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Freu Dich, Du bist in Spanien


Kurzgeschichten von und mit Anna Bird


Seit einigen Jahren arbeite ich in einer kleinen, regionalen Immobilienfirma an der Costa Blanca. Es gibt ein Hauptbüro in der nächsten Stadt und eine Zweigstelle in der Urbanisation „El Sueño“. Wir sitzen direkt auf der Baustelle, na gut, mit den Jahren hat sich die Baustelle etwas von uns wegbewegt, wir haben nicht mehr den direkten Baulärm vor der Tür aber trotzdem sind wir noch dicht dran am Baugeschehen. Mit dem Ohr an der Menge, freiwillig oder nicht, erfährt und erlebt man so manches Geschichtchen. Gedrängt von Bekannten und Verwandten entstand so diese Sammlung.

01 Van Klaas



Das Telefon klingelt: - Spanien Immobilien, womit kann ich Ihnen helfen?

- Hier ist die Lokalpolizei. Kommen Sie bitte zum Grundstück 96. Wir brauchen Sie hier für eine Identifikation.
- Was ist passiert?
- Kommen Sie her, dann werden Sie sehen.

Ich fahre also zum Grundstück 96. Dort wohnt seit knapp einem Jahr Familie Van Klaas. Beide großgewachsen, kräftig und sehr resolut. Sie sind typische Holländer, das heißt, sie sind sehr direkt in ihrer Art, Frau Van Klaas noch mehr als er.
Dort angekommen, öffnet ein Polizist die Tür. Ein anderer steht vor dem Sofa, auf dem die Eigentümer des Hauses wie Häufchen Unglück sitzen. Der Polizist hat eine dicke Beule an der Stirn und wirkt nicht gerade freundlich. Als ich das Wohnzimmer betrete, versucht Frau Van Klaas aufzustehen, wird aber vom Polizisten daran gehindert.

Ich gucke etwas verständnislos zu seinem Kollegen, den ich von anderen Aktionen her kenne. Er fragt:

- Kennst Du diese Personen?
- Ja, das sind die Eigentümer. Was ist denn los?
- Wir wurden zu einem vermeintlichen Einbruch gerufen und diese Frau hat meinen Kollegen mit einer Bratpfanne angegriffen.

Nun sehe ich die Pfanne auch auf dem Tisch stehen. Frau Van Klaas beginnt zu reden wie ein Wasserfall. Aus der Flut entnehme ich, daß sie einkaufen waren. Beim Betreten des Hauses haben sie vergessen, die Alarmanlage auszuschalten. Als der Alarm losgeht, versucht Herr Van Klaas den Code einzugeben, irrt sich in der Aufregung aber mehrmals. Erst nach fünf oder sechs Anläufen gelingt es ihm, den Lärm abzustellen. Während seiner Fehlversuche ruft die Alarmzentrale bei ihnen an, Frau Van Klaas geht ans Telefon, versteht nicht, was dort gefragt wird, ruft hysterisch etwas in niederländisch und hat natürlich auch das Codewort vergessen.

Die Alarmzentrale hat, da sie einen Einbruch vermutet, die Polizei benachrichtigt. Die Polizisten nähern sich dem Haus, ohne zu klingeln. Frau Van Klaas hat jemanden gehört und postiert sich hinter der Eingangstür mit einer Bratpfanne in der Hand. Als der eine Polizist die Tür öffnet und durch den Spalt guckt, erhält er einen Schlag vor den Kopf.

Die Reaktion der Polizisten folgt auf dem Fuße, beide werden überwältigt und auf das Sofa verfrachtet. Da beide wirklich nicht nach einem Einbrecherpärchen aussehen, fällt dem mir bekannten Polzisten ein, daß es ja noch unser Büro gibt und daß wir vielleicht diese Personen kennen. So kam ich also dazu.

Nachdem das geklärt war, begann Herr Van Klaas, ein typischer Choleriker, sich aufzuregen und mit einer Anzeige gegen die beiden Polizisten zu drohen, da sie widerrechtlich sein Haus betreten hätten. Es kostet mich einige Mühe, ihm zu erklären, daß er mit dem Vertrag über die Alarmanlage auch einem Polizeieinsatz zugestimmt hat, denn was hätte er gesagt, wenn wirklich ein Einbruch passiert wäre. Als der verletzte Polizist mitbekommt, daß sich Herr Van Klaas ereifert, droht er seinerseits mit einer Anzeige wegen tätlichen Angriffs auf einen Polizisten. Nun muß ich also auch noch die Staatsgewalt beruhigen. Ich versuche dem Polizisten zu erklären, daß diese Familie noch unerfahren im Umgang mit Alarmanlagen ist und so verunsichert, wie sie waren, nicht mehr klar denken konnten. Gut, daß das Familie Van Klaas nicht verstanden hat, denn sonst hätten sie mich noch gelyncht. Es geht noch etwas hin und her, wobei ich versuche, bei den Übersetzungen die Schärfe herauszunehmen und so zu einer Einigung zu kommen. Letztendlich verzichten beide Parteien auf eine Anzeige und Frau Van Klaas lädt die beiden Polizisten zu einem Kaffee ein, den sie dann auch annehmen.

02 Deetlef & Günny


Etwas später erhält meine Kollegin, Susi, Besuch von unserem Schwulenpärchen, Deetlef und Günny, ebenfalls Holländer. Beide haben früher mal bei der Post gearbeitet und sich nun in den Ruhestand nach Spanien zurückgezogen. Sie sind beide lieb und nett, nur unheimlich unbeholfen und sehr aufdringlich, wenn sie ein Problem haben, denn nur ihre Probleme sind wirklich welche. Normalerweise spricht man ja von Personen mit zwei linken Händen aber diese beiden haben dazu noch zehn Daumen und alles linke. Sobald etwas nicht so funktioniert, wie es soll, brauchen sie unsere Hilfe. Dieses Mal ist es der Hund der beiden. Sie haben eine streunende Boxerhündin bei sich aufgenommen. Nun ist diese Hündin läufig, was ja normal ist bei Hündinnen, nur haben die beiden nicht an solche vrowliche Sachen gedacht. Die Hündin beschmutzt den Teppich und auch das Bett, denn sie darf natürlich bei den beiden schlafen.
- Susi, ruf doch bitte mal beim Tierarzt an, ob wir noch heute einen Termin für Carmencita bekommen können.
- Was hat sie denn?
- Sie hat ein vrowliches Problem.
- ???
- Sie hat ihre Regelblutung und beschmutzt alles.
- Ja und was soll der Tierarzt da tun?
- Wir wissen auch nicht, vielleicht gibt es ein Medikament oder eine spezielle Hose oder...
Also ruft Susi beim Tierarzt an:

- Spanien Immobilien, ich rufe für Kunden von mir an. Die haben eine Hündin, die gerade läufig ist und alles beschmutzt. Sie fragen, ob es vielleicht ein spezielles Höschen für dieses Problem gibt. ... Nein? ... Gut, ich werde versuchen, es ihnen zu erklären.

Nun zu den beiden gewandt:

- Tut mir leid, es gibt keine Monatshöschen für Hunde. Normalerweise reicht es, wenn man im Hundekörbchen ein altes Handtuch auslegt.
- Ja, aber sie bleibt doch nicht im Hundekörbchen.

Sie gehen etwas ratlos nach Hause. Am nächsten Tag erfahren wir, daß einer der beiden neben dem Hundekörbchen geschlafen hat, da Carmencita sonst so fürchterlich jaulte. Außerdem war man voll damit beschäftigt, Höschenvarianten zu basteln, angefangen von um den Käcker geschlungene Tücher bis hin zu Damenslips mit Schwanzöffnung. Jeden Tag gab es eine neue Creation, so daß wir es fast bedauerten, als diese Phase vorbei war.
Vor zwei Wochen wurden wir wieder zu Hilfe gerufen. Eigentlich sollten wir Telefonica anrufen, denn het Faxgerät tut het niet. Da wir unsere beiden Experten kennen, sind wir erst mal hochgefahren, um uns selbst ein Bild vom Problem zu machen. Das Papier war alle, man hatte neues eingelegt aber nicht richtig. Nun ging nichts mehr. Susi legt das Papier also noch mal ein und siehe da, der Apparat funktioniert wieder. Beide erklären nun im Brust-Ton der Überzeugung, daß das Gerät noch andere Macken hätte und sie trotzdem den netten jungen Mann vom technischen Service brauchen.
Leider war das böse Faxgerät nicht gewillt auch nur einen einzigen kleinen Fehler zu offenbaren. Also haben wir die beiden vertröstet und Ihnen versprochen, daß wir beim nächsten nachweisbaren Fehler auch den Service verständigen werden.
Zwei Tage später haben sie ein neues Problem. Zehn Minuten vor der offiziellen Mittagspause stürmt Deetlef ins Büro, um wie jeden Tag nach der Post zu fragen. Dieses Mal hat er aber noch etwas auf dem Herzen. Sie haben nämlich kein warmes Wasser. Der Durchlauferhitzer reagiert nicht.

- Deetlef, habt ihr die Batterie schon ausgewechselt?
- Der Durchlauferhitzer hat eine Batterie?
- Ja, normalerweise ist unter dem Gerät ein kleines Fach, dort ist die Batterie drin und die muß so ungefähr alle zwölf Monate ausgewechselt werden.
- Gut dann gucken wir noch mal nach und du bist ganz sicher, daß der Geyser eine Batterie hat?
- Ja, bin ich. Ich habe auch so einen.

Nach gut fünf Minuten ist er wieder da. Er sagt, daß sie das Fach gefunden haben aber ohne Spezialwerkzeug nicht in der Lage sind, die Batterie herauszunehmen. Ich muß also den Klempner bitten, einen Hausbesuch bei den beiden zu machen. Leider hat er nicht sofort Zeit, der Klempner kann nicht vor dem Abend kommen.
Er läßt die beiden natürlich wieder etwas länger warten, denn am nächsten Morgen kommt Deetlef wieder ins Büro, um mir jammernd mitzuteilen, daß sie immer noch kein warmes Wasser hätten. Ich rufe also noch mal beim Klempner an und er verspricht, am Abend vorbeizukommen. Doch auch diesen Abend wird es nichts. Am nächsten Morgen erwischt Deetlef dann meine Kollegin Susi. Er teilt ihr mit weinerlicher Stimme mit, daß sie immer noch kein warmes Wasser hätten und er sich nun einen anderen Klempner suchen müßte. Susi, die beste Freundin von Manuel dem Klempner, ruft ihn erneut an und erfährt, daß er gerade auf dem Weg ist. Deetlef hat nun aber einen dringenden Termin und kann nicht warten aber Günny wartet im Haus. Zehn Minuten später trifft Manuel ein und nach weiteren fünf Minuten haben wir ihn wütend am Telefon. Dieser spezielle Durchlauferhitzer hat keine Batterie. Er ist direkt mit Netzkabel an der Steckdose angeschlossen und außerdem arbeitet er perfekt. Das Wasser ist so heiß, daß man es so nicht mal zum Abwaschen nehmen kann. Susi bittet also, mit Günny verbunden zu werden und der erklärt ihr, daß der Durchlauferhitzer nur manchmal nicht arbeitet. Der Klempner startet noch drei weitere Versuche, alle mit demselben Erfolg. Später im Büro erklärt er dann, daß wir für dieses Geyserproblem besser auch die jungen Männer vom technischen Service bemühen sollten, denn er mache sich nicht noch mal zum Kasper.

03 Sybilles Onkel


Auf dem Grundstück 22/23 ist ein Haus Typ Claudia entstanden. Es steht in einem 1000 m2 großen Garten, der mit verschiedenen Terrassen und Pool angelegt ist. Dieses Haus hat sich eine Belgierin ausgesucht, bezahlt hat es ihr Onkel. Schon ihr Auftreten war ein Erlebnis. Sybille ist eine gewaltige Frau, groß und kräftig kurz vor der Grenze zum Fettsein. Onkelchen ist ein Männlein, klein, etwas gebeugt gehend und ein bißchen grummelig.
Für das Haus wurde nur das Beste ausgesucht, Geld spielte keine Rolle. Es blieb sogar noch etwas übrig, so daß sich Sybilles Mutter auch noch eine Villa in der nächsten Querstraße leisten konnte, nur alles etwas kleiner.
Als dann die notarielle Urkunde ausgestellt wurde, erschienen in beiden Fällen, die beiden Frauen als Besitzerinnen aber Sybille mußte Onkelchen ein lebenslanges Wohnrecht garantieren und sie unterschrieb auch die Verpflichtung, sich für den Rest seines Lebens um ihn zu kümmern. Dann wurde es ersteinmal still um Onkelchen. Sybille zog mit ihren beiden Töchtern und den ständig wechselnden und immer jünger werdenden Freunden in die Villa ein. Wenn sie in Belgien war, stand das Haus leer. So vergingen zwei Jahre. In der Zeit war dann auch Sybilles Vater gestorben und ihre Mutter besuchte nun öfter ihr Haus ebenfalls mit immer jünger werdenden Lebensabschnittsbegleitern.
Meine Kollegin Susi hatte immer alle Hände voll zu tun, wenn eine der Frauen in Spanien war, denn dann mußte der Garten umgestaltet, große Einkäufe getätigt und Feiern organisiert werden. Da beide Frauen nur französisch sprechen, wurde meine Kollegin voll eingespannt. Allerdings erfuhren wir so auch immer die entsprechenden Neuigkeiten zum Beispiel, wer denn nun der neue Freund war.
So stellte uns Sybille also eines Tages Francesco, einen gutaussehenden, ca. 28 jährigen Italiener vor. Sie verbrachten drei Wochen hier und kehrten dann nach Belgien zurück, teilten uns aber mit, daß sie in ca. sechs Wochen wiederkommen werden. Nach gut zwei Monaten verbrachte dann Sybilles Mutter einige Wochen hier und sie erzählte uns, daß ihre Tochter schwanger ist und deshalb zurzeit nicht verreisen kann.
Zwei Wochen nach der Abreise der Mutter wurde unser Gärtner von der Alarmfirma darüber informiert, daß jemand die Villa betreten hätte und, da er einen Schlüssel hatte, gebeten doch einmal dort nach dem rechten zu sehen. Das war so gegen 20.00 Uhr. Als er am Haus ankam, gab es dort bereits eine Versammlung: Onkelchen mit einem männlichen Begleiter, ein Auto der Lokalpolizei, die Guardia Civil, ein Schlüsseldienst und eine Menge Nachbarn. Onkelchen hatte den Mann von Schlüsseldienst beauftragt einzubrechen und das Schloß auszuwechseln. Das hat natürlich den Alarm ausgelöst und die Zentrale hat also nicht nur den Gärtner sondern auch die Polizei benachrichtigt. Nach einigem Hin-und Her konnte die Polizei nichts Strafbares feststellen, denn Onkelchen hatte eine Kopie des notariellen Kaufvertrages sowie seinen Paß dabei und konnte so nachweisen, daß er lebenslanges Wohnrecht in diesem Haus hat. Für diesen Abend beruhigte sich die Szene wieder.
Am nächsten Morgen erschien dann Onkelchen mit seinem Begleiter, einem schmuddeligen Spanier, der von sich behauptete, der Anwalt von Onkelchen zu sein, in unserem Büro. Er forderte die Rückgabe der Schlüssel, den den wir noch hatten und auch den, den der Gärtner hatte. Außerdem kündigte er fristlos den Vertrag mit dem Gärtner, der bis heute noch auf die Restzahlung wartet.
Zwischendurch erfuhren wir aus gut unterrichteten Kreisen, daß es wohl mit der Pflege von Onkelchen nicht so gut bestellt war. Sybille hatte ihm ein kleines Appartement in Torrevieja gemietet. Dort hatte sie ihn abgestellt und sich nicht weiter um ihn gekümmert. Dann hat sie wohl auch vergessen den Mietvertrag zu erneuern oder zu verlängern, jedenfalls landete Onkelchen auf der Straße, wo er ungefähr ein Jahr dahinvegetierte. Dort lernte er dann auch Rodrigo, seinen Anwalt kennen, dem er seine Geschichte erzählte und der ihn dazu ermutigte, sein Eigentum in unserer Urbanisation in Besitz zu nehmen.
Ungefähr drei Wochen nach diesem Ereignis erfuhren wir von Sybilles Mutter, daß ihre Tochter einen Schlaganfall hatte. Seitdem ist sie zu einem Pflegefall mit wenig Hoffnung auf Besserung geworden. Die beiden Herren sahen wir selten, eigentlich nur, wenn sie ihre Post abholten. Nachbarn berichteten aber von lauten Feten, vielen jungen oft betrunkenen Leuten, die auch kräftig im bis dahin gut gepflegten Garten randalierten. Von nun an war die Polizei öfter mal zu Gast wegen Ruhestörung.
Nach ungefähr acht Monaten verschwand dann Rodrigo von der Bildfläche und einige Wochen später erschien Natascha, eine ungefähr 40-jährige Russin, die sich als seine Haushaltshilfe vorstellte. Ich fand sie sympathisch, meine Kollegin Susi hatte Hintergedanken, mit denen sie wohl auch Recht hatte, denn Nachbarn beobachteten, wie er hinter ihr her war. Trotzdem kehrte nun wieder eine gewisse Ruhe ein. Der Garten und das Haus sahen wieder gepflegt aus bis zu einem Abend im Frühjahr dieses Jahres, als Onkelchen auf der Türschwelle seines Hauses erschossen wurde.
Nach den Aussagen der Presse und der Nachbarn hat jemand geklingelt, Onkelchen öffnete und wurde sofort erschossen. Der Täter flüchtete, ohne den Versuch das Haus zu betreten. Seitdem rätselt die Guardia Civil an dem Fall herum. In der Presse stand etwas von Mord aus Leidenschaft, andere Gerüchte sprechen von dunklen Geschäften mit den Russen und wieder andere reden von Auftragsmord im Namen von Sybille.
Seitdem ist das Haus zu einem Tatort erklärt worden und verwahrlost so langsam.

04 La Visión


Gegenüber von

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 11.01.2012
ISBN: 978-3-86479-142-0

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