Waren sie nicht enttäuscht, dass du nicht in ihr Fußstapfen getreten bist?“,fragte Peter etwas erstaunt. „Nein überhaupt nicht. Sie haben mich frei entscheiden lassen und mir nie etwas aufgedrängt, wie viele Eltern meiner Freundinnen es getan haben. Die mussten Klavierspielen lernen oder in die Ballettstunde. Wenn ich das nicht wollte, brauchte ich es auch nicht.“
„Hast du es gut gehabt!" Peter stieß einen tiefen Seufzer aus. "Meine Eltern waren da nicht so Kompromiss bereit. Ich musste wenigstens eine Sportart lernen. Statt Tennis hätte ich lieber Fußball gespielt. Aber das spielten nur die Kinder kleiner Leute. Ich sollte lieber eine Sportart betreiben die Standes gemäß war.“ „Reichlich spießige Ansichten hatten deine Eltern! Aber heute spielst du doch ganz gut Tennis. Ich dachte immer das es dir Spaß machen würde.“ verwundert sah Nora ihn an. „Heute ja, aber damals fand ich es doof.“ „Ach du Ärmster“, liebevoll wuschelte sie ihm durch die Haare. Nora warf einen Blick auf die Uhr. „Langsam sollten wir uns sputen, sonst kommen wir zu spät zum Essen. Ich muss noch ein paar Sachen einpacken und dann können wir los.“ „Schade das ich in der Zeit hier wohnen bleiben muss, aber da versteht mein Vater leider keinen Spaß“, sagte Peter.betrübt.
Nora zuckte mit den Schultern. „Vielleicht tut uns der Abstand auch mal ganz gut und außerdem können wir uns auf das Wochenende freuen.“ Peters verzog beleidigt das Gesicht. „Ich dachte du würdest es bedauern, aber scheinbar bist du sogar froh.“ Nora seufzte genervt. „Natürlich bedauere ich es auch, aber wir können es nun mal nicht ändern und jetzt höre auf beleidigt zu sein. Freue dich auf die Wochenenden. Außerdem sehen wir uns jeden Tag in der Uni, also was stellst du dich so an. Ich muss jetzt wirklich meine Sachen zusammen packen, sonst kommen wir zu spät zum Essen und darin versteht meine Mutter keinen Spaß.“ Immer noch etwas beleidigt, verließ Peter das Zimmer. Kopfschüttelnd sah Nora ihm hinterher.
Zum Glück hatte Peter ihren kleinen Streit vergessen, als sie kurze Zeit später aufbrachen. Nora schaute auf das alte Fachwerkhaus ihrer Eltern, als sie dort ankamen. Das hatten sie gekauft,als sie knapp zwei Jahre alt war. Mama hatte ihr erzählt, dass sie sich auf den ersten Blick in das Haus verliebte hatte. Nach ihren Entwürfen wurde es dann renoviert. Vor allem den große Garten, mochte sie als Kind am liebsten. Wie oft hatte sie mit ihren Freunden darin herum getobt oder sind zum Schrecken ihrer Eltern, auf die alten Obstbäume geklettert. Hinter dem Haus gab es früher mal einen Teich, aber nachdem sie mit knapp drei Jahren dort hinein gefallen ist und fast ertrunken wäre, hatte ihr Vater ihn zuschütten lassen.
Frau Marquard stand an der Eingangstüre und schaute ihrer Tochter voller Stolz entgegen. Ein hübsches Paar sind die beiden,dachte sie. Peter, groß und dunkelhaarig. Nora dagegen, zierliche und Blond. Ein bisschen steif wirkte Peter immer, in seinem bis oben zugeknöpften Hemd und seiner Stoffhose. Nora dagegen sah man nur in Jeans und Sweatshirt. Aber trotz der Unterschiede kamen die beiden gut mit einander klar. Außerdem mochte sie Peter. Sie konnten wirklich stolz sein, wie sich ihre Kleine entwickelt hatte. Selten hatte sie ihnen einmal Kummer gemacht. Es war richtig gewesen, was sie damals getan hatten. Die Liebe ihrer Tochter hatte sie für alles entschädigt. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. Hoffentlich brauchte Nora nie die Wahrheit erfahren.
„Sag mal Mama,träumst du am helllichten Tag?“ Unbemerkt waren Peter und Nora näher gekommen. Lachend schaute sie ihre Mutter an, die in Gedanken versunken dastand. Schuldbewusst zuckte Marga zusammen. ,,Ich war nur etwas ins Nachdenken geraten", murmelte sie leise. Herzlich umarmte Nora sie. „Da sind wir ja schon zu zweit. Ich habe auch gerade darüber nachgedacht, wie ich früher auf die Bäume geklettert bin und euch damit in den Wahnsinn getrieben habe.“ „Erinnere mich bloß nicht daran, ich habe jedes mal Todesängste ausgestanden, dass du hinunter fallen könntest.“ Noras Mutter machte ein entsetztes Gesicht.
Peter lachte. „Du warst wohl eine ganz Wilde?“ Marga verdrehte die Augen. „Ich könnte dir Geschichten erzählen, uns ist öfter das Herz stehen geblieben!“ Abwehrend hob Nora die Hände. „Bloß jetzt keine Kindergeschichten. „Wo ist eigentlich Papa?“, versuchte sie abzulenken. „Ich glaube,noch in seinem Arbeitszimmer“, antwortet Noras, Mutter. „Aber jetzt lasst uns hinein gehen, dass Essen ist gleich fertig. Du kannst ja mal an seine Türe klopfen,fügte sie an Nora gewandt hinzu. Er wollte noch ein paar wichtige Dinge erledigen.“
„Bin schon fertig“, rief Herr Marquard. Herzlich begrüte er seine Tochter und Peter.. Auch er mochte Peter und war froh seine Tochter in guten Händen zu wissen. Eberhard Marquard war groß und schlank. Seine Haare waren schon leicht ergraut und sein Gesicht zierten etliche Falten. Noras Mutter war etwas kleiner und hatte ein paar Rundungen, aber sie war nicht dick. Ihre dunklen Haare waren kurz geschnitten, was ihr ein jugendliches Aussehen verlieh. Kleine Lachfältchen an den Augen und um den Mund, zeugten von ihrem Humor. Ihre Augen blitzen vor Unternehmungslust. Das Alter sah man ihnen wirklich nicht an. Die liebevollen Blicke, die sie sich zuwarfen, zeigten das sie sich noch genauso liebten wie am ersten Tag. Dabei waren sie schon über dreißig Jahre verheiratet. Übermütig gab er seiner Frau einen Kuss.
„Alles erledigt,jetzt können wir in unseren Abenteuer Urlaub starten“, sagte Herr Marquard gutgelaunt. Beim Essen erzählten sie lebhaft was sie alles besichtigen wollten und in welche Orte sie zuerst fuhren. Lächelnd hörten Nora und Peter ihnen zu. Sie gönnte ihren Eltern die Reise von Herzen. Trotzdem war ihr ein bisschen wehmütig zumute. In ihren fünfundzwanzig Lebensjahre, war sie noch nie so lange von ihren Eltern getrennt gewesen. Irgendwie war es ein komisches Gefühl. Aber darüber sie verschwieg lieber, sonst hätte sie ihnen noch die Freude an der Reise genommen.
Auf der Landkarte zeigten Noras Eltern ihnen, wie sie fahren wollten. „In Frankreich machen wir den ersten Stop und wenn es uns dort gut gefällt, bleiben wir ein paar Tage. Wir wollen uns nicht festlegen und uns treibt ja keiner. An den Orten wo es besonders viel zu besichtigen gibt bleiben wir mehrere Tage.“ „Darauf freue ich am meisten, sagte ihr Mutter. Denkmäler und historische Gebäude anschauen. Zu sehen wie sie früher gebaut haben. Oder einfach mal die Seele baumeln lassen.“ „Ich sehe schon, meine Frau hat alles geplant und mir bleibt nichts anderes übrig, als mich ihr anzuschließen.“ Herr Marquard, stieß so einen gequälten Seufzte aus, dass die anderen in schallendes Gelächter ausbrachen. „Armer Papa",sagte Nora immer noch lachend. "Du kannst einem wirklich leid tun.“ „Was soll ich machen, sagte er salbungsvoll. Ich tue nun mal alles für diese Frau.“ „Ich weiß, dass ich den besten Ehemann der Welt habe“, sagte Marga, zärtlich.
Um Neun Uhr verabschiedete Peter sich. „Musst du jetzt schon los?“, enttäuschte schaute Nora ihn an. ,,Leider, ich muss noch für die Klausur Morgen lernen.“ „Fällt dir aber reichlich spät ein“,spotte sie. „Besser spät wie nie“,gab Peter lachend zurück. „Einen schönen Urlaub wünsche ich ihnen und kommen sie gesund zurück“,verabschiedete er sich von Noras Eltern. „Danke, Peter,sagte Frau Marquard lächelnd. Passe in der Zwischenzeit gut auf unsere Tochter auf. Es ist ein komisches Gefühl sie so lange alleine zu lassen.“ Ihre Stimme klang jetzt etwas betrübt. Machen sie sich keine Gedanken,ich werde schon auf Nora aufpassen. Wenn ich es verhindern kann wird sie nicht auf Bäume klettern“,fügte Peter grinsend hinzu. „Sehr witzig, Nora boxte ihm in die Seite. Aus dem Alter bin ich heraus.“ ,,Weiß man es", feixte er.
Leider ist mein Vater etwas komisch, so das ich in der Woche nicht hier sein kann.“ Entschuldigend zuckte er mit den Schultern. „Aber sie kann mich jederzeit erreichen wenn etwas ist und am Wochenende schlafe ich ja hier.“ „Nun ist aber gut!", protestierte Nora. ,,Ihr tut gerade so als wenn ich noch ein kleines Kind wäre. Ich kann auch schon auf mich selbst aufpassen.“ ,,Das finde ich auch", mischte sich nun ihr Vater ein. ,,Wir wissen das wir uns auf dich verlassen können. Wenn wirklich was passiert sind wir jederzeit erreichbar und im Notfall auch schnell zu Hause. Hört jetzt auf Trübsal zu blasen. Ich weiß du würdest unsere Tochter am liebsten mitnehmen. Aber das geht nun mal nicht und sie kann auch schon ganz gut auf eignen Beinen stehen.“
„Schon gut, schon gut, ich bin eine schreckliche Glucke“, lachte Frau Marquard verlegen.
,,Du bist keine Glucke, sagte Nora zärtlich zu ihrer Mutter Ihr werdet mir auch fehlen, aber ich komme schon allein zurecht.“ „Na seht ihr“, brummte ihr Vater „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir Morgen endlich zu unserem lang ersehnten Traumurlaub aufbrechen, sagte ihre Mutter, als sie wieder in der Küche saßen. Zwei Monate Sonne, Strand und Erholung. Keine Kunden und keine Termine. Einfach nur tun und lassen was wir wollen.“ „Sex unter freiem Himmel,was gibt es schöneres“,unterbrach ihr Mann sie, mit verklärtem Blick. „Eberhard!“, entsetzt schaute sie ihren Mann an. „Was soll unsere Tochter von uns denken.“ Verlegen sah sie Nora an.
„Schon in Ordnung, genießt euer Leben, auch mit Sex unter freien Himmel. Aber nicht das ich euch aus dem Gefängnis holen muss, wegen unzüchtigem Verhalten in der Öffentlichkeit.“ Als ihre Eltern sie verdutzt ansahen, brach sie schallendes Gelächter aus. „Aber mir sagen ich soll keine Dummheiten machen“, gluckste sie. Lachend stimmten ihre Eltern,zu. „Wann wollt ihr eigentlich Morgen los?“ „So gegen fünf Uhr. Da sind die Straßen noch nicht so voll“, sagte Noras Vater. „Stimmt, aber dann sollten wir jetzt langsam ins Bett gehen. Sonst schlaft ihr Morgen am Steuer ein“,schlug Nora vor. „Hoffentlich kann ich überhaupt vor Aufregung schlafen“, seufzte ihre Mutter. „So wie dich kenne, grinste Eberhard, bist du in kürzester Zeit eingeschlafen. Etwas was dir den Schlaf geraubt hat, habe ich noch nicht erlebt.“ „Das sagt der richtige. Wer schläft denn immer zuerst?“,empört schaute sie ihn an. „Schon gut", lachend ergab er sich.
Amüsiert betrachtete Nora ihre Eltern. Dieses kleine Geplänkel kannte sie schon,aber es war nie böse gemeint. Das sie schon mal richtig Krach hatten, daran konnte Nora sich nicht erinnern. „Können wir jetzt endlich ins Bett gehen“, drängte ihre Mutter. „Sofort“, eines wollte ich noch sagen und sah seine Tochter an.„Du kannst in unserer Abwesenheit im Haus tun und lassen was du willst. Hauptsache wir erkennen es noch wieder. Nur in meinem Arbeitszimmer hast du nichts verloren.“ Ernst und eindringlich sah er sie an. „Das weiß ich doch, Papa!“ Etwas erstaunt sah Nora ihn an. „Ich werde es nur in Notfällen betreten, ansonsten ist es tabu für mich. Um das Haus braucht ihr euch auch keine Gedanken machen, ich werde hier keine wilden Partys in eurer Abwesenheit geben.“ Ihr Vater legte den Arm um ihre Schultern und drückte sich zärtlich an sich.
„Wir wissen das wir uns auf dich verlassen können. Das Büro schließe ich ab, aber den Schlüssel hänge ich am Schlüsselbrett.“ „Ist in Ordnung!“ Sie gab ihrem Vater noch einen Gute Nacht Kuss. Während Marga ihren Mann aus dem Zimmer schubste, rief sie ihrer Tochter noch gute Nacht zu. Etwas verwundert schaute sie den beiden hinterher. Warum hatte ihr Vater das mit dem Arbeitszimmer noch einmal erwähnt. Sie wusste seit ihrer Kindheit das sie dort nicht alleine hinein durfte. Einmal, sie war etwa sieben Jahre alt und auf der Suche nach einem Radiergummi. Ihr Vater war nicht da und so hatte sie alleine im Arbeitszimmer danach geschaut. Plötzlich stand er in der Türe und hat sie mächtig ausgeschimpft. So wütend hatte sie ihn noch nie gesehen. Das war das erste und einzige mal, das sie Angst vor ihm hatte.
Er hatte ihr erklärt das in dem Zimmer wichtige Unterlagen lagen und das sie nicht beschädigt oder wegkommen durften. Von diesem Tag an hatte sie nie wieder alleine das Büro betreten. Daran hat sie sich auch bis heute gehalten. Noch immer verwundert ging sie in ihr Bett.
Früh am Morgen wurde sie von lautem Gepolter geweckt. Erschrocken setzte sie sich hoch. Was war das für ein Krach? Der Blick auf die Uhr zeigte ihr das es erst vier Uhr war. Mit einem Satz war sie aus dem Bett. Leise schlich sie zur Türe und öffnete sie einen Spalt. Von unten hörte sie die Stimme ihres Vaters.
„ Mensch Marga, kannst du nicht ein bisschen leiser sein! Du weckst unsere Tochter noch", schimpfte er Nora war inzwischen nach unten gegangen und stand lachend in der Küchentür. „Schon geschehen. Habt ihr mir einen Schrecken eingejagt. Ich dachte es wären Einbrecher im Haus.“ „Entschuldige Kind", zerknirscht schaute Marga ihre Tochter an. ,,Mir ist der Topf aus der Hand gefallen. Ich wollte ihn noch mitnehmen.“ „Das ist nur passiert weil du wieder fünf Dinge auf einmal tragen wolltest. Wann lernst es mal, dass du kein Balancierkünstler bist“, seufzte ihr Mann. „Niemals, dafür bin ich schon zu alt“, antwortete sie keck.
„Ich habe es befürchtet“, lachte er. „Na ihr seid ja schon gut drauf und das so früh am Morgen“, bemerkte Nora schmunzelnd. „Deine Mutter konnte schon um halb vier nicht mehr schlafen und meinte mich auch schon aus dem Bett zu werfen. Dich hat sie ja auch wach bekommen“ „Ist doch nicht schlimm dann können wir wenigsten noch zusammen Frühstücken, lachte Nora. Ihr räumt eure letzten Sachen ins Auto und ich mache unterdessen Frühstück.“
„Was für eine verständige Tochter wir doch haben“, lachte Marga. „Was bleibt ihr auch anderes übrig“, sagte ihr Vater. Schnell wich er dem Klaps seiner Frau aus und schaffte die letzten Sachen ins Reisemobil. Beim Frühstück gaben sie ihrer Tochter noch letzte Ratschläge. „Vergiss ja nicht meine Blumen zu Gießen. Wenn du das Haus verlässt, schließe alle Türen ab. Du weißt das in letzter Zeit,in der Nachbarschaft öfter eingebrochen wurde.“
Amüsiert hatte Nora zugehört. Sie wusste nicht wie oft sie das in der letzten Zeit gehört hatte. „Macht euch keine Sorgen, ich werde schon an alles denken“, beruhigte sie ihre Eltern. Ganz fest nahmen sie Nora noch einmal in den Arm, bevor sie ins Auto stiegen. „Pass auf dich auf,mein Kleines sagte ihre Mutter mit etwas zittriger Stimme. Ich werde dich bestimmt ganz doll vermissen. Die Kühltruhe ist bis oben hin voll, die nächste Zeit brauchst du nicht verhungern.“
„Macht euch keine Gedanken. Ich komme schon zurecht. Immerhin bin ich schon erwachsen, sagte Nora schmunzelnd. Erholt euch gut und kommt gesund zurück. Meldet euch zwischendurch, damit ich weiß ob es euch gut geht.“
„Machen wir!“ Noch einmal folgten viele Umarmungen und Küsschen. Als die Eltern schon im Auto saßen, kurbelte ihr Vater die Scheibe noch einmal hinunter. „Pass auf mein Auto auf und versuche keine Beule hinein zu fahren.“„ Keine bange Paps, ich fahre vorsichtig.“ „Wenn es doch passiert ist es auch kein Beinbruch, lachte ihre Mutter. Hauptsache dir passiert nichts. Jetzt lass uns aber langsam fahren, sonst kommen wir nie weg.“
Nora winkte noch bis das Auto nicht mehr zu sehen war. Einen Moment fühlte sie sich richtig verloren. Die Stille im Haus machte es auch nicht besser .Der Blick auf die Uhr zeigte ihr das es noch sehr früh war. Sie überlegte ob sie sich noch einmal ins Bett kuscheln sollte. Ihre erste Vorlesung an der Uni hatte sie erst um elf Uhr. Quatsch sagte sie laut. Schlafen könnte sie sowieso nicht mehr, dazu war sie viel zu wach und aufgekratzt. Entschlossen räumte sie auf. Eine Stunde später machte sie sich auf den Weg zur W.G. Sie hatte Sehnsucht nach Peter und brauchte jetzt seine Nähe. Er würde sie schon wieder aufheitern.
Leise betrat sie die Wohnung, in der sie mit Peter und Nele, eine andere Kommilitonin wohnte. Nele studierte Theologie und war in manchen Sachen, genauso spießig wie Peter. Trotzdem kamen sie alle gut miteinander aus. Als Nora auf Peters Zimmer zuging, huschte Nele gerade über den Flur. Erschrocken sah sie Nora an. „Was machst du denn hier? Ich dachte du wohnst die nächste Zeit wieder zu Hause.“ „Stimmt, aber meine Eltern sind gerade abgefahren und ich fühlte mich ziemlich einsam“ Peter schläft aber noch, wir haben gestern noch lange gelernt.“
Erstaunt sah Nora, Nele an. „Ihr beide? Du studierst doch was ganz anderes. Konntest du Peter überhaupt helfen?“ „Er kam mit ein paar Sachen für die Klausur nicht zurecht und da habe ich ihn abgehört.“ „Nett von dir.“ Nora war immer noch etwas erstaunt. Das Nele mit Peter lernte, hat sie noch nie erlebt. Normalerweise haben die Beiden sich nie viel zu sagen. Peter findet sie in ihren Ansichten immer sehr spießig. Was Nora schon manchmal erheitert hatte, da er ja auch nicht anders war „Ich lege mich jetzt noch etwas hin.“ Verlegen ging Nele in ihr Zimmer. Kopfschüttelnd schaute Nora ihr nach. Die war aber heute Morgen komisch.
Leise ging sie in Peters Zimmer. Der lag quer in seinem Bett und zu ihrer Verwunderung, „komplett Nackt.“ Normalerweise schlief er immer mit einem Pyjama. Nachdenklich betrachtet Nora ihn. Er hatte nicht gerade die Figur eines Adonis, sondern war sogar eher mager, fast schon dürr. Aber Nora brauchte keinen Muskelprotz, sie liebte ihn so wie er war. Für sie zählte andere Werte und die hatte Peter. Schnell zog sie sich ihre Sachen aus und legte sich neben ihn. Zärtlich strich sie ihm über den Bauch und ihre Finger glitten über seine Lenden. Peter gab stöhnende Laute von sich, ohne das er wach wurde. Zärtlich knabberte sie an seinem Ohrläppchen. Erschrocken setzte er sich auf und schaute sich verwirrt um. „Was machst du denn hier“?
Verwundert und auch ein bisschen verunsichert schaute er sie an. „Wieso machst du dich über einen wehrlos schlafenden Mann her?“ Nora musste über sein dummes Gesicht, laut lachen. „Du solltest dich mal anschauen, du machst ein Gesicht als wenn ich dich bei etwas verbotenem erwischt hätte.“ „Quatsch, wobei solltest du mich denn erwischt haben, außer beim Schlafen", gab er unwillig zurück.
„Seit wann schläfst du eigentlich nackt?“ Verlegen schaute er sie an. „Ich konnte ja nicht ahnen das du zur Nachtschlafenderdzeit hier erscheinst und über mich her fällst. Dann hätte ich mir was angezogen" „Entschuldige mal, seit wann stört es dich wenn ich dich verführe",gab Nora etwas pikiert zurück. Außerdem hatte ich Sehnsucht nach dir und meine Berührungen scheinen dir gut gefallen zu haben, wie ich an deiner Reaktion gemerkt habe. Oder hast du gedacht, es läge jemand anders neben dir?“ Nora war jetzt sichtlich eingeschnapt
„Blödsinn, wer soll denn sonst neben mir liegen und auf die Verrückte Idee kommen mich mitten in der Nacht zu verführen. Ich habe tief und fest geschlafen“, versuchte er Einzulenken. Zärtlich nahm er sie in den Arm. Immer noch etwas schmollend schaute sie ihn an. „Was machst du überhaupt hier? Ich dachte du bist zu Hause." Fragend sah Peter sie an.
„Ich hatte Sehnsucht nach dir und nachdem meine Eltern abgefahren sind, fühlte ich mich einsam,so allein, in dem großen Haus. Ich habe gedacht du tröstest mich, stattdessen meckerst du mich nur an.“ Trotzig schob Nora die Unterlippe vor. „Tut mir wirklich leid,war nicht so gemeint. Komm her und lass uns da weiter machen, wo du aufgehört hast“, schmeichelnd sah Peter sie an „Nee, keine Lust mehr, sagte Nora schnippisch.
„Wirklich nicht?“ Verführerische streichelte er sie an ihren empfindlichsten Stellen. Nach einer Weile gab sie ihre Abwehr auf . Als er in sie Eindrang, schrie sie leise auf und schwang ihre Beine um seine Hüften. Als sie gemeinsam den Höhepunkt erreichten, war ihr Schrei in der ganzen Wohnung zu hören.
Gutgelaunt kamen sie kurze Zeit später in die Küche. Nele die schon dort am Tisch saß, schaute sie spöttisch an. „Na, Frühsport gemacht? Das nächste mal bitte etwas leiser, muss ja nicht jeder mitbekommen.“ Daraufhin verließ sie die Küche und warf die Türe mit einem lauten Knall hinter sich zu. Verblüfft schaute Nora ihr nach. „Was ist denn mit der los?“ Fragend sah sie Peter an. „Wenn ich es nicht anders wüsste, könnte man meinen sie wäre Eifersüchtig.“ „Quatsch, wahrscheinlich war es ihr nur peinlich. Wir hätten auch nicht so laut sein brauchen.“ „Wie der Herr meint, dann machen wir jetzt nur noch stummen Sex“,gab Nora verstimmt zurück.
„Jetzt sei nicht wieder beleidigt, du weißt doch das sie etwas verklemmt erzogen wurde. Lass uns Frühstücken und dann zur Uni gehen.“ Knurrend gab Nora nach, aber leise murmelte sie noch:“ Die soll sich bloß nicht so haben.“
Die Tage bis zum Wochenende vergingen wie im Flug. Endlich war es Freitag und Peter würde bei ihr Übernachten. Abends ganz alleine im Haus, hatte sie sich doch ziemlich einsam gefühlt. Ihre Eltern hatten zwischendurch angerufen. Sie hatten sich entschlossen ein Paar Tage länger in Frankreich zu bleiben. Heute wollten sie allerdings weiter nach Spanien fahren. Nora hatte Peter versprochen das sie Kochen würde. Nach der Uni eilte sie nach Hause um alles vorzubereiten. Peter musste noch Taxi fahren und würde etwas später nachkommen. Sein Vater war der Ansicht, dass man nicht früh genug damit anfangen konnt, Geld zu verdienen.
Sie hatte sich auch einen Job suchen wollen, aber ihre Eltern meinten sie solle sich lieber auf das Studium konzentrieren. Es war schon fast zwanzig Uhr als Peter endlich kam. „Ich dachte schon du kommst heute gar nicht mehr“, empfing sie ihn. „Ging nicht früher. Heute war es wie verhext, immer wenn ich dachte, jetzt kann ich aufhören, kam ein neuer Fahrgast“, sagte Peter seufzend. „Wenn es noch länger gedauert hätte wäre das Essen total verbrutschelt“, murrte sie. „Ich esse es auch wenn es verbrannt ist“, flüsterte er ihr liebevoll ins Ohr. Empört schaut sie ihn an. „Als wenn ich dir schon mal verbranntes Essen serviert hätte.“
„Entschuldige, so war das nicht gemeint. Ich weiß, dass du super Kochen kannst,fügte Peter schnell hinzu. Ich wollte dir damit nur sagen wie sehr ich dich liebe.“ Schelmisch schaute sie ihn an. „Das will ich auch hoffen!“ Mit einem leidenschaftlichem Kuss war der Frieden schnell wieder hergestellt. Kurze Zeit später saßen sie gemütlich am Esstisch und ließen es sich schmecken. „Dein Essen schmeckt wirklich super“, lobte er sie. „Was hältst du davon wenn wir es uns gleich vor dem Kamin gemütlich machen und dabei einen Film schauen“, schlug Nora vor. Peter nickte.
Sprechen konnte er nicht denn er kaute immer noch mit vollen Backen. „Aber erst hilfst du mir den Tisch abräumen.“ Ergeben rollte er die Augen. Satt und zufrieden ließ er sich nach hinten sinken. „Das war richtig lecker. Jetzt weiß ich was ich die letzten Tage vermisst habe.“ „Ach!..... und ich dachte du hättest mich vermisst. Dabei war es nur mein Essen.“ Entrüstet sah sie ihn an. „Natürlich habe ich dich vermisst, aber auch deine Kochkunst. Bei mir gab es in den letzten Tagen nur Brot.“ Mitleid heischend schaute Peter sie an.
„Hat Nele denn nicht zwischendurch mal gekocht“, fragte sie grinsend? „Das schon, aber du kennst ihre Kochkünste, die sind mehr als Erbärmlich.“ „Du kannst einem richtig Leid tun“, spottete sie. ,,Allerdings hält sich mein Mitleid in grenzen." Eine Weile alberten sie noch herum. Während sie gemeinsam die Küche aufräumten, nahm er sie immer wieder in den Arm und strich ihr sanft über ihren Busen. Langsam wurden sie immer Erregter. „Ich glaube wir sollten auf den Film verzichten und lieber ins Bett gehen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Nora nickte, sie wollte jetzt auch nur noch seine Zärtlichkeiten spüren
Sie hatten gerade die Tür zu Noras Zimmer erreicht, da schellte es. Erschrocken zuckten sie zusammen. „Wer kann das denn jetzt noch sein?“ Fragend sah er Nora an. Ratlos zuckte sie mit den Schultern. „Lass es klingeln,“ sagte Peter. Wer etwas will, soll Morgen wiederkommen. Vielleicht ist es was wichtiges,sagte Nora zögernd. Während sie noch überlegten,ob sie öffnen sollen,schellte es wieder und diesmal ziemlich anhaltend.
Nora rannte die Treppe hinunter. Schnell lief Peter ihr hinterher. Die Angst kroch ihr über den Nacken. Zitternd schaute sie durch den Spion. „Kannst du etwas erkennen“, fragte Peter, der jetzt hinter ihr stand. Leichenblass drehte sie sich um. „Vor,....vor..... der Türe steht die Polizei“,sagte sie stotternd.. Langsam, mit zitternden Händen öffnete sie die Türe.
„Guten Abend, begrüßten die zwei Beamten sie. „Sind sie Nora Marquard?“
Nora nickte,sprechen konnte sie nicht. „Guten Abend die Herren. Hat meine Freundin falsch geparkt, versuchte Peter einen Scherz. Was können wir für sie tun?“ Verlegen hielten die Männer ihre Mützen in Hand. Man sah ihnen an, dass ihnen der Auftrag den sie bekommen hatten, nicht leicht fiel. „Dürfen wir herein kommen?“ Im Wohnzimmer schauten sie Nora und Peter an. „Es tut uns leid, aber wir müssen ihnen Mitteilen, dass ihre Eltern Frau Marga Marquard und Herr Eberhard Marquard heute Mittag bei einem schweren Verkehrsunfall in Frankreich ums Leben gekommen sind.“
Mit Entsetzen hatte Nora den Beamten zugehört. Sie stieß einen Mark erschütternden Schrei aus. Wenn Peter sie nicht festgehalten hätte, wäre sie zusammen gebrochen. Weinend lag sie in seinen Armen. Als er Nora auf das Sofa gelegt hatte, sah er,dass sie völlig Apathisch war. Ihr Gesicht war kreidebleich und die Augen waren weit aufgerissen. Tränen liefen ihr über die Wangen, aber es kam kein Laut über ihre Lippen. „Sollen wir einen Arzt verständigen oder jemand anders“, fragten die Beamten. „Wenn sie den Hausarzt anrufen könnten, ich glaube die Nummer steht im Telefonbuch, das auf dem Tischchen im Flur liegt.“
Mit kurzen Worten erklärten die Beamten, dem Arzt was passiert war. Er versprach sofort zu kommen. Besorgt betrachtete Peter seine Freundin, die am ganzen Körper zitterte. Beruhigend strich er ihr über das Haar. „Brauchen sie uns noch?“, fragten die Beamten verlegen. „Können sie mir vielleicht sagen was wir jetzt tun müssen?“ Peter war vollkommen durcheinander.
„Sie müssen sich mit den französischen Behörden in Verbindung setzen und die Überführung nach Deutschland veranlassen.“ „Wissen sie wie es passiert ist“, fragte Peter leise? Soviel uns bekannt ist, fuhr ein Lkw in ein Stauende. Die Eltern ihrer Freundin waren die letzten. Sie hatten keine Chance. Sie müssen beide sofort Tod gewesen sein.“ Erschüttert schaute Peter, die Beamten an. „Mein Gott, diese Urlaubsreise war ihr Lebenstraum und nun das.“ Tränen standen in seinen Augen- Augen.
Als die Beamten gegangen waren, setzte Peter sich wieder neben Nora und streichelte ihr Gesicht. Er konnte ihr nichts tröstendes sagen, noch begriff er selbst nicht was passiert war. Peter krampfte das Herz zusammen. Er wusste wie sehr sie an ihren Eltern gehangen hatte. Die nächste Zeit würde schwer für sie werden. Mitten in seine Gedanken hinein schellte es und der Arzt kam.
Auch er war fassungslos über den Tod der Marquards. ,,Ich kannte sie schon etliche Jahre,erzählte er Peter Wir waren freundschaftlich verbunden gewesen. Eberhard und Marga haben mein Haus entworfen. Nora kenne ich schon als kleines Kind. Sie haben ihre Tochter abgöttisch geliebt. Ich habe selten so eine harmonische Familie erlebt.“ Während dessen hatte er Nora ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt. „Sie wird jetzt erst einmal die nächsten Stunden schlafen. Ich lasse ihnen noch ein paar Tropfen hier. Wenn sie erwacht geben sie ihr welche davon.“
„Ich glaube sie sollten sich jetzt auch ein bisschen hinlegen.“ Er sah wie erschöpft der junge Mann war. „Für ihre Freundin können sie jetzt nichts tun. Aber in den nächsten Tagen wird Nora sie noch brauchen. Es bringt nichts wenn sie jetzt auch noch schlapp machen. Es wird lange brauchen bis sie den Schock überwunden hat, aber sie ist jung. Es wird ihr helfen wenn sie an ihrer Seite sind.“ Peter nickte. „Ich werde ihr beistehen so gut ich kann. Danke Herr Doktor das sie so schnell gekommen sind.“ „Nichts zu danken. Sie können mich jederzeit anrufen wenn sie Hilfe brauchen.“ Damit verabschiedete er sich.
Die nächsten Tagen waren für Nora schrecklich, Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihre geliebten Eltern nicht wiedersah. „Sie sind doch so glücklich und voller Vorfreude abgefahren. Selbst als sie anriefen, waren sie noch so begeistert, wie schön Frankreich sei“, sagte sie leise zu Peter. Nora schluchzte leise vor sich hin. Peter versuchte ihr soviel wie möglich abzunehmen, aber es gab leider Sachen die sie Entscheiden musste. Das schlimmste war für Nora, als sie die Särge und die Blumen aussuchen musste.
Ein Reporter war da gewesen und wollte einen Bericht über das Tragische Ende des bekannten Architektenpaares schreiben, aber Peter wimmelte ihn ab.
Als sie am Grab der Eltern stand und sah wie die Särge in die Gruft gelassen wurden,brach sie weinend zusammen. Sie war froh das Peter da war, alleine hätte sie das alles nicht durchgestanden.
Nora hatte den Verlust der Eltern noch immer nicht verkraftet, als sie ein paar Tage später einen Brief der Versicherung erhielt,in dem man sie dringend um Unterlagen bat. Sie durchsuchte alle Schränke im Wohnzimmer und sogar im Schlafzimmer, doch die Unterlagen konnte sie nicht finden. Mutlos schaute sie Peter an. „Wo können diese blöden Papiere bloß sein?“
„Hast du schon im Arbeitszimmer nachgeschaut?“ Entsetzt schaute Nora ihn an. „Ich, ich, stotterte sie, kann doch nicht im Schreibtisch meines Vaters herum wühlen. Du weißt das Paps da immer sehr eigen war.“
Mitfühlend schaute Peter sie an. „Ich weiß das alles, aber deine Eltern sind Tod und jetzt gilt das nicht mehr. „Das ist die einzige Möglichkeit,wo die Papiere noch sein könnten.“ „Das kann ich nicht“,wehrte Nora entsetzt ab. Trauer und Verzweiflung klang aus ihrer Stimme heraus. „Papa hat extra noch gesagt das ich in seinem Arbeitszimmer nichts zu suchen hätte.“ Hilflos schluchzte sie auf. Peter nahm sie an den Schultern und schaute ihr in die Augen. „Du wirst es müssen! Oder soll ich für dich nachschauen.?“ „Nein, entschieden schüttelt sie den Kopf. Das muss ich selber machen.“
Ihren ganzen Mut zusammen nehmend, schloss sie mit zitternden Händen die Türe auf. „Soll ich dir helfen?“, fragte Peter mitfühlend. „Nein“, lehnte Nora ab. ,,Wenn du mich brauchst, rufe einfach." Nora nickte nur. Sprechen konnte sie jetzt nicht. Immer noch hatte sie das Gefühl etwas unerlaubtes zu tun. Sie kam sich in diesem Augenblick vor, als sei sie wieder klein. Gleich würde Papa sie ausschimpfen, dass sie unerlaubt das Arbeitszimmer betrat. Zögernd ging sie hinein, den Blick auf den Schreibtisch gerichtet. Sollte sie es wirklich wagen, ihn zu öffnen und durchsuchen?
Sie sah ihren Vater wie er ihr freundlich zulächelte, wie er es immer getan hatte, wenn sie schüchtern an der Türe gestanden hat und er sie herein winkte. Wie oft hatte er sie hier auf seinen Schoß genommen und mit ihr am Schreibtisch gemalt oder etwas erzählt. Später hatte sie oft hier gesessen und er hatte ihr bei den Hausaufgaben geholfen. Doch nie mehr war sie seit damals, alleine in das Zimmer gegangen. Schwankend erreichte sie den Schreibtisch und setzte sich behutsam in den schweren Ledersessel. Zärtlich strich sie über die Armlehne und atmete den Geruch des Leders ein. Den hatte sie früher schon geliebt.
Als sie sich zurück lehnte, spürte sie noch den leichten Duft von Papas Rasierwasser. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Nie mehr würde sie ihn um Rat fragen können. Auf dem Tisch stand ein Bild, auf dem sie alle zu sehen waren. Wie fröhlich waren sie da. Mama strahlte mit Paps um die Wette. Sie wusste noch wann sie dieses Bild gemacht hatten. Es war bei ihrem letzten gemeinsamen Urlaub, vor zwei Jahren in Bayern gewesen. Nie wieder werden wir zusammen fröhlich sein. Mama,Papa ich vermisse euch so. Schluchzend stellte sie das Bild wieder hin. Verzeih mir Papa, aber ich muss jetzt nach diesen blöden Papieren suchen.
Zögernd öffnete sie eine Schublade nach der anderen, doch nirgends war der Ordner mit den Versicherungspapieren zu finden. Mutlos wollte sie schon aufgeben. Da entdeckte sie, dass an der Seite noch ein Fach war. Aber es war verschlossen und der Schlüssel steckte nicht. Hoffentlich hat Paps ihn nicht eingesteckt, schoss es ihr durch den Sinn. Das Fach aufzubrechen, wäre wirklich zufiel für sie gewesen. Noch einmal durchsuchte sie die anderen Schubladen. Plötzlich fühlte sie etwas. Im Deckel einer Schublade, war etwas angeklebt. Vorsichtig löste sie es und zum Vorschein kam der gesuchte Schlüssel. Unschlüssig hielt sie ihn in der Hand. Sollte sie jetzt wirklich Papas Geheimfach öffnen.
Mutig steckte sie den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. Als die Türe aufsprang, erschrak sie. Aber jetzt war sie soweit gegangen, nun wollte sie auch wissen ob die gesuchten Papiere sich hier befanden. Zwei Ordner standen neben einander. Auf dem einem stand Haus und der andere war der gesuchte. Aufatmend zog sie ihn heraus und wollte schon die Türe wieder schließen. Da fiel ihr ein großer brauner Umschlag auf, den sie wohl mit heraus gezogen hatte. Im ersten Impuls wollte sie ihn wieder in das Fach stecken. Da sah sie, dass ihr Name darauf stand.
„Für unsere geliebte Tochter Nora, nach unserem Tod öffnen“,
Das war eindeutig Papas Handschrift. Was sollte das bedeuten? Sollten sie in wirklich öffnen. Ratlos hielt sie ihn den Händen. Vielleicht ist es ein Testament. Aber warum hat Papa es nicht bei unserem Notar hinterlegt. Mit zitternden Händen öffnete sie den Umschlag. Er enthielt nicht viel. Ein einfacher weißer Zettel und einen Brief. Mit klopfendem Herzen faltete sie das Schreiben auseinander. Was sie dann zu Lesen bekam verschlug ihr die Sprache:“
Geliebte Tochter,
wenn du das hier liest, leben deine Mama und ich nicht mehr. Es tut uns leid, dass wir zu Lebzeiten nicht den Mut gefunden haben dir die Wahrheit zu sagen. Aber wir hatten immer Angst das du dich von uns abwenden würdest. Wir wollten dich nicht auch noch mit diesem Wissen belasten. Es reichte das wir mit dieser Schuld leben mussten. Vielleicht waren wir auch nur zu feige. Aber ich glaube ich muss ganz von vorne anfangen:
"Als deine Mutter und ich geheiratet haben, wussten wir von Anfang an das wir Kinder haben wollten. Am liebsten zwei oder drei. Aber was wir auch taten, deine Mutter wurde nicht schwanger! Zweimal schwebten wir im siebten Himmel denn es sah so aus als seien wir endlich am Ziel unsere Wünsche. Aber jedes Mal, nach wenigen Wochen verloren wir das Kind wieder. Dann erklärten uns die Ärzte das deine Mutter nicht mehr schwanger werden dürfte. Für uns brach eine Welt zusammen. Marga wurde immer Depressiver. Sie fühlte sich nicht mehr als vollkommene Frau. Wir beschlossen eine Weile in Urlaub zu fahren. Damit wir von allem etwas Abstand bekamen und in Ruhe überlegen konnten wie es weiter geht."
"Auf der Insel Amrum kamen wir in einer kleinen Pension unter. Nach anderthalb Wochen waren wir zu dem Entschluss gekommen ein Kind zu Adoptieren. Doch dann schlug das Schicksal wieder zu. Als wir von einem langen Spaziergang zurück kamen, stand vor unserer Tür, eine Tasche mit einem Baby. Zuerst dachten wir an ein Versehen oder das die Mutter gleich wiederkommen würde. Aber es geschah nichts. Als das Baby unruhig wurde, nahm Marga es aus der Tasche. Ich sah an ihrem Blick, das sie sich sofort in das Kind verliebt hatte. In der Tasche entdeckten wir einen Brief der an uns gerichtet war." "Ich habe ihn aufgehoben und bei gelegt." ,,Wir waren wie vor den Kopf gestoßen."
,,Du verstehst sicher das ich zuerst entsetzt war. Unmöglich konnten wir ein fremdes Kind behalten. Aber dann sah ich den flehenden Blick deiner Mutter. In diesem Moment wusste ich, dass sie es nie wieder her geben wird. Sicher ahnst du schon ,das hier von dir die Rede ist. Wie du weißt war mein Bruder,, dein Onkel Thomas, Arzt. Ich rief ihn an und bat ihn um Hilfe. Natürlich lehnte er mein Ansinnen zuerst ab.. Aber nachdem ich ihm unsere Situation erklärt hatte, war er bereit uns zu helfen."
,,Am nächsten Tag traf er auf Amrum ein. Er untersuchte dich und bescheinigte uns, dass du kerngesund warst. Am gleichen Tag fuhren wir mit ihm nach Bremen zurück. Zu Hause stellte er uns eine Geburtsurkunde für dich aus und ab da warst du offiziell unsere Tochter. Es war nicht recht was wir getan haben. Bitte verzeih uns!"
,,Aber ich konnte nicht anders handeln. Ich liebte deine Mutter über alles und wollte nur das sie glücklich war. Du hast uns wirklich für alles entschädigt und durch dich haben wir unsere Schuld leichter ertragen können. Ich hoffe das du uns irgendwann einmal verstehst und verzeihst."
In großer Liebe, deine Eltern
Ps. ,,Lies den beiliegenden Brief, vielleicht findest du etwas über deine Mutter heraus. So wie wir dich kennen, wirst du es versuchen. Fahre nach Amrum!"
Nora nahm den anderen Zettel zu Hand
Sehr geehrte Fam. Marquard,
bitte nehmen sie mein Kind an sich, ich kann nicht für die Kleine sorgen. Meine Eltern wissen nicht das ich ein Kind geboren habe. Sie würden mich von der Insel jagen und verachten. Ich liebe mein Zuhause und möchte hier bleiben. Ich habe vergangene Tage zufällig ein Gespräch von ihnen mitbekommen,dass sie sich ein Kind wünschen und keines bekommen können. Sie tragen sich mit dem Gedanken eines zu Adoptieren. Bitte nehmen sie meines. Ich weiß, dass sie ihm ihre ganze Liebe geben werden. Leben sie wohl und danke.
Eine verzweifelte Mutter
Fassungslos hatte Nora alles gelesen. In ihr tobte ein Sturm. Vor ein paar Tagen musste sie von ihrer Mama und ihrem Papa Abschied nehmen und nun erfuhr sie, dass sie gar nicht ihre Eltern waren. Nora hatte das Gefühl, als wenn ihr der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Leichenblass saß sie im Sessel. Nicht fähig aufzustehen. Peter hatte sich langsam Sorgen gemacht. Es war so ruhig im Zimmer. Langsam öffnete er die Türe. Als er Nora blass und erstarrt im Sessel sitzen saß, war er mit einem Satz bei ihr. „Was ist mit dir? War es doch zufiel?“ Stumm schüttelte sie den Kopf und reichte ihm die Briefe.
„Lies, und du wirst verstehen oder auch nicht. So wie ich.“ Stirnrunzelnd begann Peter zu lesen. Mit jeder Zeile wurde seine Mine fassungsloser. Erschüttert ließ er die Briefe sinken. „Das gibt es doch nicht! Deine Eltern waren doch so grundehrliche Menschen und dann haben sie sich auf so etwas eingelassen. Deshalb hast du auch so wenig Ähnlichkeit mit ihnen gehabt. Ich habe mich immer etwas gewundert.“ „Ich auch“, sagte sie leise. „Aber sie haben mir immer erklärt das ich das hellhäutige und die blonden Haare von meiner Oma habe. Mama und Papa waren ja beide Dunkelhaarig.“
Ihre Stimme klang verzweifelt und wütend zugleich. Zornig sprang sie auf. „Wie konnten sie mir das antun? Mein ganzes Leben haben sie mich belogen. Jetzt haben sie sich einfach davon gemacht und ich kann sie noch nicht einmal fragen. Warum haben sie mir nicht die Wahrheit gesagt?“ Ihre Wut wurde immer größer.
„Jetzt beruhige dich wieder!“ Behutsam nahm Peter sie in den Arm. „Sie haben doch geschrieben das sie dich damit nicht belasten wollten.“ „Na wunderbar, aber jetzt wo sie Tod sind, bürden sie mir die Belastung auf. Ich habe immer gedacht sie würden mich lieben, aber wahrscheinlich waren sie einfach nur Egoistisch.“
„Jetzt hör aber auf, sagte Peter laut. Du weißt genau, dass dies nicht stimmt. Sie wollten dich nur schonen, damit du unbelastet aufwachsen konntest.“ Langsam beruhigte Nora sich wieder und er konnte sehen wie sie in sich zusammen fiel. Aufschluchzend sank sie wieder in den Sessel.
„Was hast du jetzt vor“, fragend schaute er Nora an. „Keine Ahnung, im Moment kann ich noch keinen klaren Gedanken fassen. Bist du mir böse,wenn ich heute alleine sein möchte?“, fragend schaute sie ihn an.„Nein, aber bist du dir sicher, dass du jetzt alleine sein kannst?“ Sie schaute ihn eine Weile stumm an. „Ja, ich muss über so vieles Nachdenken.“
„Wie du meinst!“ Sein Gesicht zeigte ihr, dass er sie nicht gerne alleine ließ. „Rufe mich aber sofort an wenn du mich brauchst.“ Nora nickt. Sie war mit ihren Gedanken ganz wo anders. Als Peter leise das Zimmer verließ, merkte sie es gar nicht. Ihre Gedanken waren bei den Eltern und warum sie ihr nicht früher die Wahrheit gesagt hatten. Plötzlich erinnerte sie sich an so viele kleine Dinge, über die sie früher gar nicht nachgedacht hatte.
Onkel Thomas der so selten zu ihnen gekommen war und der sie dann immer so komisch angesehen hatte. Früher hatte sie immer gedacht, er mochte sie nicht. Nie hatte sie Bilder von Oma und Opa gesehen. Mama und Papa hatten ihr erklärt, dass sie alle durch einen Wasserschaden vernichtet worden. Jetzt verstand sie auch,warum sie kurz nach ihrer Geburt von Bremen nach Köln gezogen sind. Wahrscheinlich hatten die Nachbarn sich gewundert woher auf einmal das Kind kam.
Als sie mit der Klasse ins Schullandheim nach Amrum fahren wollte,hatte ihre Mutter sie entsetzt angeschaut und wollte ihr die Mitfahrt verbieten. Erst Papa konnte Mama überzeugen, dass sie mit durfte. Sie hatte gedacht, sie wollte es nicht, aus lauter Angst, dass ihr was passieren könnte.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2012
ISBN: 978-3-95500-185-8
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