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FIX YOU - Coldplay (Übersetzung des Refrains)




Lichter werden dich nach Hause führen
Und deine Knochen werden Feuer fangen,
Und ich werde versuchen, dich zu heilen.




(Coldplay)






Lichter werden dich nach Hause führen



Es scheint offensichtlich zu sein, dass nur die protzige Villa Alex' Zuhause sein kann, aber was passiert, wenn er bereits ein Zuhause verloren hat? Wenn er nirgends mehr das richtige Gefühl von Zuhause empfindet? Wenn sein Herz eigentlich obdachlos ist, er es nur gut versteckt?


Und deine Knochen werden Feuer fangen.



Mara hat in ihrem Leben bisher immer selbst entschieden. Sie hat ihr Leben gewählt, ihre Freunde, ihre Schule, ihren Style. Aber die Knochen in ihrem Körper wurden ihr von wem anders gegeben, von Personen, die sie nicht wählen konnte. Was, wenn sie auf den Spuren ihrer Ahnen im Feuer der Vergangenheit verbrennt?


Und ich werde versuchen, dich zu heilen.




CHAPTER ONE: Alex' life


Alex



Tussen. Alles Tussen.
„Alexander, denkst du bitte an das Geschäftsessen heute Abend?“
Ich wende mein Blick von den ganzen Tussen, die vor meinem Haus rumlungern ab und drehe mich zu meiner Mutter um. Ihre Haare sind zu einem kunstvollen Knoten zusammengebunden und wenn man ihr in die Augen sieht, fühlt man sich, als stände man einer Königin gegenüber. Meine Mutter benimmt sich stets vornehm, selbst, wenn sie nicht das Haus verlässt, ist sie immer korrekt gekleidet und dezent geschminkt.
Ich nicke ihr zu, „Selbstverständlich, ich bin dann um Siebzehn Uhr wieder da.“
Auch sie nickt mir zu, wobei sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verziehen, ehe sie sich von mir abwendet und ich meinen Blick ein letztes Mal aus dem Fenster schweifen lasse. Es sind nichts anderes als Barbiepuppen. Tussen, die meinen, wenn sie kurze Röcke und tiefe Ausschnitte tragen, eine Chance zu haben. Schlampen, die ihre Wimpern so fett mit Wimperntusche zukleistern, dass man kaum noch etwas anderes in den Gesichtern sieht. Doch auch die draufgeschmierten Tonnen an Make-up, Lidschatten, Eyeliner und Lipgloss kann man einfach nicht ignorieren. Wie kommen diese Huren darauf, dass ich mich für sie interessieren würde!? Wie können sie in der Annahme sein, dass ich mich auf so ein niedriges Level herablassen würde!? Kopfschüttelnd trete ich vom Fenster zurück, nehme meine Schultasche und verlasse den Speisesaal. Nachdem ich schließlich die Treppe mit den imposanten Löwenstatuen am Treppenende hinter mir gelassen habe, trete ich durch die Haustür nach draußen.

„Alexander! Alexander!!“
Sofort bin ich von ihnen umrundet. Eine besonders tussige greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich ran. In dem Moment, als ich die Bewegung ihrer Lippen vor meinem Gesicht bemerke, mache ich mich von ihr los und sprinte davon. Ich weiß, dass sie mir hinterherlaufen. Auch wenn sie keine Absatzschuhe tragen würden, könnten sie mich nicht einholen. Ich bin nicht umsonst seit Jahren immer wieder ausgezeichnet als „Sportler des Jahres“.
Als ich den Schulhof betrete, weiß ich schon, dass mein bester Freund Steffen an der vierten Säule von Links des Gebäudes lehnen wird. Ich weiß auch, dass er von mindestens zehn Schlampen umrundet sein wird. Wie immer. Und was ich auch weiß ist, dass alle anderen Schlampen auf diesem Schulhof nur auf meine Ankunft gewartet haben und mich gleich wieder mit ihren Blicken vergewaltigen werden. Als ob das nicht schon genug ist, kommen auch gleich drei Blondinen auf mich zugestürzt. Die blondeste von ihnen grinst mich beschissen an, wobei sie eine ihrer wasserstoffblonden Haarsträhnen um ihren Zeigefinger dreht, „Alex Schatz, ich hab gehört, wir geh'n heute Abend zusammen essen?“
Arrogant rümpfe ich meine Nase, ignoriere sie wie jede andere Tusse auch und schlendre elegant zu Steffen und seinem Fanclub.
„Hey Alter“, begrüßt er mich mit einem Handschlag und klopft mir auf den Rücken.
„Hey“, nicht mal meinen besten Freund schaffe ich es anzulächeln, so genervt bin ich jetzt schon von dem ganzen Tag. Dieses ewige Theater ist echt zum Kotzen und wenn ich könnte, würde ich den ganzen Fotzen einfach etwas von meinem IQ abgeben, das würde locker für alle reichen. Nein, das war ein Scherz. Nie im Leben würde ich MEINE Intelligenz an solche SCHLAMPEN verschwenden. Ich lache trocken auf, während ich Steffen mit eindeutigem Blick ansehe: Lass uns einfach ins Gebäude gehen.
Steffen nickt mir zustimmend zu, dann dreht er sich zu seinen Tussen, „Viel Glück bei eurer Klausur!“ Steffen meint es ernst, er wünscht ihnen wirklich, dass sie ihren Abschluss schaffen, was allerdings stark zu bezweifeln ist, weil sie immer nur auf irgendwelche Absturzpartys gehen, wo sie sich dann mit Alkohol volllaufen lassen oder sich Drogen reinpumpen, anstatt sich auf den Arsch zu setzen und zu lernen.
„Es ist eh hoffnungslos“, murmle ich ihm zu, woraufhin er grinsend den Kopf schüttelt.
„Sie sind nicht dumm. Ich weiß, wie du über Frauen denkst, Alter. Aber es ist nicht wahr, es gibt immer einen Grund, an sie zu glauben.“
Ich verdrehe dich Augen, „Deutsche Frauen sind alle Schlampen.“
„Was für'n Glück, dass deine Mutter Schwedin ist, was?“
Schulternzuckend betrete ich vor ihm die Klasse, „Sie ist eh eine Ausnahme. Ist schließlich die Einzige, die das kalte Herz meines Vaters erwärmen konnte.“
Steffen muss ein Lachen unterdrücken, „Dein Vater ist doch nicht kaltherzig!“
„Jetzt nicht mehr“, ich wechsele das Thema, während wir uns setzen und unsere Sachen auspacken, „Aber mal was anderes: Kommst du nach der Schule mit ins Techniklabor?“
„Klar!“, Begeisterung flackert in seinen Augen auf, „Wenn wir so weitermachen, gibt es da bald nichts mehr zu tun.“

Seit einem halben Jahr arbeiten wir im Labor an einer Art Schulmaskottchen; es ist ein kleiner Drache aus Metall, ungefähr so groß wie eine Hauskatze, mit integrierter Kamera. Dieser Drache soll zukünftig durch die Schule fliegen und die Aufnahmen live auf die Schulhomepage übertragen. Der Drache ist auch so gut wie fertig, eigentlich fehlt nur noch die Webcam, die wir dann nachher einbauen werden. Danach werden wir uns wohl nur noch am Programmieren aufhalten.
Der Unterricht beginnt und wie immer ist es ein Kinderspiel. Die Lehrer erzählen mir nie etwas Neues. Ich wurde mit Sechs Jahren eingeschult, allerdings hatte ich damals schon das Wissen eines Neunjährigen. Der einzige Grund, weshalb ich nicht früher eingeschult wurde, war der, dass ich es nicht wollte. Auch im Nachhinein bereue ich es nicht, nie eine Klasse übersprungen zu haben. Was bringt es mir denn, wenn ich schon mit Fünfzehn oder Sechzehn Abi habe? Wer will denn in diesem Alter sofort studieren!? Dass ich eines Tages studieren werde, steht außer Frage, da werde ich wohl nicht umhin kommen. Ganz einfach, weil ich der Sohn meines Vaters bin.

Die Pausen verbringen wir zwar auf dem Schulhof, aber ich grenze mich von den anderen ab. Es ist mir scheißegal, dass Steffens Fanclub ihn wieder zu irgendeiner Party einlädt und dass Patrick, ein nerviger Typ aus meiner Klasse, der mich als sein großes Vorbild sieht, mich die gTussen. Alles Tussen.
„Alexander, denkst du bitte an das Geschäftsessen heute Abend?“
Ich wende mein Blick von den ganzen Tussen, die vor meinem Haus rumlungern ab und drehe mich zu meiner Mutter um. Ihre Haare sind zu einem kunstvollen Knoten zusammengebunden und wenn man ihr in die Augen sieht, fühlt man sich, als stände man einer Königin gegenüber. Meine Mutter benimmt sich stets vornehm, selbst, wenn sie nicht das Haus verlässt, ist sie immer korrekt gekleidet und dezent geschminkt.
Ich nicke ihr zu, „Selbstverständlich, ich bin dann um Siebzehn Uhr wieder da.“
Auch sie nickt mir zu, wobei sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln verziehen, ehe sie sich von mir abwendet und ich meinen Blick ein letztes Mal aus dem Fenster schweifen lasse. Es sind nichts anderes als Barbiepuppen. Tussen, die meinen, wenn sie kurze Röcke und tiefe Ausschnitte tragen, eine Chance zu haben. Schlampen, die ihre Wimpern so fett mit Wimperntusche zukleistern, dass man kaum noch etwas anderes in den Gesichtern sieht. Doch auch die draufgeschmierten Tonnen an Make-up, Lidschatten, Eyeliner und Lipgloss kann man einfach nicht ignorieren. Wie kommen diese Huren darauf, dass ich mich für sie interessieren würde!? Wie können sie in der Annahme sein, dass ich mich auf so ein niedriges Level herablassen würde!? Kopfschüttelnd trete ich vom Fenster zurück, nehme meine Schultasche und verlasse den Speisesaal. Nachdem ich schließlich die Treppe mit den imposanten Löwenstatuen am Treppenende hinter mir gelassen habe, trete ich durch die Haustür nach draußen.

„Alexander! Alexander!!“
Sofort bin ich von ihnen umrundet. Eine besonders tussige greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich ran. In dem Moment, als ich die Bewegung ihrer Lippen vor meinem Gesicht bemerke, mache ich mich von ihr los und sprinte davon. Ich weiß, dass sie mir hinterherlaufen. Auch wenn sie keine Absatzschuhe tragen würden, könnten sie mich nicht einholen. Ich bin nicht umsonst seit Jahren immer wieder ausgezeichnet als „Sportler des Jahres“.
Als ich den Schulhof betrete, weiß ich schon, dass mein bester Freund Steffen an der vierten Säule von Links des Gebäudes lehnen wird. Ich weiß auch, dass er von mindestens zehn Schlampen umrundet sein wird. Wie immer. Und was ich auch weiß ist, dass alle anderen Schlampen auf diesem Schulhof nur auf meine Ankunft gewartet haben und mich gleich wieder mit ihren Blicken vergewaltigen werden. Als ob das nicht schon genug ist, kommen auch gleich drei Blondinen auf mich zugestürzt. Die blondeste von ihnen grinst mich beschissen an, wobei sie eine ihrer wasserstoffblonden Haarsträhnen um ihren Zeigefinger dreht, „Alex Schatz, ich hab gehört, wir geh'n heute Abend zusammen essen?“
Arrogant rümpfe ich meine Nase, ignoriere sie wie jede andere Tusse auch und schlendre elegant zu Steffen und seinem Fanclub.
„Hey Alter“, begrüßt er mich mit einem Handschlag und klopft mir auf den Rücken.
„Hey“, nicht mal meinen besten Freund schaffe ich es anzulächeln, so genervt bin ich jetzt schon von dem ganzen Tag. Dieses ewige Theater ist echt zum Kotzen und wenn ich könnte, würde ich den ganzen Fotzen einfach etwas von meinem IQ abgeben, das würde locker für alle reichen. Nein, das war ein Scherz. Nie im Leben würde ich MEINE Intelligenz an solche SCHLAMPEN verschwenden. Ich lache trocken auf, während ich Steffen mit eindeutigem Blick ansehe: Lass uns einfach ins Gebäude gehen.
Steffen nickt mir zustimmend zu, dann dreht er sich zu seinen Tussen, „Viel Glück bei eurer Klausur!“ Steffen meint es ernst, er wünscht ihnen wirklich, dass sie ihren Abschluss schaffen, was allerdings stark zu bezweifeln ist, weil sie immer nur auf irgendwelche Absturzpartys gehen, wo sie sich dann mit Alkohol volllaufen lassen oder sich Drogen reinpumpen, anstatt sich auf den Arsch zu setzen und zu lernen.
„Es ist eh hoffnungslos“, murmle ich ihm zu, woraufhin er grinsend den Kopf schüttelt.
„Sie sind nicht dumm. Ich weiß, wie du über Frauen denkst, Alter. Aber es ist nicht wahr, es gibt immer einen Grund, an sie zu glauben.“
Ich verdrehe dich Augen, „Deutsche Frauen sind alle Schlampen.“
„Was für'n Glück, dass deine Mutter Schwedin ist, was?“
Schulternzuckend betrete ich vor ihm die Klasse, „Sie ist eh eine Ausnahme. Ist schließlich die Einzige, die das kalte Herz meines Vaters erwärmen konnte.“
Steffen muss ein Lachen unterdrücken, „Dein Vater ist doch nicht kaltherzig!“
„Jetzt nicht mehr“, ich wechsele das Thema, während wir uns setzen und unsere Sachen auspacken, „Aber mal was anderes: Kommst du nach der Schule mit ins Techniklabor?“
„Klar!“, Begeisterung flackert in seinen Augen auf, „Wenn wir so weitermachen, gibt es da bald nichts mehr zu tun.“

Seit einem halben Jahr arbeiten wir im Labor an einer Art Schulmaskottchen; es ist ein kleiner Drache aus Metall, ungefähr so groß wie eine Hauskatze, mit integrierter Kamera. Dieser Drache soll zukünftig durch die Schule fliegen und die Aufnahmen live auf die Schulhomepage übertragen. Der Drache ist auch so gut wie fertig, eigentlich fehlt nur noch die Webcam, die wir dann nachher einbauen werden. Danach werden wir uns wohl nur noch am Programmieren aufhalten.
Der Unterricht beginnt und wie immer ist es ein Kinderspiel. Die Lehrer erzählen mir nie etwas Neues. Ich wurde mit Sechs Jahren eingeschult, allerdings hatte ich damals schon das Wissen eines Neunjährigen. Der einzige Grund, weshalb ich nicht früher eingeschult wurde, war der, dass ich es nicht wollte. Auch im Nachhinein bereue ich es nicht, nie eine Klasse übersprungen zu haben. Was bringt es mir denn, wenn ich schon mit Fünfzehn oder Sechzehn Abi habe? Wer will denn in diesem Alter sofort studieren!? Dass ich eines Tages studieren werde, steht außer Frage, da werde ich wohl nicht umhin kommen. Ganz einfach, weil ich der Sohn meines Vaters bin.

Die Pausen verbringen wir zwar auf dem Schulhof, aber ich grenze mich von den anderen ab. Es ist mir scheißegal, dass Steffens Fanclub ihn wieder zu irgendeiner Party einlädt und dass Patrick, ein nerviger Typ aus meiner Klasse, der mich als sein großes Vorbild sieht, mich die ganze Zeit beobachtet und alles notiert, was ich mache.
Ich höre einfach nur Musik über meinen iPod und ignoriere sie alle. Steffen ist es eigentlich sowieso herzlich egal, ob ich mich am Gespräch beteilige oder nicht. Er weiß, dass wenn ich etwas zu den Themen seiner Tussen sagen würde, es sowieso ins eine Ohr rein und durchs andere wieder raus gehen würde. Also höre ich schweigend meine Musik und bin erleichtert, als die Pause endlich vorbei ist und ich nach den letzten Block Mathe mit Steffen ins T-Labor kann.anze Zeit beobachtet und alles notiert, was ich mache.
Ich höre einfach nur Musik über meinen iPod und ignoriere sie alle. Steffen ist es eigentlich sowieso herzlich egal, ob ich mich am Gespräch beteilige oder nicht. Er weiß, dass wenn ich etwas zu den Themen seiner Tussen sagen würde, es sowieso ins eine Ohr rein und durchs andere wieder raus gehen würde. Also höre ich schweigend meine Musik und bin erleichtert, als die Pause endlich vorbei ist und ich nach den letzten Block Mathe mit Steffen ins T-Labor kann.


CHAPTER TWO: Mara's life


Mara



„Lass uns den Schnee holen geh'n“, ich ziehe ein letztes Mal an der Kippe, dann schnippse ich sie aus der Hand und stapfe mit meiner Schuhsohle drauf.
Viktor grinst mich an, „Kannst es wohl nicht mehr abwarten zum ersten Mal zu koksen?“
Elegant hebe ich eine Augenbraue, „Ich hatte mein erstes Mal mit fünfzehn, Süßer.“
„Was? Du bist keine Jungfrau mehr?“, sein Grinsen wird immer schmutziger, während wir die Schule betreten und den Flur entlang schreiten Richtung Freakrooms.
„Hm, seit du mich mit elf vergewaltigt hast...“, ich zwinge mich, nicht zu lächeln.
„Du hast mich dazu gezwungen“, zwinkert er mir zu.
Wir brechen beide in lautes Lachen aus. Es ist einfach nur geil mit Viktor unterwegs zu sein, wir labern immer nur Scheiße und es ist scheißegal, weil es einfach nur Fun ist. Wie lange sind wir jetzt befreundet? Seit wir zehn sind? Also Sieben Jahre.
Plötzlich bleibt Viktor stehen, seine Mundwinkel zucken, dann greif er in seine Hosentasche und holt sein kreischendes Handy raus, „Jaaa!?“
Wir sind schon fast beim beschissenen Freak-Techniklabor angekommen und nun muss er unbedingt an sein Telefon gehen – Arschgeige! Ich verkreuze die Arme vor der Brust und lehne mich gegen eine der steinigen Wände des korridorartigen Flurs.
„Scheiße ja!“, er schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn und fährt sich anschließend mit den Fingern durch seine in alle Richtugen abstehend gestylten rabenschwarzen Haare, „Ich komme, Babe.“
Skeptisch mustere ich ihn dabei, wie er sein Handy wieder in die Hosentasche schlüpfen lässt und dann mit schnellen Schritten auf mich zukommt.
„Mara, sorry aber heute ist dieser bekiffte Jahrestag“, er küsst mich freundschaftlich auf die Wange, aber ich stoße ihn von mir weg. Tolle Freundschaft, Alter. Maaan!
„Viel Spaß mit Tanja“, bringe ich düster durch meine aufeinandergepressten Kiefer hervor, „Am besten fickst du sie solange, bis sie tot ist.“
Er zeigt mir den Mittelfinger, „Lass mir was vom Schnee über, klar?“
Ich zucke die Schultern, „Wir werden seh'n, wie viel ich heute brauche und -“ aber er lässt mich nicht ausreden, sondern dreht sich nur nickend und ohne ein weiteres Wort um und läuft den Flur entlang zurück zum nächsten Ausgang. Penner!
Seufzend stoße ich mich von der Wand ab. Scheißegal, rauch ich meine Tüte halt mit wem anders! Ich krame mein Leopardenstyle-Handy aus meiner Handtasche und zappe mich durchs Telefonbuch, während ich die letzten Schritte zur Tür des Laboratoriums mache und mich dafür entscheide, Luna anzurufen.
„Hey Luna!“, schwungvoll reiße ich die Tür auf und spaziere zielsicher ein paar Schritte ins Labor. „Lass uns mal in 'ner halben Stunde bei mir treffen, es wird Schnee geben“, ohne mich hier länger als nötig aufhalten zu wollen, knie ich mich hin. Aus meiner Handtasche hole ich den kleinen Schraubenzieher, den ich für solche Fälle immer bei mir habe, und beginne die Schrauben des kleinen viereckigen Abflussdeckels aufzuschrauben. Mit flinken Fingern greife ich nach dem kleinem Päckchen und lasse es in meine Handtasche gleiten.
Ich bin grade dabei, den Abflussdeckel wieder zu befestigen, als ich Stimme vor der Tür höre.
„Die Cam wurde heute Morgen erst geliefert, ich bin echt gespannt ob sie wirklich hält, was sie verspricht.“ Fuck, das ist eindeutig die Stimme dieses beschissenen Schönlings-Schulprinzen!
Ich springe mit dem Schraubenzieher in der Hand vom Boden auf die Beine, wobei mein kurzer gemusterter Rock meine Beine umspielt, und flitze so schnell es geht an die Stelle der Wand, zu der die Tür genau in dem Moment als ich ankomme und mich flach dagegen presse, aufschwingt.
„Das können wir ja jetzt in Ruhe austesten!“
Tzz, war ja klar, dass dieser feine Pinkel nicht allein hierher kommt, immer mit Sunnyboyunterstützung unterwegs!
Natürlich übersieht der Sunnyboy mich nicht einfach, als er die Tür schließt, sondern mustert mich verwundert, bevor er mir ein entspanntes Lächeln schenkt.
„Brauchst gar nicht so doof zu grinsen, Darling, ich bin nicht hier, um euch zu stalken.“
Nun dreht sich auch diser Schnöselschulsprecher zu mir um und verdreht seine Augen, „Du kriegst kein Autogramm, hau einfach ab.“
„Tz“, ich kann mir ein dunkles Lachen nicht verkneifen, „Als ob ich mich für einen wie euch interessieren würde! Diese Niveaulosigkeit hab ich echt nicht nötig.“
Ich strecke diesem arroganten brünetten Arschloch die Zunge raus und stoße mich wieder von der Wand ab, ohne ihnen einen weiteren Blick schenken zu wollen, schiebe ich die Grinsebacke beiseite und will dieses Nerdlabor endlich verlassen. Aber in dem Moment als ich die Tür öffne, greift der Sunnyboy nach meinem Arm, „Sag mal, wie heißt du, Süße?“
„Angie“, lüge ich zuckersüß.
„Angie“, wiederholt er lächelnd. Ich hasse Menschen die scheißfreundlich sind. Arschkriecher.
„Um genau zu sein Angie Merkel.“
Sein amüsierter Blick fällt auf meine Hand, „Was willst du hier mit dem Schraubenzieher?“
Ich schüttle seine Hand von meinem Arm, „Hier war 'ne Schraube locker“ mit zügigen Schritten lasse ich diese Pisser hinter mir und trete endlich in den Flur. Die haben in ihrer Freizeit auch nichts Besseres zu tun, als sich mit irgendwas in der Schule zu beschäftigen, kein Privatleben oder was!?

Als ich die Schule verlasse, sind meine Gedanken schon lange nicht mehr bei diesen beiden „Dreamboys“. Ich kann den Gedanken an das Kokain in meiner Handtasche nun nicht mehr abschieben, ich weiß einfach, dass es das ist, was den heutigen Abend bestimmt. Ich weiß einfach, dass es mir einen Kick geben wird, dass ich dann zu allem fähig sein werde. In dem Moment, wenn das Koks wirkt, hab ich immer nur noch einen Gedanken: Die ganze Nacht durchtanzen. Was anderes will ich dann nicht. Und so wird es auch heute sein, so wie immer.
Luna steht schon vor meiner Haustür und hüpft von einem Bein aufs andere, weil das Wetter umgeschwungen ist und es nicht mehr so warm ist wie in den letzten Tagen. Zehn Grad zeigt das Thermometer neben der Haustür meines Nachbars.
„Wartest du schon lange?“, ich gebe ihr einen Kuss auf die Wange und suche meinen Wohnungsschlüssel aus der Tasche.
Mit blassen Wangen lächelt sie mich an, als sie ihren honigblonden Haarschopf hin und her wiegt, „Fünf Minuten, vielleicht auch Zehn.“
Ich zucke entschuldigend mit den Schultern und halte ihr die Tür offen, „So'n paar egoistische Schönlinge haben mich aufgehalten, aber ich hab das Zeug trotzdem.“


CHAPTER THREE: Elegant evening


Alex



Einen Moment zulange starre ich die Stelle an, wo diese nuttige Zicke gerade noch stand. Echt, so kann man doch nicht rumlaufen! Aber wahrscheinlich ist genau das der Grund, weshalb die ganzen Schlampen sich so kleiden. Nicht, dass die Kürze ihres Minirocks schon genug wäre, nein er muss auch noch im Leopardenmuster sein und dieses enge schwarze Top mit dem Logo von irgendeiner Punkrockband drauf. Ich kann einfach nur den Kopf darüber schütteln, aber Steffen grinst mich an.
„Zuckersüß, die Kleine, oder?“, mit schelmischem Blick macht er sich ans Werk und holt unsere Materialien aus dem Schrank.
Süß ist echt das letzte Wort, was ich für diese Schlampe benutzen würde, nichts was sie gesagt hat, war wirklich ernst. Ich fass' es immer noch nicht, dass sie es gewagt hat, uns als niveaulos zu bezeichnen – obwohl, wahrscheinlich weiß sie nicht mal, was Niveau ist.
„Seit wann stehst du auf korallenrotes Haar statt platinblond?“, nicht, dass es mich wirklich interessieren würde, aber Steffen geht sofort darauf ein. Als er den Metalldrachen und das Werkzeug bedacht auf den Arbeitstisch stellt, wippt er euphorisch mit den Augenbrauen, „Korallenrot, hm? Schöne Beschreibung, Alter“, dann zwinkert er mir zu, „Stehen tu ich auf alles, was schlanke Beine und Titten hat, aber was mich an Angie fasziniert, ist die Art wie sie denkt.“
Ich verdrehe die Augen, „Ist ja auch egal, lass uns einfach den Drachen klar machen.“

Nach zwei Stunden im Labor, fällt mein Blick auf meine Armbanduhr.
„Ich muss los, heute Abend ist noch so ein Geschäftsessen.“
Steffen zuckt mit den Schultern, „Klar, ich mach noch weiter, ich glaube, in einer Stunde kann ich noch viel schaffen.“
Ich klopfe ihm auf die Schulter, nehme meine Tasche und verlasse das Labor. Während ich die alten Flure langgehe, lege ich meinen Kopf etwas in den Nacken und mustere die hochgelegenen Decken. Ich liebe diese Korridore. Ein mildes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, als ich mir vorstelle, wie unser Drache da oben durch die Lüfte fliegt. Aber dieser Moment vergeht viel zu schnell, weil ich die Flure und die Schule verlasse. Der Nachhauseweg ist immer angenehmer als der Hinweg zur Schule. Trotzdem mache ich zügige Schritte, weil ich nur noch eine halbe Stunde habe, um mich fertig zu machen.
Sobald ich das Haus betrete eilt Marie eines unserer Dienstmädchen wie immer vollkommen aufgewühlt herbei und brabbelt sofort drauf los, während sie mir meine Jacketjacke abnimmt, „Sie sind knapp dran, Alexander. Ihre Mutter lässt Ihnen ausrichten, dass Sie um Achtzehnuhr gedenken aufzubrechen. Es ist bereits kurz vor halb Sechs, Sie müssen sich wirklich ranhalten.“
Marie ist nicht viel älter als ich, höchstens fünf Jahre und trotzdem ordnet sie sich mir unter, weil sie für meine Familie arbeitet. Und das schon seit drei Jahren. Am Anfang habe ich überlegt, ihr das „du“ anzubieten, aber ich wollte ihr nicht unnötig Hoffnungen machen.
„Ich werde rechtzeitig bereit sein“, mit diesen Worten lasse ich Marie in der Eingangshalle zurück und schreite an den Löwenstatuen vorbei und die Treppe hinauf. Am Ende des Flures erreiche ich dann schließlich mein Reich. Ein riesiges Schlafzimmer mit anschließendem sehr komfortablem Badezimmer. Meine Kleidung ist schon rausgelegt, darum kann ich sie nach einer erfrischenden Dusche sofort anziehen. Es ist ein schwarzer Anzug von Dior und passend zu meinem haselnussbraunen Haar und meinen grünen Augen eine mintgrüne Krawatte. Ich style meine Haare noch mit Haarspray, als auch schon wieder jemand Amok an meiner Zimmertür klopft.
„Alexander, vergessen Sie die Zeit nicht.“ Marie. Mit einem kurzen Blick auf meine Armbanduhr verdrehe ich die Augen, ich bin immer noch sehr gut in der Zeit. Es ist Viertel vor Sechs. Ich schenke meinem Spiegelbild noch ein schiefes Lächeln, bevor ich das Bad verlasse und kurz darauf in den Flur trete.
Ich bin ein bisschen überrascht, Marie immer noch im Flur vor meiner Tür vorzufinden. Einige ihrer mittelblonden Haarsträhnen haben sich aus ihrem Knoten gelöst und hängen ihr ein Stückchen ins Gesicht und nervös wechselt sie ständig das Standbein. Irgendetwas hat sie in ihren Fingern, denn sie nestelt ununterbrochen daran herum und sieht zu Boden.
„Marie?“, ich hebe beide Augenbrauen und mustere sie skeptisch, was soll denn DAS werden?
Erst beißt sie sich auf die Unterlippe, dann hebt sie ihren Blick und sieht mich direkt an, als sie ihre rechte Handfläche öffnet und mir entgegen streckt. Darin befindet sich ein silberner Ring. Verwundert blinzle ich, als ich das Schmuckstück wiedererkenne, dann presse ich meine Lippen aufeinander. Ich will diese Erinnerungen nicht zulassen.
„Ich...“, Maries Stimme ist nur ein leises Flüstern, „...habe ihn beim Wechseln des Blumenwassers in einer Vase gefunden...“
Ich versuche mich zu entspannen, diesen kleinen Silberring mit dem Rosenquarzsteinchen als einen mir fremden Gegenstand anzusehen. Ich lockere meine Schultern und löse die Anspannung in meinen Lippen für ein überwältigendes Lächeln Marie zuliebe, „Ich brauche es nicht. Behalt es, Marie.“
Ihre Augen verengen sich kaum merklich, dann mustert sie den kleinen Gegenstand in ihrer Hand erneut und schüttelt den Kopf, „Ich kann das nicht annehmen. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Alexander, aber es ist nicht meine Erinnerung. Wenn es meine wäre...“
Ich zucke gelangweilt die Schultern, „Dann schmeiß das Teil weg. Mach damit, was du willst, ist mir egal.“ Somit lasse ich sie im Flur stehen und begebe mich auf den Weg aus dem Haus hinaus, wo schon die Limousine bereitsteht.
„Dann können wir jetzt ja fahren“, meine Mutter gibt dem Chauffeur ein Zeichen und ich höre, wie er den Motor startet.
Meine Eltern sitzen mir gegenüber. Mein Vater in einem noch eleganteren und edleren Anzug als ich und meine Mutter in einem anbetungswürdigen Kleid aus dunkelroter Seide und Chiffon und Schmuck im Wert von über 10.000¤.

Schweigend lassen wir uns bis zum teuersten Restaurant der Stadt fahren, wo wir dann aus der Limousine geleitet werden und im überwältigendem Innenbereich auf die Vertreter einer möglichen neuen Partnerfirma treffen. Eigentlich sind sie alle ziemliche Spießer, die mit ihrem Besitz, ihren Frauen und Kindern angeben. Die blonde Tussi, die mich heute morgen so beschissen angemacht hat, von wegen „Alex Schatz“ und „heute Abend essen“, ist die Tochter des Geschäftspartners meines Vaters. Sie ist die Tochter von Dr. Ansgar Heckenhoff und grinst mich die ganze Zeit beschissen an, auch wenn ich sie eigentlich pausenlos ignoriere. Nur weil sie Geld und ein gutes Elternhaus hat, macht sie das zu keiner besseren Schlampe als alle anderen. In der Schule läuft sie genauso tussig rum und schminkt sich tagtäglich wie an Karneval. Wenn sie glaubt, sie hätte eine Chance, wird sie in ein sehr tiefes Loch fallen; denn bei MIR hat keine eine Chance.
Während des Essens versuchen sich diese wichtigen hohen Tiere mit Geschichten über ihre Erfolge zu übertrumpfen und ich bin froh, als ich die paar Sätze, mit denen meine Eltern mich als überdurchschnittlich intelligent und hochbegabt darstellen, hinter mir habe und mein Vater mit dem Oberhaupt des anderen Firmenclans über Geschäftliches beginnt zu diskutieren. Nach einer weiteren Stunde Verhandlungen wird schließlich ein Vertrag unterzeichnet, der die Partnerschaft festhält. Genau wie meine Mutter habe auch ich die meiste Zeit schweigend dagesessen und ein offenes, leichtes Lächeln auf mein Gesicht gezwungen. Als wir dann schließlich wieder in der Limousine sitzen, zündet mein Vater sich eine Zigarre an, „Alexander, ich weiß, wie schwer es für dich war, Hilary gehen zu lassen, aber jetzt ist sie weg und es ist schon eine ganze Weile vorbei. Ich denke, es wird Zeit, dass du dir jemanden Neues suchst. Diese ewigen Alleingänge“, er schüttelt bedauernd den Kopf.
„Ich bin nicht allein.“
Meine Mutter zuckt die Schultern, „Amelie Heckenhoff scheint ein nettes Mädchen zu sein, du solltest dich mit ihr treffen und sie näher kennenlernen.“


CHAPTER FOUR: Lonely evening


Mara



Nach dem ich den ersten tiefen Zug genommen habe, reiche ich die Tüte hustend an Luna weiter, die sie genüsslich an ihre Lippen legt und einatmet.
„Geile Sache“, murmelt sie, ehe sie zwei weitere Male daran zieht und sie mir dann wieder reicht. Ich ziehe noch zwei Mal tief, dann beschließe ich das es reicht, weil ich bereits fühle, wie das Leben in mir pulsiert. Darum leg ich die Tüte beiseite und drehe die Musikanlage voll auf, meine Körper scheint sich von ganz alleine im Beat zu bewegen und auch Luna bleibt nicht lange sitzen. Wir rocken so richtig ab und feiern einfach nur, dass wir hier zusammen so was von glücklich sind. Für den Moment vergesse ich sogar Viktor mit seiner Fotze Tanja; er ist selbst Schuld, wenn er sich das hier entgehen lässt.
Nach zehn Minuten spüre ich, wie das Glücksgefühl nachlässt. Es geht einfach weg. Das, was in meiner Brust die ganze Zeit hellaufgeflammt ist, scheint nun zu einem kalten Stein geworden zu sein. Lunas Mundwinkel hängen plötzlich auch ziemlich weit unten und sie sieht mich mit großen Augen an, als sie die Tüte hinter dem Sofa hervor holt, „Lass uns weitermachen.“
„Nimm's mit und zieh's dir Zuhause rein“, ich hab keinen Bock darauf, dass es mir danach noch schlechter geht, „Sorry Süße, aber ich will jetzt einfach alleine sein.“
Luna wartet nicht, bis sie Zuhause ist, sofort zückt sie ihr Feuerzeug und zündet die Tüte erneut an, dann zieht sie dran, bevor sie auf mich zukommt, mir den Rauch ins Gesicht pustet und mir einen Kuss auf die Wange drückt. Ihre Lippen verziehen sich zu einem glückseligen Lächeln, „Danke, Mara-Engel.“ Tzzz, als ob ich ein Engel wäre. Ich komme gar nicht mehr dazu, was zu sagen, da hüpft sie auch schon aus meiner Wohnung und lässt die Tür offen stehn.
Genervt drehe ich die laute Musik auf, das knallt grad einfach zu dolle in meinem Kopf. Und dann muss ich einfach heulen. Eigentlich wollte ich heute zusammen mit diesem Arschlochkumpel Viktor Schnee rauchen und dann fällt ihm plötzlich ein, dass er Jahrestag hat. Man, was ist das für eine beschissene Beziehung, wenn diese Tussi ihn erst noch daran am Handy erinnern muss! Es war echt noch was anderes, als er Single war. Damals haben wir viel mehr gemacht. Vielleicht auch, weil er da einfach der Einzige war, den ich hatte. Ich laufe an meinem verheulten Spiegelbild vorbei, als ich mich aufrappele und durch das Wohnzimmer zur Wohnungstür gehe, um sie endlich zuzumachen. Es ist langsam kalt geworden!
Nachdem ich meine Pumps ausgezogen habe, gehe ich langsam auf den Couchtisch zu und verpacke das restliche Crack wieder. Es war insgesamt ein Gramm. Viktor und ich kaufen nie mehr und wir ziehen uns den Schnee auch nicht ständig rein, sondern nur ein Mal im Monat. Und diese Arschgeige raucht seine Tüte dann wahrscheinlich morgen Abend alleine. Ich werde mir morgen nicht wieder was reinziehen, schließlich will ich mein befucktes Leben noch länger genießen und nicht schon mit Siebzehn im Drogensumpf landen.
Wann hab ich damit eigentlich angefangen? Mit dem Kokain? Ich glaube, es war letzten Winter, als Viktor und ich zusammen an der Bushaltestelle gechillt haben und es begann zu schneien.
»Das ist nicht der beste Schnee, den diese Stadt uns bietet«, hat er gesagt, mich angegrinst und mit den Augenbrauen gewackelt.
»Also traust du dich endlich!?«, hab ich gefragt und wir sind aufgesprungen und zum nächstbesten Dealer gelaufen. Das erste Mal, als ich das kleine Päckchen Koks in den Händen gehalten hab, war ich so aufgeregt, dass ich Angst hatte, die Tüte kaputt zu machen und das Zeug auf die Straße zu schütten. Aber Viktor war unbesorgt und nachdem er unsere erste Tüte vorbereitet hatte, war nur noch Vorfreude in mir. Und das erste Mal war einfach nur Fun. Als ich gespürt hab, wie die Wirkung nachließ, wollte ich mehr.
»Lass uns noch was holn«, hab ich ihn angehauen, aber Viktor hat nur den Kopf geschüttelt.
»Wir sind doch keine beschissenen Junkies.«

Mein Handy klingelt und ich werde aus meinen Erinnerungen in die Wirklichkeit gerissen. Kurz schüttle ich meinen Kopf, um ihn wieder freizubekommen, ehe ich mein Leo-Handy vom Tisch nehme und abnehme.
„Was gibt’s?“, meine Stimme klingt nach dem Schneerauchen und dem Heulen danach immer etwas tiefer und rauchiger, als sonst.
„Mara, alles krass bei dir?“. Viktor.
„Was willst du, du Ficker?“ – Das ist meine Art, mich über seinen Anruf zu freuen.
Viktor lacht, „Du hast es wohl grade hinter dir, hm?“
Ich grummle was ins Handy und setzte mich auf Sofa, wo ich meine Beine übereinander schlage, „Und hast du's auch schon hinter DIR?“
Er seufzt, „Mara, du verstehst nichts von unserer Beziehung.“
„Oh doch, das tue ich. Ihr trefft euch, ihr fickt und ihr geht wieder getrennte Wege und das jetzt seit einem Jahr. Was gibt es da nicht zu checken!?“
Viktor übergeht das, was ich sage, „Ich komm' gleich vorbei und bring 'ne DVD mit, okay?“
„Geht klar“, ich lege auf. Und ich weiß nicht genau, wie ich mich fühlen soll. Erst war ich superglücklich, wegen dem Schnee. Dann war ich fucking down, wegen dem Schnee. Und jetzt bin ich so shitty im Kopf, weil ich meinem besten Freund so ein schlechtes Gewissen gemacht hab, dass er abends an seinem Jahrestag zu MIR kommt und mit mir eine DVD gucken will. Irgendwie bekomme ich jetzt ein noch schlechteres Gewissen, weshalb ich schnell nach meinem Handy greife und ihn kurz darauf wieder im Ohr habe.
„Was gibt’s denn noch, Süße?“
Ich fahre mir mit meinen Fingern durch das krassrote Haar, „Du musst nicht kommen, man. Es ist DEIN bekiffter Jahrestag und nicht meiner.“
„Ah, kann es sein, dass du grad wen zum Ficken gefunden hast?“
Ich verdrehe die Augen, muss aber trotzdem lachen, weil sich bei Viktor grade echt alles um Sex dreht, „Da hast du mich wohl ertappt“, lüge ich darum.
Fast durchs Handy höre ich, wie er lächelnd den Kopf schüttelt, weil er weiß, dass es nicht stimmt, „Tssss, wenn du meine Anwesenheit nicht willst, beglücke ich halt wen anders.“
„Mach das“, ich muss schon wieder lachen, auch wenn ich weiß, dass er jetzt wieder zurück zu dieser Tanja geht. Scheißegal. Ich kann noch oft genug nach diesem Tag egoistisch sein.
„Aber dann penn' ich morgen bei dir, jo?“
„Klar, dann sehen wir uns morgen früh erst Mal wieder in dieser Irrenanstalt!“
Viktor unterdrückt sein Lachen erst gar nicht, „Ich glaub, ich schwänz' den ersten Block. Französisch ist eh beschissen.“

Damit legt er auf und ich sitze hier wieder alleine und still im Wohnzimmer. In meiner drei Zimmerwohnung wohne ich seit ich vierzehn bin. Meine beschissene Oma bezahlt sie. Genauso wie meine Handyrechnung und allen anderen Scheiß, der anfällt. Sie stellt mir jeden Monat tausend Euro zur Verfügung und damit komme ich locker über die Runden. Aber ich hab jetzt echt keinen Bock darauf, über meine bekiffte Family nachzudenken. Sind doch eh alles Arschlöcher! Darum ziehe ich mir jetzt alleine eine DVD rein. Ich entscheide mich für den härtesten Horrorfilm, den ich habe und mir schon tausend Mal mit Viktor reingezogen habe. Nach einer Stunde werde ich immer müder, egal wie spannend es gerade ist, bis mir meine Augen zufallen und ich auf dem Sofa, während des Grauens auf meinem Fernseher, seelenruhig einschlafe.


CHAPTER FIVE: Stressy morning


Alex



Nach einem beschissenen Abend kann auch der Morgen nicht beschissener sein! Ich verschlafe um fünfzehn Minuten und bin trotzdem noch so unverschämt müde, dass ich weitere zehn Minuten brauche, um mich zum Aufstehen zu überwinden. Pech für die Tussen, dusche ich heute Morgen halt nicht, dazu fehlt mir jetzt einfach die Zeit.
Während mir die Augen immer noch zufallen wollen, wechsle ich meine Seidenboxer gegen eine frische, neue und den üblichen Rest meines Looks. Das heißt eine teure, geil sitzende Jeans und ein einfarbiges, sexy Hemd, bei dem ich die ersten paar Knöpfe offen lasse. An einem Tag, der so scheiße anfängt, habe ich eigentlich noch weniger Bock, meine Haare zu einer Frisur zu stylen, aber weil ich weiß, wie viel wert man gerade in meiner Familie auf gepflegtes Aussehen legt, style ich sie wie üblich hoch. Was mich eigentlich nicht überraschen sollte, es doch irgendwie wieder tut, ist, dass ich mit einer richtigen Frisur auf dem Kopf schon gleich viel wacher, frischer und geiler aussehe. Es ist wirklich nicht verwunderlich, dass diese ganzen Schlampen auf mich stehen, aber es ist naiv und echt hirnverbrannt, anzunehmen, dass SIE bei MIR eine Chance hätten, wenn sie Tag für Tag vor meinem Haus – eher meiner Villa – stehen und mich stalken. Was für ein schöner Gedanke, an einem so herrlichen Morgen!! Ich verdrehe die Augen und fahre mir mit der Hand kurz durchs Gesicht, als ich das Bad verlasse. Mit meiner Schultasche mache ich mich auf den Weg zur Schule. Ja! Ohne zu frühstücken, dafür fehlt mir heute einfach die Zeit.
Wie immer ignoriere ich die Schlampen vor meinem Haus und mache mich aus dem Staub und heute bin ich wirklich mehr als gereizt, als ich in der Schule ankomme.
Ich habe den Schulhof nicht einmal betreten, da labert mich diese billige Amelie auch schon schräg von der Seite an – Schlampe.
„Aaaaalex! Ich hab die ganze Nacht an dich gedacht!“, sie grabscht nach meinem Ellenbogen, um sich einzuhaken, aber ich stoße sie weg. So schon gar nicht!
„Schön, dass du reimen kannst, aber zeig das wem anders.“ Ich bin scheiß-genervt, trotzdem schaffe ich es, meine Stimme einigermaßen kühl und neutral wie immer zu halten und nicht rumzubrüllen.
Aber sie geht weiterhin neben mir her, hält auf ihren hohen Absatzschuhen mit mir Schritt und meine „herzlosen Worte“ bringen diese Tussi sogar zum Kichern, „Du bist so süß, wenn du so abweisend bist!“
Alles in mir versteift sich und ich presse meine Hände zu Fäusten, WARUM kann mich diese Fotze nicht einfach IN RUHE lassen!? NEIN, natürlich fährt sie mit ihren Ausführungen fort: „Doch bei mir musst du dich nicht verstellen, du kannst mir ruhig zeigen, wie sehr du auf mich stehst! Alex, meinst du ich hätte gestern Abend nicht gemerkt, dass du dich nicht getraut hast, mich anzusehen, weil ich einfach nur heiß in meinem Kleid war?“
Ich atme tief ein und stoße die Luft dann aus, ehe ich stehen bleibe und mich dieser Tussi direkt zuwende, „Amelie, lass' uns am Samstag Abend, also Morgen doch einfach zusammen ausgehen.“ Für den Scheiß, den ich gerade von mir gebe, klingt meine Stimme relativ normal. Etwas arrogant, aber wirklich nur ETWAS und ein bisschen genervt und – durch das erzwungene Lächeln, was ich mir am Ende aufgelegt habe – sogar ein bisschen charmant.
„Das ist eine geniale Idee, Alex!“, sie will mir einen Kuss auf die Wange drücken, aber ich drehe meinen Kopf weg und sie lacht wieder leise, „Du bist echt verdammt schüchtern, wenn's um Mädchen geht, was? Aber keine Sorge, ich finde das megasüß!“
Ich kann mir das nicht länger antun, schlimm genug, dass ich mich von meinen Eltern habe einlullen lassen und dazu überreden habe lassen, mit dieser Fotze auszugehen. Aber desto schneller ich es hinter mir habe, umso eher kann ich sie wieder fallen lassen. Denn interessiert bin ich ja echt kein bisschen. Auch nicht, wenn ihr Daddy ein hohes Tier ist und sie fast so reich ist wie ich. Wenn sie die ganze Nacht wirklich nur an MICH denkt, kann sie nur dumm sein. So eine nutzlose Zeitverschwendung.
Kopfschüttelnd drehe ich mich von ihr weg und geselle mich wie immer zu Steffen, der mich angrinst, aber nichts sagt.

Im Klassenzimmer ist schon wieder der Teufel los. So ist es immer, wenn eine dieser beschissenen Schlampen irgendein Gerücht in die Welt setzt.
„Heute soll sie dann zum Ausgleich so ein Referat halten! Bei UNS!“, hören wir es schon von Lisa Röhlich, Tochter unseres Mathe- und Physiklehrers, als wir den Raum betreten und schweigend zu unseren Plätzen gehen.
„Boah, die kann man gar nicht anseh'n, mit ihrem Pumucklkopf! Schrecklich! Wie können ihre Eltern ihr DIESE Farbe erlauben!?“, tratschen die Tussen weiter. Scheißegal, betrifft ha nicht mich.
„Wahrscheinlich sind ihre Eltern irgendwelche Asozialen oder so!“
Steffen stupst mich mit seinem Ellenbogen an, „Reden die von Angie?“
Ich zucke die Schultern, „Ist mir egal.“
„Das wären ja brilliante Aussichten, Alter, wenn die Braut bei uns referiert“, er zwinkert mir zu und grinst frech, „Wenn sie wieder so geil drauf ist wie gestern.“
„Tzz“, mache ich, „Die war einfach nur rotzfrech und vorlaut.“
Er will grade etwas erwidern, als Herr Röhlich den Raum betritt, genervt fummelt er mit seiner Hand an seinem Hemdkragen herum, bis er die ersten beiden Knöpfe aufbekommt. Am Lehrerpult stellt er seine Tasche ab und mustert die Klasse, bevor er seinen Terminplaner hervorholt und die Notizen zu heute flüchtig liest.
„Guten Morgen“, er räuspert sich, „Heute werden wir zum Ende der Doppelstunde noch ein fünfzehn-minütiges Referat von einer Schülerin aus eurer Parallelklasse hören. Aber bis dahin widmen wir uns den Matri-“, ein lautes Klopfen an der Tür lässt ihn kurz inne halten, „den Matrizen. JA, BITTE?“
Die Tür öffnet sich und offenbart die Zicke von gestern Nachmittag im Techniklabor.
Ein leichtes Lächeln legt sich auf Röhlichs Lippen, „Mara, Sie sind ja mal fast überpünktlich.“
„Aha“, flüstert Steffen, „Dann ist Angie also eine Mara.“ Was spielt das schon für eine Rolle? Sie ist genau wie jede andere Tusse auch.
„Sorry“, sie lächelt halbherzig und ohne die Tür zu schließen, tritt sie in den Raum und geht ein paar Schritte auf Röhlich zu, „Aber ich halte diesen bekifften Vortrag nicht. Ich lass' mich doch nicht von Ihnen verarschen.“
„Nicht in diesem Ton, Mara“, er knallt seinen Terminplaner zu und geht auch auf sie zu, „Wir regeln das vor der Tür.“
„Warum? Haben Sie Schiss vor Zeugen!?“ Nein, ich nehme zurück, was ich vorhin gesagt habe. Sie ist NICHT wie jede andere Schlampe, sie ist aufmüpfiger, zickiger und provokanter.
Röhlich nimmt sie am Arm und geht bereits Richtung Tür, aber Mara macht keine Szene, weil er sie anpackt, sondern geht mit, „Man, was Sie für 'ne Show machen.“
Nach diesen Worten schließt Röhlich die Tür und hinterlässt in der Klasse Raum und Zeit für wilde Spekulationen.


CHAPTER SIX: Cursed morning


Mara



Wie cool, da hat dieser „Lehrer“ nicht mal genug mumm, die Sache vor seinen Schülern zu regeln. Wow, megamutig. Jetzt stehen wir vor der Klassentür und drinnen sind sie sicher alle ganz leise und lauschen. Tja, sind halt alles auch nur sensationsgeile Idioten. Ich mache meinen Arm aus seinem unbewusst noch andauernden Griff los und sehe ihn mit wütenden Augen an.
Was denkt sich dieser Penner von Lehrer eigentlich?! »Ach ja, Mara, halten Sie bitte in Siebzig Minuten ein Referat im Raum C119, in dem sie die beiden Themen der letzten zwei Monate überzeugend erklären und darstellen. Viel Erfolg!«
Wie kann er nur SO eine SCHEIßE labern?
Geht er davon aus, dass es genügt mir morgens kurz vor Schulbeginn Bescheid zu geben, dass ich jetzt ganz spontan ein Referat halten soll? Mein Problem ist NICHT, dass ich nicht spontan bin, sondern, dass er mich VERARSCHT! Nur weil er drei Mal so alt wie ich ist. Was für ein PENNER!
„Mara, Sie sind hier diejenige, die eine Szene macht. Können wir uns nicht einfach darauf einigen, dass Sie in“, er prüft die Zeit auf seiner protzigen Armbanduhr, „Sechzig Minuten ihren Vortrag halten?“
„Nein!“, ich verkreuze die Arme vor der Brust, „Wie wäre es mit in Vierundzwanzig Stunden und Sechzig Minuten?“
„Morgen ist Samstag.“
„Dann lassen Sie mich Montag das Referat halten. Sie können das doch nicht ernst meinen! Von jetzt auf gleich! Warum denn überhaupt!?“ Ich starre ihn an, ganz offensiv, ich will das jetzt einfach wissen. Was hat der Affe für ein Problem!?
„In den letzten beiden Monaten haben Sie in meinem Unterricht mindestens fünf Mal gefehlt-“
„Ich war krank“, unterbreche ich ihn schroff mit einer Lüge. Aber spricht unbeirrt weiter, „und das ist recht viel, wenn man bedenkt, dass wir sechzehn Blöcke hatten. Sie haben also ungefähr ein Drittel meines Unterrichts verpasst und dieses Versäumen fällt Ihrer mündlichen Note zur Last. Daher-“
„Ich hab's gecheckt“, ich löse meine Arme voneinander und fahre mir mit der linken Hand durch das offene knallrote Haar, die andere Hand strecke ich ihm versöhnlich entgegen, „Geben Sie mir ein Mathebuch und ich halt' dieses beknackte Referat.“
Herr Röhlich schmunzelt über meine Formulierung, ergreift kurz meine Hand und nickt, „Aber es wird nicht leicht mit DIESER Klasse.“ Tz, versucht er es jetzt auf die Verbündeten-Art oder was? Penner.
„Es ist auch nicht leicht, es diesem Lehrer“, ich deute auf ihn, „letztendlich recht zu machen.“
Er zuckt die Schultern, „Sie müssen nur beweisen, dass Sie trotz ihrer Versäumnisse im Stande sind, das Wissen wiederzugeben.“
Dann soll er mir das nächste Mal einen schriftlichen Test vorschlagen und kein beschissenes Referat. Aber eigentlich hab ich selbst schuld, weil ich in den letzten zwei Monaten so oft mit Viktor in unseren Lieblingsnachtklub in Berlin gefahren bin. Berlin ist halt nicht direkt um die Ecke und darum waren wir nie im ersten Block Mathe da, wenn wir dort abgerockt sind.
„Mara, Sie brauchen übrigens keine Entschuldigung für Frau Helms, ich habe sie bereits in Kenntnis gesetzt.“ Dieser steifen und förmlichen Englischlehrerin hätte ich eine Entschuldigung auch nie in die Hände gespielt, tzz, als ob ich der geben würde, was sie gerne hätte. Dumme Ziege. Auch wenn ich in Englisch auf Zwei stehe, ist es einfach nur übelst langweilig und nervenaufreibend in ihrem Unterricht zu sitzen und ich bin doch ein bisschen erleichtert, mich nun beim Röhlich hinchillen zu können.

Wir betreten wieder die Klasse und wie nicht anders erwartet starren uns alle an. Aber das ist mir scheißegal. Ich habe wieder die selben Sachen wie gestern an, weil ich heute Morgen einfach keine Lust auf was anderes hatte und die Lästertochter vom Röhlich glotzt mir auf meinen Leo-Rock.
„Nein, ich hab nicht mit deinem Papi rumgemacht“, grinse ich sie an, als ich an ihr vorbei an den Lehrerpult herantrete, wo mir der Röhlich schon augenverdrehend das Mathebuch entgegen hält, „Bitte sehr.“
Am liebsten würde ich ihm jetzt sagen, dass er sich sein BITTE in den Arsch schieben soll, aber stattdessen geh' ich sterben. Haha. Nein, ich suche nach einem freien Platz und der ist genau neben dem Schnösel aus dem Freak-Labor, Mister „Uuuuh-ich-bin-so-toll-ich-bin-Schulsprecher“. Ich pflanze mich auf den Stuhl neben ihm und wölbe eine Braue, als er die Nase kräuselt.
„Du bist hässlich, wenn du deine Nase so verziehst“, kläre ich ihn auf und krame meinen Block und einen Kuli aus meiner Tasche. Der Schönling sieht mich ausdruckslos an, dann gibt er kontra.
„Und deine Augenbrauen sind zu schmal, um sie durch das Hochheben hervorzuheben. Sieht nuttig aus.“ Meine Augenbrauen sind PERFEKT! Ich weiß nicht, was das heute für ein verschissener Tag ist, aber meine Laune ist irgendwie schon die ganze Zeit ziemlich weit unten und ich will eigentlich nur noch, dass dieser Scheiß-Mathe-Block vorbei ist und Viktor seinen Arsch in die Schule bewegt.
„Tja, ich kann so nuttig rumlaufen wie ich will. Aber klar, dein Leben in der gehobenen Gesellschaft verschafft dir einen Fünf-Sterne-Ruf. Muss geil sein, den Arsch mit Scheinen abgewischt zu bekommen!“ Ich starre ihn fast schon besessen an, will seine Reaktion auf meinen kritisierenden Angriff vollkommen genießen. Aber er reagiert nicht groß, außer mit Worten.
„Meinen Weg hierher hab ich mir selbst erarbeitet, aber der einzige Weg für dich auf diese Schule zu kommen, war wohl sich durchzuficken, du Schlampe.“ Seine Augen verziehen sich zu schlitzen und das sieht sogar noch beschissener aus als die gekräuselte Nase. Wie kann jemand, der sein Gesicht so hässlich verzieht, für die ganzen naiven, dummen Mädchen Prinz Charming sein!?
„Oh, ist das der gekränkte Stolz eines reichen Arschlochs, was nur Schulsprecher wird, um seinen Status zu halten?!“ Ich habe nicht gemerkt, dass wir so laut geworden sind, dass uns – oder eher mich – schon wieder alle anstarren. Ha, die haben wohl sonst nichts zu gucken, hier. Ist ja auch kein Wunder, mit dieser Arschgeige als Klassensprecher!
„GENUG JETZT!“, der Röhlich funkelt uns aufgebracht an, „Regelt das unter euch außerhalb meines Unterrichts weiter, Alexander und Mara!“
Ich schnaube, wie kann er meinen Namen im Zusammenhang mit diesem Superschnöselarsch bringen!? Das hört sich ja so was von beschissen an!


CHAPTER SEVEN: Provocative behaviour


Alex



Warum ist der Platz neben mir eigentlich immer frei? Genau! Damit ich einen Sicherheitsabstand zu all den Schlampen habe, die meinen, mich belästigen zu müssen. Und warum sitzt jetzt noch mal diese nuttige Zicke neben mir? Weil ich mir selbst ins Knie geschossen habe, denn es gibt keinen anderen freien Platz. Super, da hätte ich auch mal eher dran denken können und Patrick auf diesen Platz rücken lassen sollen. Jetzt werde ich wegen IHR schon zum Getratsche in den Pausen – obwohl über sechzig Prozent der Schüler und vor allem Schülerinnen sowieso über MICH in der Pause redet.
Ich versuche einfach, sie zu ignorieren, als sie ihre Sachen vom Tisch auf ihren Schoß befördert und dann provokativ die Beine AUF dem Tisch übereinander schlägt.
Herr Röhlich räuspert sich, aber Mara starrt kaugummikauend auf das Mathebuch, was ihn zwar aufseufzen lässt, aber er sieht über ihr Verhalten hinweg und fährt mit seinem Unterricht fort. Steffen lehnt sich über seinen Tisch und mustert die Tussi dabei, wie sie anfängt Notizen auf ihren Block zu kritzeln. Sie bemerkt seinen amüsierten – warum muss er eigentlich IMMER zufrieden mit sich und der Welt sein und ständig grinsen!? – Blick, lächelt ihn schief an, wobei ihre Augen schelmisch Grinsen und reißt die rechte obere Ecke ihres Papiers ab. Dann krakelt sie einige Worte, formt den Zettel zu einer Kugel und zielt auf Steffens Kopf. Neugierig fischt mein bester Freund diese beschissene Nachricht aus seinen Haaren und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, als er ihre Worte ließt. Was will dieser Idiot nur mit einer Schlampe, die noch viel schlimmer und beschissener ist, als alle anderen!?
„Nice“, er zieht das Wort in die Länge, als er sie wieder ansieht, allerdings ist diese Mara schon wieder auf ihre Notizen fixiert. Aber das ist ihm natürlich voll egal, er schreibt ihr zurück und reicht den Zettel an mich.
„Wirf doch!“, zische ich ihm zu, aber Steffen zuckt nur die Schultern, weshalb ich den von ihm sauber gefalteten Scheiß-Zettel nehme und über dem Mathebuch von dieser Zicke fallen lasse.
Mara sieht auf und verzieht das Gesicht, „Von dir nehme ich nichts an, Pisser.“
„Ist nicht von mir“, ich muss mich heute wiedermal beherrschen, um Steffen kein schlechter Freund zu sein und beiße die Zähne zusammen, ich KANN auch fast freundlich sein, „Wenn ICH dir etwas zu sagen hätte, würdest du es wissen.“
Ihre Reaktion auf meine noch relativ nett gemeinten Worte ist anders als erwartet, sie hebt ihren Kopf der Decke entgegen, so dass sie mir nichts anderes als einen hochnäsigen Blick schenken kann und mit verstellter Stimme versucht sie mich nachzuahmen, „Und wenn ICH, Gräfin von Sommer, Ihnen etwas zu sagen hätte, würde ich eine edle Taube zu Ihnen schicken“, sie bringt ihren Kopf wieder in die normale Position und auch ihre Stimme ist wieder ihre eigene, „Mister Fucking President!“
Unsere Blicke treffen sich und es ist, als würden Blitze aus unseren Augen schießen und in dem Raum zwischen uns aufeinander treffen.
„Wow, das nenn' ich elektrische Spannung“, murmelt Steffen, dann winkt er Mara, „Hey, der Zettel ist von mir.“
Fast schon widerwillig löst sie ihren giftigen Blick von mir, der gleichgültig wird, als sie Steffen ansieht, „Aha.“
Herr Röhlich seufzt theatralisch auf, „Da sich heute wohl keiner von Ihnen so richtig auf meinen Unterricht konzentrieren kann, hoffe ich, dass Sie wenigstens den Ausführungen von Mara Sommer folgen können. Schließlich sind es auch ihre Themen der Mathematik der vergangenen letzten beiden Monate gewesen. Mara, kommen Sie bitte nach vorne?“
Die Tussi schnaubt, „Das waren aber noch nicht die vereinbarten Sechzig Minuten.“
Röhlich quittiert ihre Antwort mit einem Schulterzucken, „Sie hätten weniger tratschen und Briefchen schreiben sollen, dann hätte auch diese Zeit locker ausgereicht.“ Wie ich den Kerl kenne, ist er einfach auch nur noch genervt von der Schlampe und will sie wieder vom Leib haben. Tzz, den ganzen Stress hätten sie gar nicht, wenn unser Pumucklchen nicht so oft in seinen Matheblocks gefehlt hätte.
Also steht Mara mit dem Buch und ihren Notizen auf und stolziert an die Tafel.
„Sie stören hier vorne“, brummt sie dem Röhlich zu, woraufhin er sich auf den Platz neben mir verzieht. Mara greift mit ihren schlanken Fingern nach der Kreide und beginnt die Tafel zu beschreiben.
„Mara, würden Sie bitte erklären, was Sie da schreiben?“
Sie dreht sich schwungvoll zu der Klasse, wobei ihr Rock etwas weht. Scheiße, die hat ja den selben beknackten Musterrock wie gestern an. Dann hat sie wohl gestern Nacht bei wem anders verbracht und ihren Spaß gehabt.. Allein die Vorstellung ist ekelhaft.
„Ich bereite meinen Vortrag vor, damit ich mich nicht währenddessen von der Klasse abwenden muss und hier jeden im Auge behalten kann“, ihr Blick überfliegt die Klasse und starrt mich einen Moment zu lange und zu kalt an.
„Gut, dann fahren Sie fort“, dann wendet er sich von ihr ab und beugt sich näher zu mir, auch seine Stimme senkt er, „Alexander, richten Sie Ihren Eltern bitte die besten Grüße von mir aus. Ich bin Ihrem Vater letztens über den Weg gelaufen und ich habe mich nun entschieden. Ich nehme seine Einladung zum Abendessen an.“
Ich unterdrücke ein Seufzen, das heißt wohl das dieser bekiffte Lehrer zu uns nach Hause kommt. Nur weil er mal mit meinem Vater in der selben Klasse war. Ich nicke ihm zu, dann lehne ich mich zu Steffen hin.
„Warum musstet ihr wie die Grundschüler Zettelchen schreiben?“
Steffen grinst, „Willst du wissen, was sie geschrieben hat?“
Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar, „Sehe ich so aus, als würde es mich interessieren?“
„Ja“, er unterdrückt ein Lachen, „»Ich geb dir meine Handynummer, wenn du aufhörst mich anzugrinsen, Sunnyboy.«“ Meine Mundwinkel verziehen sich nach unten, Uuuh, diese Mara scheint wirklich zu wissen, was NIVEAU ist!!
„Und du hast dankend abgelehnt?“, fällt mir ein, weil Steffen immer noch grinst.
„Nee“, sein Blick klebt an Maras Rücken fest, „Ich hab ihr geschrieben, dass ich die schon habe, weil ich sie doch stalke.“
„Du bist echt ein Idiot“, murmle ich – rein freundschaftlich. Auch wenn ich es nicht checke, was er von dieser Arielle will!
„Ich glaube“, flüstert Steffen, „Dass es leichter ist SO mit ihr zu kommunizieren, als das, was zwischen dir und ihr läuft.“
Ich rümpfe die Nase, „Da ist nichts, sie ist einfach eine provokante Zicke.“


CHAPTER EIGHT: Smart behaviour


Mara



Wenn ich heute Morgen noch überhaupt keinen Bock auf dieses verfickte Referat hatte, hat sich meine Laune irgendwie gebessert. Wahrscheinlich weil ich diesem Spießer-Schulsprecher-Arsch mal schön meine Meinung gesagt hab. Und diese Grinsebacke ist zwar nervig, aber um ehrlich zu sein, bekomme ich nicht gerade schlechtere Laune, wenn er mich angrinst. Pisser. Die sollen mich nicht beeinflussen. Ich will von NIEMANDEM beeinflusst werden. Ich bin ich. Und das will ich auch bleiben.
„Also die beiden Themen in den letzten Monaten waren: »Die Grundlagen der Matrizen« und »Die L'Hospitalsche Regel«. Natürlich könnt ihr alle mit den Begriffen etwas anfangen, da ich aber deutlich machen soll, dass selbst ich es gecheckt habe, erkläre ich sie noch einmal.“ Und so weiter und so fort. Nach dem ich die Themen deutlich definiert habe, erkläre ich sie noch einmal anhand von Beispielen. Offen stehe ich der Klasse gegenüber, es ist mir scheißegal, ob sie mir auf den Rock, die Titten oder ins Gesicht schauen, es zählt nur, dass ich gerade ein wirklich bekifft-geiles Referat halte und somit aus dieser Scheißsituation in Mathe rauskomme. Meinen Blick lasse ich immer wieder offen und gelassen durch die Klasse gleiten, die ich auch mit ein paar Fragen in meinen Vortrag einbeziehe.
Wahrscheinlich ist dieser Penner von Lehrer jetzt auch noch überrascht, dass ich wirklich weiß, wovon ich hier rede, denn er starrt mich ununterbrochen an.
„Hat noch jemand Fragen?“, wieder schweift mein Blick quer durch die Klasse. Niemand meldet sich zu Wort. Also nehme ich meine Sachen und nicke dem Röhlich zu, „Damit hat sich das jetzt ja wohl erledigt.“
Der Penner springt auf, „Mara, wie haben Sie soviel behalten, wenn Sie doch fast nie da waren?“
Augenverdrehend wende ich mich ihm zu, „Herr Röhlich, wie haben Sie sich eigentlich meinen Namen merken können, wenn ich doch nie da war? Ich meine, schließlich sind sie ja NUR Lehrer!“
Während es hinter mir tuschelt, als ich die Klasse verlasse, krame ich mein Handy aus meiner Tasche und rufe Viktor an.

„Hey Süße!“, er klingt kein bisschen verschlafen.
„Wo steckst du!?“
Er lacht, „Auf'm Schulklo.“
Also lege ich auf und mache mich gleich auf den Weg dahin. Das Jungenklo ist für mich kein unbekanntes Territorium. Wenn in den Pausen eine Schlange aus dem Fotzenklo raus bis in den Flur reicht, entscheide ich mich immer für die Toiletten der Pisser.
„Bist du fertig?“, rufe ich, als ich die Tür aufschlage und ihm am Waschbecken entdecke.
„Jo“, er dreht sich um und kommt auf mich zu. Dann küsst er mich auf die Wange.
„Mara irgendwie wirkst du heute vor den Kopf gestoßen.“
Viktor kennt mich zu gut, ohne, dass wir viel geredet haben, liest er es in meinem Gesicht.
„Ich hab grad spontan ein Mathereferat in der Parallelklasse gehalten.“
„Beschissen?“, wir laufen durch den Flur, um endlich aus der Schule raus zu kommen und eine zu rauchen – zumindest ist es das, was ich will. Eigentlich rauche ich nicht so ultra viel. Eine oder zwei Zigaretten und das auch nicht jeden Tag.
„Ja, danach sah der Penner echt beschissen aus! Was für'n Arschloch! Aber ist jetzt auch egal, ich bekomme meine Drei in Mathe und damit ist das Thema vom Tisch.“
„Okay“, er legt einen Arm um meine Taille, „Sag mal, bist du gestern eigentlich im Freaklabor klargekommen?“
„Tz“, will der mich verarschen!?, „Ja, also das Zeug hab ich locker bekommen. Dann kamen da plötzlich der Prinz Charming mit Sunnyboy-Anhang rein und haben rumgestresst.“
Seine Augen werden etwas größer, und sein Blick überraschter, „Haben sie was von dem Schnee mitbekommen?“
Wir verlassen endlich dieses Irren-Gebäude und ich zünde mit eine Zigarette an.
„Nee. Ich schätze, die dachten, ich hätte mich verlaufen oder so'n Scheiß.“
Viktor lacht sein warmes, lautes Lachen, „Dann hast du die Rolle der »verlaufenen kleinen Mara« gut gespielt?“
Kopfschüttelnd lächelnd halte ich ihm die Zigarette hin, „Ich muss nicht schauspielen, um überzeugend zu sein. Das solltest du wissen, Superboy.“
„Boy?“
Ich lache, dann flüstere ich ihm zu, „Du weißt doch, zum Mann wird man erst, wenn man seinen ersten Samenerguss hat.“
Viktor grinst, „Flasch, Süße. Zum Mann wird man geboren..“
„Das klingt irgendwie falsch“, grinse ich, „Wird man nicht ALS Mann geboren.“
„Nope“, Viktor zwinkert mir zu, „Schließlich muss man erst zum Mann werden.“
„Das macht aber wenig Sinn, wenn man durch die Geburt zu einem wird.“
Er zuckt die Schultern, „Ich weiß. Eigentlich ist meine Mutter diejenige, die bei meiner Geburt zum Mann hätte werden müssen.“
Wir müssen beide lachen und kriegen uns kaum wieder ein. Bis es zur Pause klingelt und die ganzen anderen Irren aus dem Gebäude auf den Hof strömen.
Viktor lässt den Zigarettenstummel auf den Boden fallen und tritt mit seinem Schuh drauf, „Französisch hab ich ja sausen lassen. Tz, die alte Pissnelke kriegt das eh nicht mehr mit, ob da nun einer mehr oder weniger sitzt. Sollten wir irgendwas Bekifftes für Bio machen?“
Ich zucke die Schultern, „Wir schreiben 'nen Test.“
„Stimmt!“, er grinst, „Über was nochmal?“
„Zellen und Stoffwechsel.“

Viktor nimmt meine Hand und zieht mich mit sich um die Ecke, so dass wir direkt an der Wand des Schulgebäudes stehen.
„Wo wir grad beim Thema Stoff sind-“
„Ist gut versteckt im Mehlgefäß.“
Er grinst, „Wie immer, ja?“
Nickend strecke ich meine Arme nach vorne, wo ich sie vor dem Körper dehne, „Es war eine beschissene Nacht.“
„Ich hab dir angeboten, vorbeizukommen, Süße.“
Und ich habe abgelehnt, wegen dieser behinderten Tanja.
„Viktor, ich weiß“, meine Mundwinkel verziehen sich zu einem unverschämten Grinsen, „Aber du weißt ja, dass ich gehofft habe, dass du Tanja zu Tode fickst.“
Er haut mir leicht gegen die Schulter, „So pervers bin ich jetzt auch nicht.“
„Ach ja, geh'n wir nächstes Wochenende auf diesen spießigen Schulball, den diese ganzen fucking Bitches nur wegen ihrem Arschlochvorbild Alexander Precht veranstalten?“
„Wir könnten auch nach Berlin fahren...“, Viktor stemmt sich von der Wand ab und ich folge ihm, als wir wieder zu unserem alten Standpunkt auf dem Schulhof zurückkehren.
Ich lache ausgelassen, schon wieder Berlin. Nachtclub. Da ist es zwar garantiert tausend Mal geiler, aber irgendwie möchte ich es mir nicht entgehen lassen, noch einmal mit diesem Schnösel-Schulsprecher und dem Honigkuchenpferd konfrontiert zu werden.
„Wir können ja spontan entscheiden.“
Viktor nickt, „Jo“, dann legt sich seine Stirn in Falten, „Dieser Sunnyboy starrt dich an.“ Ich drehe meinen Kopf in die Richtung, in die Viktor guckt und verdrehe die Augen. Die Grinsebacke ist von ihrem Fanclub umringt und winkt mir zu, mit seinem Handy in der Hand.
„Keine Sorge, der ist einfach nur nervig und ansonsten harmlos. Ein Dulli“, kläre ich Viktor auf und zeige dem Sunnyboy meinen Mittelfinger.
„Ich weiß“, murmelt mein bester Freund, „Irgendwann war ich mal mit ihm in einer Klasse.“
Ich bin irritiert, als der Sunnyboy die nach ihm „süchtigen“ Mädchen von sich schiebt und auf uns zukommt. Was will DER denn jetzt schon wieder!?


CHAPTER NINE: Changed plan


Alex



„Du gehst also mit Amelie morgen Abend aus?“, hat Steffen noch vor ein paar Minuten gefragt, dann hat er gegrinst, „Lass' uns ein Doppeldate daraus machen, ist sicher viel lustiger.“ Und dann hat mich dieser Mistkerl einfach mit den ganzen Tussen, die ihn sabbernd angestarrt haben, stehen lassen und ist zu dieser beschissenen Mara geschlendert. Das gibt’s doch nicht! Mit dieser Zicke werde ich mich garantiert in KEINEM Restaurant sehen lassen! Eigentlich will ich mich ja nicht mal mit dieser anderen Fotze treffen! Aber ich habe es meinen Eltern halt versprochen. Das heißt ja nichts, es muss nichts aus mir und Amelie werden. Und das WIRD es auch auf keinen Fall.
Mit eisigem Blick beobachte ich Steffen dabei, wie er diesem schwarzhaarigen Punk die Hand schüttelt, wahrscheinlich stellt er sich grade auf irgendeine peinliche Art vor. Fast kann ich hören, wie Mara Steffen verbal tausende Geschosse entgegenwirft, aber dann höre ich wirklich etwas. Ihr Lachen.
„Alex!“, jemand legt seine Hände von hinten auf meine Augen, „Wer bin ich?“
Eine nervige Tusse, die mich schon wieder belästigt?
„Lass' den Scheiß, Amelie.“
„Richtig! Amelie!“, sie lässt ihre Finger von meinen Augen über mein Gesicht gleiten und nimmt sie erst weg, als ich mich schwungvoll zu ihr umdrehe.
„Ich freu mich schon so auf den gemeinsamen Abend! Alex, wir können so viel Romantisches zu zweit machen! Zusammen essen gehen, dann raus zum See fahren und dort in einem Ruderboot über den See fahren!“ Ihre Wangen glühen bei der Vorstellung in einem sanften Pissrosa. Sie steht vor mir mit verkreuzten Beinen und ihre eine Hand hat sie in die Hüfte gestemmt, während sie sich mit der anderen die blonden Haare zu einem Zopf bindet.
Ich atme tief die Luft ein, mal wieder, „Es gibt Planänderungen.“ Diese Mara-Punk-Schlampe wird eh nicht zustimmen, sie wird nicht mit solchen niveaulosne Pissern wie Steffen und mir ausgehen, versuche ich mich selbst zu beruhigen, Steffen wird sich 'ne andere Bitch suchen müssen.
„Ja! Wir sollten etwas mit Blumen machen! Was mit... Rosen vielleicht!“
Meine Mundwinkel verziehen sich und ich schüttle den Kopf, „Wir werden viel mehr Spaß haben“, es fällt mir nicht schwer zu lügen, auch wenn ich weiß, dass ICH garantiert KEINEN Spaß haben werde, „Weil wir zu viert ausgehen.“
Ihr nerviges Grinsen wird schwächer, „Ein Doppeldate?“
„Wenn du nicht willst...“, lasse ich den Satz offen stehen. Sie soll nicht denken, dass wir dann was alleine machen. Sie soll denken, dass sie dann Zuhause bleiben kann.
„Doch, ich will“, beteuert sie und legt ein falsches Lächeln auf, „Was auch immer, solange du und ich zusammen sind, wird es fabulös.“
„Na dann.“ Das ist eigentlich IHR Zeichen. Ich wölbe eine Braue, „Deine Freundinnen suchen dich.“
„Oh“, Amelie dreht sich kurz um, „Dann sollte ich... Egal, viel Glück bei dem Biotest.“
Sie verschwindet. Was für ein Glück! Aber sie ist echt schlecht informiert, dafür, dass sie versucht mich zu stalken. Die Parallelklasse schreibt Bio. nicht wir. Ich will gerade meinen iPod rausholen, aber da klopft Steffen mir auf die Schulter.
„Jo, Alter, das mit dem Doppeldate geht klar. Mara kommt mit.“
„Was soll der Scheiß?“
Steffen zuckt die Schultern, „Hey, es war nicht leicht, sie zu überreden. Sie glaubt, dass sie mich dann ein für alle Male los ist. Es wird garantiert lustig werden.“
Wütend sehe ich ihn an, „Und wo willst du mit einer wie IHR hin!?“
Steffen grinst, „Das ist das Beste, wir fahren nach Berlin in einen Nachtclub.“
Entgeistert sehe ich ihn an, „In einen Nachtclub, den DU ausgesucht hast?“
„Nö.“
Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare, „Das kann ja was werden.“
„Ach“, macht Steffen, sein Grinsen ist wieder so breit wie das der Katze im Alice im Wunderland–Film, „Das wird eine Erfahrung, die wir wirklich mal nötig haben. Immer nur diese Schickimicki-Restaurants und die Clubs der höheren Schicht, ich denke, es wird ein Abend werden, den wir nicht bereuen.“
Und ICH denke, dass ich es jetzt schon bereuen sollte, mich auf diesen ganzen Doppeldatescheiß eingelassen zu haben. Aber alleine mit dieser Ameliefotze... Das wäre noch schrecklicher. Die Dinge, die sie aufgezählt hat, würde ich NIE freiwillig mit einer Tussi machen, für die ich mich null interessiere und wahrscheinlich würde ich auch mit überhaupt keiner Schlampe an einen See zum Rumrudern fahren.
„Sagt denn“, ich zwinge mich dazu, einfach nur ihren Namen zu sagen, ohne irgendwas Beleidigendes dabei, „... Maras Freund dazu, dass du sie datest?“
Nicht, dass es mich interessieren würde, aber ich will die Bilder von Amelie und mir auf dem See verdrängen.
„Viktor ist nicht ihr Freund. Außerdem kommt er vielleicht mit seiner Freundin mit. Ich glaube, die machen sich alle Sorgen, dass ich Mara den Abend versaue.“
Steffen lacht. Ich würde auch gerne mal wieder so richtig lachen, aber nichts amüsiert mich dazu genug.
„Du bist wahrscheinlich der beste Umgang, den diese Mara je hatte“, murmle ich, dann klingelt es und wir machen uns auf den Weg zurück ins Schulgebäude.

„Ach ja“, fällt mir ein, als wir in die Klasse kommen, „Wie weit bist du jetzt mit dem Drachen gekommen?“
Steffens Stirn legt sich in Falten, „Beim Programmieren ist was schiefgelaufen, da sollten wir nachher nochmal zusammen ein Auge drauf werfen, Alter.“
Ich nicke ihm zu, das werden wir schon irgendwie hinbekommen.

Wir verbringen den ganzen Nachmittag im Techniklabor damit, den Programmierungsfehler rückgänging zu machen und den Drachen startklar zu bekommen. Aber am Ende sehen wir zum ersten Mal, wie der Drache durch das Labor fliegt und wir auf dem Monitor ein Bild von den Aufzeichnungen, die die Cam macht, haben.
„Wow!“, Steffens euphorisches Lachen springt auch auf mich über, „Alter, wir haben's endlich geschafft!“
Mein bester Freund zwinkert mir grinsend zu, „Und das Doppeldate morgen schaffen wir auch noch! Wenn das Wochenende SO anfängt, kann es doch gar nicht mal so schlecht werden, oder Alex?“
In diesem Moment kann ich gar nicht mehr so schlechtgelaunt über das Date morgen sein, weil es einfach ein überwältigendes Gefühl ist. Es ist einfach GEIL! Unser Drache fliegt gerade durch das Labor und gibt einem das Gefühl, etwas sehr Anspruchvolles geschafft zu haben. Wir haben wirklich das erreicht, was wir uns am Anfang des Schuljahres vorgenommen haben!
„Oh man“, macht Steffen, „Wenn die ganzen Mädels da draußen diese Seite von dir sehen würden, wären sie wahrscheinlich wirklich alle der Meinung, du seist der Prinz ihrer Träume.“
Ich zucke die Schultern, „Ich brauche ihre Anerkennung nicht.“
„Anerkennung?“, um Steffens Mundwinkel bildet sich ein freches, aber auch skeptisches Lächeln, „Ich glaube nicht, dass es Anerkennung ist, was sie über dich denken.“
„Ist doch scheißegal, ich habe sie auf jeden Fall nicht darum gebeten, jeden Morgen vor meinem Zuhause rumzulungern und mich zu bedrängen.“
„Ich wette, dass du es vermissen würdest, wenn es nicht mehr so wäre. Ehrlich gesagt, denke ich sogar, dass du es manchmal einfach brauchst, ein Arschloch sein zu können.“
Ich sage daraufhin nichts, sondern verdrehe nur die Augen. Als Arschloch würde ich mich jetzt nicht unbedingt bezeichnen, nur weil ich nicht CHARMANT bin.


CHAPTER TEN: Stoned plan


Mara



„Hey du Genie“, meine Augen sind zu Schlitzen verengt, als ich Viktor mustere, „Hast du schon mal daran gedacht, dass die uns den ganzen Abend versauen werden?“
Viktor wirft mir einen Seitenblick zu, während wir weiter durch die Straßen zu mir nach Hause gehen, „Ich habe daran gedacht, dass du ihn magst.“
„Ich wusste, dass das ganze Rumficken mit Tanja Schäden bei dir hinterlässt, aber bist du echt SO beschissen im Kopf?“, ich verkreuze die Arme vor der Brust, „Leute, die permanent grinsen sind einfach nur nervig! Von wegen »mit sich und der Welt zufrieden«, das geht doch gar nicht! Wie kann man immer nur grinsen, während der Klima- und Ölkatastrophen, den brutalen Bürgerkriegen.“
Viktor stößt mich in die Seite, „Komm mal wieder runter, Süße. Als ob du dir darum sonst mehr Gedanken machen würdest.“
Ich grummle was in mich hinein, aber er legt einfach seinen Arm um mich und zieht mich an sich ran, „Ich sag ja gar nicht, dass du auf ihn stehst-“
„Fuck, als ob!“ Ich steh' doch nicht auf Honigkuchenpferde!
„-aber eins weiß ich. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er findet unseren Clbu so geil, dass er dir ewig für den Abend dankbar ist, oder er ist hypa geschockt und will echt nichts mehr mit dir zu tun haben. Und ich bin gespannt, wie sich diese Lackaffen in einem Punkrock-Schuppen aufführen.“
Wir sind bereits vor meiner Wohnung angekommen und ich schließe die Tür auf. Viktors Blick fällt kurz auf meinen Briefkasten, der mal wieder überquilt, „Schicke Deko.“
Schulternzuckend gehe ich in die Wohnung, Viktor folgt mir.
„Am Wochenende werf ich den ganzen Müll weg.“
Wir laufen direkt in meine Küche, wo ich das Koks aus der Mehldose hole und Viktor unter die Nase halte, „Genug übergelassen?“
Wortlos grinsend greift er in seine Hosentasche und beginnt kurz darauf sich auf meinem Küchentisch seine Tüte zu drehen. Ich beobachte ihn dabei, wie er daran zieht und mich glückselig anlächelt, als die Wirkung so schnell wie immer einsetzt.
„Ich liebe dich, Mara, danke, für dieses endgeile Zeug!“
Ich muss lachen, dann bewege ich meinen Arsch aus der Küche und mache Musik an. Es ist unsere Lieblingsband, Offspring mit „All I want“, was aus meiner Stereoanlage durch die ganze Wohnung dröhnt. Einen Moment schließe ich einfach die Augen und genieße es, die Musik in mir wiederhallen zu lassen. Sie ist aber nicht so laut wie gestern, trotzdem aber immer noch so laut, dass ich Viktors Stimme erst wahrnehme, als er direkt hinter mir steht und seine Arme um mich schlingt.
„Du bist echt die beste Freundin, die ich je hatte, auch wenn du nichts von meiner Beziehung mit Tanja verstehst.“
Ich grinse ihn an, „Tanja ist eine Nutte.“
„Nicht ganz. Sie ist nicht irgendeine Prostituierte vom Strich, sie ist meine persönliche Nutte. Und sie ist geil.“
„Hm, Viktor“, ein schelmisches Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht, „Kann es sein, dass du diese reichen Pisser nur dabei haben willst, weil du schwul bist?“
Viktor lässt mich los und sieht mich skeptisch an, „Meinst du, dass du sie mit mir teilen könntest?“ Ja, grade ist er noch zu Scherzen aufgelegt, aber gleich, sobald die Wirkung nachlässt...
„Du kannst sie ganz für dich alleine haben und ich kümmere mich um Tanja“, ich muss lachen, „Ich bringe sie dann einfach schnell um die Ecke.“
Erst lacht Viktor, dann hört er auf und sieht mich seltsam an. Der Groschen ist gefallen.
„Das war nicht nett“, er setzt sich auf den Boden und verkreuzt seine Hände vor seinem Gesicht, während er seine Ellenbogen auf seinen Knien abstellt.
„Jetzt werd nicht zur Pussi“, ich lasse mich auf den Boden neben ihn fallen und greife in meine Handtasche, die ich immer noch umhabe, „Hier.“
„Ich bin kein Kleinkind“, grummelt er, als ich ihm den Lolli hinhalte, greift aber doch zu. Mit einem vergnügten Grinsen sehe ich ihm dabei zu, wie er das Plastikpapier abmacht und auf den Boden wirft, bevor er sich den Lolli in den Mund steckt.
„Doch“, ich gluckse vor mich hin, „Du bist ein Kleinkind.“
Dann stehe ich auf und drehe die Musik leiser, ein Wunder, dass die alte Schrulle von Nebenan gestern Abend keinen Terror geschoben hat, da muss ich es nicht auch noch während ihres Mittagsschlafes übertreiben. Obwohl es mir eigentlich egal ist, ob ich sie nun wecke oder nicht. Schließlich hat sie mir nichts zu sagen.
„Gucken wir 'ne DVD?“, will Viktor wissen, als er schon aufsteht und sich aus meiner chaotischen DVD-Sammlung eine Komödie raussucht.
„Klar. Mach an.“
Der Film – »Born to be wild« – fängt an und wir machen es uns auf dem Sofa bequem. Nach gefühlten Fünf Minuten klingelt mein Handy.
„Geh ran“, maunzt Viktor, dann sieht er sich suchend im Raum um, „Hast du irgendwo noch Chips?“
Ich werfe einen Blick auf das Display meines Handys und drücke den Anruf weg, von dieser beschissenen Fotze will ich nichts wissen. Dann stehe ich auf und hole eine Bananenchipstüte aus der Küche, mit der ich Viktor abwerfe.
„Geil“, grinst er und reißt sie sofort auf, dann bemerkt er die starre, ausdruckslose Maske, die sich als mein Gesicht verkleidet, „War es -“
„Ich will nicht drüber reden“, ich lasse mich wieder aufs Sofa neben ihn fallen.
Viktor nimmt die Fernbedienung und kurz darauf erscheint auf dem Bildschirm »Pause«. Er stellt die Bananenchipstüte auf dem Boden ab und dreht sich zu mir.
„Du weißt doch, was sie will. Es ist nur ein Bild.“
Ich erwidere seinen weichen Blick mit einem kämpferischen Augenaufschlag, „Wenn sie ein Foto von mir will, soll sie herkommen und sich für die ganze Scheiße entschuldigen.“
Viktor zuckt die Schultern, „Vertritt sie denn immer noch diese beschissene Meinung?“
„Die alte Schlampe wird ihre Meinung nicht mehr ändern. Sie hat es ja nicht mal damals versucht! Ich verstehe nicht, wie sie all dieses Leid zulassen konnte und ihre beschissenen Ansichten dann auch noch ihrem Sohn eintrichtern konnte!“
Viktor holt eine Kippe hervor und zündet sie an, dann hält er sie mir hin, „Beruhig dich wieder ein bisschen, Süße.“
Ich schüttle den Kopf, „Ne, ich rauch jetzt keine“, dann schmeiße ich meinen Kopf kurz nach hinten, um ihn wieder frei zubekommen, ich will nicht an mein Elternhaus denken. Die Scheißpisser haben es mir echt nie leicht gemacht. Es war die einzige Lösung, weit weg von ihnen zu wohnen. Alleine. Und jetzt können sie mich eh nicht mehr besuchen oder viel mehr belästigen.
„Ich mach den Film wieder an“, murmelt Viktor, dann lehnen wir uns beide zurück, aber wirklich entspannen kann sich keiner von uns.
Es dauert nich lange, da klingelt mein Handy schon wieder.
„Sms?“, fragt Viktor und fordert mich allein mit seinem Blick dazu auf, sie zu lesen.
Ich stöhne, „Das grenzt echt schon an Belästigung!“
„Der Sunnyboy“, stellt Viktor belustigt fest, als unsere Blicke sich treffen.


CHAPTER ELEVEN: Spontaneus visit


Alex



„Alexander“, ein sanftes Klopfen an meiner Zimmertür bringt mich dazu, von meinem Bett aufzustehen und die Tür zu öffnen. Vor mir steht Marie.
Ich nicke ihr wortlos zu und sie lächelt.
„Sie haben Besuch, ein Schulkamerad.“ Kann sie nicht einfach normal mit mir reden!? Wo sind wir denn hier! Aber ich lasse mir nicht anmerken, wie sie mich provoziert und stecke meine Hände in die Hosentaschen meiner schwarzen Jeans, „Es ist Steffen, oder?“
Sie nickt, „Dann bringe ich ihn hoch?“
„Nein“, ich lächle sie leicht an, „Ich kümmere mich selbst um ihn.“
Dann ziehe ich meine Tür hinter mir zu und mache mich mit eleganten Schritten auf den Weg die Treppe hinunter in die Eingangshalle, wo Steffen schon auf mich wartet.
Idiot. Warum kann er nicht einfach mal das auf sich – oder vielmehr UNS – zukommen lassen, was er bereits an Scheiße verzapft hat!?
„Das war doch nicht dein Ernst, oder?“, frage ich ihn, als ich meine Jacke anziehe und mit ihm aus dem Eingang raus ins Halbdunkle trete.
Er grinst dieses Mal nicht und sieht mich ernst an, „Ich tue das nicht nur für mich, Alter, du wirst mir später noch mal dankbar sein, dass ich deinem Leben etwas mehr Schwung verpasse.“
Schon klar. Wir gehen auf Steffens Motorad zu. Yamaha. Richtig geiles Ding! Steffen reicht mir seinen Zweithelm und setzt sich auch selbst einen auf.
„Ach, und der Schwung muss darin bestehen, dass wir kleine Mädchen stalken?“
Ich setze mich hinter ihn auf die Yamaha.
Steffen lacht, „Das ist ja ein Wunder, seit wann sagst du wieder Mädchen, hm? Genug von Schlampen, Fotzen und Nutten?“
Er brettert los, aber wir haben trotzdem keine Probleme uns weiter zu unterhalten.
„Scheißegal“, antworte ich ihm – ja, eine höchstintelligente Antwort, weiß ich, „Aber du musst echt aufpassen, dass du dich nicht in diese beschissene Tusse verliebst, Alter.“
„Zu spät.“
Ich bin mir nicht sicher, ob er diese Worte wirklich sagt, oder ob ich sie mir nur einbilde und er in Wirklichkeit gar nichts geantwortet hat.
Es dauert nicht mehr lange, da bremst er ab und wir nehmen die rabenschwarzen Helme von unseren Köpfen ab.
„Meine Frisur ist zerstört.“
„Scheißegal“, grinst Steffen, „Das war nie eine.“
Erst mache ich nur „Tz“, aber dann fahre ich mir mit der Hand durchs Haar und muss lachen, wahrscheinlich hat er recht.
„Am besten lasse ich sie langwachsen.“
„Auf keinsten“, er schüttelt den Kopf, „deine Haare sind lang genug. Die Zehn Zentimeter die du da auf'm Kopf an Haarlänge hast, reichen wirklich.“
Resignierend seufzend steige ich von seiner Maschine ab und sehe mir die Straße genauer an, in der wir uns nun befinden. Ziemlich schäbig im Vergleich zu meinem Zuhause. Hochhäuser. Skeptisch mustere ich die kahlen grauen Betonwände und die Fenster, die alle gleich aussehen. Klein und schlicht. Hässlich.
Die größte Wohnung, die die Leute ihr haben können, müsste eine Drei-Zimmer-Wohnung sein. Aber selbst davon wird es hier nicht viele geben.
„Sie hat dir doch nicht wirklich ihre Adresse gegeben?“, will ich von Steffen wissen.
„Nein“, ein Schmunzeln breitet sich in seinem Gesicht aus, „Ich habe mich einfach nur umgehört. Aber ich hab ihr 'ne SMS geschickt, dass ich vorbei komme.“
Ich verkreuze die Arme vor der Brust, „Und mit welcher Begründung?“
Steffen lässt mich auf der Straße stehen und geht bereits auf eines der Wohnungshäuser zu, mustert die Namensschildern auf den Klingen, „Wozu brauch' ich 'ne Begründung?“
Langsam schlendere ich zu ihm hin. Steffen drückt auf einen Knopf. Färber lese ich auf dem Namensschild daneben. Sommer steht eine Klingel höher.
„Sie macht eh nicht auf, wenn ich bei ihr klingle“, erklärt Steffen schulternzuckend.
Ich verdrehe die Augen, „Warum musste ich da eigentlich mitkommen? Wenn du eh nur geschrieben hast, dass DU kommst?“
Die Tür beginnt zu sirren und Steffen drückt sie auf.
„Hallo?“, fragt eine alte Mumie, mit Papilotten in den Haaren.
„Guten Abend“, Steffen lächelt der Alten charmant zu, dann sieht er mich an
„Verzeihen Sie, dass wir sie gestört haben, aber die Klingel von Fräulein Sommer scheint kaputt zu sein“, lüge ich die Frau an und sie schüttelt nur den Kopf.
„Das ist kein Fräulein“, dann geht sie ohne ein weiteres Wort zurück in ihre Wohnung.
Steffen unterdrückt ein Lachen, dann steigt er die Stufen des Treppenhauses hoch, bis er vor Maras Tür angekommen ist. Ich fahre mir wieder mit der Hand durchs Haar, zu was hab ich mich hier wieder überreden lassen!? Aber dann folge ich Steffen.
„Alex, du bist dabei, weil du unterhaltsam bist.“
Ich lege meine Stirn in Falten, „Laber keine Scheiße.“
Steffen grinst, „Wenn du mit Mara konfrontiert wirst, artet das immer in eine Art Telenovela aus.“
Steffen beginnt gegen Maras Tür zu klopfen. Das ist echt das Letzte, was ich je bei einer Fotze tun würde. Abends aufkreuzen und solange gegen die Tür klopfen, bis sie geöffnet wird. Wenn ich eine Tusse nachts besuchen WÜRDE, hätte ich natürlich einen Schlüssel...
Die Tür geht auf und vor uns steht eine genervte Mara, die trotz der Vorwarnung von Steffen per SMS überrascht wirkt.
„Huhu!“, begrüßt Steffen sie gutgelaunt.
Ich versuche, sie nicht anzusehen, alles an ihr provoziert mich irgendwie. Trotzdem bekomme ich mit, wie sie ihre Lippen aufeinander presst. Hinter ihr kommt der schwarzhaarige Typ zum Vorschein, „Huhu?“, fragt er lachend.
Steffen nickt ihm zufrieden zu, „Hey Viktor.“
Viktor stellt sich neben Mara in den Türrahmen, sein Blick fällt auf mich.
„Ah! Der Schulsprecher! Was verschafft uns die Ehre?“
„Das ist wirklich eine gute Frage“, beginne ich, aber Steffen stößt mich in die Seite.
Mara mustert Steffen kopfschüttelnd, „Hast du keine Hobbys, oder warum stalkst du mich, SB?“
Viktors Mundwinkel zucken gefährlich.
„SB?“, will Steffen wissen, „Da hast du aber nicht richtig recherchiert ich heiße Teichert mit Nachnamen.“
Viktor kann sich nicht mehr zurückhalten und bricht in lautes Lachen aus, woraufhin eine Tür im Treppenhaus aufschlägt.
„RUHE!“, brüllt irgendein beschissen gelaunter Typ.
Mara seufzt, „Kommt rein, ihr Pisser.“


CHAPTER TWELVE: Awkward visit


Mara



Ich stoße die Tür hinter den beiden Pennern zu, die mich fragend ansehen.
Viktor lacht immer noch, zwingt sich aber, es zu unterdrücken.
„Gaderobe?“, fragt dieser Schöselarsch Alex scheinheilig.
Ich zucke die Schultern, „Schmeißt die Sachen irgendwo hin und“, mein Blick fällt auf ihre Markenschuhe, „Wehe ihr zieht die bekifften Schuhe aus.“
Steffen nickt, dann grinst er mich idiotisch an, „SB?“
Viktor lacht sich schon wieder einen ab und ich gehe einfach schon mal ins Wohnzimmer.
„Es ist scheiße, wenn man einen Witz erklärt“, murmle ich und drehe mich wieder zu den anderen. Es ist ein zu komisches Bild, wie sie da stehen. Alex, der seine Hände locker in seine Hosentaschen geschoben hat und meine Wohnung betrachtet. Steffen, dessen Blick grinsend auf mir liegt und schon wieder einfach nur nervt. Und dazwischen Viktor, der sich nach seinem Lachanfall japsend an den beiden abstützt.
„Und jetzt?“, will ich von ihnen wissen. Weil ich es beschissen finde, immer nur die Grinsebacke anzusprechen, sehe ich Alex an, der meinen Blick erwidert.
Seine blaugrauen Augen starren mich an und ich starre zurück. Ohne, dass einer von uns beiden etwas sagt, tragen wir ein Blickduell aus. Ich werde den Blick NICHT als Erste abwenden. Von einem Spießer wie ihm, lasse ich mich doch nicht fertig machen! Ich weiß, dass Viktor und Steffen irgendwas labern, aber was genau kommt bei mir nicht an. Ich konzentriere mich vollkommen auf Alex' Augen, so sehr, dass ich meine Augen ein bisschen zu Schlitzen verkleinere und sie nach einer Weile fast zu tränen beginnen, weil ich vergessen habe zu zwinkern.
Sein Blick ist fast unverändert. Starr. Provokant. Herausfordernd. Ich hebe meine Augenbraue und als er das Selbe tut, muss ich für einen Moment schmunzeln. Und in genau diesem Augenblick mischt sich auf etwas anderes in seinen Blick. Fuck, dass ich meinen Blick nun nicht selbst sehen kann! Ich wüsste zu gerne, ob ich auch so amüsiert wie er schaue. MARA! Ich reiße die Augen weiter auf, als mir eine total absurde Frage durch den Kopf schießt: FLIRTE ICH GERADE MIT DEM BESCHISSEN SCHULSPRECHER-PISSER!?
Aus dem Augenwinkel bekomme ich mit, wie Viktor sein Handy rausholt. Macht die Arschgeige jetzt etwa bekloppte Fotos von uns!?
Einen Moment überlege ich, ob ich den Blick abwenden soll, damit es keine beschissenen Bilder davon gibt, wie ich ALEXANDER PRECHT anstarre, aber dann springt Steffen direkt in mein Blickfeld und beendet das Gestarre mit einem halbwegs zufriedenen Grinsen.
„Was haltet ihr von einem Trinkspiel?“, schlägt Viktor vor, wobei er sein Handy wieder in seine Hosentasche schiebt.
Ich schüttele meinen Kopf kurz, um wieder vollkommen klar denken zu können, dann werfe ich einen prüfenden Blick auf Steffen, der sich mittlerweile wieder neben Alex gestellt hat.
„Ich weiß nicht“, sagt Steffen, „Ich muss nachher noch fahren.“
Viktor schmunzelt, „Penn' doch hier.“
Steffens Blick schenkt fragend zu mir.
„Seh' ich aus, wie'n Herbergsvater!?“
Alex lacht in sich hinein und Viktor kann sich das Grinsen grade noch verkneifen.
Aber der Sunnyboy, der eigentlich die größte Grinsebacke hier ist, sieht mich ernst und aufrichtig an, „Du siehst aus wie...“, beginnt er.
Mein Blick huscht kurz zu Alex, der die Lippen, im Versuch sich ein lautes Lachen zu verkneifen, fest aufeinander presst.
„... eine wunderschöne...“ Viktor verkreuzt die Arme vor der Brust, auch ihn kostet es große Anstrengung nicht schon wieder loszulachen.
Steffens Blick ist immer noch scheißernst, „... Meerjungfrau.“
Das ist dann wohl der Moment. Alex und Viktor beginnen gleichzeitig los zu prusten. Steffen blickt sie verständnislos an, dann kommt er auf mich zu und will nach meiner Hand greifen, aber ich entziehe sie ihm.
„Mara...“
Bevor der Irre mir hier noch mehr kitschige Peinlichkeiten auftischt, gebe ich wohl eher nach. „Du pennst hier nur, wenn du endlich die Klappe hältst.“
Steffen sieht ein kleines bisschen verletzt aus, aber dann schmunzelt er und nimmt mich in den Arm, „Danke!“
Ich verdrehe die Augen. Als er mich wieder freigibt, rollen Alex und Viktor sich immer noch vor Lachen auf dem Boden.
„Also ein Trinkspiel, hm?“ Steffen sieht mich an. Schon wieder. Sein Grinsen ist momentan nicht mehr das Einzige an ihm, was mich nervt. Was soll'n diese bekifften Turteltaubenblicke!? Und ich bin keine MEERJUNGFRAU!
„Mara?“, fragt Viktor schließlich, „Hast du noch geiles Zeug für'n Trinkspiel im Haus?“
„Neeeein“, ich zwinkere ihm scheiß-freundlich-ironisch zu, „Erinnerst du dich an letzten Freitag, als du deine Fotze mitgebracht hast?“
Alex räuspert sich, dann sieht er betont von Steffen zu mir und anschließend zu Viktor, den er dann anspricht, „Lass' uns doch was holen, dann kann Steffen sich seinen Schlafplatz schon mal ansehen.“ So weit kommt's noch, dass ich hier alleine mit diesem Honigkuchenpferd bleibe!
Viktor zuckt lässig die Schultern und will schon zustimmen, da mische ich mich ein.
„Nee, ich komme mit, schließlich wollt' ihr in MEINER Wohnung saufen und außerdem“, ich mustere meinen ungewollten Besuch, „Werde ich dafür sorgen, dass wir nichts zu Hartes einkaufen. Ich will nicht, dass zwei Pisser meine Bude vollkotzen.“
„Geil“, grinst Viktor, ein verschmitzter Ausdruck tritt in seine Augen, „Süße, soll ich SB dann mal die Wasserpfeife zeigen?“
Steffen runzelt irritiert die Stirn, „Nennt mich einfach Steffen, das SB ist irgendwie unpersönlich.“
„Klar“, ich hole mein Portemonnaie, dann winke ich Viktor und dem Sunnyboy-Steffen mit dem Mittelfinger, „Bye!“
Alex folgt mir, wobei er sich natürlich spießiger verabschiedet, „Bis später, Leute.“

Ich versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass es ein verdammt seltsames Gefühl ist, zusammen mit Alex durch das Treppenhaus nach draußen zu laufen. Es ist genauso seltsam neben ihm auf dem Bürgersteig durch die Straßen zu laufen.
„Sorry“, sagt er auf einmal.
Überrascht sehe ich ihn an, treffe seinen Blick, aber der verrät mir überhaupt nichts darüber, was er meint.
„Warum?“
Der Pisser schiebt seine Daumen in die Hosentaschen, sodass der Rest seiner Finger rausguckt, „Steffen“, beginnt er, aber irgendwie fällt es ihm wohl nicht grade leicht, so mit mir zu reden, „will euch echt nicht den Abend versauen. Er ist auch nicht immer so. Na ja, irgendwie...“
Alex verstummt und sieht mich an, weiß er überhaupt, was er sagen will!? Und sowas schimpft sich Schulsprecher.
„Scheißegal. Außerdem will ich nicht, dass sich irgendein reicher Wixer dafür entschuldigt, wenn er uns den Abend versauen könnte.“
Alex Mundwinkel versteinern, sein Blick wird leicht abschätzig, „MIR ist es scheißegal, ob ich irgendwem den Abend versaue.“
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Klar, er ist immer noch das Schnösel-Arschloch, aber irgendwie gefällt mir die Art, wie er denkt auch ein bisschen. Weil er kein Arschkriecher ist.
Wir sind bei einem Getränkemarkt angekommen und die Bewegungsmelder lassen die Glastüren aufschwingen.
„Also, was willst du jetzt für Zeug?“, fragt Alex mich.
„Wodka“, nur ein leichtes Schmunzeln liegt auf meinen Lippen.
„Wetten, dass du den alleine nicht bekommst?“, frech und siegessicher sieht er mich an.
Amüsiert halte ich ihm die Hand zum Einschlagen hin.
„Du solltest nicht mit jemandem wetten, der dir überlegen ist“, grinse ich ihn an.


CHAPTER THIRTEEN: Squiffy night


Alex



Auch wenn ich normalerweise zwei Mal überlege, bevor ich eine Wette oder irgendeinen anderen Scheiß mit einer Schlampe mache, ist es mit Mara irgendwie anders. Vielleicht liegt es an dem Ort und der Zeit und daran, dass der Moment fast schon unreal scheint. Na ja, und ein bisschen wird es wohl auch daran liegen, dass ich Mara eigentlich nicht länger als beschissene Nutten-Schlampe sehen kann. Ich weiß nicht genau, wie ich das finden sollte, aber im Augenblick hab ich einfach überhaupt keinen Bock darauf, zu bereuen, dass ich an diesem Abend mitgekommen bin.
Während ich das Repertoire an alkoholischen Getränken an mir vorbeiziehen lasse, beobachte ich Mara dabei, wie sie zielsicher auf ein Regal zugeht und eine Flasche Wodka Gorbatschow herausnimmt. Sie dreht sich kurz flüchtig zu mir und wölbt eine Augenbraue wie um zu sagen »Die Hälfte hab ich schon geschafft, ab hier wird’s ein Klacks.« Nicht, dass sie es jemals SO sagen würde.
Schnell greife ich mir auch wahllos eine Flasche Irgendwas aus dem Regal und folge Mara unauffällig zur Kasse, ich möchte nichts verpassen. Außerdem wird sie ja auch gleich auf meine Hilfe angewiesen sein.
„Hey“, begrüßt sie den Kassierer, der im Übrigen höchstens fünf Jahre älter als wir sein kann.
Er sieht sie ausdruckslos an, „Hey. Hast du deinen Perso dabei? Ich kann dir das sonst nicht verkaufen.“
Mara zuckt die Schultern, „Nee, hab ich nicht.“
„Dann“, er nimmt die Flasche und stellt sie hinter den Tresen auf den Boden, „kauf dir lieber 'ne Cola, Kleine.“
Mara nickt, grinst und geht ohne weiteres aus dem Laden.
Der Typ sieht mich an, „Und du? Ausweis dabei?“
„Klar“, ich hole ihn aus meinem Portemonnaie hervor.
„Süßes Foto“, grinst der Typ, dann verkauft er mir das Zeug. Berentzen.
„Ach“, ich sehe in Richtung der Wodkaflasche, „Dann nehme ich den Wodka am besten auch gleich mit.“
Er schüttelt den Kopf, „Diese Flasche ist nicht verkäuflich, Sorry.“ Dann steht er auf, nimmt die Flasche und verschwindet durch die Tür hinter sich im Lager oder so.
Irritiert beschließe ich erst mal raus zu Mara zu schlendern, zufrieden, weil ich die Wette gewonnen habe.
Aber Mara ist nicht da. Hat die etwa nicht gewartet!?
Ich fahre mir mit der Hand schon wieder durch die Haare, das ist irgendwie echt zu einer beschissenen Angewohnheit geworden. Ich muss nicht lange warten, da höre ich Maras Lachen und kurz darauf steht sie wieder neben mir.
„Ich hab die Wette gewonnen“, sie hält mir den Wodka unter die Nase.
„Aber nicht auf rechtmäßigem Weg.“
„Fuck, bist du immer so'n Spießer? Natürlich hab ich was dafür bezahlt“, ihre Augen funkeln, dann sieht sie die Flasche in meiner Hand.
„Berentzen? Gib mal her.“ Ich gebe ihr die Flasche und Mara macht sie einfach auf und trinkt, „Ja, damit sollten wir vortrinken.“
Ich zucke die Schultern. Wenn ich ehrlich bin, hab ich noch nie ein Trinkspiel mitgemacht. Es hat sich nie so ergeben und ich war auch nie wirklich daran interessiert, aber heute Abend steht meine Welt irgendwie sowieso auf'm Kopf.

Als wir wieder in Maras Wohnung ankommen, ist die Luft nebeliger als vorher und Musik dröhnt aus einer Stereoanlage durchs Haus.
„Hey!“, Viktor kommt auf uns zu, dann sieht er mich an, „Brauchst du immer so lange?“
„Ich?“, frage ich ihn, dann deute ich auf Mara, „SIE.“
Viktor lacht, „Eigentlich auch scheißegal, lasst uns einfach anfangen.“
Auf dem Boden hinter der Couch haben sie schon sechs noch leere Schnapsgläser in einer Reihe aufgebaut, daneben liegt ein schwarzer Würfel.
Wir setzen uns alle im Kreis drum herum. Ich sitze zwischen Steffen und Viktor. Mir gegenüber ist Mara, die ihren Wodka erstmal einfach nur neben sich stellt und dann die Hand in meine Richtung ausstreckt, „Berentzen?“
Ich reiche ihr die Flasche und sie öffnet sie und nimmt einen Schluck, dann reicht sie sie an Viktor weiter. Die Flasche macht drei Runden und wird dann leer zur Seite gelegt.
„Alex, kennste das Spiel?“, fragt Viktor mich. Ich schüttle den Kopf und er beginnt es zu erklären.
„Also das sind sechs Pinnchen, das Spiel heißt übrigens Pinnchensaufen, und jedes Pinnchen bekommt eine Zahl“, er deutet auf das Glas, was von mir aus gesehen ganz rechts steht, „1“, dann geht er die Reihe durch, „2, 3, 4, 5 und 6.“
Dann greift Viktor nach dem schwarzen Würfel mit den leuchtend weißen Augen, „Es ist ein Würfelspiel. Ich fange an mit Würfeln“, er würfelt eine drei, greift nach dem Wodka, „Ich fülle jetzt das dritte Pinnchen. Dann ist Mara dran mit würfeln. Wenn Mara eine drei Würfelt, muss sie das dritte Pinnchen exen. Jeder muss so lange würfeln, bis er ein Pinnchen gefüllt hat.“
Er gibt Mara den Würfel, die eine vier würfelt und das vierte Glas füllt, dann ist Steffen dran. Steffen, der Glückspilz, würfelt erst eine vier und muss trinken. Dann würfelt er eine drei und muss wieder trinken und dann würfelt er eine zwei und füllt das zweite Glas.
Dann bin ich dran und habe eine eins. Muss also nicht trinken.
Irgendwie ist es total ungewohnt, in einer fremden Wohnung zu sitzen, mit zwei Leuten, die ich eigentlich kaum kenne und ein beschissenes Trinkspiel zu spielen. Natürlich dauert es auch nicht lange, bis auch ich dran bin, zu trinken.
Es geht ziemlich schnell, dass ich merke, wie schnell der Alkohol ins Blut geht, weil es manchmal echt dauern kann, bis man ein Pinnchen FÜLLEN und nicht LEEREN kann.
Steffen wird immer ruhiger, im Gegensatz zu Viktor, der die meiste Zeit nur noch lacht und Mara, die irgendwie noch ziemlich normal scheint.

Als der Wodka leer und das Spiel vorbei ist, muss ich pissen.
„Wo ist'n das Klo?“, als ich aufstehe, merke ich wie ich, dass ich schon etwas wacklig auf den Beinen bin.
„Im Flur rechts“, ruft Mara, dann steht sie auch auf, geht aber in ein anderes Zimmer.
Ich mache mich mit vorsichtigen Schritten auf zum Klo.
Kurz bevor ich wieder zurück zu den anderen gehe, werfe ich einen Blick in den Spiegel. Meine Pupillen sind seltsam groß, meine Haare irgendwie noch einigermaßen okay, aber trotzdem ist eins klar: SO kann ich nicht Zuhause aufkreuzen. Ich greife in meine Hosentasche und prüfe, wie viel Geld ich bei mir habe.
„Fünfzig Euro“ murmle ich resignierend, das ist zu wenig für ein richtiges Hotel. Fuck!

Die anderen überlegen schon, was als nächstes gemacht werden soll.
„Noch was spiel'n?“, schlägt Steffen vor. Seine Frage geht genau wie sein Blick nur an Mara und für einen Moment erinnert er mich an die nervigen Schlampen, die mich immer belästigen. Aber der Gedanke ist absurd, Steffen belästigt sie nicht, er interessiert sich einfach nur für sie. Mehr nicht.
„Huii“, macht Mara, als ich mich schwankend hinsetze, „Du bist aber auch nicht mehr ganz du selbst, Alex.“
„Hm“, mache ich, dann versuche ich ein aufrichtiges Lächeln, „Wenn du mich schon bei meinem richtigen Namen ansprichst und nicht mehr »Pisser« oder so sagst... Kann ich auch hier penn'?“ Wenn ich nichts getrunken hätte, hätte ich Mara NIE darum gebeten. Echt, dass ist irgendwie … nicht meine Art. Aber SO kann ich echt nicht Zuhause antanzen.


CHAPTER FOURTEEN: Trashed night


Mara



Mit großen Augen sieht er mich an. Mister Fucking President.
„Hmm“, mache ich, „Soll ich dir nicht lieber Geld für ein Hotel leihen?“
Es ist nur ein Scherz, aber Alex lacht nicht wirklich.
Es ist irgendwie nur ein leichtes Lächeln, „Ich weiß nicht, ob ich da noch heile hinkomme.“
Fragend mustere ich ihn, „Brauchst du auch noch Geld für ein Taxi?“
Er nickt, wobei sein Gesicht plötzlich seltsam fahl wird.
„Du kotzt nicht in mein Wohnzimmer!!“
Ich springe auf und reiße ihn hoch, wobei sein Gesicht noch bleicher wird. Aggresiv zerre ich ihn mit mir ins Badezimmer, wo ich ihn angezogen unter die Dusche schubse.
„Hey“, protestiert er, was mich aber nicht davon abbringt, unbarmherzig das eiskalte Wasser auf ihn prasseln zu lassen.
Nach unfassbar langen Fünf Minuten dreht er selber das Wasser ab und schenkt mir einen genervten Blick. Dieser Blick in Kombination mit seiner triefenden Erscheinung bringt mich dazu, laut loszulachen.
Verbittert starrt er mich weiterhin an, dann steigt er aus der Dusche, was auch nicht weniger lustig ist. Ich versuche das Lachen zu unterdrücken, indem ich meine Lippen fest aufeinander presse, aber meine Mundwinkel bekomme ich einfach nicht dazu, nicht mehr in einem anhaltenden Grinsen auf und ab zu hüpfen.
Ohne irgendeine Vorwarnung stürzt Alex sich auf mich. Sofort breitet sich eine Gänsehaut über meinen Nacken, den Rücken und schließlich meinen gesamten Körper aus. Alex schlingt seine arschkalten Arme um mich und drückt seinen nassen Oberkörper gegen meinen. Ich sehe sein Gesicht nicht, aber ich höre sein Lachen direkt an meinem Ohr. Wenn ich an die Jahre zurück denke, an denen wir schon an einer Schule sind, aber nie was miteinander zu tun hatten, erinnere ich mich an kein einziges Mal, an dem ich ihn wirklich lachen gesehen habe. Klar, ich hab mich auch nie für ihn interessiert, aber auch so. An so ein Lachen hätte ich mich vielleicht dann doch erinnert.
„Maraaa“, lacht Alex, „Du bist ganz naaaass!“
Ach ne. Meine Hand fährt langsam seinen Oberarm hoch, „Alex.“
„Hm?“
„Nicht erschrecken“, und dann kneife ich fest zu.
„Au!“, er lässt mich los und steht nun nicht mal einen ganzen Meter von mir entfernt.
Seine Haare hängen ihm in Strähnen auf der Stirn, tröpfeln ihn an. Obwohl er mich nun nicht mehr berührt, geht die Gänsehaut nicht weg, auch wenn mir nun eigentlich nicht mehr kalt ist. Alex starrt mich an, seine Pupillen sind hypa groß. Von dem Graublau seiner Augen ist nicht mehr viel zu sehen, nur ein ganz schmaler Rand.
„Hast du echt nur getrunken?“
Er runzelt die Stirn, „Jaa.“
Grinsend schüttle ich den Kopf, dann trete ich wieder ein Stück näher an ihn ran, „Deine Augen...“, … sind eigentlich recht schön. Aber das kann ich ihm natürlich nicht sagen. Arschlöchern tut es nicht gut, wenn man ihnen Komplimente macht. Also verstecke ich den bewundernden Blick, den ich eh nicht ihm gegenüber tragen sollte, und sehe seine Augen einfach nur an.
Alex zwinkert unbewusst und in dem Moment, während ich darüber nachdenke, vor wie viel Sekunden ich zuletzt gezwinkert habe, beugt er sein Gesicht blitzschnell zu meinem und küsst mich. Es ist ein Kuss von kaltnassen Lippen, die stark nach Wodka schmecken, und trotzdem schlinge ich meine Arme um ihn und lasse mich von ihm an sich reißen. In meinem Kopf ist ein Schalter, auf dem dick und fett »GEHIRN« steht, umgelegt worden und ich kann an nicht anderes als das, was gerade mit mir passiert, denken. Alex zu küssen ist anders. Weil er anders als jeder andere Typ ist, den ich bisher geküsst habe. Weil ich jeden anderen auch nüchtern geküsst hätte... aber Alex. Es ist so seltsam, dass wir gleichzeitig unsere Lippen etwas öffnen und unsere Zungen sich treffen, dass ich in den Kuss hinein grinsen muss.
Das Ewigkeitsgefühl, was ich sonst immer während eines Kusses habe, vergeht viel zu schnell, als wir uns voneinander lösen, um nach Luft zu schnappen.
Ich lehne mich gegen den Rand des Waschbeckens, dann mustere ich ihn.
„Ich hol' dir was Trockenes zum Anziehen.“
Ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten, bemühe ich mich gerade zu gehen und nicht halbbenommen rum zutorkeln, als ich aus dem Badezimmer gehe.
„Hat er gekotzt?“, fragt Viktor, als ich an ihm und Steffen vorbei laufe.
„Noch nicht.“
In meinem Kleiderschrank habe ich eigentlich immer noch ein oder zwei Hosen und mindestens drei T-Shirts von Viktor, weil es halt öfters vorkommt, dass er hier mal die eine oder andere Nacht verbringt.
„Ha!“, mache ich, als ich auch noch eine frische Boxershort aufstöbere und ein Paar Socken, die mir eh viel zu groß sind, aus eine der Schubladen fische.
Mit dem Klamottenstapel laufe ich durchs Wohnzimmer.
„Hast du ihn ausgezogen?“, lacht Viktor.
Steffen hat einen eifersüchtigen, neugierigen Blick drauf, mit dem er mich zu röntgen versucht.
„Fuck, seh' ich aus, als ob ich's so nötig hätte!?“, fragte ich nur gereizt. Irgendwie ist es verdammt seltsam! Vor nicht mal Vierundzwanzig Stunden habe ich ihn quasi noch gehasst und jetzt hole ich trockene Sachen für ihn! Und... – vielleicht eine nicht unwichtige Tatsache – ich hab ihn geküsst.. Obwohl, eigentlich ist ER doch Schuld, er hat MICH geküsst.
„Ich glaube nicht“, spricht er mich sofort an, sobald ich das Badezimmer betrete, „dass du's wirklich nötig hast.“
Irritiert schließe ich die Tür hinter mir, „Was?“
„Gute Frage“, murmelt er, dann kommt er wieder auf mich zu. Sein Blick ist immer noch irgendwie fesselnd.
Ich halte ihm die Kleidung vor die Nase, „Das kannste anzieh'n.“
Er sieht mich über die Kleidung hinweg an, „Und wenn ich nicht will?“
„Du bist besoffen, Darling“, grinse ich ihn an, „Du hast keine andere Wahl.“
„Und was krieg' ich dafür, wenn ich mich umziehe?“
In seiner Stimme klingt noch der unverschämte Ton mit, Ansprüche zu stellen.
„Einen feuchten Händedruck“, ich öffne die Tür wieder und lasse ihn alleine.

„Warum bist du nass?“, fragt Steffen, als ich mich wieder zu ihnen setze. Ich sehe an mir herunter, fuck, stimmt ja.
Viktor lacht nur.
„Es war nicht grade einfach, deinen Freund unter die Dusche zu bekommen“, lüge ich.
Steffens Augen werden groß, „Du hast ihn wirklich...?“
Während mein bester Freund mal wieder japsend auf dem Boden liegt, verdrehe ich nur die Augen, „Ja, ich habe ihn wirklich angezogen unter die Dusche geschubst. Und dabei bin ich wohl auch etwas nass geworden.“
Steffen zieht die Augenbrauen zusammen, „Willst du dich dann nicht auch umziehen?“
„Hey“, murmle ich, „Wo ist dein Grinsen hin, Sunnyboy?“
Dann stehe ich auf und schließe mich für fünf Minuten in meinem Zimmer ein, um mich umzuziehen.

Ich ziehe meine Zimmertür hinter mir zu und bin nicht verwundert, dass Viktor einen Sixer Bier ins Wohnzimmer geschleppt hat.
Alex sitzt wieder zwischen Steffen und Viktor und wirkt verpeilter denn je.
Ich sehe ihn nicht an, als ich mich zu ihnen setze, stattdessen lehne ich mich zu Viktor hin, „Sicher, dass die beiden was von dem Bier abkriegen sollen?“
„Du kannst dir ja mit Steffen eine Flasche teilen“, schlägt er als Scherz vor.
Steffen lächelt mich an, „Willst du?“
Ich unterdrücke den Impuls, ihm die Zunge rauszustrecken und »Nöö« zu rufen und schüttle einfach nur den Kopf.


CHAPTER FIFTEEN: A grain of truths


Alex



Nachdem Viktor und Mara sich dazu durchgerungen haben, uns doch noch ein Bier zu geben, hat Steffen vorgeschlagen einen Film zu gucken. Darum sitzen wir jetzt alle vorm Fernseher und sehen uns »Final Destination 2« an.
Steffen hat es sich neben Mara auf dem Sofa bequem gemacht und ich und Viktor haben uns auf den Boden gesetzt. Es ist mir irgendwie scheißegal, dass ich nicht meine eigenen Sachen anhabe. Ich habe heute Nacht genug getrunken, damit ich mir darum keine Gedanken machen muss. Zwar sitzt Viktors Hose nicht perfekt, aber das passt schon.
Dem Film kann ich eigentlich überhaupt nicht folgen, in meinem Kopf ist irgendwie nichts. Ich hab das Gefühl, dass Mara mir während dieses besoffenen Kusses einfach ganz viel heiße Luft in meinen Kopf gepustet hat. Das mit dem Kuss ist sowieso eine komische Sache. Sie ist das erste Mädchen, was ich nach Hilary geküsst habe und trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich es bereuen sollte. Damals, als mich diese Fotze so scheiße verarscht und auch verletzt hat, hab ich mir eigentlich etwas geschworen. Mich nicht mehr auf irgendeine Schlampe einzulassen. Das Problem ist nur, dass Mara nicht irgendeine Schlampe ist. Und dann ist da noch Steffen, der sie schon von Anfang an mochte – auch ohne, dass er sich erst besoffen hat.
Eigentlich sollte ich mir nicht so viele Gedanken machen, es war nur ein Kuss. Es war keine scheißromantische Liebeserklärung oder so'n Scheiß. Es war einfach... nur ein Kuss? Aber der beste besoffene Kuss, den ich je hatte. Na ja, ich hab sonst auch noch niemanden geküsst, wenn ich was getrunken hatte.
Irgendwann stößt Viktor mich an, „Alex?“, er deutet hinter uns und ich folge seinem Blick. Steffen ist eingeschlafen und Mara auch wie's scheint. Sie hat ihren Kopf an seine Schulter gelehnt und ihre Augen geschlossen.
„Süß?“, ich weiß nicht genau, was ich dazu sagen soll.
Viktor sieht mich an, ernster als vorher, dann flüstert er: „Hey, ihr seid ja gar nicht so beschissen wie ich am Anfang dachte und deswegen solltest du das hier wissen: Wenn Steffen so weitermacht, wird Mara ihm das Herz brechen.“
„Warum?“
Viktor zuckt die Schultern, „Weil sie ihm die Wahrheit sagen wird. Alex, du solltest doch wissen, dass die Wahrheit immer verletzender sein kann, als alles andere. Ich hab damals davon gehört. Von dieser Tussi.“
Ich schlucke, „Das ist Geschichte.“
„Und so hat jeder von uns mit den Wahrheiten seines Lebens zu kämpfen.“
Mein Blick liegt auf Mara, deren Lider gerade verräterisch zucken.
„Aber ich glaube“, murmle ich, „dass sie Steffen mehr mag, als sie zeigen will.“
Viktor nickt, „Aber sie wird sich vermutlich nicht auf ihn einlassen können, klar, er ist cool. Aber ich würde sagen, dass er zu verständnisvoll für sie ist.“
„Habt ihr kein Privatleben, ihr Pisser?“, Mara starrt uns provokant an.
„Oh, doch“, fällt Viktor ein, dann steht er auf, „Und das verbringe ich jetzt diese Nacht in deinem Bett.“
Mara verabschiedet ihn indem sie ihren Mittelfinger küsst und ihm entgegen hält, woraufhin Viktor nur lachend davongeht.

Mara starrt mich wieder an, „Ach ja, wir haben unser Spiel ja vorhin abgebrochen; ich wette mit dir, dass wenn uns jetzt keiner dazwischen springt, ich den Blick länger halten kann als du.“
„Du solltest nicht mit jemandem wetten, der dir überlegen ist“, wiederhole ich ihre Worte.
Mara grinst, „Und du solltest gar nicht mehr wetten. Trotzdem, komm auf's Sofa, dann ist's leichter.“
„Nö“, provokant drehe ich ihr meinen Rücken zu.
„Alex?“, fragt sie leise.
„Jahaa?“, frage ich ebenso zurück.
„Kommst du bitte auf's Sofa?“
„Nee.“
„Pisser!“
Ich höre, wie Mara sich aufrappelt, dann steht sie auf und setzt sich zu mir auf den Boden.
„Wenn wir nebeneinander sitzen geht es noch schlechter“, stelle ich mit einem Seitenblick zu ihr fest.
„Dann setzt dich mir halt gegenüber.“
Ich schiebe den Couchtisch etwas beiseite und setze mich ihr gegenüber im Schneidersitz hin, „Zufrieden?“
Sie sieht mich ernst an, „Der Gewinner ...“
„...darf morgen früh zuerst duschen?“, schlage ich vor.
Maras Lippen verziehen sich zu einem halben Lächeln, „Vielleicht sollten wir uns lieber was für den Verlierer überlegen.“
„Hm, wie wär's damit: Der Verlierer muss mit einer Person zum Schulball gehen, die der Gewinner für ihn aussucht.“
Mara nickt, „Mir fällt auch nichts Besseres ein.“
Ich weiß, dass ich sie jetzt voll anglotze. Aber sie starrt mich genauso durchdringend an. Je länger ich ihr in die Augen gucke, desto hübscher finde ich sie. Mara hat grüne Augen. Ich kann dieses Grün einfach nicht richtig beschreiben, es ist nicht nur EIN Grün, sondern verschiedenes Grün, aber es ist irgendwie besonders. In jedem ihrer grünen Augen funkelt außerdem ein goldgelber Punkt, der dem ganzen einen noch schöneren Ton verleiht.
Es spielt keine Rolle, wie viel Zeit vergeht, bis wir merken, dass wir uns immer näher zueinander gelehnt haben. Aber als wir es merken, weicht auch keiner von uns zurück – ganz im Gegenteil. Zum zweiten Mal in dieser Nacht küsse ich Mara Sommer und es ist noch besser als das erste Mal im Bad. Vielleicht, weil wir uns dieses Mal in die Augen sehen. Obwohl gerade das, mir ein mulmiges Gefühl in meiner Magengrube verursacht. Ein Seufzen lässt uns auseinanderfahren. Hat Steffen irgendwas mitbekommen?
Wir wenden uns beide dem Sofa zu und die Erleichterung könnte nicht größer sein, als ich feststelle, dass Steffen immer noch die Augen geschlossen hat und tief und fest schläft.
Mara gähnt, „Bringst du mich ins Bett, Alex?“
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht mustere ich sie, „Viktor pennt da.“
„Ich rede von meinem Gästebett“, sie streckt sich und stellt sich hin, und auch wenn sie total wackelig auf ihren Beinen ist, greift sie nach meiner Hand und zieht mich zu sich hoch.
Zusammen gondeln wir durch ihre Wohnung, bis wir irgendwann in einem Zimmer mit einem Bett, einem Nachttisch, einem Schrank und einem Spiegel ankommen.
„Hui!“, ruft Mara und schmeißt sich aufs Bett.
Skeptisch bleibe ich vor dem Bett stehen, „Gute Nacht, Mara.“
„Du musst hier nicht flüstern“, sie setzt sich aufrecht hin, blickt mich wartend an, „Aaalex.“ Wenn ich mich jetzt mit Mara in ein Bett lege, was sagt das dann über mich aus?
Mara seufzt, dann steht sie wieder auf, läuft an mir vorbei, schließt die Tür ab und schubst mich aufs Bett.
„Nur weil wir IN einem Bett schlafen, musst du dir keine Gedanken machen“, sie legt sich neben mich und schließt die Augen, „Du wolltest hier penn', also ...“
Und plötzlich spricht sie nicht mehr weiter und ihr Atem wird gleichmäßig.
Vorsichtig strecke ich meine Hand aus und fahre ihr durch das korallenrote Haar, bevor ich ihr mit meinen Fingerspitzen über die weiche Haut ihrer Wangen streichle.
„Schlaf gut. Mara.“


CHAPTER SIXTEEN: Moment of truth


Mara



Klopf.
Klopf, klopf.
Klopf, klopf, klopf, KLOPF, KLOPF!
Langsam werde ich wach, auch wenn das Klopfen noch nicht in voller Lautstärke zu mir durchdringt. Am liebsten will ich jetzt einfach liegen bleiben, oder aus dem Bett springen und demjenigen, der da gegen meine Tür klopft mit einer Pfanne eins überbraten!
„Fuck“, blitzschnell schlage ich meine Augenlider auf, als ich bemerke, dass ich nicht alleine in meinem Bett liege. Auf alles gefasst starre ich vor mich, WEN umschlinge ich denn da!? Alex Precht!
Die Erkenntnis brennt sich brutal in mein Gehirn und ich weiche erschrocken zurück, wobei ich fast aus dem Bett falle. Aber im letzten Moment, hält Alex' Arm, der um meine Hüfte liegt, mich doch noch.
„Lass – mich – sofort – los!“, knurre ich gefährlich.
Nun wird auch er richtig wach, schlägt erstaunt die Augen auf und löst sofort den Griff, was dann doch dazu führt, dass ich wie eine Bekiffte aus dem Bett auf den Boden krache. Einen Augenblick überlege ich, einfach liegen zu bleiben, aber dann taucht sein Kopf über dem Rand des Bettes auf.
„Lebst du noch?“, fragt er, egal wie verschlafen er noch ist, er besitzt trotzdem die Frechheit amüsiert zu klingen.
Ich ignoriere seine Frage und rapple mich auf, reiße mit aller Kraft das Fenster auf und lasse die frische Morgenluft ins Gästezimmer strömen, dann werfe ich kurz einen Blick in den Spiegel und raufe mir die Haare, weil ich einfach nur beschissen aussehe.
Der junge Herr bewegt seinen Arsch auch aus meinem Bett und streckt sich, dann gähnt er ein letztes Mal, „Mara? Wegen gestern Nacht-“
„-Alex“, fahre ich ihm dazwischen und drehe mich zu ihm um, mit gerunzelter Stirn, weil ich ein Dumpfes Klopfen IN meinem Kopf höre und gestern eindeutig nicht so viel hätte trinken sollen, sehe ich ihn verständnislos an, „Gestern ist vorbei. Und über besoffene Nächte redet man nicht, man vergisst sie einfach und gut ist, klar?“
Alex zuckt belanglos mit den Schultern, „Jo“, dann dreht er seinen Kopf in Richtung Tür und senkt seine Stimme, „Ist das jetzt Viktor oder Steffen?“
Augenrollend schiebe ich mich an ihm vorbei und will die Tür aufreißen, aber sie ist abgeschlossen.
„Mara!“, höre ich Viktor rufen, „Entweder du hast abgeschlossen, weil der Besoffene bei dir ist oder wir könnten ein Problem haben!“
Warum hab ich denn eigentlich abgeschlossen? Och man! Es ist zu früh, um anständig denken zu können, zumindest nach SO einer Nacht.
„Was für ein Problem?“, frage ich laut, dann wende ich mich im Flüsterton an Alex, „Wo ist der Schlüssel?“
Er schüttelt den Kopf, dann guckt er in seinen Hosentaschen nach. Nichts. Auf dem Nachttisch liegt er auch nicht.
„Na ja“, ruft Viktor, „Wenn Alex jetzt nachts allein auf die Straße gelaufen ist – so blau wie der war...“
„Achso!“, mache ich, „Nee, mach' kein Stress, Viktor, er hat hier auf'm Boden gepennt.“
„Hier“, Alex drückt mir den Schlüssel in die Hand.
„Wo war der?“
„Unterm Bett.“
Ich schließe auf und vor der Tür steht ein gutgelaunter Viktor, der schon sein Handy gezückt hat und ein Bild knipst.

„Pisser“, maunze ich, dann stolziere ich alleine ins Bad. Was vielleicht doch nicht die allerbeste Idee war, denn sofort sehe ich Bilder vor meinen Augen, die schon gestern vollkommen unreal waren. Scheiße. Ich habe wirklich mit diesem Oberschnösel-Pisser rumgeknutscht! Ein Blick in den Spiegel genügt: Ich sehe wirklich so beschissen geschockt und entgeistert aus, wie ich mich fühle. FUCK, FUCK, FUUUCK!
Ich fahre mir mit der Hand durchs total verwuschelte Haar und schließe kurz theatralisch die Augenlider, um ganz klar nachzudenken, was gestern alles noch so passiert ist. Badezimmer. Dusche. Alex. Nass. Kuss. Wohnzimmer. Augen. Kuss.
Ich reiße die Augen auf. Gästezimmer. Bett. Und dann? WAS ist dann DA passiert!?
Mit wirklich sehr weit aufgerissenen Augen starre ich mein Spiegelbild an, DAS kann doch nicht wirklich ich sein, oder? Scheiße bau'n – okay, das BIN ich. Aber mit dem reichen Arschlochschulsprecher rummachen und dann ein Blackout haben...
Er klopft gegen die Badezimmertür. Dass es ein ER sein muss, ist ja klar, aber mit meinem Glück ist es auch gleich wieder Alex, der den ich jetzt echt am wenigsten sehen will.
„Brauchst du noch lange? Oder kann ich auch mal duschen?“, oh ja, es ist Alex. Scheiß Pisser!
„Ich weiß nicht, ob du schon duschen KANNST, aber jetzt kannst du dich einfach mal verpissen und frühstücken oder so'n Scheiß.“
Er antwortet nicht mehr und ich bin dann auch recht schnell unter der Dusche. Normalerweise dusche ich morgens nicht kalt, aber heute muss es sein. Ich bin einfach durcheinander und genervt davon, dass ich nicht weiß, was in dieser Nacht wirklich noch passiert ist.
Mit einem Handtuch umwickelt spaziere ich aus dem Bad direkt in die Küche, wo mich vom Tisch aus zwei Vollidioten und Viktor anstarren.
Alex sieht im gleichen Moment wie ich weg, was mich irgendwie auch schon wieder provoziert, WAS hat dieser Typ für ein Problem? Viktor steckt sich einen Bissen Rührei in den Mund, dann spricht er, während er kaut, „Striptease?“
Ich setze mich zu ihnen an den Tisch, während ich Viktor scharf mustere; nicht wegen dem, was er gesagt hat, sondern, weil er mit daran Schuld ist, dass ich mit wem rumgeknutscht hab, der ein reiches, egoistisches Arschloch ist – okay, gestern habe ich das anders gesehen, aber heute Morgen bin ich einfach wütend!
„Wenn du den beiden eine nackte Schlampe zeigen willst, dann bestell' Tanja her.“
Steffen lächelt mich verständnisvoll an, „Natürlich kannst du hier rumlaufen, wie du willst, ist doch dein Haus.“
Er kann nichts dafür, Steffen wollte nur nett sein, aber in diesem Moment ist genau das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, mein Kopf dreht sich ruckartig seinem entgegen und ich kann den gereizten Gesichtsausdruck nicht mehr überspielen.
„Was willst du eigentlich von mir, Sunnyboy, he? Hat dir schon mal jemand gesagt, dass dein Grinsen einfach nur unangebracht ist!? WAS WILLST DU?“
Urplötzlich ist es still. Ich habe das Gefühl, dass Viktor und Alex ihre Blick von uns abwenden und Löcher in die Luft starren, während Steffen und ich uns ansehen.
„Vielleicht ist es besser, wenn wir darüber alleine reden?“, schlägt er vor.
„Nein“, ich schüttle den Kopf, „Wir klären das jetzt und hier.“
Steffens Blick ist erstaunt, aber nicht verletzt, eher überrascht und seine Augenbrauen sind leicht gehoben, als er etwas aus seiner Hosentasche zieht, ein Bild. Er schiebt es mir über den Tisch und ich erkenne die Frau sofort.
„Was soll das?“, ich presse die Lippen aufeinander. Ich will mit dieser alten Schlampe nichts zu tun haben, darum schiebe ich das Foto soweit weg von mir wie möglich.
In diesem Augenblick, in dem Steffens Lächeln sich zu einer Gerade zurückbiegt und seine Augen nicht mehr so überglücklich und ausgeglichen schauen, kann ich den Blick von ihm nicht abwenden.
„Was hast du mit dieser“, ich suche nach dem richtigen Wort, „Person zu tun?“
Steffens Kehlkopf bewegt sich, als er schluckt, „Das ist meine Großmutter.“
Was!? Ich ertappe mich erst dabei, dass ich die Luft angehalten habe, als ich Kopfschmerzen bekomme. Sprachlos starre ich Steffen an. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß überhaupt nicht, was ich jetzt tun soll. Was will mir dieser Pisser damit zu verstehen geben!?
„Und sie ist auch deine Großmutter. Wir sind also... Cousin und Cousine“, erklärt er.
„Steffen“, ich bin irgendwie so richtig vor den Kopf gestoßen, „Wie kommst du darauf, dass ich diese Frau kenne und wie kannst du sagen, dass ich mit ihr VERWANDT bin?“
Er atmet erst tief ein, dann wieder aus, dann antwortet er, „Sie hat mir deine Adresse gegeben. Sie will Kontakt zu dir aufnehmen, will sich mit dir aussprechen und euren Streit von damals vergessen.“
Ich verkreuze die Arme vor der Brust, „Das kann sie vergessen.“
„Gib ihr doch eine Chance.“
Mein Blick ist entschlossen und abweisend, „Steffen, du weißt doch gar nicht, wer sie ist. Du sagst, sie ist deine Großmutter, wenn du DAS über sie sagen kannst, dann weißt du nichts von ihr. Wenn du sie wirklich KENNEN würdest, wüsstest du, dass sie ...“
Viktor berührt mich am Arm, „Hey Süße, ist gut.“
Steffen nickt, „Es stimmt, ich kenne sie nicht wirklich. Meine Eltern haben immer den Kontakt zu ihr gemieden, aber mich hat sie Vorgestern angerufen und mir gesagt, dass sie ihre Familie nicht aufgeben will. Sie möchte mich kennenlernen.“
Ich springe von meinem Platz auf, „Bist du deswegen gestern Abend gekommen? Um mich dazu zu bringen, mich dir anzuschließen? Vergiss es! Ich lasse mich nie wieder auf diese Schlampe ein! Nie wieder! Und wenn das alles ist, was du zu sagen hattest, kannst du dich jetzt verpissen!“


CHAPTER SEVENTEEN: Coffee to go


Alex



Ich bin platt. Das, was eben grade vor meinen Augen am Frühstückstisch abgeht, ist wie eine von diesen typischen Soaps und Telenovelas, die sich kleine Mädchen Abend für Abend reinziehen. Und ich finde das verdammt scheiße. Nicht, dass die Mädchen sich das Zeug ansehen, sondern, dass genau sowas jetzt hier abgeht.
„Mara“, sagt Steffen, „Ich hab dich wirklich gerne und jetzt wo wir doch beide wissen, dass wir miteinander verwandt sind-“
„Halt die Klappe!“, fährt sie ihm dazwischen, „Jetzt wo ich weiß, dass du mit dieser Fotze unter einem Hut steckst, kannst du mich mal am Arsch lecken!“
Ich räuspere mich und sehe Steffen mit einem eindeutigen Blick an, „Alter, lass uns einfach gehen.“
„Nein“, murmelt Steffen, dann wendet er sich wieder an Mara, „Mara, kannst du es mir nicht erklären? Können wir nicht ganz offen und am besten alleine darüber reden? Ich möchte dich wirklich verstehen, aber im Moment verstehe ich einfach nicht, wie du deine Familie verleugnen kannst.“
Viktor steht auch auf und stellt sich zu Mara, dann nickt er mir zu, „Alex, ich glaube vielleicht sollten wir beide wirklich gehen und die beiden das hier klären lassen.“
Ich zucke mit den Schultern, dann stehe ich auf und verlasse die Küche mit den Worten: „Bis heute Abend.“

Zusammen verlassen Viktor und ich das Haus.
„Huuuii“, macht er, als er Steffens Yamaha sieht, „Ist das deine?“
„Nee, Steffens.“
Viktor grinst mich wissend an, „Dann rufst du dir jetzt ein Taxi, oder was?“
„Keine Ahnung, ich weiß grad' gar nichts. Das war eben irgendwie ...“
„Strange“, sagt er währen wir weiter die Straße entlang schlendern.
Fragend sehe ich ihn an, „Wohnt Mara da echt ganz allein?“
„Hm“, er nickt, „Schon seit ein paar Jahren.“
„Was ist mit ihren Eltern?“
Viktor seufzt, „Bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“
„Oh“, ich weiß überhaupt nicht, was ich hier tue, aber irgendwie fühle ich mich anders. Ich habe das Gefühl, dass ich Viktor vertrauen kann, ohne, dass ich ihn richtig kenne.
„Mara und ich sind schon ewig befreundet und diese Frau, die ihre Oma ist, war schon immer ein rotes Tuch.“
Ich seufze, „Steffen hätte das einfach nicht zur Sprache bringen sollen. Nicht an SO einem Morgen.“
Viktor hebt die rechte Braue, „Ehrlich gesagt, war es ein guter Zeitpunkt. Mara ist heute zwar gereizt und ich habe das Gefühl, dass sie schon eine halbe Stunde nach dem Aufstehen so fertig ist, wie sie morgen früh nach der Diskonacht im Club sein sollte, aber Steffen ist kein schlechter Umgang. Vielleicht manchmal etwas nervig, weil er nur grinst.“
Ich schüttle den Kopf, „Und ich dachte, Steffen würde auf sie stehen, dabei sind sie nur verwandt.“
„Nur?“, wir betreten einen Coffeeshop, „Alex, vielleicht bist du ja wirklich so blind, aber Steffen hat auf Jeden mehr für [i]seine Cousine[/i] über, als er sollte.“
Wir kaufen uns jeder einen Kaffee zum Mitnehmen und verlassen den Shop wieder.

Ich habe Viktor noch nichts darauf entgegnet und er mustert mich prüfend, dann fügt er seinem Satz etwas hinzu, „Und du auch.“
„Was?“ Verständnislos sehe ich ihn an.
„So wie du sie angesehen hast.“
Ich lache trocken auf, „Blicke können täuschen, mein Lieber.“
Viktor schmunzelt, „Kann sein, aber auch Menschen können einen täuschen. In so manchem Arschloch steckt am Ende ein Traumprinz.“
„Ich glaube, das ist jetzt die Stelle, an der ich mir ein Taxi rufen sollte und mich verabschieden sollte.“
Viktor lacht, dann hält er mir die Hand hin und ich schlage ein, „Bis heute Abend dann.“
„Ach ja, wir hol'n euch dann um Sieben ab?“
Viktor kneift kurz die Lippen zusammen, im Versuch ein Lachen zu unterdrücken, „Wehe ihr kommt vor Neun.“
„Geht klar, kommt deine Freundin mit?“
Viktor nimmt den Plastikdeckel von seinem Coffee-to-go ab und sieht in den Becher, „Keine Ahnung; vielleicht bleib ich mit ihr auch hier und ihr fahrt alleine.“
„Aha, okay, na dann.“
Ich greife in meine Hosentasche, um mein iPhone rauszuholen und mir wirklich ein Taxi zu rufen, als es mir wieder einfällt.
„Fuck, ich hab ja noch deine Sachen an!“
Viktor grinst mich über den Rand seines Kaffeebechers hinweg an, „Na endlich ist der Groschen gefallen, Herr Schulsprecher.“
Ich sehe an mir herunter, das ist nicht so GANZ mein Kleidungsstil. Die Hose ist mir zu viel Röhre und das schwarze T-Shirt mit dem knallroten Anarchie-Symbol ist auch nicht so wirklich mein Fall.
Ich seufze, dann lasse ich Viktor einfach da mit seinem Kaffee stehen und mache mich zurück auf den Weg zu Maras Wohnung.
Auf dem Weg überlege ich, was gestern Nacht eigentlich alles passiert ist. Ich – habe – Mara – geküsst!, Wird mir wieder siedendheiß bewusst. Scheiße, warum hab ich das nochmal gemacht? Weil ich beschissen im Kopf bin?! Ich weiß nicht mehr, was mich dazu gebracht hat, warum ich es plötzlich nicht mehr ausgehalten habe, mich von ihr fern zu halten. Ist das wirklich nur Alkohol gewesen, der diese starke Anziehungskraft bewirkt hat? Ja, muss ja. Ansonsten war da ja auch nichts. An alles, was im Bad passiert ist, erinnere ich mich noch relativ klar, aber das, was während und nach diesem Film passiert ist, ist irgendwie verschwommen und unklar. Aber ich bin mir sicher, dass ich nicht mit ihr geschlafen habe... Auch, wenn ich es nicht richtig weiß.

Dieses Mal klingle ich gleich bei [i]Sommer[/i] und werde reingelassen.
„Viktor!?“, ruft Mara durch das Treppenhaus.
„Nee“; ich beeile mich, hoch zu rennen. Mara steht inzwischen angezogen mit verschränkten Armen in der Tür und lässt ihren Blick über mich schweifen.
„Ihr seht euch heute so zum Verwechseln ähnlich.“
Augenverdrehend schiebe ich mich an ihr vorbei in die Wohnung, „Wo sind meine Sachen?“
Sie schließt die Tür geräuschvoll, „Keine Ahnung, such' einfach.“
Dann lässt sie mich im Flur stehen und stolziert – sie hat Stiefel mit einem Absatz, der locker Sieben Zentimeter misst – an mir vorbei in die Küche. Hm, wahrscheinlich ist Steffen noch da. Ich schaue zuerst im Bad nach und finde meine Sachen auf dem Boden, immer noch nass, weil sich niemand darum gekümmert hat.
Seufzend wringe ich sie über dem Waschbecken aus, dann begebe ich mich in die Küche, wo Steffen und Mara wieder am Frühstückstisch sitzen und sich angeregt unterhalten, und unterbreche die beiden, „Mara, hast du irgendwie 'ne Plastiktüte oder so für meine Sachen?“
Sie sieht mich skeptisch an, „Ja, aber ich geb' sie dir nicht.“
Steffen kann sich ein Grinsen nicht verkneifen und ich rolle nur wieder mit den Augen, dann probiere ich es halt auf eine andere Art. Ich suche ihren Blick, sehe sie durchdringend an und ringe mich sogar zu einem Lächeln durch, „Und jetzt?“
Mara erwidert den Blick und auch das Lächeln und ihre Stimme wird zuckersüß, „Jetzt da das geklärt ist, kannst du dich wieder verpissen, Darling.“


CHAPTER EIGHTEEN: Spots of coffee


Mara

Nachdem ich Alex rausgeschmissen habe, beginnt die Diskussion mit Steffen von Neuem.
„Steffen, du weißt gar nicht, was du von mir erwartest. Das ist unmöglich!“
Er räuspert sich, „Ich verstehe dich ja, aber sieh' dich doch an! Du wohnst hier vollkommen alleine und das seit Jahren! Deine Eltern sind... nicht mehr da und den bisher einzigen Kontakt zu Verwandten hast du abgebrochen. Aber jetzt, wo wir doch wissen, dass wir beide auch verwandt sind, kannst du eine richtige Familie haben.“
„Ich brauche keine Familie.“ Was bildet der sich eigentlich ein!? »Sieh' dich doch an!« - Was soll das denn bitte heißen? Seh' ich aus wie eine Obdachlose oder was!?
Ein sanfter Ausdruck tritt in seine Augen, was mich nur noch mehr aufregt, dann deutet er wieder auf das Foto, „SIE würde mit dir zusammen leben wollen. Sie hat erzählt, dass sie dich immer geliebt hat, auch wenn du unhöflich, unverschämt und nicht anpassungsfähig warst. Ich glaube, du würdest nicht nur ihr, sondern auch dir selbst einen Gefallen tun, wenn-“
„-Wenn ich zu dieser Mörderin zurückgehe!?“, rutscht es mir raus.
Steffens Gesicht wird bleicher und sein Lächeln gerät ins Wanken, „Was soll das heißen?“
Ich presse die Lippen aufeinander, ich will die Bilder nicht wieder sehen, ich will das nicht fühlen. Es ist schlimm genug, dass ich jede zweite Nacht Albträume davon habe. Ich will darüber nicht nachdenken, es macht mich fertig.
„Mara“, Steffen streckt seine Hand aus und berührt mich vorsichtig an der Schulter, „Was ist damals zwischen euch passiert? Warum kannst du ihr nicht vergeben?“
Stockend hole ich Luft, ich muss stark sein. Ich muss Mara sein, tough, vorlaut und cool. Ich darf diese Erinnerungen nicht zulassen.
Ich gebe mir Mühe dabei, meine Stimme kühl und neutral klingen zu lassen, „Sie ist mit daran Schuld, dass viele, sehr viele Menschen gestorben sind. Sie ist eine Mörderin und sie ist zu verachten. Sie ist damals geflohen, hat sich mit ihrem Mann und den Milliarden ins Ausland abgesetzt, um ihrer Strafe zu entfliehen. Ihr Mann, das Arschloch, was du wahrscheinlich sogar als deinen »Großvater« bezeichnen würdest, ist aber schließlich bei einem Anschlag ums Leben gekommen.“
Ich sehe Steffen nicht an; es war schwer genug das zu sagen. Mehr werde ich nicht preisgeben. Mehr kann ich nicht riskieren, denn sobald ich zu viel darüber nachdenke, macht es mich krank.
Steffen beißt sich auf die Unterlippe, „Deine Eltern...“
Mein Blick versteinert, ich starre ihn kalt an, „Mein Vater war durch die Erziehung dieser Arschlöcher verdorben. Und meine Mutter hat ihn zu sehr geliebt, um sich seinen Ansichten zu widersetzen. Weil ich weiß, wovon ich rede, kann ich sogar sagen, dass sie zurecht gestorben sind. Besser sie, als jene, die sie an ihrer Stelle hätten sterben lassen wollen.“
Steffens Gesichtsausdruck wird immer mehr zu einer geschockten Maske, er öffnet seine Lippen, um etwas zu sagen, aber dann überlegt er es sich anders und schließt den Mund wieder.
Ich wende meinen Blick von ihm ab und mustere meine leere Kaffeetasse.
„Hat niemand Kaffee gekocht?“
Er schüttelt den Kopf und ich stehe seufzend auf und schalte erstmal das Radio an, bevor ich mich dem Kaffeekochen widme. Die Mainstream-Musik, die ich mir eigentlich eher selten antue, lässt dieses Gespräch weniger interessant und wichtig wirken. Nachdem ich die Kaffeemaschine angestellt hab, strömt der Duft von Kaffee schon langsam durch die Küche.
„Ich“, setzt Steffen an, während ich mich gegen die Theke lehne, „... kann das alles gar nicht glauben... Das ist so ...“
„Beschissen?“, helfe ich ihm aus.
„Nein“, murmelt er, immer noch halb in Gedanken versunken, „Es klingt so falsch, irgendwie fiktiv.“
Ich lache dunkel auf, „Wenn du glaubst, dass ich lüge, dann solltest du dich fragen, warum. Selbst wenn es gelogen wäre, dann wäre es wahrscheinlich etwas noch weniger Vorstellbares. Wenn etwas so schlimm ist, dass ich lügen würde, dass ich weiß, dass meine Verwandten Mörder sind, würdest du die Wahrheit dann noch wissen wollen?“
Steffen seufzt, „Das ist echt kompliziert.“
„Ich dachte, du wärst ein kluges Kerlchen.“
Steffen lächelt halb, „Und ich dachte, es wäre einfach, dich zu überreden, wieder Kontakt zu ihr aufzunehmen.“
Ich schnaube, „Weißt du, was ich dachte? Ich dachte, es wäre einfach, dich loszuwerden, aber wie es aussieht wird es immer schwieriger.“
Der Kaffee ist fertig und ich nehme die Kanne und stöckele zum Tisch. Als ich meine Tasse gefüllt hab und auch Steffens in Angriff nehmen will, schwabt Kaffee aus der Kanne auf den Tisch. Oder eher gesagt auf das Bild von dieser Verbrecherin.
„Sorry“, murmle ich halbherzig; richtig leidtun kann es mir nicht.
Steffen starrt das Bild mit den Kaffeeflecken drauf an, dann nimmt er es langsam und hält es sich vor's Gesicht. Ich glaube, dass er ihr in die Augen sieht. Ich erinnere mich daran, wie sich ihre Augen verengt haben, als ich Worte ausgesprochen habe, die für sie schlimmer als jede Beleidigung waren. Ich erinnere mich an das grausame Lächeln auf ihren Lippen und das kranke Funkeln in ihren Augen, als sie von ihren Werten, von diesen abstoßenden Ansichten erzählt hat.
„Diese Frau ist also wirklich eine Mörderin?“
Ich nehme einen Schluck Kaffee, „Eine Kriminelle, eine Killerin.“
„Aber“, fällt ihm ein, als er das Bild weglegt und mich wieder ansieht, „Vielleicht bereut sie ja, was sie getan hat. Vielleicht hat sie sich geändert.“
„Steffen“, ich seufze, „Es gibt Menschen, die sich ändern, die etwas bereuen und alles dafür tun, um es irgendwie auch nur ansatzweise wieder gut zu machen, auch wenn das nie gehen wird. Aber diese Frau ist nie im Leben bereit, ihre Taten als Verbrechen anzusehen. Sie wird nichts bereuen, nichts von all der Qual, die sie über so viele Menschenleben gebracht hat. Manche Menschen ändern sich nie.“
Steffen schüttelt den Kopf, „Sie wollte sich mit dir vertragen.“
„Nein“, ich stelle meine Tasse schwungvoll auf den Tisch, „Sie will, dass ich zurücknehme, was ich ihr an den Kopf geworfen habe, sie wird nie bereuen. SIE wird versuchen mich zu bekehren, mir ihre Meinung aufzuzwingen. Und dazu bin ICH nicht bereit.“
Steffen steht langsam von seinem Platz auf, „Mara, vielleicht erzählst du mir... irgendwann mal die ganze Geschichte. Vielleicht, wenn wir uns besser kennen, denn ich finde, wir sollten uns besser kennenlernen, wir sollten wie richtige Cousinen und Cousins sein.“
Ich stehe auch auf, „Ich glaube nicht, dass ich mit irgendwem darüber reden will.“
„Findest du nicht, dass ich ein Recht darauf habe, es zu wissen?“
Ich schüttele den Kopf, „Frag sie selbst. Oder deine Eltern, die sich auch nicht OHNE Grund nichts mit ihr zu tun haben wollen.“
„Ach ja, was mir noch einfällt...“
„Hm?“, ich sehe ihn skeptisch an, was jetzt wohl wieder für ein Scheiß kommt!?
„Gestern Nacht.. Haben du und Alex ja zusammen im Gästezimmer geschlafen... Diese Frage bedrückt mich schon den ganzen Morgen, auch wenn ich versuche, es nicht zu zeigen: Habt ihr...?“
Erschrocken sehe ich ihn an, wie kann er sowas fragen!? Ich weiß ja nicht mal selbst, was wir genau gemacht haben, aber ich glaube nicht, dass ich mit Alex geschlafen habe... Dafür kenne ich ihn zu wenig. Ist ja nicht so, dass ich zu viel getrunken habe, oder so... Neeee.
„Nein!“, ich versuche die Panik, die sich gerade in meinem Kopf ausbreitet, zu verstecken, „Und falls du jetzt noch irgendwelche intimen Fragen hast, schreibst du sie einfach Dr. Sommer von Bravo, und lässt mich damit in Ruhe.“
Steffen grinst, „Du arbeitest neben der Schule bei der Bravo?“
Ich hebe eine Braue, „Sehe ich so aus, als hätte ich das nötig?“
Er zuckt die Schultern, „Irgendwo muss das Geld für die Wohnung und so ja herkommen.“
„Ich habe ein Konto und eine beschissene Gangster-Killer-Schlampe überweist mir monatlich einen gewissen Betrag.“
„Schweigegeld?“, will er wissen.
„Tzz, als ob ich nicht schon versucht hätte, die Schlampe anzuzeigen. Der einzige Grund, warum ich schweige, ist, dass ich damit nichts zu tun haben will.“
Und, dass es mich fertig macht. Dass ich viel zu häufig nachts schweißdurchnässt aufwache.
Bevor er noch was sagen kann, schiebe ich ihn aus der Küche in den Flur, „Dann sehen wir uns heute Abend, byebye, Schatz.“
„Du hast mich gerade »Schatz« genannt?“
Ich zwicke ihn in den Arm, „Laber' keinen Scheiß, du Pisser.“



CHAPTER NINETEEN: It

's your day
Alex



Fuck. Ich hab mir das Theater schon auf dem Weg klar und deutlich ausgemalt und als ich die riesige Haustür aufschließe, wofür ich erst den Schlüssel aus meiner durchnässten Jeanshosentasche suchen muss, stürzt Marie auf mich zu.
„Alexander! Sie … waren die ganze Nacht unterwegs!“
Mit großen Augen lässt sie ihren Blick über meine ungewohntes Erscheinungsbild gleiten, „Oh mein Gott!“
Ich lasse die massive Tür hinter mir zuknallen und schenke Marie ein bedauerndes Lächeln, „Alex reicht vollkommen aus.“
Dann gehe ich an ihr vorbei, will eigentlich sofort die Treppe hoch und in mein Zimmer, um endlich wieder in meine eigenen Klamotten reinzukommen und ausgiebig zu duschen.
Aber meine Mutter erscheint am Treppenansatz. Ihre Haare sind straff zu einem eleganten, langen Zopf nach hinten geflochten, wie immer sitzt jede prefekte, blonde Strähne an dem ihr zugeteilten Platz. Wortlos steigt sie in ihrem dunkelblauen, schlichten Kleid die Treppe hinunter, wobei ihr eisblauer Blick mich streng nicht aus den Augen lässt.
Ohne ein Lächeln auf den Lippen steht sie nun vor mir, sieht mich immer noch direkt und unverblümt an, „Wo warst du?“
„Bei Steffen“, die Lüge kommt mir problemlos über die Lippen, denn ich weiß, dass die Wahrheit etwas schier Unmögliches für meine Mutter darstellen würde.
„Du hast nicht erwähnt, dass du ausgehen willst“, stellt sie trocken fest.
Ich straffe meine Schultern und versuche mich an einem halben, charmanten Lächeln, „Es hat sich spontan so ergeben. Allerdings kann ich dir jetzt sofort mitteilen, dass ich heute Abend mit Amelie ausgehen werde.“
Leichtes Erstaunen tritt in ihre Augen, „Es macht dir wohl nichts mehr aus, sie zu treffen?“
„Nein“, lüge ich, „Sie ist schließlich eine hübsche, intelligente junge Frau.“
Ehrlich gesagt, ist sie einfach nur eine Schlampe. Aber das werde ich meiner Mutter jetzt nicht auf die Nase binden.
„Wirst du heute Nacht wiederkommen?“, will sie wissen.
„Voraussichtlich erst Morgen früh. Ich habe Amelie gebeten, sich auszusuchen, wo wir den Abend verbringen und sie hat sich wahrscheinlich für eine etwas größere Stadt entschieden, um den Abend glamourös zu verbringen.“
Meine Mutter nickt mir zu, dann lässt sie ihren Blick über mein Outfit schweifen, „Wo hast du das denn her?“, plötzlich sieht sie meine nassen Klamotten, „Was ist passiert?“
Ich zucke die Schultern, „Ich bin in den Springbrunnen auf dem Anwesen von Steffens Familie gefallen.“
Sie schüttelt den Kopf, „Hättest du nicht besser aufpassen können?“
Marie kommt bereits herbei geeilt und nimmt mir die nassen Sachen ab, um sie waschen zu lassen.
„Jetzt ist es eh zu spät“, murmele ich, woraufhin sie die Brauen hebt, aber nichts weiter sagt und mich in der Halle stehen lässt.

So schnell es geht bewege ich meinen Arsch die Treppe hoch und in mein Privatbadezimmer, wo ich mich einfach nur aus den Sachen von Viktor rauspelle und unter die Dusche springe. Während das heiße Wasser auf meinen Körper prasselt, will dieses eine Bild nicht aus meinem Kopf. Ich kann nur noch daran denken, wie ich bei Mara unter die Dusche geschubst wurde und das eiskalte Wasser meine Sinne belebt hat. Aber vielleicht ist ja auch dieses beschissene Wasser daran schuld, dass ich sie an mich gerissen und geküsst habe. Vielleicht sind in Maras Bad aber auch einfach irgendwelche Gase, die einen wie Drogen nicht mehr ganz Herr seiner Sinne sein lassen. Ich steige aus der Dusche und mustere mein Gesicht im Spiegel. Ich sehe total anders aus als sonst. Nicht, weil mir das Wasser noch von den Haaren ins Gesicht perlt und meine Haut mit kleinen, formvollendeten Tropfen benetzt. Sondern weil in meinen Augen etwas funkelt und ich seltsamerweise sogar ein dezentes Lächeln auf meinen Lippen spazieren führe. Auch wenn letzte Nacht eine der heftigsten Nächste meines Lebens war, habe ich das Gefühl, dass sie mich in meinem Leben ein ganzes Stück weitergebracht hat. Ich habe keine Ahnung, woran es liegt, aber meine Gedanken und auch mein Auftreten haben sich, seit dem ich mit Steffen an diesem Abend bei Mara und Viktor war, geändert. Es war nur ein Abend. Ein ganz alltäglicher Abend für irgendwelche Scheißtussen, die auf irgendwelchen schlampigen Partys waren. Aber für mich war dieser Abend so vollkommen anders als alles andere, was ich sonst tue.
Während ich mich abtrockne und anziehe, überlege ich, was ich danach machen werde. Gefrühstückt hab' ich ja schon, auch wenn's nicht viel war, bin ich nicht hungrig genug, um mir das Megafrühstück, was sie mir hier Zuhause immer zubereiten, vor die Nase setzen zu lassen. Als ich das Bad verlasse, kommt mir eine Eingebung und ich verlasse mein Zimmer und durchquere den Flur. Kurz darauf öffne ich eine Doppeltür und ein zufriedenes Lächeln legt sich auf meine Lippen, als ich den schwarzen, glänzenden Flügel erblicke.
Durch die riesigen barockartigen Fenster an der ostwestlichen Wand des Raumes flutet sanftes Licht, was den ganzen Raum erhellt und den Flügel noch mehr glänzen und leuchten lässt. Ich schließe die Tür hinter mir und setze mich auf den Klavierhocker. Langsam klappe ich den Deckel auf und lege meine Finger behutsam auf die blitzblanken Tasten. Zwar habe ich schon seit einer Weile nicht mehr gespielt, aber trotzdem brauche ich nur einen Versuch, um mein Lieblingsstück zu spielen. Es ist »It's your day« von Yiruma. Ich hatte das Klavierspielen eigentlich aufgegeben, nachdem Hilary gegangen ist. Ich wollte es einfach nicht mehr. Denn die ganze Zeit, die wir zusammen verbracht haben, hat mich dieses Stück von Yiruma begleitet. Ich erinnere mich noch deutlich daran, dass ich mich jeden Morgen nach dem Aufstehen an den Flügel setzte und es spielte. Ich hatte damals das Gefühl, dass jeder Tag, der perfekte Tag für mich wäre, dass jeder Tag mein Tag wäre. Und dass jeder Tag unser Tag wäre, meiner und Hilarys.
Aber jetzt, wo ich hier wieder sitze und dieses Stück spiele, fühle ich mich anders. Ich weiß, dass ich es nicht für sie spiele, denn sie hat keine Bedeutung mehr. Und dieses Stück ist nun einfach nur noch ein Lieblingsstück.

Ich sitze noch eine Weile am Flügel, bis ich zum Mittag gerufen werde und mich in den Essensaal begebe. Das Essen verläuft schweigend, meine Mutter hat den Vorfall von heute Morgen schon fast wieder vergessen. Und mein Vater ist unterwegs. Es ist zwar Samstag, aber für ihn gibt es kaum ein ganzes Wochenende. Er sagt, dass er das auch nicht braucht und, dass er damit zufrieden ist.
Nach dem Essen lege ich mich schlafen – die Nacht war irgendwie recht kurz und wenn ich heute Nacht wahrscheinlich noch viel länger unterwegs sein werde, sollte ich wenigstens jetzt etwas relaxen.


CHAPTER TWENTY: Open day


Mara



“Was soll das denn heißen!?”, ich presse mein Handy zwischen Schulter und Ohr, damit ich meine Fingernägel in einem Neonblau lackieren kann.
„Tanja und ich bleiben hier.“
„Viktor, ich sag's nicht gerne – okay, das ist gelogen – aber du bist echt ein Arschloch!“
Ich höre sein selbstzufriedenes Grinsen fast durch das Handy, „Dann kannst du Alex noch besser kennenlernen.“
„Tz“, ich bewege den Kopf vorsichtig hin und her, „Will ich das überhaupt?“
„Hättest du sonst mit ihm in einem Bett geschlafen?“
„Hab ich doch gar nicht“, wie hat er das herausbekommen?
Viktor lacht, „So wie ihr heute Morgen ausgesehen habt...“
„Hahaha“, sage ich trocken, „Was sollten denn eigentlich die gnazen bekifften Fotos?“
„Ich bin Privatermittler, Süße, aber behalt das bitte für dich.“
Irgendwie bringt er mich damit wieder zum Lächeln, „Macht nichts, du Pisser, ich hab auch ein Geheimnis. Ich bin Auftragskillerin.“
„Whaaat theee fuuuuck!“, er lacht, „Das erzählst du mir einfach so?“
Ich grinse, „Die Info wird dir eh nicht mehr viel nützen, Schatz, denn du stehst ganz oben auf der roten Liste.“
„Warum das denn?“
Ich bin mit der linken Hand fertig und wedele damit durch die Luft, „Du laberst zu viel Scheiße und hast zwei halbfremde Penner dazu überredet bei mir zu übernachten.“
„Uuuuh“, macht er, „Ein sehr schweres Vergehen.“
„Und jetzt willste mich auch noch mit diesen beiden und einer Obertussi alleine nach Berlin fahren lassen!“
„Jo“, er will wohl auf keinen Fall von seiner Entscheidung abweichen, „Ich bin mir sicher, dass das ein lustige Angelegenheit wird; aber Tanja werden heute-“
„Ich will es gar nicht wissen“, fahre ich ihm dazwischen, „Aber vielleicht wirst du dieses Wochenende nicht überleben, Süßer, du weißt ja: »Rache ist süß«.“
Damit lege ich auf und lackiere die Fingernägel der rechten Hand.
Als ich damit fertig bin, suche ich mir ein Outfit raus, womit ich mich im Club blicken lassen kann. Am besten auch etwas, was Steffen und Alex provoziert. Und eins, was diese komische Schlampe sich nie trauen würde, anzuziehen.

In einem gnallgrünen Rock und einem trägerlosen schwarzen, gerafften Top stehe ich schließlich im Bad und schminke mir Smokey Eyes. Als es klingelt, brauche ich noch einen Moment, bevor ich aus dem Bad in den Flur gehe und die Tür aufschlage.
Ich gucke gar nicht richtig hin, wer da steht, sondern drehe mich schon im Reden wieder um, „Komm rein, dauert noch'n bisschen.“
Im Bad nehme ich dann noch Maskara und Lipgloss zur Hand, bevor ich aus meinem Zimmer ein Paar Schuhe suche. Ich entscheide mich für schwarze ungefähr Vierzig Zentimeter lange Stiefel, mit denen ich dann kurz darauf in den Flur trete und überrascht bin, wer mir da gegenüber steht.
Die Tussi.
„Und du bist also Mara, hm?“, abschätzig lässt sie ihren Blick über mich gleiten, „Sicher, dass du mit uns ausgehen willst?“
Ich mustere ihr Outfit, ein kurzes pinkes Kleid mit einem sehr tiefen Ausschnitt und kein Schmuck.
Ausdruckslos sehe ich sie an, „Du solltest froh sein, dass ich eine wie dich mitnehme, Barbie.“
Sie schmeißt ihr blondes, langes Haar über ihre Schultern und will schon etwas erwidern, als es zum zweiten Mal klingelt.
Ich habe kein Problem damit, sie einfach stehen zu lassen und die Tür zu öffnen.
Steffen hält mir einen Blumenstrauß entgegen woraufhin ich ihn nur skeptisch ansehe.
„Für dich.“
Ich ziehe ihn in die Wohnung und stelle die Blumen kommentarlos in eine Vase.
„Willst du dich nicht bedanken?“, fragt Barbie scheinheilig.
Ich ignoriere Steffens Kopfschütteln und sein „Muss sie nicht.“
„Ich habe niemanden um Blumen gebeten.“
„Also ich erwarte von Alexander, dass er mir auch Blumen schenkt oder noch besser eine Kette, oder ein Armband.“
„Oder einen Ring?“, frage ich grinsend, weil ich mir so was von sicher bin, dass Alex ihr nichts mitbringen wird.
Barbie nickt begeistert, „Innen drin muss er ein wahrer Gentleman sein.“
Steffen seufzt, „Ich will dir ja nicht die Vorfreude nehmen, aber Alex-“
In diesem Moment wird meine Haustür AUFGESCHLOSSEN. Verwirrt gehe ich in den Flur und sehe, wie sich Viktor gefolgt von Alex durch die Tür schieben.
„Viktor?“
Er küsst mich kurz auf die Wange, „Ich wollte heute das eine T-Shirt anziehen, aber dann ist mir eingefallen, dass es bei dir ist. Ich bin also gleich wieder weg.“
Alex geht an mir vorbei und stellt sich zu Steffen.
„Alex!“, ruft in Barbie.
„Amelie“, er ist nicht halb so euphorisch wie sie, trotzdem hat seine Stimme einen seltsamen Unterton, „Nettes Kleid.“
„Danke.“
Ich stelle mich wieder zu den anderen, nachdem Viktor die Wohnung mit einem „Viel Spaß!“ verlässt.
„Mit wessen Auto fahren wir denn?“, fragt Barbie, dann wendet sie sich an ihr Date, „Mit deinem?“
„Ich bin Siebzehn“, erklärt Alex, „Nicht, dass ich kein Auto hätte, aber ich habe keinen Führerschein. Darum fährt Steffen.“
„Jop“, Steffen zieht einen Schlüssel aus seiner Hosentasche, „Dann wollen wir mal?“

In Gedanken verfluche ich Viktor bereits, als wir durchs Treppenhaus laufen. Und noch mehr verfluche ich ihn, als ich in Steffens Auto steige. Er will, dass ich neben ihm auf dem Beifahrersitzt sitze und ich lasse mich kommentarlos auf den Ledersitz fallen.
Steffen grinst mich an, „Du siehst heute sehr hübsch aus, Mara.“
Ich hebe eine Augenbraue, „Und sonst nicht? Wie sehe ich denn sonst aus?“
Er schmunzelt, sagt aber nichts.
Allerdings fällt Alex von der Rückbank aus eine ironische Bemerkung dazu ein, „Wie eine wunderschöne Meerjungfrau?“
„Hey“, macht Steffen, „Das war gestern ernst gemeint.“
Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar, „Wie wär's, wenn wir erst mal alle die Klappe halten und Musik anmachen?“
Was – soll – das – denn!? Steffen hat eine Kuschelrock-CD eingelegt und diese nervigen romantischen Klänge halten mir nur wieder vor Augen, dass ich mit einem DATE einen Fehler mache. 1. Steffen ist mein Cousin – zumindest scheint es so. 2. Ich stehe nicht auf ihn. 3. Ich hasse diese Barbietussi jetzt schon abgrundtief. 4. Ich habe gestern Nacht … mit Alex Precht rumgeknutscht und beginne immer noch nicht, es aufrichtig zu bereuen.
Wow, ein grandioser Abend steht mir bevor!


CHAPTER TWENTY-ONE: Drive slowly


Alex



„Alex?“, Amelie klimpert mich mit ihren künstlich verlängerten tiefschwarzen Wimpern an, „Wohin fahren wir denn genau?“
Gelangweilt sehe ich sie an, „Keine Ahnung“, dann wende ich mich an Steffen, „Alter, woher weißt du eigentlich, wo's lang geht?“
Mara beißt sich auf die Lippen, um nicht zu lachen und Steffen wirft mir einen seltsamen Blick über die Schulter zu, „Erst mal müssen wir ja nur nach Berlin, da finde ich schon hin.“
„Berlin!?“, Amelie ist fast schon fassungslos, „Eine graue Stadt aus Betonklötzen, Straßengangs und Pennern?“
„Wahrscheinlich sind genau das die Gründe, warum auch unsere Bundeskanzlerin da wohnt“, grinst Steffen in den Rückspiegel.
Amelie verkreuzt trotzig die Arme vor der Brust, „Alex ich dachte, wir machen etwas Romantisches? Etwas Einzigartiges?“
Während Steffen auf die Autobahn fährt, zieht die in Dunkelheit gehüllte Landschaft nur schleichend an uns vorbei. Hoffentlich gibt Stefffen bald richtig Gas, schließlich muss er dieses Schneckentempo ja nicht halten, nur damit es zu dieser dulligen Weibermusik passt.
„Alex“, versucht Amelie es erneut, in dem sie mir eine Hand aufs Knie legt, „Wir können immer noch alleine wohin fahren.“ Ja – wir schmeißen die anderen einfach aus dem Auto, springen auf die vorderen Sitze und stürzen uns ein ein romantisches Abenteuer – alleine die Vorstellung daran lässt mein Gesicht versteinern, als ich ihr einen schrägen Seitenblick zuwerfe, „Nicht jetzt.“
Mara dreht sich in ihrem Sitz zu uns um, sieht aber nur die Tussi neben mir an, „Wenn du nach Hause willst, sag einfach »Ciau« und ruf' dir 'n Taxi. Oh, oder gleich eine Limosine.“
Amelies Mundwinkel verziehen sich zu einem arroganten, selbstüberschätzten Lächeln, als sie angesäuert entgegnet, „Du bist ja nur neidisch.“
Was Mara allerdings zum Lachen bringt, „Na klar, und du bist ja nur hässlich.“
„Hey!“, Steffen dreht seine charmante

Begleitung wieder richtig in ihrem Sitz hin, dann dreht er die Musik so laut, dass man sich nicht mehr unterhalten kann.
Also fahren wir einen ganzen nervigen Ben E. King–Song im Schweigen durch die Nacht, bis »Stand by me« endlich verklingt. Maras Hand schießt nach vorne und sie stellt die Musik aus.
„Alex?“, meine überaus aufdringliche Begleitung zwinkert mir wie in einem peinlichen alten Highschool-Lovestory-Film zu, „Was für Musik hörst du denn am liebsten?“ Steffen grinst mich durch den Rückspiegel an und wippt mit den Brauen. Eigentlich höre ich Verschiedenes; je nach Laune, aber das, was ich wirklich fast immer gerne höre ist Klassik. Doch das werde ich ihr garantiert nicht auf ihre schlampige Nase binden.
„Hip Hop“, lüge ich und beobachte ihre Reaktion. Amelie starrt mich einen Moment verdutzt und überrascht an, dann zuckt sie mit den Schultern, „Bushido und Sido sollen ja auch einige sehr intellektuelle, diskussionsfähige Aspekte beinhalten.“
„Eigentlich nicht.“
„Rap?“, Mara dreht sich wieder nach hinten zu uns um, macht „Tzz“ und lacht auf, „Verarsch' uns nicht.“
Steffen hat den Blick konzentriert auf die Straße gerichtet, als er sich sein Kommentar nicht verkneifen kann, „Ihr wisst doch gar nichts über Alex.“
„Aber so soll es ja nicht bleiben“, die Tusse grinst mich unangebracht anzüglich an und alles, was ich denke ist: Doch!
„Wenn du weiter in diesem beschissenen Schneckentempo fährst, kommen wir nie an“, Mara verkreuzt die Arme vor der Brust, „Steffen, dass hier ist keine kleine lahme Spritztour, die du mit deinen Eltern machst.“
Amelie rückt näher an mich ran, viel zu nah. Ich will nicht, dass irgendeine daher gelaufene Schlampe denkt, dass sie mir einfach auf die Pelle rücken kann! Ich bin immer noch Alexander Precht. DER Alex, der KEINE ran lässt. Der coole, beliebte Typ, auf den alle stehen, den aber nie eine kriegen wird.
„Warum?“, flüstert Amelie in mein Ohr, wobei ihre Lippen zu nah an meiner Haut sind, so nah, dass ich befürchte, dass Lipglossreste an mir kleben bleiben werden, „Warum ist die da eigentlich dabei?“ Ihre Stimme klingt zu vertraut, viel zu intensiv – es ist nur ein harmloses Date, warum tut sie also so, als würden wir uns schon so nah stehen, dass sie SO mit mir reden dürfte?
Ich schiebe die Fotze von mir und verkneife es mir, mit den Augen zu rollen, als mein Blick auf die knallrote Mähne von Mara fällt, „Damit wir diesen Abend nicht bereuen.“
Skeptisch sieht die Tussi mich an, „Das check ich nicht“, sie zückt einen Handspiegel und zwinkert ihrem Spiegelbild zu, „Och, Steffen? Können wir bei der nächsten Raststätte Pause machen? Ich muss mal zur Toilette.“
Ich höre das Klatschen, als Mara ihre Hände vors Gesicht schlägt, „Wir werden wirklich nie ankommen, wenn du schon nach einer Viertelstunde pissen musst.“
Ein Grinsen will sich auf mein Gesicht schleichen, weil die Vorstellung Amelie auf dem Parkplatzklo alleine zurückzulassen sich einfach in meine Gedanken drängt, aber ich nehme mich zusammen und wende einfach den Blick ab. Die Nacht ist dunkler als die anderen vorherigen Nächte, weil heute Neumond ist.
„Wenn sie mal für kleine Mädchen muss, sollten wir wirklich jetzt schon anhalten“, beschließt Steffen, was mich seufzen lässt. Einen Moment Ruhe vor dieser Megaschlampe.
Mein bester Freund fährt den Wagen auf irgendeinem Parkplatz, wo in einem primitiven Backstein-Bungalow sicher ein übelst perverses Metallklo auf unsere Prima Ballerina wartet. Wir sehe alle zu Amelie, als der Wagen hält, die ihren Spiegel langsam in ihre Handtasche gleiten lässt.
„Aber ich geh' nicht alleine.“
Wir starren sie alle an.
„Hallo!? Es ist dunkel und kalt da draußen?“
Mara sieht sie bitterböse an, „Daran kann keiner von uns was ändern.“
Amelie greift nach meiner Hand, „Alex, hast du denn keine Angst, dass mich irgendein Perversling umbringt oder entführt oder so?“
„Du hast Angst“, stellt Steffen mit einem Lächeln auf dem Gesicht fest, „Vor bösen schwarzen Männern?“
„Wenn das so ist“, murmle ich, „Solltest du es dir verkneifen pinkeln zu gehen und wir können weiterfahren.“
Amelie schüttelt den Kopf, „Ich muss echt mal dringend.“
„Ich komm' garantiert nicht mit aufs Schlampenklo“, teile ich ihr mit, während ich den Blick wieder aus dem Fenster schweifen lasse.
„Mara?“, fragt Steffen mit einer schleimigen Samtstimme, die mich fast kotzen lässt, „Du als Mädchen könntest du mitgehen? Gehen Frauen nicht immer zu zweit?“
Steffens Meerjungfrau stößt genervt die Luft aus, „Wie du gerade festgestellt hast, bin ich ein Mädchen und keine Frau.“
„Ich will nicht, dass diese komische da mitkommt!“, beschwert sich Amelie. Schlampe!
„Wenn das so ist“, die Beifahrertür schwingt auf und Mara ist kaum aus dem Wagen rausgesprungen, als sie schon Amelies Tür aufzerrt, „werde ich dich wohl mit meiner Anwesenheit beglücken“, sie greift nach Amelies Arm und zieht sie mit sich in Richtung der perversen Pinkelbude. Ich sehe den beiden noch nach, als sie schnell mit den Schatten der Nacht verschmelzen.


CHAPTER TWENTY-TWO: Drive me crazy


Mara



„Ich mag dich nicht“, die Barbie steht vor einem dieser pekigen Spiegel und zieht ihren schwarzen Lidstrich nach, während sie mich kurz abschätzig mustert, „Du bist eine Straßengöre und passt nicht zu uns. Geh' doch einfach wieder in das Drecksloch, aus dem du gekommen bist.“
„Vergiss es“, ich stoße mich von der Wand ab, an die ich mich gelehnt hab und stolziere auf sie zu, als ich direkt neben ihr stehe, greife ich nach einer ihrer viel zu blonden Haarsträhnen und ziehe kraftvoll daran, „An deiner Stelle wäre ich vorsichtig mit dem, was ich sage“, ich beuge mich näher an ihr Ohr, senke meine Stimme, sodass ich bedrohlicher wirke, als ich flüstere, „Du weißt schließlich nicht, in welchen Szenen ich wirklich kreise und wer weiß; vielleicht überrascht dich irgendwann in einer wenig besuchten Straße eine dunkle, gefährliche Straßengang...“
Mit diesen Worten lasse ich sie stehen und verlasse diesen hässlichen Pisser-Klotz. Es ist mit scheißegal, dass sie jetzt alleine den weiten

Weg bis zum Auto zurücklegen darf. Diese Obertussi ist mir eh egal.
Ich steige ins Auto und werde aus Steffens viel zu scheißfreundlichen Augen angestrahlt, „Du“, ich nicke ihm knapp zu, „fährst auf keinen Fall weiter.“
Steffen lächelt mich immer noch an, „Darf ich mal was probieren?“
Skeptisch glotze ich ihn an, diese arschreichen Schnöseltypen, die sich für die Superstars der Schule und der ganzen Stadt halten, kann ich einfach nicht wirklich einschätzen.
Ein förmliches Räuspern rollt durch Steffens Kehle, dann sieht er mich scheinheilig mit einem fetten Grinsen an.
„Was!?“
Steffen dreht sich ein Stückchen mehr in seinem Sitz zu mir, dann streckt er die Arme aus und legt seine warmen Hände auf meine Schultern.
„Hey!“, ich sehe ihn genervt an, „Was soll das?“
Er seufzt, „Oh, das sind Schulterblätter-“
„Ach nee“, unterbreche ich ihn.
Alex bekommt auf der Rückbank einen Lachanfall, wovon Steffen sich aber nicht ablenken lässt und seinen Text wieder aufnimmt, „Es sind Schulterblätter – Ich dachte, es wären Flügel.“
Ganz langsam hebt er seine Handflächen und befördert sie wieder an ihren eigenen Platz, während dieses eine permanente Lächeln wieder auf seinen Lippen erscheint.
Ich lächel' ihm kess zurück, „Du hast Glück, ich bin Single.“
Steffen beugt sich näher zu mir hin und flüstert mit einer fast schon rauchigen Stimme: „Und das heißt?“
Während ich kurz auflache, schubse ich ihn sanft wieder zurück, „Dass du ansonsten eins aufs Maul bekommen hättest.“
Er will gerade was entgegnen, als eine Autotür aufgeht und die Barbie vor uns steht.
„Alex! Ich bin wieder daaa!“
Mister Fucking President sieht kurz auf, macht „Aha“ und wendet sich an Steffen, „Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wer anders weiterfährt.“
„Amelie?“, mit seinem beschissen netten Grinsenbacken-Lächeln strahlt er sie an, „Hast du 'n Führerschein?“
Als wäre das offensichtlich macht sie „Nei-ein! Ich habe andere Leute, die für mich fahren.“
„Ich fahre“, sage ich.
„Vergiss es“, ruft Alex von hinten, „ICH fahre!“
Steffen sieht von mir zu Alex, dann wieder zu mir. Fast schon mit Anstrengung lächle ich ihn aufrichtig an, HA! – Ich setzte Charme ein; die Waffe einer Frau! Das kann Alex nicht.
„Ich hab' noch was gut bei dir, Alter.“
Mein Lächeln verzieht sich wieder zu einer graden Linie, als Steffen aussteigt und Alex ans Steuer lässt. Jippiee – wir fahren in unseren Tod.
„Schnallt euch an“, murmelt er, dann tritt er schon aufs Gaspedal und brettert über den Parkplatz auf die Autobahn.
„Alex! Alex!“, die Barbie krallt sich von hinten mit ihren Fingernägeln in meine Schultern, „Um Gottes Willen, fahr doch nicht so schnell!“
Ich wirble in meinem Sitz herum und funkle diese Tussi aufgebracht an, „Nimm – deine Krallen – aus MEINEM FLEISCH!“
„Hey, hey, hey – ganz ruhig“, Steffen sieht mich beruhigend an, dann zieht er Amelies Hände von meiner Lehne und die Fingernägel, die sich in mein Fleisch gebohrt haben, verschwinden von meiner Haut.
Mein Blick schwenkt zu Alex, der vollkommen entspannt am Steuer sitzt und dafür sorgt, dass wir mal ein bisschen voran kommen.
„Netter Fahrstil.“
Alex sieht mich kurz von der Seite an, „Mach' doch 'n Video davon und vertick' es in der Schule.“
Ich verkreuze wiedermal die Arme vor der Brust, „Tzz, klar, weil du der Superstar bist, von dem jedes dumme Girlie träumt.“
Für einen kurzen Moment grinst er ein selbstzufriedenes Grinsen, „Genau.“
„Darf ich dann auch ein Foto von dir machen?“, frage ich und ziehe eine Braue hoch.
Alex' Stirn zieht sich in Falten, „Nein; warum?“
„Ich sammle Pokémonkarten!“
Auf der Rückbank bricht Steffen in einen schrecklichen Lachanfall aus und ich bin mir sicher, dass Barbie genervt und missmutig aus dem Fenster starrt.
Ich selbst lache nicht, sondern warte Alex' Reaktion ab. Seine Mundwinkel zucken kurz, dann muss auch er lachen, „Wo hast du den Spruch denn her?“
„Wikipedia.“
Wie immer mit strenger Linie – anstatt eines permanenten Lächelns wie Steffen – schüttelt er den Kopf, „Warst du schon immer so ein verlogenes Biest?“
Als ob ich mir das anhören müsste!
„Warst du denn schon immer so ein schnöseliges, reiches Arschloch!?“
„Klar“, er sieht mich mit einem ironischen Ausdruck an, aber in seinen Augen ist noch etwas anderes. Etwas Seltsames, was da nicht hingehört.
„Du hast eine Wimper im Auge.“
Als Alex blinzelt und die eine Hand vom Steuer nimmt, um sich ins Auge zu grabschen, rutscht seine andere Hand plötzlich vom Lenkrad und der Wagen ruckelt nach links.
„Scheiße, Alex!“, brülle ich, aber da hat er schon wieder beide Hände am Lenker und ein missmutiges Grinsen auf dem Gesicht.
„Ist doch alles okay“, murmelt er, „Mach' hier keinen Stress.“
„Alex, Alex?“ – Barbie –, „Was war das? Hast du dich verletzt?“
Er beißt die Kiefer aufeinander, was mich schon wieder dazu bringt, schadenfroh zu grinsen.
„Na, hast du deine Mami mitgebracht?“
Dass er mich ignoriert, lässt mich nur noch mehr grinsen. Er ist wirklich ein arrogantes Arschloch. Und zu was macht mich das? Denn schließlich habe ICH diesen egoistischen Arschlochschulsprecher geküsst. Und das nicht nur ein Mal...


CHAPTER TWENTY-THREE Toilet break


Alex



Wir brettern über die Autobahn und kommen wirklich mal etwas vorwärts, wenn ich am Steuer sitze. Vorne zu sitzen ist tausend Mal besser, als hinten bei dieser nervigen Schlampe.
„Ehm, Alex?“
Ich verdrehe die Augen, als ich ihre Stimme höre; kann sie nicht einfach das Maul halten!? Nein, natürlich nicht.
„Können wir vielleicht noch 'ne Pause machen?“
„Musst du schon wieder?“, fahre ich sie fast an.
Im Rückspiegel sehe ich wie Steffen die Schultern zuckt, „Wenn sie halt eine schwache Blase hat.“
Mara seufzt, „Sie war vorhin nicht auf'm Pott.“
„Woher willst du das denn wissen!?“, giftet Amelie, „Du hast mich ja einfach alleine gelassen.“
Mara dreht sich langsam zu ihr um, „Was ich weiß, ist, dass dir diese Raststättentoiletten viel zu pekig sind, um deinen teuren Arsch darauf zu setzen und zu scheißen.“
„Wie wär's“, schlägt Steffen vor, „wenn wir die Zeit, die Amelie auf der Toilette verbringt, sinnvoll nutzen und Bier kaufen?“
„Alkohol?“, Mara dreht sich zu ihm um, „Das bekommt dir nicht, Süßer.“
„Ach, aber dir?“, mische ich mich ein.
„Jaaa“, der knallrote Haarschopf flitzt durch die Gegend, „Ich bin ja schon groß.“
„Ich muss auf Toilette!!“
„Ist ja gut!“, nach hundert Metern, die wir schnell wie der Wind überwinden, biege ich auf den Parkplatz einer Raststättentankstelle ein, „Zufrieden?“
„Danke, Alex“, Amelie steigt dieses Mal sofort freiwillig aus und wir laufen alle zusammen in die Raststätte.
Sobald Amelie in Richtung Toiletten verschwindet, wende ich mich Steffen zu.
„Ich bereue es, mich auf ein Date mit dieser Schlampe eingelassen zu haben.“
Er zuckt die Schultern und lächelt schief, „So schlimm ist sie jetzt auch nicht.“
„Doch“, mischt sich Mara ein, dann lässt sie uns stehen und stolziert zum Kühlregal. Zielsicher greift sie einige Flaschen, mit denen sie dann ohne Umschweife direkt zur Kasse läuft.
„Alter“, seufzt Steffen, „Seit wann kommst du eigentlich so gut mit Mara klar?“
Ich zwinge mich zu einem ausdruckslosen Blick, als ich ihn mit einem Schulternzucken ansehe, „Keine Ahnung.“
„Versteh' mich jetzt bitte nicht falsch“, zieht seine Hand aus der Hosentasche und fährt sich kurz durch sein Haar, „Aber da waren vorhin immer wieder Situationen, in denen es so gewirkt hat, als ob ihr beide-“
„Was flüstert ihr da so rum?“, Mara stößt wieder zu uns und drückt jedem von uns zwei Flaschen Bier in die Hand.
„Nichts“, sage ich.
„Männergespräche“, grinst Steffen. Pff, Männergespräche; so was Besonderes ist es jetzt auch nicht, wenn zwei Typen sich unterhalten, dass man es gleich »Männergespräch« nennen muss.
„Aha“, Mara sieht von mir zu Steffen, „Dann labert ihr hier doch schön weiter, während ihr auf die Barbie wartet und gebt mir den Autoschlüssel.“
„Vergiss' es“, ich grinse sie überlegen an und werfe den Schlüssel in meiner Hand kurz hoch.
„Mara“, versucht Steffen es viel zu liebenswürdig – Hallo!? Sie ist doch kein Kleinkind, „Nicht, dass ich dir nicht vertrauen würde, aber wir sind doch alle eine Gruppe.“
Ich presse meine Lippen aufeinander, um nicht loszulachen, als ich Maras Blick sehe und wende meinen eigenen einfach ab, weil ich sonst wirklich lachen muss.
„Je länger ich mit dieser Tussi oder wegen dieser Tussi irgendwo bin, desto weniger Lust auf Party habe ich“, gibt sie zu, „Können wir sie nicht hier lassen?“
„Gute Idee!“, unsere Blicke treffen sich und wir entscheiden beide, dass es Zeit ist, um zu gehen.
„Hey!“, ruft Steffen, „Kommt schon, Leute, seid nicht so bescheuert!“
„Du wurdest überstimmt“, Maras Pupillen sind groß, als sie ihn anfunkelt, „Lass' uns einfach fahren. Sie kann sich selbst 'n Taxi rufen. Barbie ist ja schon groß. Und reich noch dazu.“
Da hat sie recht. Ich muss auch zugeben, dass sie nicht immer so hirnverbrannt wie jede andere Schlampe ist. Aber dennoch macht sie das nicht zu etwas Besserem.
„Alex, du bist echt 'n Arschloch, wenn du jetzt mit meinem Wagen abhaust“, sagt Steffen, gerade so laut, dass ich es hören kann.
Also strecke ich meine Hand aus und gebe ihm seinen Autoschlüssel, „Schönen Abend noch.“
„Kommt ihr?“, Mara sieht uns gelangweilt an, „Sonst trampe ich gleich.“
Steffen sieht sie ernst an, seine Lippen sind zum ersten Mal heute richtig zu einer Geraden verzogen, „Es ist echt asozial, wenn wir das jetzt durchziehen.“
„Wenn wir noch ewig diskutieren“, beginne ich meinen Satz, aber da tritt etwas Blondiertes in einem pinken Kleid auch schon aus der Raststätte und kommt frisch geschminkt auf uns zu geeilt, „Habt ihr das Bier?“
Mara seufzt auf, dann gibt sie ihr eine Flasche, „Aber bitte ex-en.“
„Denkst du etwa, dass ich mich das nicht traue?“, Amelie zieht irgendwas aus ihrer Handtasche, irgendein Schminkutensil, womit sie ihre Flasche aufmacht.
Zum ersten Mal seit ich diese fotzige Amelie kenne, wirkt sie fast schon normal. Sie setzt die Flasche an ihre fett gelipglossten Lippen und trinkt. Auf ex.
Mara grinst, „So gefällst du mir viel besser.“
Amelie legt den Kopf in den Nacken, um auch den letzten Rest ihres Biers runterzuspülen.
„Ich bin fast schon beeindruckt“, gluckst Mara, „Aber ich wette, dass ich schneller ex-en kann.“
„DU?“, ich sehe Mara kopfschüttelnd an, „Mag sein, aber gegen mich habt ihr alle keine Chance.“
„Vielleicht hast du Recht“, lächelt Amelie, was Mara dazu bringt die Augen zu verdrehen. Als sie redet ist ihre Stimme nicht so verträumt wie Amelies, sondern eher rau, „Alex hat darin kaum Erfahrung.“
Mit einer annähernd schmeidigen Bewegung ziehe ich den Flaschenöffner, den ich wissentlich in meiner Hosentasche mitgenommen habe, hervor, „Wir werden sehen.“
Nachdem ich freundlicher Weise auch Amelies und Maras Flaschen geöffnet habe, gibt Steffen uns das Startzeichen.
Natürlich gewinne ich, auch wenn ich vielleicht nicht so ein regelmäßiger Trinker wie Mara bin, bin ich immer noch ein Mann – und die können so was einfach besser. Männer sind einfach das stärkere und klügere Geschlecht. Wir sind einfach überlegen.
„Winner!“, rufe ich und es ist mir scheißegal, dass andere Tankstellenbesucher uns anstarren.
„Da das ja jetzt geklärt ist“, murmelt Steffen, „Können wir ja weiterfahren – und da ihr alle was getrunken habt, fahre ich jetzt lieber wieder.“
Mara lehnt sich in seine Richtung, allerdings ist ihr Flüstern so laut, dass wir es alle hören: „Aber bitte schneller als vorhin, ja?“
Steffen zwinkert ihr still zu, „Hauptsache wir kommen irgendwann wo an.“
Ich tippe Mara an die Schulter, „Du kannst es dir den Fahrstil ja dieses Mal von den hinteren Plätzen ansehen.“
„Nö, hinten ist's scheiße.“
„Alex, willst du nicht wieder zu mir nach hinten kommen?“, fragt Amelie, „Komm schon, Süßer.“
Soll ich darauf nun WIRKLICH etwas entgegnen? – Schlampe!


CHAPTER TWENTY-FOUR: Barf break


Mara



„Mir ist übel!“ Ich muss den Kopf nur kurz zur Seite schwenken, um Barbies blasses Gesicht zu sehen. Da ist ja von diesen Pennern auf die Rückbank verwiesen wurde, greife ich sofort Barbies Tasche und schiebe sie ihr unter die Nase.
„Kotz' da rein!“
Im Rückspiegel sehen Steffens Augen uns besorgt an, „Sollen wir eine Pause machen?“
„Schon wieder?“, stöhnt Alex und eigentlich stimme ich diesem übelst arroganten Arsch ja zu, aber ich habe keine Lust, mich von dieser Obertussi ankotzen zu lassen.
„Bitte sofort“, ich mag das erleichterte Lächeln nicht, was Steffen mir schenkt – schön, dass er sich freut, dass ich mal auf Amelies Seite bin – wenn man das überhaupt so nennen kann; denn richtig auf ihrer Seite zu sein... ist nicht mein Ding.
Es dauert nicht lange, bis wir uns wieder mal auf irgendeinem Parkplatz wiederfinden. Das einzige, was sich geändert hat ist, die Dunkelheit. Dass dunkle Blau des Himmels ist jetzt zu einem noch darkeren Blue geworden – hahaha.
„Mara, gehst du mit ihr mit?“, fragt Steffen mich lieb. Ich hasse es immer noch, aber diesen Sunnyboy wird man wohl nie aus ihm rausbekommen. Darum nicke ich ihm einfach augenverdrehend zu und hechte Amelie hinterher, die schon auf eine Buschreihe am Straßenrand zu steuert. Gerade als ich bei ihr ankomme, dreht sie sich von den Büschen weg, zu mir.
„Was ist!?“
Erst wendet sie ihren Kopf zum Boden, dann hebt sie ihn wieder und sieht mich einen Moment seltsam an. Plötzlich geht alles so schnell, dass ich nicht mehr ausweichen kann, als sie wie die Besessene aus Scary Movie einen beschissenen Kotzstrahl auf mich los kotzt.
„Ich würde ja »Sorry« sagen“, murmelt sie, „Aber du weißt ja, wie es heißt: »Was raus muss, muss raus.«“
In meinem Ausschnitt und auf meinem Oberteil klebt scheißbefickte Kotze von der bekifftesten Bitch dieser Welt!
„Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, ohne sie antworten zu lassen, rast meine Hand auf ihr Gesicht zu, wo sie klatschend auf Haut und vorallem Make-Up trifft. Mit offen stehendem Mund starrt Barbie mich an, dann reagiert sie blitzschnell, indem sie mir mit ihrer scheiß Kotzhand in die Nase kneift.
„Lass' das du, Schlampe“, ich versuche sie von mir zu schubsen, aber in dem Moment kommt Steffen auf uns zu gelaufen und reißt Amelie von mir weg.
Auffordernd sieht er Alex an, „Halt Mara fest.“
Ich raufe mir meine Haare und überlege, ob ich nochmal auf Amelie losgehen soll; tzz, als ob Alex mich fest halten könnte.
„Sie ist vollgekotzt“, sagt er da auch schon trocken, was Amelie vor sich hin grinsen lässt. Toll gemacht, Schlampe.
Beleidigt stemme ich meine Hände in die Hüften, „Wegen dieser beschissenen Bitch kann keiner von uns diese Nacht genießen! Wir sollten sie wirklich hier lassen!“
Steffen lässt die Tussi los, so dass wir nun fast in einem Kreis stehen – nur das alle von MIR Abstand halten. Dabei bin nicht ich die Besessene mit dem Würgreiz!
„Alex und ich müssen nicht mit euch zu diesem Nachtclub fahren“, stellt Barbie ernüchternd fest.
„Stimmt“, angepisst sehe ich sie an, „Er sollte mit dir lieber in eine Psychiatrie fahren.“
Steffen seufzt, „Ach Leute, das ist doch scheiße, wenn wir uns hier trennen.“
Ich fände es gar nicht so schlimm, mit Steffen alleine zu sein, aber ich hab einfach keinen Bock darauf, mir den ganzen Abend eine Grinsebacke anzusehen, die es irgendwie immer allen recht machen muss.
„Hallo!? Ich kann SO“, ich deute auf meinen vollgekotzten Oberkörper, „nicht in den Club.“
„Stimmt.“
Barbie schnippst, „Dann lassen wir dich halt hier“, sie deutet hinter die Buschreihe, „Dahinten ist ein Fluss, da kannste dich waschen.“
Okay – ab jetzt ist es mir wirklich scheißegal, was diese Pisser für einen Abend haben; ich werde mir nichts mehr von dieser Bitch versauen lassen, es ist schon zu viel. Blitzschnell nehme ich Steffen die Autoschlüssel ab und sprinte zum Auto.
„Mara!“, ruft er mir zwar nach, aber das kann ich ignorieren.
Was ist aber nicht so leicht ignorieren kann, ist, dass jemand gerade in dem Moment, als ich den Wagen starte, ins Auto springt und mich aufgebracht anfunkelt.
„Ist das dein Plan, um zu entkommen?“

Ich fahre auf die Autobahn und werfe Alex schnaubend einen schiefen Seitenblick zu, „Klar, es gehört immer zu meinem Plan, mich von einer gefickten Superschlampe ankotzen zu lassen!“
Er unterdrückt ein Lachen, was in ein Glucksen übergeht; ich muss ihn nicht ansehen, um seinen amüsierten Blick zu erkennen – Alex ist so scheißschadenfroh.
„Es ist nicht lustig!“, fahre ich ihn an.
Nachdem er sich über die Lippen geleckt hat, räuspert er sich geräuschvoll, „Wohin fahren wir?“
„Warst du schon mal in Bremerhaven?“
Alex nickt, „Im Bonzenviertel – also nicht da, wo du warst.“
Mit einem Klicken schalte ich das Radio an, „Ich war noch nie da.“
Klick – er macht das Radio wieder aus, „Ist ja auch scheißegal, wo wir hinfahren, aber du solltest was anderes anziehen.“
Einen Augenblick presse ich meine Lippen aufeinander, erhöre das Tempo auf 180km/h, „Ich zieh' mein Top aus, wenn ICH es will.“
„Kannst du vergessen“, grinst er, „Wenn du jetzt nicht von der Autobahn abfährst und wo am Straßenrand anhältst, zieh' ich es dir während des Fahrens aus.“
Ich weiß nicht warum, aber ich fahre auf eine Landstraße, wo ich bald am Rand anhalte. Dann ziehe ich mir endlich mein knallgrünes Top über den Kopf und wische mit damit die übrige Kotze aus dem Ausschnitt. Es ist einfach nur ekelhaft, darum bin ich froh, als ich mein Top auf die Rückbank werfen kann. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass ich nur in BH vor einem Arschloch sitze, darum strecke ich die Hand in seine Richtung aus, „Gib mir dein Hemd.“
Alex entgegnet mir mit einem frechen Grinsen, „Nö.“ Spast! Dafür haue ich ihm mit der Hand von hinten gegen den Kopf, „Sollte der Superstar Alexander Precht nicht ein Gentleman sein?“
Er zuckt die Schultern, „Ich will nicht das sein, was ich sein soll.“
„Arschloch“, zische ich ihn an, dann reibe ich mir an den Armen hoch und runter, weil ich die Gänsehaut vertreiben will.
„Hier“, er knöpft sein Hemd auf, zieht es aus und hält es mir hin, „Schließlich hat mein Date dich vollgekotzt.“
Wortlos schlüpfe ich in sein schwarzes, weiches, warmes Hemd, wobei mein Blick kurz auf seinen nun nackten Oberkörper fällt, „Nette Muskeln.“
Mit ernstem Blick sieht er mich an – zumindest versucht er, ernst zu gucken, trotzdem glühen seine Augen, „Sexy BH.“
„Ich trage keinen“, lüge ich. Ich weiß nicht mal, warum ich das sage, ich mach's einfach.
„Dafür will ich Beweise“, seine Stimme wird leiser und rauer. Wahrscheinlich kommt er um diesen herben Unterton, der mir schon wieder eine Gänsehaut aufdrängt, nicht herum. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich mit offenem Hemd und schwarzem BH neben ihm sitze?
„Vertrauen Sie mir etwa nicht, Herr Precht?“
„Doktor Precht“, verbessert er mich, als mich wieder dieser intensive Blick trifft, „Und wenn du die Einzige wärst, der ich vertrauen würde?“
In diesem Moment bin ich einfach sprachlos. Die Person, die da neben mir sitzt, und das, was ich gerade gehört habe, passt einfach nicht zusammen. Aber hey! ich bin immer noch ich – Mara Sommer. Und er ist immer noch das arrogante Schnösel-Arschloch, für das ich ihn immer gehalten habe! Oder? Mein Verstand befiehlt mir einfach, aus dem Wagen auszusteigen. Ich muss das Ganze von der logischen Seite sehen: Wir kennen uns kaum und er sagt SO etwas. In meinem Kopf ist alles durcheinander, aber eins ist klar: Im Moment denke ich einfach zu viel.
Jetzt stehe ich also draußen an das Auto gelehnt und fahre mir mit leicht zittrigen Fingern durchs Haar. Wenigstens ist das wie immer – feuerrot. Ich höre das Klacken, als die Beifahrertür aufgeht und ich stöhne innerlich auf: NEIN!


CHAPTER TWENTY-FIVE: No smoke without a fire


Alex



Ich hab im Moment echt keinen Bock auf Fragen wie: »Warum laber' ich hier eigentlich die ganze Zeit nur verpisste Scheiße?« und »Warum benehme ich mich fast schon!?«. Und trotzdem steige ich aus und laufe einmal um den Wagen rum, zu Mara, die mit meinem offenem Hemd am Auto lehnt. Es ist offen und ihr BH ist wirklich sexy. Trotzdem gebe ich mir Mühe – na gut, nur ein bisschen – mit ihren Augen und nicht ihren Titten zu sprechen, „Was ist los?“
Sie schnaubt leise auf, „Das willst du nicht wirklich wissen, Pisser.“
„Stimmt, es interessiert mich überhaupt nicht, denn ein Superstar wie ich hat nur eigene Probleme.“
Ihre Augenbraue flutscht in die Höhe und wortlos sieht sie mich an, „Ach ja?“
Augenverdrehend lehne ich mich zu ihr hin, „Das war ein Scherz, du dumme Pute.“ Ich steh' nah genug bei ihr, um den Geruch von Parfum gemischt mit Kotze zu bemerken; aber wenigstens riecht das Parfum stärker und besser.
„Dumme Pute?“, fragt sie mich angesäuert, dann lacht sie und will mich wieder auf Abstand zurück schieben, aber als sie ihre Hände an meine nackte Brust legt, halte ich sie einfach fest.
„Hör' auf mich zum Zittern zu bringen“, stößt sie hervor. Ich senke meinen Blick und bemerke erst jetzt, dass ihre Hände ganz kühl und zittrig sind.
„Ach so nennt man das neuerdings.“
Maras Augen verziehen sich leicht genervt zu Schlitzen, „Das war eine Warnung, Süßer, es gibt keine zweite.“
„Also muss ich jetzt Angst haben“, ich hole kurz Luft, grinse sie an, ehe ich „Süße?“ dranhänge.
„Mach' so weiter und ich reiß' dir deinen Schwanz ab.“
Ihr Blick ist ernst, aber auch neugierig, sie weiß genau so wenig wie ich, was als nächstes passieren wird.
Langsam nehme ich ihre Hände, die ich immer noch mit meinen fest halte, und führe sie höher und höher bis zu meinen Wangen.
„Du willst, dass ich aufhöre, dich zum Zittern zu bringen. Dann will ich, dass du aufhörst, mich heiß zu machen. Ich glaube für beides gibt es eine Lösung.“
Mara schließt kurz die Augen, dann öffnet sie sie und ich habe das Gefühl, dass eine Ladung geballter Energie daraus strahlt. In diesem Moment reißt sie ihre Hände von mir und tritt gleichzeitig so kraftvoll nach vorne, dass ich nur gerade so ausweichen kann. Ehe ich mich versehe, ist sie schon wieder ins Auto eingestiegen, so dass ich mich beeilen muss, auch noch rein zu kommen, bevor sie mich wie Steffen und diese Mega-Schlampe irgendwo am Straßenrand aussetzt.
Aber selbst als ich eingestiegen bin, denkt sie wohl gar nicht daran, loszufahren. Mara sitzt auf dem Fahrersitz und starrt nach vorne in die Dunkelheit.
„Wow“, ich lehne mich zur Windschutzscheibe und folge ihrem Blick – schwarz, Büsche, Bäume; Nichts Besonderes, „Berauschende Aussicht.“
Sie wendet weder den in die ferne gerichteten Blick ab, noch geht sie auf mich ein.
„Mara, ich muss dir etwas gestehen“, ich setze mich aufrecht hin, so wie ich es Zuhause schon immer musste, „Ich bin schwul.“ Keine Reaktion.
„Bist du traumatisiert oder was!?“, ich lehne mich zu ihr hin, mustere sie genau und bekomme gerade noch mit, wie ihre Hand durch die Luft zischt, ehe sie mich näher zu sich zieht und in einen tiefen Kuss verwickelt. Hey, geil, dann hat sich dieser ganze beschissene Ausflug wenigstens gelohnt!
Plötzlich ruckelt der Wagen nach vorne und Mara zieht sich rasend schnell von mir zurück und versucht sich am Lenkrat festzuhalten, als sie fast schon panisch auf die Bremse tritt. Eigentlich müsste der Wagen jetzt stehen bleiben, aber irgendwie kommt es mir so vor, als würden wir direkt in den Graben fahren.
„Mara! Geh' vom Gas runter!“
Gerstenpflanzen schlagen gegen das Auto, bis Mara nach einer Ewigkeit den Fuß vom Pedal nimmt und ihren Kopf langsam zu mir hin dreht. Fassungslos sieht sie mich an, „Wenn du schwul bist, sollte ich dich mit Viktor verkuppeln.“
„Da wird sich seine Freundin den Arsch weg freuen.“
Mara kramt in ihrer Handtasche rum und zieht eine Zigarettenschachtel hervor, „Tanja“, alleine wie sie den Namen ausspricht, abwertend und so, als wäre sie wirklich das aller Letzte – wie eigentlich jede andere Schlampe auch, „ist einfach nur eine Fick-Freundin.“
Dann zündet sie sich ihre Zigarette an und zieht den Rauch tief in ihre Lunge. Ich muss auflachen, als sie kurz darauf anfängt zu husten.
„Halt's Maul, Pisser!“, grinst sie, dann wirft sie mir die Schachtel und ihr neon pinkes Feuerzeug zu, „Oder stopf' es damit.“
„Eigentlich bin ich Nichtraucher, aber-“
„Na und“, unterbricht sie mich, „Eigentlich bin ich auch Jungfrau; das macht es auch nicht besser.“
Langsam zünde ich die Zigarette an, während ich ein Lachen unterdrücke, Mara sieht wirklich alles andere als jungfräulich aus.
Augenverdrehend mustert sie mich, „Ich hab tausend Mal mehr Erfahrungen als du.“
„Ach ja?“, provokant hebe ich eine Braue, als ich den ersten Zug nehme.
Ohne mir zu antworten, wendet sie den Blick aus dem Fenster ins Kornfeld. Trotzdem bemerke ich das Schmunzeln, was sie auf ihre Lippen ausgebreitet hat. Und seltsamerweise bringt es auch mich zum Schmunzeln. Ich weiß nicht, was im Moment mit mir los ist, aber gerade in diesem Augenblick sind die ganzen beschissenen Stunden mit Amelie im Auto vergessen. Gerade kann ich nur im Hier und Jetzt leben und es ist geil.
„Alex, lass uns doch einfach hier bleiben.“
„Im Kornfeld“, ich grinse sie an. Nein, ich verdränge die Bilder, die zeigen, wie wir uns zusammen durch das Feld wälzen nicht aus meinem Kopf, sondern genieße sie und grinse vor mich hin.
„Oh nein“, geschockt starrt sie mich an, „Der Sunnyboy hat dich angesteckt.“
Ich vertusche mein Lachen in einem Hustenanfall, dann sehe ich sie so ausdruckslos wie möglich an, „So besser?“
Ihre Augen funkeln seltsam, dann beugt sie sich zu mir, und schiebt meine Mundwinkel nach unten, „Jetzt ist es schon fast wieder normal.“
„Du siehst auch nicht wie immer aus, Arielle.“
„Wie seh' ich denn sonst aus, he?“
Ich glaube, dass sie genau weiß, dass sie normalerweise nicht so guckt wie jetzt.
„Soll ich es dir wirklich zeigen?“ Meine Mundwinkel bleiben da wo sie sie hingezogen hat, ich unterdrücke das vorfreudige Grinsen, was sie ungewohnt hoch anheben würde.
„Brauchst du 'ne Extraeinladung?!“, genervt schnippt sie ihre Kippe aus dem Fenster und sieht mich abwartend an. Sobald ich die Kippe weggeschmissen habe, reiße ich Mara von ihrem Sitz weg zu mir und presse meine Lippen auf ihre.
Als ich mich wieder von ihr löse, schnippst sie mir gegen den Kopf, „So sehe ich garantiert nicht immer aus, du Dulli.“
„Stimmt“, ich wuschle ihr durchs Haar, „Das trifft es eher, ist Hexen-mäßiger.“
„Pass auf, Arshlochschulsprecher!“, wütend und gleichzeitig belustigt verengt sie die Augen zu schlitzen und mustert mich, dann drückt sie irgendwas am Sitz rum, worauf er schwungvoll nach hinten kippt.
„Wie voraussichtlich von dir“, murmle ich, ohne ein Lächeln.
Genauso ernst sieht sie mich an, dann holt sie aus – ihre Hand saust rasend schnell auf mein Gesicht zu und weil sie auf mir liegt, kann ich die Arme nicht hochreißen.
Kurz bevor sie mich klatschend berührt, hält ihre Hand in der Bewegung inne und sie lächelt mich schadenfroh an, „Alex, wenn du versuchst mit mir zu spielen, solltest du dich warm anziehen. Es ist nicht einfach nur das Spiel mit dem Feuer; es ist auch genauso kalt und hart wie Eis.“
„Hey“, ich sehe sie herausfordernd an, „Schreib doch ein Buch drüber, wenn dir so viel dazu einfällt.“
Maras Kopf flitzt in die Luft, sie schnuppert, dann sieht sie mit großen Augen aus dem Fenster, „Fuck, es brennt!“


CHAPTER TWENTY-SIX: We didn't start the fire


Mara



Hektisch springe ich auf den Fahrersitz, während dieser Hohlkopf sich langsam aufsetzt und das Feuer anstarrt. Glühende roten Flammenzungen erhellen die Nacht und entflammen das Kornfeld. Sofort lege ich den Rückwärtsgang ein und versuche den Wagen wieder auf die Straße zu bringen, was aber an diesem bekackten Graben scheitert.
„Scheiße“, flucht Alex, dann springt er aus dem Auto, um den Wagen hoch zu schieben.
Das Feuer brennt immer schneller, wird größer. Vor meinen Augen verschwimmen die vielen lodernden Flammenzungen zu einer riesigen Flamme. Das Knistern des Feuers rauscht durch meine Ohren, ich scheine nur dieses Knistern zu hören.
Während dieser Idiot den Wagen wirklich den Graben hoch wieder auf die Straße schiebt, sitze ich da, trete das Rückfahrpedal und sehe mir wie betöhrt den leidenschaftlichen Tanz des Flammenmeers an. Die Erinnerungen kommen wieder hoch; diese abgefuckten Bilder! Ich will das alles nicht wieder sehen, es ist schlimm genug damit zu leben. Doch in mir drin öffnet sich dieses Fach, was ich sonst sorgfältig verschlossen habe, was ich mir verboten habe, je wieder zu öffnen, und ich fühle es wieder. Ich fühle diese schreckliche Hitze, als wir damals in diesem Auto über die Autobahn gerast sind und etwas explodierte. Ich fühle die Angst, als die Schüsse durch die Luft gerade so über unsere Köpfe zischten. Und ich sehe meine Eltern vor mir, es war das letzte Mal, das ich sie gesehen hatte und ich will sie auch nicht mehr sehen, will nicht mal an sie denken. Diese unverantwortlichen, mordenden Arschlöcher!
„Mara!“, Alex schlägt mir leicht gegen den Arm, „Fahr' endlich LOS.“
Ich unterdrücke die Tränen, die mir heiß die Wangen runterlaufen wollen, versuche die alten Empfindungen zu verdrängen – so wie ich es immer tue.
Wir rasen mit mörderischem Tempo auf die Autobahn, verbissen klammern sich meine Finger an den Lenker, so stark, dass meine weißen Knöchel leicht durch meine dünne Haut schimmern.
„Mara“, seine Stimme ist jetzt etwas sanfter, aber auch ungewohnt unsicher, „Ich rufe jetzt die Feuerwehr.“ Es geht nicht, ich kann den Blick nicht von der Straße abwenden, darum nicke ich nur langsam, „Gut.“
Ich höre, wie Alex sein Handy oder eher sein iPhone aus der Hosentasche zieht und wählt, dann telefoniert er. Er gibt den Namen der Straße an und die genaue Stelle.
„Brandstiftung“, murmerlt er, „Keine Ahnung, wir sind gerade nur dran vorbei gefahren.“
Er ist ein guter Lügner. Na ja, das liegt eh daran, dass er ein Schulsprecher ist, die können immer gut lügen und Arschlöcher auch. Da ja offensichtlich beides auf ihn zutrifft und er außerdem noch zu den reichen Bonzen gehört, ist es echt nicht Besonderes.
Als er auflegt, spüre ich seinen Blick auf mir, „Was ist los?“
„Warum kannst du deine Kippe nicht anständig wegwerfen!?“, fahre ich ihn an.
Entsetzt schnaubt er, „Das hätte dir auch passieren können.“
„Nein“, ich funkle ihn an, „MIR passiert so was nicht.“
„Außerdem bin ich nicht daran schuld“, versucht er klar zu stellen. Was soll die Scheiße!? Natürlich ist ER Schuld, er hat die Kippe geraucht und aus dem Fenster geschmissen.
„Du bist Schuld!“
„Nein“, sein Ton wird immer gereizter, „DU wolltest, dass ich rauche!“
„Das heißt aber nicht, dass du einen Brand legen sollst!“ Kraftvoll gebe ich noch mehr Gas, wir fahren jetzt 250km/h.
„ICH hab aber nicht den Wagen ins Feld gefahren!“
Giftig stöhne ich auf, „Wenn DU nicht gewollt hättest, dass ich mich am Straßenrand umziehe, wären wir da gar nicht erst hingekommen!“
„Falsch“, macht er mich barsch an, „Wärst DU nicht auf dem Parkplatz einfach abgehauen, hätte Steffen gefahren und DANN wären wir nie hier her gekommen.“
Wütend schieße ich ihn mit einem tödlichen Blick ab, „Falls du's vergessen hast, Scheißkerl, die Bitch, die DU mit angeschleppt hast, hat mich vollgekotzt!“
Gerade als er etwas zurück brüllen will, klingelt sein iPhone und er nimmt ab, „Ja!?“
Stur starre ich gerade aus, fahre immer weiter. Wenn ich vorhin einfach nur weg wollte, irgendwo hin, weiß ich jetzt genau wohin ich will. Nach Hause. Ich habe keinen Bock mehr auf diesen behinderten Pisser!
„Wir holen euch von da ab“, mein Blick flitzt zu Alex, der die Lippen steif aufeinander gepresst hat und dessen Stimme alles andere als zufrieden klingt.
Dann legt er auf, „Wir müssen zurück zu diesem Parkplatz, Steffen und Amelie warten auf uns.“
„Scheißegal, ich will nach Hause“, motze ich.
„Oh, ist die kleine Mara schon müde?“, stichelt er mich an.
„Nein“, bestimmt presse ich meine Kiefer aufeinander, „Du gehst mir einfach nur auf'n Sack.“
Er lacht trocken auf, „Dann sind wir ja schon mal zwei.“
Ich erwider' nichts darauf und wir fahren schweigend, aber mit einer provokanten Anspannung zwischen uns, zu diesem Parkplatz. Schon als ich die beiden sehe, dreht sich mir der Magen um. Barbie steht da, hat Steffens Jacke an, während er seinen Arm ätzend um ihre Schultern gelegt hat und ihr lächelnd irgendwas erzählt, was ihre Mundwinkel dazu bringt, kurz zu zucken.
Dann erkennen sie uns und kommen auf uns zu. Meine Hände zittern, als ich sie vom Lenker nehme. Das Arschloch neben mir mustert mich entscheidend, „Steig' aus und setzt dich nach hinten.“
„Fick dich“, ich zeige ihm den Mittelfinger und bleibe sitzen.
Steffen öffnet meine Tür und lächelt mich halb an, „Es ist wohl das Vernünfstigste, wenn ich weiterfahre.“ Also steige ich aus, aber nicht, ohne Alex noch mal meinen wunderschönen Mittelfinger zu zeigen. Arschloch!

Die gesamte Stimmung im Auto ist umgeschwungen. Barbie sitzt da in Sunnyboys Jacke und lächelt vor sich hin, während sie Alex wieder die ganze Zeit zu labert. Steffen konzentriert sich auf die Straße, ich weiß, dass er genervt und sauer ist. Aber er zeigt es nicht, Steffen ist jemand, der sich anscheinend immer extrem zurück nimmt, wenn es um solche Gefühle geht. Und Alex, Tz, alles was zu ihm gerade denken kann ist »Pisser«. Echt, so ein ARSCH!
Als Steffens Wagen vor meinem Wohnhaus hält, zische ich diesen „Partylöwen“ noch ein augenverdrehtes „Gute Nacht“ zu, bevor ich mich beeile ins Haus zu kommen.


CHAPTER TWENTY-SEVEN: Time is up


Alex



„Alex, du hast dich doch aber nicht für Mara ausgezogen, oder?“, nervt Amelie, als Mara ausgestiegen ist. Steffen wartet noch, bis sie im Haus verschwindet, bevor er weiterfährt.
„Mir war warm“, sage ich ihr.
„Parkallee 56“, ruft sie Steffen zu, woraufhin er nur lacht.
„Ich weiß, wo du wohnst, Amelie.“
„Alex“, labert sie mich wieder an, „Der Abend heute ist ja total in die Hose gegangen... Ich hab nächstes Wochenende noch nichts vor.“
Schön für dich, denke ich, „Aha.“
„Gut“, ich höre ein siegessicheres Grinsen aus ihrer Stimme raus, „Dann komm' ich abends bei dir Zuhause vorbei, unsere Eltern wollten sich da sowieso treffen und dann komm ich einfach mit.“
Na super. Da steht mir ja schon wieder ein beschissener Abend bevor. Tzz, geil. Davon kann ich gar nicht genug kriegen. Wir halten zum Glück vor Amelies Villa, sie wirft Steffen seine Jacke zu, „Danke.“
Dann sieht sie mich erwartend an, „Oder willst du noch mit zu mir kommen?“
Ich fahre mir mit der Hand durchs Gesicht, „Ich bin müde.“
„Auf einen Kaffee?“
„Nein, danke. Gute Nacht.“
Amelie stülpt ihre Lippen nach vorne, „Aber wir waren nie alleine und es sollte ein Date sein.“
Ich seufze und gebe mich geschlagen, „Wann anders, klar?“
Zufrieden grinst sie mich an, „Klar, dann bis Montag, Alex!“
„Tschüss“, ruft Steffen noch, aber da ist sie schon ausgestiegen. Sie winkt uns noch übertrieben oft zu, bevor sie endlich in der Villa verschwindet.
„Was“, beginnt Steffen und an seinem seltsamen Gesichtsausdruck, der nur dadurch entsteht, dass er sich dazu zwingt selbst jetzt noch ein bisschen zu lächeln, sehe ich sofort, dass ihm etwas total missfällt, „ist das zwischen Mara und dir?“
Ich verkreuze die Arme vor der immer noch unbekleideten Brust – warum habe ich mir mein Hemd nicht wiedergeben lassen!?, „Bin ICH derjenige, der mit ihr verwandt ist, oder du?“
Seufzend stoppt er den Wagen wegen einer roten Ampel, „Gib doch ein Mal zu, dass du auf sie stehst.“
Warum? Stehe ich etwa auf sie!? Ich lache auf, „Schließ' nicht immer von dir auf andere, Alter.“
Sobald das grüne Licht aufleuchtet, tritt Steffen aufs Gaspedal, „Wenigstens kann ich in diesem Punkt ehrlich sein; Ja, ich denke, dass Mara das erste Mädchen ist, was mich wirklich interessiert.“
„Das ist doch gelogen“, fahre ich ihm dazwischen, „Du interessierst dich doch für fast jedes Mädchen. Jedem willst du eine Chance geben, zu zeigen, wer sie wirklich ist, von jeder willst du dich überraschen lassen!“
Er nimmt die eine Hand vom Lenker und fährt sich flüchtig über die Stirn, „Mara ist aber nicht eine von vielen.“
„Ach, jetzt schwörst du auf einmal auf »Die Einzige«“, ich muss mir ein Schnauben verkneifen. Ich kenne Steffen jetzt schon so lange und noch nie hat er gesagt, irgendeine von den Schlampen sei die Eine, die ihn wirklich interessieren würde.
„Weißt du Alex, vielleicht bin ich einfach nicht so ein Arschloch, was nur auf ein Date mit einem total hübschen Mädchen eingeht, weil seine Eltern ihn dazu zwingen. Vielleicht bin ich ja nicht so beschissen, sie die ganze Zeit ignorieren zu wollen und sie bei der ersten Gelegenheit an einer Tankstelle stehen zu lassen!“
„Das kann dir doch scheißegal sein“, murmle ich, ich hab keinen Bock mich mit Steffen zu streiten. Er ist der einzige Typ, mit dem ich jeden Tag in der Schule aushalte. Er ist auch der einzige Kumpel, dem ich wirklich vertraue.
„Es ist mir aber nicht scheißegal“, sagt er, „Und ich habe keine Lust darauf, dass du Mara noch kaputter machst, als sie es schon ist.“
Erstaunt sehe ich ihn an. Kaputter? Was soll DAS denn bitte heißen!?
„Was soll das denn jetzt?“
Steffen hält vor meinem Haus, „Pass' einfach auf, ja?“
„Mara ist kein schwaches, kleines Mädchen.“
Vehement wackelt Steffens Kopf hin und her, „Sie versteckt es einfach nur gut. Aber auch Mara ist schwach. Und ich will für sie da sein.“
„Dann viel Glück“, ich will schon aussteigen, als er mich am Arm zurückhält.
„Alex, ich weiß, dass sie sich wahrscheinlich nicht an mich wenden wird. Falls sie aber zu dir kommt...“
Ich verdrehe die Augen, „Dann fessel' ich sie und transportiere sie zu dir nach Hause, oder was!?“ Was will er eigentlich von mir?
„Versuch' einfach ihr zu helfen, Alter, okay?“
Seufzend halte ich ihm die Hand hin und wir schlagen ein, „Geht klar.“
„Gute Nacht.“
Nickend steige ich aus und sprinte die Treppenstufen hoch, bevor ich mit einem letzten Winken im Haus verschwinde.
Wenn man nachts zurückkommt, begegnet man bei uns mal nicht Marie oder meinen Eltern, die noch im Haus rumwuseln, so wie andere Eltern stundenlang auf ihre Kinder warten, sondern unsere Security.
„Alex“, grinst mich Tony an. Er arbeitet seit einem halben Jahr für uns, ist zwei Jahre älter als ich und jemand, dem ich eigentlich ganz gerne nachts über den Weg laufe.
„Hey“, ich mustere ihn, „Wo sind deine Haare hin?“
Bis vor Kurzem hatte Tony noch fast kinnlanges blondes Haar, was jetzt aber nur noch höchstens Zehn Zentimeter lang sein konnte.
„Ach, es hat mich provoziert, darum“, er stellt mit den Fingern eine Schere da und zuckt lässig mit den Schultern, dann mustert er mein halbes Outfit, „Wo ist dein Hemd hin?“
Ich grinse ihn an, „Das wüsste ich auch gerne.“

Dann lasse ich ihn im Flur stehen und beeile mich in mein Zimmer zu kommen. Als ich meine Zimmertür hinter mir schließe, nehme ich die Stille, die hier herrscht, in mir auf. Ich fühle mich seltsamerweise eingezwängt, die Luft scheint zu dick zu sein. Mit einem Blick stelle ich fest, dass die Fenster geschlossen und die automatischen Rollläden bereits runtergefahren sind. Trotzdem habe ich plötzlich das Bedürfnis, ein Fenster aufzureißen und klare Luft einzuatmen. Mit zügigen Schritten durchquere ich den Raum und sorge mit einem Knopfdruck dafür, dass die Rollläden hochfahren. Als ich eines der Fenster öffne, ziehe ich die frischkühle Luft so tief wie möglich in meine Lungen. Vielleicht hat Steffen recht mit seiner Frage. Irgendwas ist da zwischen mir und Mara. Aber ich weiß nicht mal selbst, was es ist. Doch es fühlt sich so an, als ob ich bei ihr ich selbst sein könnte, ohne ein Risiko einzugehen. Dennoch will ich ihr nicht alles von mir zeigen, darauf hab ich keinen Bock. Eigentlich hab ich sowieso keine Lust, mich auf irgendeine Tussi einzulassen. Klar, Mara ist anders, trotzdem ist sie ein Mädchen. Und ich werde nie wieder irgendeine beschissene Schlampe so nah an mich ran lassen wie Hilary damals. Ich hab sie geliebt, wirklich. Vor meinen Augen taucht ihr Gesicht auf, bildet sich aus den grauen Wolken, die am Himmel umherlungern. Hilary und ich sind eigentlich verkuppelt worden, aber trotzdem habe ich sie geliebt. Mittlerweile weiß ich, dass ich nichts Beschisseneres hätte bringen können, als nach ihr verrückt zu sein. Jetzt kann ich es eh nicht mehr ändern, also bringt es auch nichts darüber nachzudenken. Seufzend schließe ich das Fenster und schmeiße mich auf mein Bett. Eins steht fest: Ich werde mich nie in Mara verlieben. Dass wäre mir einfach zu kompliziert und zu stressig. Beziehungen sind was für Leute, die keine Hobbys haben.


CHAPTER TWENTY-EIGHT: Time for friends


Mara



Sobald ich in meiner Wohnung bin, will ich nur noch unter die Dusche. Schnell schäle ich mich aus meinen Klamotten, schmeiße sie achtlos auf den Boden. Ist Alex' Hemd etwa ein teures Designerhemd? Uups. Scheißegal. Zufrieden drehe ich das Wasser auf und lasse es auf mich niederregnen. Endlich mal ein BISSCHEN Relaxen. Ich hätte es wissen mussten – okay, ich wusste es – dass es mit diesen idiotischen Schnöseln kein Clubbing geben kann. Nach einer halben Ewigkeit muss ich schließlich doch aus der Dusche. Die Luft ist kühl, darum breitet sich sofort eine Gänsehaut auf meiner Haut aus. Ich beeile mich, mich fertig zu machen, sodass ich bald mit tropfenden Haaren in der Küche stehe und mir eine Fünf-Minuten-Terine aufgieße.
Mit meinen Terinenbecher voller Spaghetti setze ich mich auf's Sofa und schalte den Fernseher an. Irgendwie schaffe ich es wiedermal während des Fernsehens einzuschlafen und werde erst morgens wach, als die Frühnachrichten ausgestrahlt werden. Grummelnd strecke ich mich und schalte den Fernseher aus. Das nächste, was ich beschließe, ist, einfach mal einen Jogginghosentag zu machen und den ganzen Tag mit Musik im Bett zu chillen. Zumindest solange, bis Viktor sich hier blicken lässt.

Irgendwann gegen Abend kommt er vorbei.
„Na wie war's gestern im Club? Hast du Phillip und Ronja getroffen?“
Kraftvoll schlage ich die Haustür hinter ihm zu, „Nein“, ich hole tief Luft, „Wir sind da gar nicht erst hingekommen.“
Halb überrascht und halb schmunzelnd mustert er meinen genervten Gesichtsausdruck, „Haben die beiden Goldburschen sich verfahren?“
Wir machen es uns auf dem Sofa bequem, wo ich mir gleich mal eine Kippe anzünde.
„Das Date von dem Arschloch ist doch diese mega Bitch gewesen. Die musste dauernd Pause machen. Wegen ihrem Schlampen-Make-Up, oder weil sie mal für kleine Tussis musste. Auf jeden Fall, mussten wir irgendwann wieder wegen ihr halten und weißt du, was sie dann gebracht hat!?“
Kopfschüttelnd und mit neugierigem Blick sieht er mich an.
Ich nehme noch einen Zug, bevor ich es ihm sage, „Sie hat mich vollgekotzt.“
Viktor gibt sich gar nicht erst Mühe seinen Lachanfall zu unterdrücken. Er lacht und lacht und lacht und ich sitze daneben und kann nur angesäuert die Lippen aufeinander pressen und meine Kippe in den Aschenbecher werfen.
„What the fuuuck“, lacht, während er sich die Tränen aus den Augen wischt, „Mara, du bist so ein Glückspilz.“
„Ich geb' dir gleich'n Glückspilz, Pisser!“
Er holt noch ein Mal tief Luft, dann beherrscht er sich, indem er sein Lachen runterschluckt und nur noch schadenfroh grinst, „Also ich hatte gestern Nacht auf jeden Fall meinen Spaß.“
„Oh, hast du Tanja endlich um die Ecke gebracht?“, provokant starre ich ihn an.
Viktor nimmt seine Hand und schnippt mir gegen die Stirn, „Nein, Süße, natürlich nicht. Warum sollte ich die beste Bitch, die ich kriegen kann, an die Wand hauen?“
„Ehm“, überlege ich laut, „Vielleicht weil sie ein Frosch ist!?“
Augenverdrehend lächelt er mich ironisch an, „Und dadurch wird sie dann zur Prinzessin oder was?“
„Nein“, ich muss schmunzeln, „Eine wie sie wird nie zur Prinzessin.“
„Mara, du bist echt ein Biest“, lacht er, dann kommen auch schon seine monströsen Hände auf mich zu und wuscheln mir durchs Haar.
„Hey“, lachend springe ich vom Sofa auf, was er auch tut, und jage ihn durch meine Wohnung.
„Und mit wem hast du's getrieben“, lacht er, „-»Grinsebacken Sunnyboy« oder »Mister Fucking President«?“
„Mit beiden“, grinse ich ihn an, dann schnappe ich mir ein Kissen und brate ihm eins über.
„Du kleine...“, beginnt er, dann trifft ihn wieder das Kissen.
„Uuups, sorry“, lache ich ihn aus.
„Na warte!“, auch Viktor greift sich ein Kissen, dann holt er aus, sein Kissen rast durch die Luft und... trifft nicht, weil ich mich blitzschnell hinhocke.
„... Hexe!“, er versucht es wieder und dieses Mal trifft er auch. Das gibt Rache!

Irgendwann liegen wir keuchend nebeneinander auf dem Boden und ringen nach Luft. Ich fahre mir durchs Haar, weil er mir überall vom Kopf absteht.
„Und du bist wirklich mit Sunny Boy verwandt?“
Atemlos sehe ich zu meinem besten Arschlochkumpel, „Scheint so.“
„Und du stehst auf ihn?“ Der Schalk spricht nur so aus seinen Augen.
„Ich will ein Kind von ihm“, grinse ich zurück.
„Du weißt dann schon, wie entstellt dein Kind sein wird? Es wird permanent beschissen grinsen“, gibt er mir zu denken.
„Fuck“, gespielt entrüstet schlage ich die Hand vor den Mund, „Dann sollten wir lieber eins adoptieren.“
Viktor lacht und haut mir mit seiner Faust leicht gegen die Schulter, „Du könntest eh nie mit ihm zusammen sein.“
„Stimmt“, ich lächle ihn an, „Ich hab ja meinen Traummann schon gefunden“, den Moment, in dem er von meiner Ernsthaftigkeit irritiert ist, hole ich wieder mit dem Kissen aus und treffe ihn voll im Gesicht. Lachend falle ich wieder auf den Rücken und halte mir den Bauch. Sein Gesicht war zu GEIL!
„Pass' auf meine Liebe“, knurrt Viktor fast, dann dreht er sich auf die Seite, winkelt den Arm an und stützt den Kopf auf die Hand, „Ich weiß es.“
Von einem Moment auf den anderen verklingt mein Lachen. Ich spüre wie mein Gesicht sich plötzlich so anfühlt, als hätte ich nie gelacht.
„Was ist los?“, Viktors Stirn legt sich in Falten, dann wedelt er mit der Handfläche und abgespreizten Fingern vor meinem Gesicht herum, „Mara?“
Wütend schlage ich seine Hand weg, „Lass mich.“
„Ich meinte nicht, die Sache mit...“
„Es ist okay“, fahre ich ihm dazwischen und richte mich auf, „Vergiss' es einfach.“
„Was ich meinte ist: Ich weiß, dass du Steffen leiden lassen wirst“, mein verstörter Blick bringt ihn irgendwie dazu weiter zu reden, auch wenn er im Moment nichts besseres tun könnte, als die Fresse zu halten, „Er steht unsterblich auf dich und du fährst auf seinen besten Freund ab.“
Sofort springe ich auf die Füße, ich glaube, es hackt! Soweit kommt's noch!
„Tu ich GAR NICHT!“, fauche ich Viktor an, dann zerre ich auch ihn auf die Beine, um ihn auf Augenhöhe mit meinem tödlichen Blick zu konfrontieren.
Viktor hebt die Mundwinkel zu einem kaum merklichen Lächeln, was mich anschreit mit: »Glaubst du echt, ich bin so blind!?«. Ja, glaube ich.
„Hallo-oo!?“, ich starre ihn so gut es geht zu Boden, „Ich bin doch nicht masochistisch veranlagt!“
„Nein, nein“, säuselt er – heute geht er mir so was von auf den SACK –, dann schiebt er die Lippen ein Stück nach vorne, „Du bist also nicht so wie die ganzen anderen Schlampen, die sich ihm nackt vor die Füße schmeißen?“
Einen Augenblick überlege ich, weit auszuholen und ihm eine runter zu hauen, dann entscheide ich mich lieber dazu, meine Wut und Aufgewühltheit ignorant runter zu schlucken und grinsend zu nicken, „Sag' du's mir, Penner.“
Schulternzuckend grinst er mich frech zurück an, „Mit seinen ganzen Designer-Klamotten und Strebernoten ist er eh nichts für dich, Süße.“
„Hm, genauso unerreichbar wie du, ne?“, frage ich ihn zurück, als er wieder irgendeinen Scheiß antworten will, brate ich ihm einfach wieder das Kissen über den Kopf. Ich glaube, dass tut Viktor auch mal ganz gut; sagt man nicht Kissenschlachten fördern die Vermehrung von Gehirnzellen?! Obwohl, das bringt bei ihm auch nichts mehr...


CHAPTER TWENTY-NINE: Attending school


Alex



„Alexander!“
Widerwillig reiße ich meinen Blick von meinem Spiegelbild fort. Zum Glück sehe ich nicht so beschissen aus, wie ich geschlafen habe. Allein der Style meiner Haare lenkt von den blassdunklen Schatten unter meinen schmalen Augen ab.
Schwungvoll öffne ich meine Zimmertür und mustere Marie ausdruckslos. Sie hat ihre Hände auf Bauchnabelhöhe gefaltet.
„Kannst du mich nicht von woanders aus anbeten?“
Sie verkneift es sich, irgendwie darauf zu reagieren, obwohl es einen Moment seltsam in ihrem Blick aufblitzt.
„Ihre Mutter fragt nach Ihnen, es hat eine sehr hohe Priorität, dass sie Sie heute Morgen noch sprechen kann.“
Ich stemme meine rechte Hand in die Hüfte, „Finde ich sie im Speisesaal?“
Marie nickt, dann dackelt sie davon.
Aufrecht, mit durchgestrecktem Rücken und elegantem Schritt mache ich mich auf zum Saal. Es fühlt sich einfach nur seltsam an, Zuhause zu sein. Hier zu sein. Um ehrlich zu sein, fühlt es sich kein bisschen wie Zuhause an. Es ist einfach nur ein Ort, an dem ich mit meiner Familie lebe. Ein protziges Gebäude mit einem riesigen Garten und einer privaten, unterirdischen Garage.
Ich setze den ersten Schritt in den Speisesaal, auf den Boden, der so aalglatt glänzt, weil er drei Mal am Tag gereinigt wird. Meine Mutter steht mit dem Rücken zu mir am Fenster, was sie nicht davon abhält, mich zu bemerken.
„Komm' bitte zu mir, Alexander, wir müssen reden.“ Sie sieht mich nicht an, als ich neben sie trete und mich räuspere.
„Worüber, wenn ich fragen darf?“
„Freitag Nacht kommst du überhaupt nicht nach Hause. Erst Samstag Morgen. Klitschnass in fremden Klamotten. Und die waren garantiert nicht von Steffen, bei dem du ja angeblich warst“, obwohl ihre Mundwinkel zu einem leichten förmlichen Lächeln gehoben sind, ist ihre Stimme sachlich, „Folgend beschließt du mit Amelie einen Abend, vielleicht auch eine ganze Nacht zu verbringen. Dieses Mal kommst du zwar eher zurück, aber halbnackt. Sag' mir, was ich von dir halten soll, Alexander. Du bist mein Sohn, ich will nicht hören, was eine Mutter hören will, ich will die Wahrheit.“
Du willst dich in mein Leben einmischen, denke ich und presse meine Kiefer aufeinander, um diese Gedanken nicht auszusprechen. Aber ich will nicht, dass andere wieder darüber bestimmen, dass ich glücklich bin. Ich will nicht, dass andere überhaupt über mich bestimmen.
„Amelie hat gefroren, darum habe ich ihr mein Hemd angeboten. Aber da du die Wahrheit wissen willst: Ich mag sie nicht. Amelie ist mir zu aufgesetzt. Wenn ich sie sehe, sehe ich Tonnen von Kosmetik. Und Girlie-Klamotten.“
Meine Mutter sieht mich an. In ihre strahlenden blauen Augen tritt ein Ausdruck von Skeptik, „Aber Hilary war doch ...ähnlich.“
Ich presse meine Lippen aufeinander, bis meine Mutter mir einen missbilligen Blick zuwirft, „Was hat Hilary, was Amelie nicht hat?“
Ein Seufzen unterdrückend wende ich meinen Blick wieder aus dem Fenster, „Das ist es ja: Nichts. Hilary... war ein Fehler. Und ich sollte jetzt zur Schule gehen, wenn ich die ganzen“, ich räusper mich »Tussen«, „jungen Frauen vor dem Haus noch abwimmeln will.“
„Gut, dann bis heute Abend“, sie nickt mir kurz zu, was mein Zeichen zu gehen ist.

Es ist fast so wie immer in der Schule. Amelie versucht mich ständig anzubaggern. Die Schlampen kotzen mich genauso an wie sonst. Und auch Steffen tut so wie sonst. Unbeschwert und grinsend. Trotzdem weiß ich, dass er sich fast die ganze Zeit um Mara Sorgen macht. In der Pause laufen wir ihr und Viktor über den Weg. Einen Moment überlege ich, etwas anzusehen und ihnen zuzunicken, irgendwas zu tun. Aber dann entscheide ich, dass ich es keinem schuldig bin. Nicht Mara, nicht Viktor und erst recht nicht mir selbst. Darum ignoriere ich sie und laufe einfach weiter, im Gegensatz zu Steffen, der stehen bleibt, dann aber doch irritiert zu mir aufschließt, weil Mara und Viktor ihn genauso wenig beachten wie ich sie.
„Was sollte das denn?“, kopfschüttelnd sieht er ihnen nach, ich sehe ihn genervt an.
„Nicht jeder schließt seine Mitmenschen so schnell ins Herz wie du, Alter.“
Steffen zuckt die Schultern, „Klar. Es ist aber auch nicht jeder so abgebrüht wie du.“
„Ich weiß“, ich muss schmunzeln, das passiert mir in letzter Zeit viel zu oft – ich kann meinen Durchschnitt von drei Lächeln pro Woche nicht mehr halten, „Und genau das macht mich zu was Besonderem.“
„Aha“, Steffen scheint heute schlecht drauf zu sein, zumindest hört er sich um einiges gereizter als sonst an, „Das kalte Herz des Prinz Charming hat also nur Backstageausweise für speziell ausgewählte Personen.“
„Nicht ganz. Es sind eher Personen, die es wert sind.“
Steffen bleibt wieder stehen, „Bin ich es denn wert? Was macht mich bitte zu deinem Kumpel?“
Auf so einen Scheiß hab ich keinen Bock, darum lasse ich ihn mitten in der Schule stehen und verpisse mich auf den Schulhof. Sofort kommt eine Gruppe von fünf Mädchen lachend und tuschelnd auf mich zu.
„Alex, wie war dein Wochenende?“, fragt die Mutigste. Ihre schwarzen Locken sind zu einem französischen Zopf gepflochten, der über ihrer rechten Schulter liegt und dessen pinkes Haargummi mich provokant angrinst.
Katastrophal, aber das geht keine von diesen Huren was an. „Cool.“
„Stimmt es“, beginnt sie, „dass du noch keine Begleitung für den Ball hast?“ Ihr scheiß Zwinkern hätte sie sich sparen können, darauf steh ich nicht.
„Nein.“
„Hast du noch kein Mädchen gefragt?“, will eine andere wissen. Wenn es Sommer wäre, würde ihre Schminke schmelzen und nur so von ihrem Gesicht auf den Boden plätschern, wie ein komischer Schokoladenbrunnen. Das Make-Up und der ganze schwarze Krams um ihre Augen kann nur ein Braun ergeben.
„Ich veranstalte ein Casting, um die perfekte Partnerin zu finden.“
„Echt?“, aufgeregt sieht mich die Schwarzhaarige aus braunen Kulleraugen an. Eigentlich starren sie mich alle neugierig und beschissen an. Bitches halt.
„Das ist SO cool!“, tuscheln sie, „Alex hat so viel Stil!“
„Nein“, beantworte ich die Frage, dann drehe ich mich von ihnen weg und gehe zurück ins Gebäude, hier wird es zu langweilig.

Vor unserem nächsten Klassenraum steht Viktor und unterhält sich mit diesem Trottel Patrick. Schweigend stelle ich mich zu ihnen, lehne mich gegen die Wand und schließe einen Moment die Augen. Doch dann geht es schon wieder los.
„Alex?“
Genervt hebe ich die Lider und sehe Patrick an, „Was!?“
Er grinst mich mit einem zahnbespangten Freakgrinsen an, „Was hast du so am Wochenende gemacht?“
Missbilligend beobachte ich, wie er bereits den Stift und Block gezückt hat, um alles, was ich sagen werde, zu dokumentieren.
„Ich hab mich besoffen und halb Deutschland entjungfert“, lüge ich.
„Das wüsste ich aber!“
Reflexartig wirble ich herum, um Mara zu sehen, die mich mit überzeugtem, selbstbewussten Blick und ohne mit der Wimper zu zucken taxiert.


CHAPTER THIRTY: Ditching school


Mara



Im ersten Moment weiten sich Alex' Augen überrascht, dann legt er sofort seinen Arschlochausdruck auf. Selbstgefällig verziehen sich seine Lippen zu einem ganz leichten unverschämten Lächeln, „Hast du mich vermisst, oder was?“
„Nein“, mit schnellen Schritten gehe ich auf ihn zu, stoppe erst kurz bevor ich gegen ihn laufen würde, „Dein Hemd ist eingelaufen.“
„Das wird teuer.“
Ich strecke ihm die Zunge raus, „Dein Problem.“
Er stößt mir gegen die Schulter, „Als ob DU mein Hemd waschen würdest.“
Aus zusammengekniffenen Augen funkele ich ihn an, „Als ob es für DICH teuer werden könnte.“
„Haha“, macht dieser Nerd, der die ganze Zeit hinter Alex steht und alles, was er sagt mitschreibt, „Als ob das ein Ehestreit wäre.“
„Ich weiß nicht, wer du bist“, aber ich könnte dir in deine Fresse schlagen, „aber ich weiß, dass du deine Hackfresse noch 'ne Weile behalten willst, also halt einfach die Klappe, bevor ich-“, ich spüre alle Blicke auf mir, mal wieder. Diese beschissene Parallelklasse hat echt kein Gespür für mein Privatleben, was ich in der Schule ausleben will. Arschgeigen.
Empört ruft diese schlampige Lisa auch noch meinen Namen, als ob mich das von irgendwas abhalten könnte. Als ob ich sie beachten würde!
„Bevor ich“, fahre ich fort, „dir dabei behilflich seien MUSS.“
Nervös sieht die Hackfresse von mir zu Alex, in seinem Blick liegt plötzlich Anerkennung, denn es ist dieser »Idol-Blick«. Opfer wie er haben immer irgendwelche unlogischen Idole, wie beschissene Schulsprecher oder einfache Gruppenanführer, „Alex“, murmelt er, „Verstößt sie nicht gegen die Schulordnung?“
Viktor, der zwar mit mir mitgekommen ist, aber bisher noch nichts gesagt hat, zieht mich ein Stückchen von Alex und diesem Honk weg, „Mara, weißt du worauf ich jetzt Lust habe?“
„Sex on the beach.“
„Nö“, er schüttelt den Kopf, „Lass uns skaten gehen.“
Belustigt nicke ich, „Mit denen da“, ich deute auf Alex, den Trottel und Steffen, der auch dabei, aber eher im Hintergrund steht, „bin ich eh fertig.“
Ich drehe mich ihnen ein letztes Mal zu, dann hebe ich die Hand und winke, wobei ich zuckersüß „Byebye!“ rufe, bevor ich sie wieder sich selbst überlasse und mit Viktor den Korridor entlang laufe.
„Gib mal dein Handy“, Viktor hat wartend die Hand ausgestreckt.
Kommentarlos reiche ich es ihm, während ich in meiner Tasche nach einem Zopfgummi suche. Ich hab heute keine Lust mehr darauf, mit offenen Haaren rumzulaufen, gerade provozieren sie mich einfach nur. Darum binde ich sie mir zu einem pompösen Dutt zusammen.
„Trrrendyy“, bemerkt Viktor, wobei er sich mein Handy schon ans Ohr hält.
„Hey. Wie geht’s?“
In Viktors Augen glänzt irgendwas, der alte Junkie hat wieder irgendeinen abgefuckten Plan. Na super!
„Hm, weil es geil wäre, wenn ihr auch kommen würdet.“
Irritiert mustere ich ihn, während er munter weiter labert.
„Jetzt sei' nicht so ein Streber! Freitag warst du doch auch locker. Also wir sind auf'm Skateplatz.“
Bei mir macht es klick und ich stöhne genervt auf. Schön, dass mein bester Freund sich so toll mit Steffen versteht – schön für IHN, aber ich hab keinen Bock darauf, Steffen und Alex immer vor der Linse zu haben. Naja, das stimmt nicht ganz. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen sie hätte. Eigentlich ist es sogar immer ganz in Ordnung mit ihnen. Aber trotzdem habe ich keine Lust, von Steffen irgendeine grinsende Scheiße zu hören.
Viktor gibt mir mein Handy zurück und ich zeige ihm meinen Mittelfinger.
„Ich hab das nur für dich gemacht, Süße.“
Ich hebe eine Braue, „Klar“, während ich mich räuspere zeig ich ihm den Vogel, „Weil ich ja auch nur gesagt hab, dass ich mit denen fertig bin, weil ich sie weiterhin um mich rum haben wollte.“
Viktor schmunzelt, „Wenn du sie nicht um dich herum haben willst, warum gehst du dann hin und laberst Alex wegen irgendeinem eingelaufenem Hemd an?“
Gereizt verschlinge ich meine Arme vor der Brust ineinander, „Ich wollte ihn schocken.“
Mein bester Freund lacht humorlos auf, „Sicher“, dann bleibt er einen Moment stehen und zieht seinen Hausschlüssel aus der Hosentasche, „Ich hol' mein Board, während du hier ja weiter darüber nachdenken kannst, wie du Alex anflirten kannst.“
„Hey!“, rufe ich ihm noch nach, aber da ist er schon im Haus verschwunden. Idiot.
Nur weil ich und Alex... uns überraschend... anders … verstehen als erwartet, hat das überhaupt nichts zu bedeuten! Viktor weiß ja nicht mal was von der Realität – wie nah wir uns wirklich schon waren, hab ich ihm nicht erzählt.
„Und?“, will er wissen, als er mit seinem schwarzblauen Skateboard kurz darauf wieder vor mir auftaucht, „Hast du schön geträumt?“
„Seit wann bist du eigentlich SO?“, skeptisch mustere ich ihn.
„Wie bin ich denn?“, stellt er knapp die Gegenfrage, ohne mich aus den Augen zu lassen, als ich beim Nachdenken die Lippen kräusele.
„Du laberst dauernd nur noch von Alex oder Steffen.“
Grinsend nimmt Viktor meine Hand und zieht mich wortlos mit sich die Straße entlang, Richtung Skateplace.
„Ey, du Arsch, krieg' ich keine Antwort mehr, oder was!?“
„Wenn du schon findest, dass ich oft an die beiden denke, dann solltest du mal überlegen, was das dann für dich heißt, Babe.“
„Für mich“, ich nehme einen tiefen Atemzug und stoße die nächsten Worte schnell und zischend aus, „heißt das gar nix. Ja, okay, vielleicht ist es ganz geil mit denen zu chillen, aber trotzdem muss ich nicht gleich auf einen der beiden mega abfahren, nur weil ich sonst nicht mit jedem Arschloch so viel diskutiere!“
Er schüttelt den Kopf, „Und du schließt auch nicht bei jedem Arschloch sofort dein Zimmer ab.“
Ich lächele ihn milde und immer noch genervt, wenn nicht sogar leicht arrogant – wessen Einfluss das nur sein kann?! – an, „Zufall.“
„Ach“, macht er, „Und ist es auch Zufall, was bei euch vor der Couch abgegangen ist?“
Empört reiße ich meine Hand von seiner und starre ihn an. „Vor der Couch?“, frage ich scheinheilig. Naja, irgendwie klappt es mit dem Scheinheiligen nicht ganz...
Kunstvoll hebt er beide Augenbrauen gleichzeitig und starrt mich mit einem Monsterblick ganz schön tief an, „Steffen hat nicht im Schlaf geseufzt. Das war ich, als ich gesehen hab, was passiert, wenn ich dich mal eine Minute alleine lasse.“
Ich kriege bald meine Tage. Das ist der einzige Grund, warum mir jetzt die Tränen der Wut in die Augen treten. Ansonsten würde ich ihm jetzt höchstens ein kommentarloses, kaltes Schulternzucken schenken.
„Ich habe Recht“, stellt er fest, als er meinen Blick auffängt, dann legt er seine Arme um mich und drückt mich leicht an sich, „Hey, Süße, nur weil ich mir vorstellen kann, wie du fühlst...“
„Fresse“, murmele ich und mache mich langsam von ihm los, mit ergebenem Blick und einer ungewöhnlich ehrlichen Portion Ehrlichkeit nicke ich ihm zu, „Vielleicht hast du einen Teil verstanden, aber den anderen umso schlechter kapiert. Ich will nichts von Alexander Precht. Alles was ich will, ist Spaß. Ich will Action, Party, dröhnende Musik in meinen Ohren und einfach das Gefühl spüren, am leben zu sein. OK!?“
Viktor presst die Lippen kurz nachdenklich aufeinander, nickt mir ebenso zu und murmelt, „Ich glaube, dass niemand je alle Teile von dir verstehen wird.“
Und das muss auch keiner. Ich will niemandem alles von mir zeigen. Ich will keine Leute um mich herum, die ständig fragen, wie es mir geht; ob es mir wirklich gut geht. Genauso wenig wie Leute, die auf Partys dauernd ankommen mit: »Du solltest echt nichts mehr trinken«, wenn die wüssten, was ich alles aushalte.
In meinen Gedanken driffte ich ab, bis wir auf dem Skateplatz ankommen. Und irgendwie kann ich es nicht leugnen, dass ich mich doch ein bisschen freue, als ich Alex und Steffen da sehe. Es kann nur geil werden!
„Ich wette mit dir“, ruppig stoße ich Viktor in die Seite, „dass keiner von beiden skaten kann.“
„Und ich wette, dass einer von beiden besser ist als du“, kontert er grinsend.
„Bäh!“, indem ich ihm die Zunge rausstrecke bestätige ich die Wette, „Wir werden sehen.“


CHAPTER THIRTY-ONE: Halfpipe


Alex



„Ich kann es echt nicht fassen“, sage ich, als ich sehe, dass Mara und Viktor auf uns zu kommen, „dass wir den beiden jetzt hinterherlaufen.“
Grinsend zuckt Steffen die Schultern, „Bin halt gerne da, wo Mara ist, Alter.“
Ich geb dir gleich ein »Alter« denke ich und verdrehe die Augen.
„Was wollt ihr denn hier?“, streitlustig verengt Mara ihre grünen Augen.
Viktor springt direkt auf sein Skateboard und fegt über den Platz.
„Geht es dir gut?“, fragt Steffen seine »Arielle« vor uns.
„Kannst du es denn ändern, wenn ich nein sag?“, sie greift sich eine Schachtel Zigaretten aus der Handtasche und sieht uns gereizt an, „Feuer?“ Darauf muss ich doch jetzt nicht wirklich reagieren.
„Ne“, sagt Steffen, dann sieht er mich fragend an. Ich reagiere immer noch nicht.
„Hm?“, macht Steffen, „Alex?“
Langsam wende ich meinen Blick auf Mara, die mich ironisch anlächelt.
„Seh' ich aus wie'n Brandstifter?“
„Joa“, murmelt Steffen, während Maras Stimme klar wie Eis ist, „Nein, aber wie'n Arschloch.“
„Leutee!“ Ich blende Steffen aus.
„Gut erkannt, du kleine Schlampe.“
„Alex!“, genervt wende ich Steffen meine Rückseite zu.
Unbeeindruckt sieht Mara mich weiterhin an, und nach einem kurzen Wimpernschlag, greift sie nach meiner Hand und zieht mich mit sich fort.
„Mara! Alex!“, ruft Steffen, was mich nicht mal mehr zum Seufzen bringt, weil ich diese Energie echt nicht für so was Unnötiges verschwenden will.
„Ich regle das schon selbst!“, brüllt sie ihm über die Schulter zu, während sie meine Hand immer noch in einem für eine Frau starken Griff hält und daran zieht, als wäre sie ein Tau. Scheißegal. Ich bin halt ein geiler Typ, ich bin es gewohnt, dass Tussen mich hinter Häuser und in Gassen ziehen wollen, um mir ihre Liebe zu gestehen. Trotzdem weiß ich, dass Mara das nie tun wird. Mara ist dafür einfach zu anders.

„Warum bist du hier?“, zischt sie, als sie meine Hand loslässt. Der Abstand zwischen uns ist gefährlich klein, höchstens dreißig Zentimeter.
„Nicht wegen dir“, lüge ich sie an und nehme ihr die unangezündete Zigarette aus der Hand und schmeiße sie auf den Boden.
Blitzschnell überbrückt Mara den Abstand zwischen uns und küsst mich. Was ist denn mit DER los!? In ihrem Kuss liegt eine Spur Verzweiflung und Zerstreutsein. Und trotzdem genieße ich es, ihre warmen, weichen Lippen zu spüren und sie zu schmecken. Aber genauso ruckartig, wie sie mich geküsst hat, lässt sie auch wieder von mir ab.
„Ach ja, was ich dir sagen wollte: Viktor hat uns gesehen. Freitag Nacht bei mir.“
Nachdem sie das gesagt hat, dreht sie sich schnell von mir weg und läuft den Weg zurück zum Skateplatz.
„Mara!“
Sie wird kleiner, je weiter sie läuft.
„Rennst du vor MIR weg oder vor deinen Gefühlen!?“
Kurz bleibt sie stehen, aber mit dem Rücken zu mir, „Fuck. Ich schätze vor beidem.“
Dann läuft sie weiter und ich stehe einen Moment perplex da.
Je mehr ich mit Mara zu tun hab und je näher wir uns irgendwie kommen, desto weniger versteh ich von dem allen. Ich versteh nicht mal, warum ich wirklich hier bin. Warum ich mit Steffen mitgekommen bin. Ich blicke nicht, wie sich meine Gedanken so rasant geändert haben und warum ich nun viel zu oft an Mara denke. Beschissene Tussi!
Leicht kopfschüttelnd schlendere ich zurück zum Platz, wo ich bereits sehe, wie Viktor und Mara Steffen dabei beobachten, wie er versucht zu skaten.
„Er kann's nicht“, grinst Mara Viktor an.
„Aber für dich wird er das bestimmt lernen“, ich versuche meine Stimme gleichgültig zu halten, was mir auch gelingt, obwohl sich bei dem Gedanken etwas in mir ausbreitet, was ich nicht tolerieren will. Eifersucht. Die letzte richtige Eifersucht, die ich hatte, hat mir nur beschissene Nächte und Stress bereitet. Ich will das nicht wieder durchmachen.
Viktor sieht mich überrascht an, „Steffen würde sicher alles machen.“
Mara stößt ihm ihren Ellenbogen in die Seite, „Halt die Klappe, Frosch.“
„Frosch!?“, grinst er sie an.
„Hey!“, ruft Steffen, „guckt mal, ich kann's schon ein bisschen!“
„Wow“, macht Viktor halbherzig, dann mustert er wieder Mara, „Frosch!?“
Zuzwinkernd nickt sie ihm zu, „Du hast einen froschgrünen Gürtel an.“
Er verdreht die Augen und sieht mich an, „Manchmal frag ich mich, was in diesem Kopf abgeht.“
„Party“, grinst Mara.
Viktor kommt näher auf mich zu, dann fragt er so leise, dass Mara es nicht hören kann: „Und... Würdest du für sie Skaten lernen?“
Was soll das denn!? Seh' ich aus wie'n Weichei, was sich von den Wünschen irgendeiner Tussi einlullen lässt.
„Nope“, antworte ich und sehe ihn skeptisch an, „Hast du es denn für sie gelernt?“
Viktor lacht auf, „Seh ich so aus, als würde ich mich von Girls dazu beeinflussen lassen, sowas zu lernen?“
Steffen kommt mit dem Board unterm Arm auf uns zu gelaufen, „Hey, Alex, du bist dran.“
Ich schüttle den Kopf, „Ne, lass mal.“
Mit zwei drei schnellen Schritten steht auch Mara wieder bei uns und alle drei sehen mich etwas bittend an.
„Komm schon“, versucht es Steffen wieder, dieses Mal mit einem noch größerem Grinsen.
„Es ist eine Wette“, erklärt Viktor, „Ich hab gewettet, dass du oder Steffen besser fährst als Mara.“
„Tzz“, macht Mara, „Schafft Alex eh nie.“
„Ach ja? Was bekomme ich dafür, wenn ich's schaffe?“
Viktor nickt mir zu, „Ich lasse dich daran profitieren, dass ich gewonnen habe. Du wirst es nicht bereuen“, während Mara die Augen verdreht und „Du wirst es bereuen“ sagt.
„Alex“, grinst Steffen, „Hast du nicht vor ein paar Jahren mal einen Skatekurs gemacht?“ Ja, hab ich. Aber ohne weitere Worte, greife ich nach dem Board und fahre los. Die ersten Meter sind etwas ungewohnt, weil ich seit zwei Jahren nicht mehr gefahren bin, aber dann überkommt mich das gleiche Gefühl wie damals. Das Gefühl von Freiheit. Zügig fahre ich auf die Halfpipe zu; Wollen wir doch mal sehen, was ich noch so drauf hab!
Meine Zuschauer blende ich komplett aus, alles, was ich sehe, ist das Board und die Halfpipe. Nachdem ich einige Airs gemacht habe, ergreift mich auch wieder die alte Freude daran und ich bin total vertieft darin, von der Pipe runter auf den Asphalt zu fahren und eine Kombination aus Flips und Shov-its zu machen, die ich mir mal selbst beigebracht hab. Echt beschissen, dass ich damals mit dem Skaten aufhören musste, ich hätte noch so viel besser werden können.


CHAPTER THIRTY-TWO: Pipe down


Mara



„HA!“, stößt Viktor aus und haut mir leicht auf die Schulter, „Er IST besser als du.“
Auch Steffen sieht mich überrascht an, „Du fährst auch?“
Schulternzuckend wende ich ihm zu, meine Mundwinkel sind zwar hochgezogen aber das was meine Lippen da veranstalten ist eher Missmut als Lächeln.
„Ja“, grinst Viktor, „Sie sieht zwar beim Skaten wie eine junge Göttin aus“, allein dafür musste ich ihm genervt gegen die Schulter boxen, „au... ABER so gut wie unser Prince Charming ist sie never.“
Stirnrunzelnd schüttelt Steffen den Kopf, „Never?“
„Never ever!“, grinst Viktor, „Außer... wenn ER ihr Nachhilfe gibt.“
„Hey!“, mische ich mich jetzt ein, „Laber' keinen Scheiß über mein Leben, als würde ich nicht selbst dran Teil haben; huu, als ob ich es nötig hätte, mir von DEM DA in irgendwas Nachhilfe geben zu lassen.“
„Wie schade...“ Die Schadenfreude in Viktors Augen lodert nur so auf und dann zieht er mich zu sich ran und murmelt mir ins Ohr, „DU hast immer noch die Wette verloren und ich dachte über ein bisschen Skaten mit deinem.. ehm... Alex würest du dich freuen... aber wenn du das nicht willst...“ Ich höre sein eindeutig zweideutiges Grinsen ganz deutlich aus seinen Worten heraus, „... werde ich mir etwas noch Besseres überlegen.“
Seufzend schubse ich ihn von mir, um ihm ins Gesicht zu starren, „Was soll das eigentlich!?“
Er schnaubt auf, „Als ob du das nicht wüsstest. Mara, sieh' den ganzen Scheiß nicht so eng. Du warst nie so verklemmt, wie du dich jetzt anstellst.“
„Verklemmt; Hmm!?“, einer meiner tödlichsten Blicke trifft ihn, aber er lässt ihn mit einem kühlen Lächeln von sich abprallen.
Und bevor er noch was dazu sagen kann, steht Alex wieder bei uns und mustert uns alle misstrauisch.
„Ihr seht so aus, als würdet ihr gerade eine illegale Sekte gründen.“
„Und du siehst immer noch wie ein Arschloch aus.“
Er ignoriert mich und nickt Viktor zu, „Hat sie ihre Tage?“
Wütend funkel' ich Viktor an, der überrascht den Mund öffnet und den Vorschlag begeistert annimmt, „Ja! Das muss es sein.“
„Ihr seid alle so beschissen“, mit dem Zeigefinger deute ich auf Viktor, „Und ich dachte DU wärst mein Freund.“
„Ouu“, macht Alex, „Hast du Tanja abgehakt?“
„Nein“, grinst Viktor, „Diese Qualitäten hakt man nicht einfach ab“, dann wendet er sich wieder zu mir, „Mara, natürlich SIND wir Freunde und genau DARUM helfe ich dir.“
Steffen räuspert sich, „Vielleicht sollten wir wieder gehen...“
„Gute Idee“, schnaubt Alex, wirft Viktor sein Board zu und dreht sich bereits von uns weg. Es fühlt sich verdammt seltsam an. Ich weiß nicht, warum ich das einerseits will und andererseits versuche es zu verhindern.
„Alex!“, rufe ich ihm also nach und er dreht sich tatsächlich um.
„Was!?“
„Lass' dich auf kein Date für den Ball ein.“
Ungläubig starrt Steffen mich an, Viktor grinst und Alex hebt den rechten iMundwinkel, was dieses halbe Lächeln irgendwie ironisch wirken lässt, „Reservierst du dir gerade einen Platz an meiner Seite?“
„Nein.“
„Was dann?!“ Sein röntgender Blick ruht auf mir, auf meinen Augen. Ich weiß nicht, was er darin sucht, aber er wird es nicht finden. Da bin ich mir sicher.
„Ich reserviere dir den EINEN Platz an meiner Seite, Darling.“
Augenverdrehend hebt er die Hand und wirft mir einen Luftkuss zu, „Bis dann, sexy bitch.“
Als er weg ist, grinst Viktor mich immer noch an.
„Das war's doch, was du vorhattest oder?“
Schulternzuckend sieht er gen Himmel, „Das wirst du wohl nie erfahren.“
„Mara?“, fragt Steffen, „Ich muss mal mit dir reden.. alleine.“
Ich sehe zu Viktor, der sich mit seinem Board unter den Armen wieder auf den Weg zur Halfpipe macht, „Lasst euch von mir nicht stören.“

Also stehe ich da mit Steffen. Der mich unerwartet unsicher anlächelt. Ich gebe ihm etwas Zeit, in der er seine Gedanken noch mal ordnet, bevor er sich schließlich räuspert.
„Seit Freitag haben wir jetzt was miteinander zu tun.. Zum ersten Mal richtig gesehen hab ich dich Donnerstag... und jetzt ist zwar erst Montag, aber trotzdem fühle ich mich so, als würde ich dich schon so viel länger kennen.“ Der Penner soll endlich mit der Sprache rausrücken!
„Mara, ich weiß, dass wir total unterschiedlich sind. Du wohnst in einer Wohnung in einem richtigen Stadtviertel und ich lebe in einer Villa, in einem Reichenviertel. Du sagst immer was du denkst, nimmst kein Blatt vor den Mund und machst dein Ding und ich bin dazu erzogen, so zu sein, wie ich bin. Und trotzdem bist du die Einzige, die ich rund um die Uhr sehen will. Du machst mich zu einem vollkommenen Idioten. Wenn ich morgens aufwache, denke ich an dich. Warte nur darauf, dich irgendwo so schnell wie möglich zu sehen.“
Och nee, keine kitschige Liebeserklärung! Ich würde ihm jetzt zu gern sagen, was ich WIRKLICH denke, dass mich sein ständiges Gegrinse nervt und seine Schleimerei ankotzt, aber ich reiße mich zusammen. Weiß der Teufel warum.
„Und abends, wenn ich im Bett liege“, vor meinem inneren Auge erscheint das Bild von Steffen, wie er sich langsam auf sein Himmelbett, was wahrscheinlich nebenbei auch noch ein komfortables Wasserbett ist, legt und die Arme hinter dem Kopf verkreuzt, „sehe ich nur dein Gesicht. Egal, ob ich die Augen offen oder geschlossen habe, da wird jeden Abend wieder dieses unglaublich hübsche Mädchen auftauchen, mit den Haaren so rot wie Blut, Augen so grün wie ich mir den schönsten Farn im Regenwald vorstelle und der schärfesten Zunge, die mir bisher untergekommen ist.“
Ich seufze, „Steffen. Das ist alles verkeh-“, Verkehrt, verkehrt, verkehrt! Warum unterbricht er mich, Pisser!
„Psst, ich versuche grade, dem Mädchen meiner Träume die Liebe zu gestehen.“
„Es reicht“, stelle ich knallhart klar, „Such' dir wen anders, für dein krankes Anhimmeln. Wen, der sich freut, wenn du ihn den ganzen Tag angrinst. Jemanden, der deine Komplimente zu schätzen weiß und vorallem jemanden, den ich nicht kenne.“
Ich weiß, das was ich ihm da gerade eiskalt sage, ist hart. Aber es ist wahr.
„Das war's dann wohl“, ich zucke ein letztes Mal die Schultern, dann lasse ich ihn da sprachlos stehen. Ich hab keine fucking Lust, mir ein letztes Mal sein Gesicht anzusehen, seinen Blick oder ein trauriges Lächeln. Was auch immer. Nicht jetzt. Und nicht heute. Und überhaupt nicht SO.
„Mara...“, höre ich ihn noch unglaublich gebrochen murmeln, aber ich ignoriere es. Ich habe Steffen NIE Grund geben, sich Hoffnungen zu machen. Er ist selbst Schuld, wenn er sich in mich verliebt. Obwohl es keine Liebe sein kann. Wenn das überhaupt existiert, dann nur, wenn es beide gleichzeitig empfinden. Einseitige Liebe gibt es meiner Meinung nach nicht. Überhaupt das ganze Gefasel von Liebe ist scheiße.
Überrascht bemerke ich, dass meine Füße mich zurück zur Schule gebracht haben. Straaaangee. Scheißegal, wenn ich schon mal da bin, kann ich auch in den Unterricht gehen.


CHAPTER THIRTY-THREE: Paper doesn't blush.


Alex



Ich kann nichts dagegen tun, dass ich Dienstag morgen schon eine halbe Stunde früher als gewöhnlich wach werde. Um halb sechs. Ich bin kein bisschen verschlafen mehr, meine Lider sind so leicht, dass sie selbst beim Zwinkern sofort wieder hochschnellen – Weiterschlafen geht auf keinsten. Darum liege ich auf meinem Bett und starre an die Decke. Sie ist weiß. So weiß wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Mein unbeschriebenes Blatt Papier. Dass jedes leere Blatt irgendwann zu etwas Besonderem wird, hat Hilary mal gesagt. Es gab eine Zeit, in der sie viele solcher Dinge gesagt hat. Aber nur halb so viel – wenn überhaupt – erklärt. Doch an die Story mit dem leeren Blatt erinnere ich mich noch ganz genau. »Alle Menschen sind doch im Prinzip leere Blätter. Die Blätter machen ihre Persönlichkeit aus, aber Persönlichkeit ist nicht einfach da. Man wird zu dem, was man ist.« Sie meinte, dass wir, wenn wir geboren werden, noch unschuldig und unbeschrieben sind. Leere Seelen. Und jedes Blatt wird in seinem Leben etwas erleben; jedem wird etwas widerfahren, was es zu dem macht, was es ausmacht. Kein Blatt ist wie ein anderes; es kann nie zwei identische Originale geben. Selbst wenn etwas vollkommen identisch scheint, ist es doch aus anderen Umständen und Vorhaben entstanden. Ob ein Maler ein Gemälde malt, weil er sich dazu bestimmt fühlt und die Kreativität nicht mehr länger zurück halten kann – oder ob jemand dieses Gemälde kopiert, weil er es fälschen und verkaufen will, ist ein riesiger Unterschied. Und Hilary war davon überzeugt, dass nicht nur das Endprodukt zählt.
Ich weiß, dass ich es normalerweise meide, an Hilary zu denken. Weil mich selbst die schönen, bunten Zeiten mit ihr, zwangsläufig an das verletzende und dunkel Ende erinnert. Aber heute morgen ist es anders. Im Moment ist alles so verdammt anders. Ich spüre, dass ich mich verändere und … so lächerlich das auch klingen mag... ich heile. Scheißegal, warum das alles passiert, Hauptsache: es passiert. Obwohl eins feststeht, Amelie hat damit Nichts zu tun. Wie ich aus der Sache wieder rauskomme, steht auch noch in den Sternen.
Als mein Wecker klingelt, springe ich aus dem Bett und mache mich fertig. Als ich aus dem Bad komme, prasselt schon der Regen gegen meine Fensterscheiben, denn die Rollläden sind bereits automatisch hochgefahren. Seufzend stelle ich mich einen Moment ans Fenster und beschließe, dass ich mich zur Schule chauffieren lassen werde. Dieses Pudelwetter würde mir sonst meine Frisur ruinieren!
Beim Frühstück benehmen meine Eltern sich noch seriöser als sonst. Ich weiß, dass ich einfach nur abwarten muss, sie werden mir noch sagen, was sie mir zu sagen haben.
Und so kommt es auch.
„Alexander“, stimmt mein Vater an, „Gestern Abend ist ein Fax für dich eingegangen.“
Meine Mutter wendet ihren Blick aus dem Fenster, Eis trifft auf Regen. Ein Wunder, dass die Regentropfen nicht auf der Stelle zu Eiskristallen frieren. Prachtvolle Eiskristalle, wie die Juwelen eine Königin, die sich sanft auf das Haar meiner Mutter legen. Wie zu einer Krone angeordnet. Doch so intensiv ihr Blick aus dem Fenster auch war, so schnell ist er doch auf mich gerichtet, etwas weicher. Trotzdem immer noch nicht so, wie Mütter ihre Kinder ansehen. Aber das ist meine Mutter. Ernster, kühler und mir in vielen Hinsichten so fern.
„Das Fax ist von Hilary, sie bittet dich, sie in den Staaten doch besuchen zu kommen. Am Wochenende.“
Ich schlucke meine Fassungslosigkeit mit einem Schluck Orangensaft hinunter, „Was ist der Grund dafür?“
Mit einem leichten, einschätzenden Lächeln reicht mir mein Vater ein Blatt Papier. Weder unbeschrieben, noch unschuldig. Ein Fax von Hilary.
„Lies' selbst.“
»Lieber Alexander,
ich weiß, in der Vergangenheit ist viel passiert. Und ich bin mir bewusst, dass ich gesagt habe, es sei zu viel gewesen. Aber jetzt ist alles so anders. Erst jetzt, wo ich dich nicht mehr sehe, dich nicht mehr habe, spüre ich diesen Verlust. Du hast sicher schon einmal gehört, dass man etwas erst zu schätzen weiß, wenn man es nicht mehr hat. Als wir uns voneinander gelöst haben, hätte ich nie gedacht, dass mir dieses zu Teil je werden würde. Du fehlst mir unfassbar stark. Ich bereue es zutiefst, dich verloren zu haben und möchte mich auf für alles entschuldigen, was ich dir angetan habe. Darum bitte ich dich, mich dieses Wochenende, wenn es möglich ist, in den Staaten zu besuchen. Ich möchte dir persönlich gegenüberstehen und dir zeigen, wie ernst ich es meine. Du fehlst mir. Hilary.«
„Du solltest hinfahren“, bringt meine Mutter trocken hervor. Ich spüre, dass sie nicht will, dass ich zu Hilary fahre. Gleichzeitig ist sie sich aber bewusst, dass ich es tun muss. Hilarys Eltern sind einflussreiche Geschäftspartner, mit denen die Verhandlungen in letzter Zeit nicht sehr zufriedenstellend gelaufen sind.
„Ich denke darüber nach“, murmele ich, dann stehe ich auf und schiebe den Stuhl ran, „Samstag ist auch ein Schulball, zu dem Amelie gerne gehen wollte.“
Überrascht hebt meine Mutter die Brauen, „Du willst sie freiwillig begleiten?“
Schulternzuckend sehe ich sie an, „Vielleicht.“
Die Mundwinkel meines Vaters verziehen sich resignierend nach unten, „Du kannst auf keinen Fall beides machen. Entweder dieser alberne Schulball oder der Besuch in den Staaten.“ Damit war deutlich, was sie von mir wollten.
„Ich werde sorgfältig darüber nachdenken“, mit einem höflichen Nicken verabschiede ich mich von meinen Eltern und schreite aus dem Saal. Im Flur treffe ich Tony an, der mich anlächelt.
„Was machst du noch hier? Ist deine Schicht nicht seit zwei Stunden vorbei?“
„Ich hatte noch etwas hier zu regeln; aber ich wollte mich jetzt auf den Weg machen.“
„Hm“, ich zucke mit den Schultern, „Bist du zu Fuß bei dem Wetter?“
„Ne, Mann, zum Glück nicht. Hab mir am Wochenende endlich den Sportwagen gegönnt, auf den ich schon so lange scharf war. Den roten.“
„Krass“, ich ziehe einen Mundwinkel hoch.
„Lust auf 'ne kleine Spritztour?“, bietet er an, „Ich fahr' dich schnell zur Schule – liegt eh auf dem Weg.“
„Joppadidu.“

Als wir in seinem Auto sitzen mustert er mich schräg von der Seite.
„Was?“
„Joppadidu?“
Das Grinsen, was sich auf meine Lippen stiehlt, kann ich mir nicht verkneifen und außerdem, sehe ich es auch nicht ein. Im Moment habe ich keine Lust, mich der ganzen Welt komplett zu verschließen. Auch, wenn ich das so lange getan hab, ist gerade alles anders. Ich will manchen Leuten einfach zeigen, wer ich bin, wer ich wirklich bin. Und das macht mir gute Laune. Vielleicht sollte ich auch Steffen heute zeigen, dass ich nicht immer nur ein Arschloch als Kumpel bin.
„Das hast du nicht von mir“, selbst während des Redens bleiben meine Mundwinkel gehoben.
„Alex“, erstaunt und mit funkelnden Augen starrt Tony mich an, „WO ist Alexander Precht hin!? Du bist.. gruselig.“
Er fährt los und ich mustere mein Gesicht im Seitenspiegel. Meine Pupillen sind riesig und ich sehe fast schon freundlich aus. Sympathisch. Charmant. Scheiße, was passiert mit mir? Egal, jetzt ist nicht der Zeitpunkt für trübe Gedanken und die Suche nach mir selbst – abgesehen davon, dass ich mir selbst gerade so nah bin, wie lange nicht mehr.
„Ich glaub, die Zahnfee hat mich heute Nacht besucht und mir ein Grinsen ins Gesicht genäht.“
„Tz“, Tony wirft mir einen amüsierten Blick zu, „Wenn die Zahnfee nur halb so heiß wie das Girl, was du datest ist, musst du sie mir vorstellen.“
Er hält vor der Schule an und ich greife in meine Hosentasche und ziehe ein Werthers-Bonbon heraus, „Hier, lass' es dir schmecken.“
„Egoist“, neckt er mich, nimmt aber grinsend das Bonbon und legt es ins Handschuhfach, „Wer weiß, was du mit den Sachen in deiner Hose alles anstellst.“
Als Antwort hebe ich einfach nur kurz eine Braue, ehe ich ihm ein letztes Lächeln zuwerfe und die Autotür hinter mir zufallen lasse.


CHAPTER THIRTY-FOUR: Paper, Scissors, Stone


Mara



Der ganze Dienstag ist so schnell vergangen, dass ich abends ungläubig im Bett liege und nachdenklich meine Haare in viele kleine Zöpfe flechte, wobei ich auch noch die CD einer recht unbekannten Punk-Band höre, die mir Viktor mal zu Weihnachten geschenkt hat.
Nicht nur Viktor und ich, auch Steffen war überrascht, als Alex heute morgen auf uns zukam – mit gehobenen Mundwinkeln. Die ganzen fünfzehn Schritte lang! Ich sehe sein Lächeln immer noch vor mir und es fühlt sich selbst jetzt noch strange an, daran zu denken. Aber in letzter Zeit ist alles unfassbar strange. Allein, dass ich und Viktor morgens vor der Schule mit Steffen – Grinsebacke – Teichert und Alexander – Arschloch – Precht zusammen stehen. Fast schon wie eine Clique oder so eine kranke Gang.
Wann ist das passiert? Wann nur? Es sind ja echt nur ein paar Tage gewesen. Aber wenn Steffen nicht an diesem Freitag Abend mit Alex vor meiner Tür gestanden hätte, wäre es alles nie so gekommen, wie es jetzt ist. Nie im Leben hätte ich mich dazu durchgerungen, mit jemandem wie Alex zu so einem kitschigen Ball zu gehen.
Alex ist aber irgenwie... mysteriös. Ich hab das Gefühl, ihn nie einschätzen zu können. Er ist interessant; da ist irgendetwas an ihm, was ihn von der Menge abhebt. Und damit meine ich nicht sein Geld, seinen Style oder seinen Ruf. Irgendwas an ihm zieht mich an. Trotzdem würde ich nicht so weit gehen und sagen, dass ich ihn liebe oder so. Nicht, weil ich Angst vor den Worten habe – na gut, vielleicht ein ganz kleines bisschen – sondern, weil ich weiß, dass es keine Liebe gibt. Das ist alles erfundene Scheiße, aus Legenden, Märchen, was die Medien nutzen, um uns alles mögliche zu verkaufen. Klar!!, alle Frauen verlieben sich in einen Typen, wenn er ein bestimmtes Parfum trägt – weil es auch garantiert unwiderstehlich ist. Hm, egal. Auf jeden Fall war der ganze Tag sonderbar. Alex ist später wieder kühler geworden, aber ich denke eher, um nicht dem ganzen Schulhof sein atemberaubendes Grinsen zu präsentieren. Dann würden wahrscheinlich die Girls mal mit wirklichem Interesse auf ihn stehen. Ich denke nicht im geringsten, dass die alle so vernarrt nach ihm sind, wie er denkt, denn ein Arschloch steht nicht automatisch als Superheld da. Reich, arrogant und beliebt zu sein, kann nicht hinkommen. Und ich glaube, dass er das auch wissen muss, dass sie ihn alle nur so porno finden, weil er unerreichbar für sie scheint. Sie würden ihn alle nur zum Angeben wollen – zumindest stelle ich mir das so vor. Und ich glaube, dass Amelie die schlimmste von allen ist. Wenigstens konnte ich mich heute bei ihr wegen der Kotzattake revanchieren, auf eine etwas kindische Art...
Trotzdem muss ich beim Gedanken daran auflachen und setze mich im Bett auf, als es an der Haustür klingelt. Immer noch lachend öffne ich sie und lasse Luna rein.
„Was ist denn mit dir los? Haste schon wieder 'ne Tüte geraucht?“
Ich höre, wie die Tür ins Schloss fällt und spüre wie Luna, meinen vom Lachen bibbernden Körper mit sich auf die Couch zerrt.
Dann funkelt sie mich solange böse an, bis ich mich beruhigt habe. Ihr Blick ist eine direkte Aufforderung: »Warum lachst du!?«
„Es war einfach nur geil, wie ich Amy den Liter Cola übergekippt hab.“
Luna lächelt mich mit ihren blassen Lippen leicht an, „Das hat die Tussi echt mal verdient. Meine Schwester ist mit ihr in irgendeinem Kurs und wenn sie mal von Amelie erzählt, ist es einfach nur erbärmlich, was man von ihr hört.“
„Jaa“, ich grinse versonnen.
„Treeeendige Zöpfchen“, neckt sie mich.
„Hast du ein Problem damit!?“
„Nope, Süße“, plötzlich beginnen ihre Augen zu strahlen und damit meine ich EISIG zu strahlen, „Aber ich dachte, dass ich dir was erzählen sollte. Ich hab Tanja gesehen.“
„Wow, die erste Nutte, die dir über'n Weg gelaufen ist?“, schon wenn ich den Namen Tanja höre, nehme ich eine abweisende Haltung ein, indem ich meine Arme vor der Brust verkreuze.
„Sie war nicht alleine, sondern mit so 'nem Kerl, der sich Tony nennt, unterwegs und es sah nicht freundschaftlich aus. Die beiden scheinen.. sich sehr nah zu stehen. Es war wirklich intim. Und das mitten auf der Straße.“
„Fuck“, stoße ich aus, „Weiß Viktor schon davon?“
Abwägend zuckt Luna mit den Schultern, „Ich hab nicht mit ihm geredet. Aber wenn die beiden Schluss gemacht haben...“
„Auf keinsten“, vehement fickt mein Kopf sich durch die Luft, „Er wollte sich heute Abend noch mit ihr treffen.“
„Willst du mit ihm reden?“
Ich lache trocken auf, „Komm' doch einfach mit, Luna. Ich weiß nicht, ob er mir sofort glaubt.“

Viktors älterer Bruder Finn öffnet die Tür, als wir sturmklingeln. Seine Haare sind zu einer Sturmfrisur gestylt – wie passend. Eigentlich ist er ziemlich attraktiv mit seinem schwarzen Haar, der relativ blassen Haut und den klaren blauen Augen. Doch unter seinen Augen sind tiefe, dunkle Ränder und seine Pupillen sind mal wieder eher Stecknadelköpfe als Pupillen. Ich weiß nicht, was für'n Zeug er nimmt, aber es ist zu viel davon. Viel zu viel. Und auch wenn Viktor sein Bruder ist und auch mal ab und zu was raucht, weiß ich, dass er nicht so werden wird wie Finn. Solange ich da bin, wird er nicht so werden!
„Mara, hat man dir immer noch nicht beigebracht, wie man den Klingelknopf loslässt?“
Ruckartig reiße ich meinen Finger von der Klingel und schiebe mich an Finn vorbei in die Wohnung, „VIKTOR?“
Als ich keine Antwort bekomme, laufe ich schnell die alte Holztreppe hoch und stürze schwungvoll in Viktors Zimmer.
Doch von Viktor ist nichts zu sehen, stattdessen steht Tanja vor mir. Ich höre, wie Luna sich an der Haustür mit Finn unterhält und überlege einen Moment, ob ich einfach wieder zu ihr runter laufen und weiter nach Viktor suchen soll. Doch dann packt mich die Wut und ich schlage die Tür hinter mir zu.
„Mara“, abwertend und hochnäsig mustert mich die Nutte, dann zwinkert sie mir ironisch zu, „Was willst du?“
Ich grinse sie halbherzig und genervt an, während ich mit langsamen Schritten immer näher auf sie zukomme, „Ich wollte Viktor nur von einer kleinen, nuttigen Schlampe erzählen, die auf der Straße mit 'nem Pisser rummacht.“
Sie lacht bitter auf, „Und ich dachte, ihr wärt richtige Freunde.“
„Du kannst denken!?“, herausfordernd starre ich sie an. Sie ist kleiner als ich, locker zehn Zentimeter und ihre Haare stehen wüst von ihrem Kopf ab.
„Mara, vergiss es. Was glaubst du, wem Viktor mehr vertraut? Seiner ach so tollen besten Freundin, die sofort petzen läuft und jedes Gerücht glaubt, oder mir? Seiner großen Liebe?“
Nun muss ich finster auflachen, „Nach großer Liebe sieht das aber nicht aus.“
„Als ob gerade du was davon wüsstest. Mary, Mary, Mara, ich sag' dir jetzt mal was: Wir werden heiraten.“
Meine Gesichtszüge entgleiten, ich spüre, wie meine Augen groß werden, ich wage es kaum, zu blinzeln. WAS hat die Schlampe gerade gelabert!? Bitte, WAS?
„Was?“
Sie nimmt ihren Zeigefinger und stößt mir damit gegen die Stirn, „Ich bin schwanger. Wir gründen eine kleine, niedliche Familie. Ich liebe Viktor, Viktor liebt mich und alle sind happy. Obwohl.. eigentlich sind wir erst alle happy, wenn eure Freundschaft endlich auseinander gebrochen ist.“
Ich schubse sie von mir weg und funkele sie an, wenn meine Blicke töten könnten, würde sie schon sehr lange nicht mehr existieren, „Das wirst du nicht schaffen, Bitch!“
„Ach, meinst du? Ich denke, dass ich es locker schaffe. Dieses feste Band zwischen dir und Viktor war früher viel stärker und es hat mich angekotzt! Dass du ihm so wichtig warst, ist einfach unerträglich. Man sollte nicht so viel mit seinen besten Freunden gemeinsam machen. Nicht SO viel! Ich will Viktor für mich haben, für mich und unser Kind und dich... will ich am Boden sehen. Da wo du hingehörst.“
„Du sagst, dass du Viktor liebst“, meine Stimme ist kraftvoll, obwohl es mich innerlich schüttelt, „wie kannst du dann so egoistisch sein?“
Sie will schon zu einer Antwort ansetzen, aber ich hole aus. Es geht schnell. Blitzschnell trifft meiner Handfläche auf ihre Wange, sie schreit auf und schubst mich weg, wobei Tanja aber die ist, die dabei auf den Boden fällt.
Als nächstes schwingt die Zimmertür auf und Viktor steht da und realisiert die Situation.
„Mara.“
Viktor steht einen Augenblick einfach nur da, so als wüsste er nicht, wie er damit umgehen sollte.
„Tanja!“
Dann stürzt er auf Tanja zu, deren Schminke durch die ganzen erzwungenen Krokodilstränen total von ihren Augen aus über die ganzen Wangen verflossen ist.
„Was ist hier los?“
„Sie..sie.. sie“, schluchzt Tanja und zeigt auf mich. Ich verschränke die Arme vor der Brust und warte darauf, dass Viktor zu mir sieht, ich will Augenkontakt, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich unschuldig bin. Dass ich sie immer noch hasse, weil sie... unsere Freundschaft zerstören will.
Doch als er mich ansieht, fällt es mir auf. Sein Blick ist ernsthaft besorgt. Wegen TANJA! Arschlochkumpel!
Also könnte es wirklich war sein..
„Hey, du!“, rufe ich ihm zu, nicke ihm dabei knapp zu, „Stimmt das, du wirst Vater?“
Viktor fährt sich mit der Hand durch die Haare, während Tanja „Komm schon, steh' zu unserer Familie“ murmelt. Und das ist genug. Ich will ihm jetzt nicht mehr ins Gesicht sehen. Alles was ich jetzt will, ist wegzulaufen.
Bevor ich darüber nachdenken kann, tragen meine Beine mich schon weg von diesem Ort. Schneller als der Wind bin ich draußen auf der Straße, die mir jetzt seltsam grau und kalt vorkommt. Ich laufe, ignoriere Luna, die mir etwas nachruft.
Laufe einfach nur weg.
In meinem Kopf ist ein Wirbelsturm, Bilder rasen herum, Erinnerungen. Sachen, die Viktor über Tanja gesagt hat. Dass sie nur eine Fick-Freundin wäre. Mehr nicht. Lügner! Er ist so eine Fotze! So ein Penner! Erst jetzt bemerke ich, warum es in meinem Gesicht noch kälter zieht, nicht nur wegen dem Wind. Sondern auch, weil meine Wangen tränennass sind. Ich heule noch mehr, immer mehr, weil in meinem Kopf nur noch eines vor sich geht: Wenn Viktor mir nicht mal mehr sowas anvertraut, kann ich dann überhaupt seine beste Freundin sein? Sollte er nicht mit mir über so was reden wollen? Oder mir wenigstens sagen, dass er Vater wird? Bin ich bereits so unrelevant, dass ich gar nicht mehr informiert werde?! Ich weiß nicht wo ich bin, in irgend einer Straße, wo ich noch nie war. Die Häuser sind fremd, aber ich sehe sie sowieso verschwommen. Alles ist grau. Keuchend falle ich auf die Knie, mitten auf der Straße. Es tut nicht weh. Ich fühle den körperlichen Schmerz nicht, alles was mich verletzt, ist das, was in mir vorgeht. Erinnerungen kommen hoch. Erinnerungen daran, allein zu sein. Der Brutalität des Lebens alleine ausgesetzt zu sein. Heulend breche ich zusammen. Ich, Mara Sommer, die eigentlich immer ihre Fassade wahrt. Und die Zeit, in der ich nach außen kühl und verschlossen war, endet plötzlich hier. Ich kann das nicht in mir lassen. Es geht nicht. Alles bricht aus mir hervor, als ich jetzt auf dieser Straße liege. Wie ein Embryo zusammengerollt. Mein Magen rebelliert und ich schmecke Galle. Es fängt an zu regnen, sanft und einlullend. Meine Tränen hören trotzdem nicht auf zu laufen. Ich weiß, dass es nicht nur wegen Viktor und Tanja ist. Das ist nur der Auslöser dafür, dass ich jetzt hier liege, am Ende bin. Schuld sind meine Großeltern und meine Erzeuger. Diese unmenschlichen Arschlöcher!!


CHAPTER THIRTY-FIVE: Making the best of a bad job


Alex



Mein iPhone klingelt, als ich gerade mit Steffen zusammen die letzte Bahn in unserem kleinen Privatschwimmbad geschwommen bin und dabei bin, aus dem Wasser zu steigen. Schnell – scheiß darauf, dass ich ausrutschen könnte – laufe ich zu dem kleinen Beistelltisch und trockne meine Hände nur flüchtig ab. Auf dem Display steht »Mara« und ich kann mich eigentlich nicht direkt daran erinnern, wann ich ihre Nummer eingespeichert habe. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle. Ich nehme ab und wähle die Freisprechfunktion, um mir das iPhone nicht an meinen nassen Kopf halten zu müssen. Hinter mir höre ich Steffen, der auch aus dem Wasser gestiegen und mir hinterher gewatschelt ist.
„Ja?“, frage ich.
Einen Moment ist es still in der Leitung, dann höre ich ein aufgeregtes Tuscheln, „Es hat endlich jemand abgenommen..“ oder so.
„Hallo?“, versuche ich es noch mal. Steffen stellt sich neben mich und zieht die Stirn kraus, als er Maras Namen auf dem Display liest. Aber er ist still und wartet auch darauf, dass sich jemand meldet.
„Hallo“, es ist die Stimme einer Frau, keine alte, eher eine junge Stimme, die sich erst noch einmal räuspert, bevor sie fortfährt: „Entschuldigen Sie, aber wir haben eine junge Frau auf der Straße vor unserem Haus gefunden, deren Zustand... fragwürdig ist.“
Ich presse meine Lippen aufeinander; was soll das? Ist Mara... diese junge Frau?
„Nun ja“, fährt die Frau fort, „Sie scheint zusammengebrochen zu sein. Im Moment ist sie einfach nur geschwächt und schläft wahrscheinlich. Sie sind die erste Nummer in ihrem Telefon, deswegen haben wir Ihre Nummer gewählt.“
„Was ist mit Mara passiert?“, fragt Steffen, Wassertropfen perlen über sein Gesicht, sein Blick ist starr, geschockt.
Die Frau reagiert nicht, sondern seufzt.
Ich wiederhole seine Frage etwas lauter.
In meiner eigenen Stimme schwingt Sorge mit. Ich habe Angst; was ist da vorgefallen!? Warum liegt Mara zusammengebrochen auf einer Straße? Warum ist sie alleine?
Erst hören wir wieder ein Seufzen, dann wieder eine kurze Pause, ehe die Frau antwortet, „Ich weiß es nicht. Als mein Mann und ich sie gefunden haben, schien sie weder bewusstlos noch ohnmächtig oder ähnliches zu sein. Sie war wach, aber aufgebracht, durcheinander, aufgewühlt. Ich möchte mit meiner Behauptung nicht zu weit gehen, aber sie schien.. traumatisiert.“
Traumatisiert, traumatisiert, echot es in meinen Gedanken. Traumatisiert, mitten auf der Straße zusammengebrochen und jetzt bei Fremden... Ich sollte.. was!? Etwas dagegen tun? Komm Alex, denk ich mir, mach' dich nicht lächerlich. Es ist nicht meine Angelegenheit.
Traumatisiert.
Traumatisiert.
Traumatisiert.
Mara. Mara. Mara. MARA! Ich muss...
Ich schlucke, presse kurz die Augenlider ganz fest zusammen und öffne sie wieder, dann gebe ich dem Befehl nach, der sich in meinen Gedanken aufgebaut hat, und will gerade etwas wie „Geben Sie mir bitte ihre Adresse, damit ich Mara abholen kann.“ sagen, als ich feststelle, dass Steffen schon reagiert hat. Er hat sich die Adresse sagen lassen, in der Zeit, als ich … in Gedanken war. Als die Fremde auflegt, treffen sich unsere Blicke.
„Fahr du dorthin“, meine Stimme klingt schon wieder so seltsam.
Steffen fährt sich mit der Hand durch das nasse Haar, dann schüttelt er den Kopf, „Ich würde ja, aber sie will nicht mich sehen. Glaub mir, Alter, mit dir nimmt sie da-“
„So eine Scheiße!“, rufe ich aggressiv, „Mara liegt bei irgenwelchen Fremden, weil sie auf der Straße zusammengebrochen ist und wir diskutieren noch!“
Ohne ein weiteres Wort stürme ich aus dem Privatbad und mache mich so schnell wie noch nie fertig.


Toll! So hab ich mir den Abend vorgestellt: außer Puste mit nassen Haaren, OHNE Frisur, durch den seichten Regen zu sprinten, der zwar sanft und fein wie Bindfäden ist, aber sofort direkt durch die Klamotten geht. Ich bin nass. Und trotzdem finde ich es nur halb so schlimm, weil ich mich für Mara beeile. Der Gedanke ist gar nicht so strange, wie ich dachte.
In dem Moment, als mir aufgegangen ist, dass es scheißegal ist, was Steffen und ich uns gegenseitig sagen, dass es nur darauf ankommt, Mara jetzt irgendwie daraus zu holen, konnte ich nicht länger da bleiben. Nicht mal für ein »Ciao«, erst recht nicht für Erklärungen oder Abmeldungen wegen meinen Eltern. Das kann warten. Mara nicht.

Die Zeit scheint nicht schnell genug zu vergehen, es dauert ewig, bis ich bei dem Haus ankomme. Obwohl es gar nicht so weit ist und die Uhr auf meinem iPhone bestätigt mich, dass ich nicht mal zehn Minuten gebraucht hab.
Ohne zu zögern klingele ich. Ich achte nicht auf den Nachnamen, der auf dem Klingelknopf steht, sondern starre fieberhaft auf die Tür. Sobald sie sich öffnet, zwinge ich einen einigermaßen höflichen Ausdruck auf mein Gesicht. Ich weiß, ich bin Alex mit »A wie Arschloch«, aber ich bin immer noch der Sohn meiner Eltern und... ach, das ist doch jetzt alles unwichtig!
„Sind Sie Alex?“, die Frau hat naturblondes kurzes Haar und scheint um die dreißig Jahre alt zu sein.
Ich nicke knapp. Mein Puls rast an meinem Hals und in meinem Kopf. Fast lauter als ihre Stimme.
„Komm rein“, fordert sie mich auf, „Die Schuhe kannst du anlassen.“
Wortlos führt sie mich die Treppe hoch durch dieses im ländlichen Stil eingerichtetes Haus in ein altmodisches Gästezimmer mit bäuerlichen Gardinen und einem echten Daunenfedernbett. In dem Bett liegt Mara. Ich erkenne sie sofort. Und gleichzeitig erkenne ich sie nicht. Das ist Mara. Aber nicht die Mara, die ich kenne.
Maras Körper ist mit der Daunendecke bedeckt, nur ihren Kopf kann ich sehen. Ihr knallrotes Haar ist nass und dreckig, viel dunkler und bräunlicher als sonst. Strähnen hängen ihr im Gesicht, kleben an der kalkblassen Haut auf ihrer Stirn und ihren Wangen. Maras Lippen sind knallrot, aber nicht von Lippenstift. Die dünne Haut ihrer Lippen ist gereizt, an manchen Stellen aufgesprungen. Ihre Augen sind geschlossen und vielleicht ist genau das der Grund, warum sie mir so anders vorkommt. Ich habe Mara noch nie so daliegen gesehen. Ihre Augen sind geschlossen. Ihre strahlend grünen Augen, der Kampfgeist, die Kraft, die Ironie und ihre provokante Unverschämtheit, sind aus ihrem Gesicht verschwunden. Weil ihr Blick fehlt.
Ich zögere, gehe aber schließlich näher zu dem Bett, ganz langsam. Bei jedem Schritt stelle ich mir vor, wie sie die Augen aufschlägt und einen dummen Spruch macht, aber selbst, als ich direkt vor ihr stehe, liegen ihre Lider noch still aufeinander.
„Ich habe Ihnen einen Kaffee gemacht“, das ist die Frau, ich hatte gar nicht bemerkt, dass sie mich hier allein gelassen hatte. Aber nun steht sie wieder in der Zimmertür und hält mir eine Tasse Kaffee hin, „Sie trinken doch Kaffee?“
Ich nicke dankbar und sie kommt ganz ins Zimmer, stellt die Kaffeetasse auf den Nachtschrank neben dem Bett und legt ihren besorgten Blick auf Mara, „Ich halte es für keine gute Idee das Mädchen zu wecken. Wir sollten warten, bis sie sich erholt hat und wenigstens gerade laufen kann.“
Mara sieht nicht gut aus. Sie sieht schwach, krank und verletzlich aus. Eigentlich wäre das, was die Frau eben vorgeschlagen hat, die beste Lösung, aber ich weiß, dass Mara es nicht so wollen würde. Sie verbirgt diese Seite von sich immer, dann wird sie nicht wollen, dass sie hier in einem fremden Haus rumliegt und ihren Dornröschenschlaf ausschläft.
„Vielen Dank für das Angebot“, zufrieden stelle ich fest, dass meine Stimme fester als am Telefon klingt, keinen Widerspruch duldender, „Ihr Angebot ist sehr großzügig, aber meine Freundin wohnt gar nicht weit von hier, und sie würde es mir im Nachhinein übel nehmen, wenn ich sie nicht nach Hause bringen würde, außerdem braucht sie bestimmte Medikamente, die sie nur Zuhause hat und regelmäßig einnehmen muss. Darum denke ich, dass es das Beste wäre, wenn ich sie jetzt nach Hause bringe und mich dort um sie kümmere.“
Die Frau sieht mich erschrocken an, „Besondere Medikamente?“, dann nickt sie zustimmend, „Unter diesen Zuständen...“.
Langsam schlage ich die Bettdecke zurück und hebe Mara behutsam aus dem Bett. Mit einem meiner Arme halte ich sie unter den Kniekehlen, mit den anderen am Rücken und trage sie so durch das Haus nach Draußen. Kurz bevor ich ein Taxi rufe, bedanke ich mich noch einmal bei der Frau und ihrem Mann, der Mara nur kopfschüttelnd mustert und „So ein junges Mädel“ murmelt.


CHAPTER THIRTY-SIX: Make yourself a home


Mara



Es ist still. Zu still. Meine Lider liegen schwer auf meinen Augen. Ich sehe schwarz und ich höre nichts. Immer noch nicht. Ich will die Augen öffnen, sehen, ob ich immer noch auf der Straße liege. Doch selbst dazu fehlt mir die Kraft. Die Luft ist zu warm und nicht frisch genug, um Luft von draußen zu sein. Das ist der einzige Gedanke, der wirklich zu mir durchdringt, auch wenn ich kurz danach wieder einschlafe.
Ich träume. Wenn ich träume, weiß ich, dass es nicht real ist. Doch oft fühlen sich die beschissenen Albträume einfach zu nah an der Realität an. Weil es in mir auch einen Teil gibt, der diese schrecklichen Szenen schon mal gesehen hat. Sehen musste.
Aber dieser Traum ist kein Albtraum:
Es ist Sommer. Die Sonne steht im Westen, sie wird erst in ein oder zwei Stunden untergehen. Eine lauwarme Brise liegt in der Luft, die mich umschmeichelt wie ein seichter Wind. Ein türkises Sommerkleid weht mir leicht um die Beine, als ich barfuß durch das golden leuchtende Kornfeld laufe. Der Moment ist einzigartig. Glücklich muss ich so breit es geht lächeln, weil die Sonne alles, was ich sehe in einen goldorangen Schein taucht und alles schön und warm scheinen lässt. Die Energie der Sonnenstrahlen durchflutet mich, was mein Grinsen nur noch verbreitert, wobei ich langsam meine Augen schließe und tief die angenehme Luft einatme, die sich so leicht atmen lässt, dass ich selbst davon nicht genug kriegen kann. Ich öffne die Augen und laufe weiter, immer weiter in Richtung der Sonne. »Ich werde bei ihr sein, bevor sie untergeht«, sage ich mir und laufe weiter, so schnell mich meine nackten Füße tragen können. Das Feld scheint unendlich lang zu sein und die Sonne neigt sich immer mehr zum Gehen. Aber ich will sie nicht gehen lassen, laufe weiter, schneller, fast schon panisch. Es darf nicht Nacht werden! Nicht heute und nicht jetzt! Nicht wenn ich hier alleine bin! Doch die Sonne sinkt. Sie lässt mich im Stich. Von einem Augenblick auf den anderen hat sich der Himmel verfinstert. Schwärze – unendliche Schwärze. Ein einziger Stern leuchtet schwach in dieser mondlosen Nacht. Es ist eiskalt, eine Kälte, die sofort durch die Haut geht und die Knochen einzufrieren scheint. Gänsehaut breitet sich überall auf meiner Haut aus. Meine Lungen schreien nach Luft und ich bleibe abrupt stehen und atme holprig die nun viel kühlere Nachtluft ein. Japsend fahre ich mir mit den Händen über die Arme, um sie ein bisschen zu wärmen. Meine Zähne klappern. Ich muss hier weg! Ich muss rennen! Ich darf nicht hier sein! Ich muss mich beeilen! In dem Moment, in dem ich das denke, stürzen aber bereits schwarze Gestalten aus der Dunkelheit der Nacht auf mich zu. Keine Ahnung, ob es Männer oder Frauen sind, aber sie sind gefährlich. Ich muss hier weg! Einfach nur weg! Ich will rennen, aber meine Füße sind wie gelähmt, ich kann mich nicht rühren. Die finsteren Gestalten rasen immer noch auf mich zu, nun erkenne ich, dass es Männer sind. Narben ziehen sich über ihre Gesichter. Ihre Köpfe sind kahlrasiert und sie sind komplett schwarz gekleidet. Mein Adrenalin rast ebenfalls. Ich höre meinen Puls schlagen, immer schneller, immer lauter. Die schwarzen Männer haben mich fast erreicht. Schwarz. Wie diese schwarze Nacht. Schwarz wie der Tod. Schwarz wie das tiefe Loch, was sich plötzlich vor mir auftut.

„Mara.“
Sofort schlage ich meine Augen auf. Vielleicht etwas zu schnell, denn alles, was ich sehe, ist noch verschwommen. Aber das legt sich.
Verwirrt legt sich meine Stirn in Falten, als ich Alex vor dem Bett stehen sehe.
„Was machst du hier?“, will ich wissen. Ich versuche den seltsam belegten Klang meiner Stimme zu ignorieren.
„Deine Stirn schweißnass“, murmelt er, dann reicht er mir ein Taschentuch. Ich fahre mir mit dem Tuch übers Gesicht, meine Haut ist eisig.
Langsam setzt er sich zu mir aufs Bett, „Ich wohne hier.“
Ruckartig reiße ich den Kopf nach rechts, dann nach links. Stimmt! Das ist nicht mein Zimmer! Es ist größer, spießiger und sieht einfach teurer aus. Das Bett, in dem ich liege, scheint wirklich arschteuer zu sein. Vom schnellen Hin- und Hergucken verwischt schon wieder alles ein bisschen vor meinen Augen.
„Du siehst nicht aus, als wenn es dir besser geht.“
Mit einem festen Blick fixiere ich Alex, starre ihm in die grauen Augen. Er starrt zurück. Fast so wie bei unserem letzten Blickduell. Nur dass sein Blick etwas besorgt ist, was mich irre provoziert.
„Mara...“
„Ich habe dich nicht gebeten, mich hier hin zu bringen“, stelle ich fest, während ich ihn an funkele und die Decke zurück schlage, um aus dem Bett zu springen, „Ich kann alleine auf mich aufpassen.“
Als ich auf die Beine komme, wird mir kurz schwarz vor Augen, aber es ist okay. Ich muss hier einfach nur raus. Und nach Hause. Verdrängen und vergessen. Und vielleicht mit … Viktor reden, das alles klären.. irgendwie. Wenn das noch geht.
„Mara!“, Alex springt auch auf, greift mich an den Schultern und dreht mich zu sich um, „Das hätte ich früher auch nie bezweifelt“, sein Blick ist ehrlich, was ist nur aus diesem Arschloch geworden!?, „Aber nachdem, was gestern Abend mit dir passiert ist-“
Was?! Ich sehe ihn konfus an, „Gestern? Gestern Abend?“
Einen kurzen Moment liegen seine Lippen viel zu stark zusammengepresst aufeinander, dann zwingt er sich wohl, sich wieder etwas zu entspannen, „Du hast auf einer Straße gelegen.“
Ich schiebe seine Hände von meinen Armen und straffe die Schultern, „Na und?“
Langsam fährt er sich mit der linken Hand durchs Haar, was soll DAS denn bitte!?
„Mara, wenn du jetzt gehst, komme ich ernsthaft in Schwierigkeiten.“
Misstrauisch hebe ich eine Braue, „Warum?“
Langsam dreht er seinen Kopf in Richtung Fenster, das offen ist und kühle, frische Nachtluft durch das Zimmer fluten lässt, „Es ist Mitten in der Nacht, Drei Uhr oder so. Und aus meiner Familie weiß niemand, dass du hier bist.“
„Ach“, entwischt es mir und ich lasse mich zurück auf das Bett fallen, „Es ist also ein Problem, dass ich unangemeldet hier bin.“
Seufzend setzt er sich neben mich, „Wenn die Sonne aufgeht, geht unsere automatische Alarmanlage aus und dann kannst du einfach durchs Fenster rausklettern.“
„Jo“, antworte ich, dann umhüllt uns eine seltsame Stille. Es wäre echt nice, wenn ich jetzt sagen könnte, dass sie nicht unangenehm ist, aber das kann ich nicht. Ich wende meinen Blick von Alex ab und lasse mich nach hinten aufs Bett fallen, sodass ich Löcher in die Decke starren kann.
„Ich bin nicht der Typ, der über sowas redet“, murmelt Alex schließlich, ohne sich mir richtig zuzuwenden, „Aber, wenn du mir irgendwas sagen oder erzählen willst...“
So weit kommt's noch!! „Tzz, als ob.“
Nun wendet er sich mir zu, nickt und lächelt leicht, „Dann erzähle ich dir was.“
Er legt sich neben mich, allerdings auf den Bauch, während er den Kopf auf seinem aufgestellten Arm aufstützt.
„Uuh, seit wann bist du ein Geschichtenerzähler?“, stichele ich.
Er grinst frech, dann zuckt er mit den Schultern, „Eigentlich hatte ich nie vor der Retter einer holden Jungfrau zu sein, aber seitdem ich sogar SteffensMeerjungfrau gerettet habe, nehme ich mir dieses Privileg einfach.“
Ach, so sieht das aus. ER hat mich gerettet. Oha, wie toll für ihn.
„Dann bin ich ja mal gespannt.“
„Hmm“, er lächelt versonnen, BOAH, das ist echt mal zu viel des Guten, WARUM um Himmels willen ist es nachts mit Alex immer so anders!? Warum ist er in letzter Zeit IMMER so anders zu mir?? Ich glaub, der Dulli ist krank.
„Es waren einmal“, begann er, „ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind, endlich machte sich die Frau Hoffnung, der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen. Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen, der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand; er war aber von einer hohen Mauer umgeben, und niemand wagte hineinzugehen, weil er einer Zauberin gehörte, die große Macht hatte und von aller Welt gefürchtet ward.“
Ich seufze, „Rapunzel?“
Alex grinst, „Das einzige Märchen, was ich komplett auswendig kann. Entspann dich einfach.“ Das dürfte mir ja nicht so schwer fallen, langsam schließe ich die Augen.
„Eines Tags stand die Frau an diesem Fenster und sah in den Garten hinab. Da erblickte sie ein Beet, das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war, und sie sahen so frisch und grün aus, dass sie lüstern ward und das größte Verlangen empfand, von den Rapunzeln zu essen.“
Er erzählt noch weiter und SO hab ich ihn echt noch nie reden gehört. Wenn ich früher nur das eine Bild von Alexander Precht hatte, dann kann ich heute mit Sicherheit sagen, dass er nicht der ist, für den alle Welt ihn hält. Er ist nicht nur das kühle Arschloch, auf den alle Tussis abfahren. Er kann auch ziemlich anziehend wirken, aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken.
Das Rapunzel-Märchen hilft mir, nicht an das zu denken, was ich heute – oder eher gestern – erlebt habe, nicht an das, was mich überrollt hat und auch nicht an den Traum, das blende ich alles aus.
„Das Verlangen nahm jeden Tag zu“, erzählt Alex weiter, „und da sie wusste, dass sie keine davon bekommen konnte, so fiel sie ganz ab, sah blass und elend aus. Da erschrak der Mann und fragte: »Was fehlt dir, liebe Frau ?« »Ach«, antwortete sie,“, als Alex die Frau nachmacht, kann ich mir ein Grinsen nicht verkneifen und auch, wenn ich ihn nicht ansehe, weil ich die Augen zu habe, weiß ich, dass er sich darüber freut, ich höre es ihm einfach an, als er weiter spricht, „»wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege so sterbe ich.« Der Mann, der sie lieb hatte, dachte: Eh du deine Frau sterben lässest, holst du ihr von den Rapunzeln, es mag kosten, was es will.“
Ich kann es nicht fassen! Alex erzählt mir Märchen. Allein dieser Gedanke war schon übelst lustig und der Gedanke, dass ich dabei sogar wieder einschlief ist … etwas beängstigend. Aber wenigstens hatte ich dieses Mal keinen Albtraum.


CHAPTER THIRTY-SEVEN: Loved, engaged, married


Alex



„Alexander!!“, ein heftiges Klopfen an meiner Tür lässt mich aufschrecken.
„Marie?“
„Ja“, ihr Ton ist nun etwas sanfter, „Sie haben verschlafen. Ihr Eltern warten schon seit zehn Minuten beim Frühstück auf Sie.“
„Fuck!“
Ich springe aus dem Bett, als mir plötzlich auffällt, dass da noch jemand liegt. Fuck, fuck, fuck, MARA. Diese öffnet gerade jetzt die Lider und richtet sich seufzend auf. Sie sieht besser aus als gestern Nacht. Aber immer noch nicht so richtig normal.
„Kommen Sie direkt zum Essen?“, möchte die fleißige Biene vor meiner Tür wissen.
„Nein, bitte entschuldige mich, Marie, ich bin“, ein Blick auf die Uhr sagt mir alles, was ich wissen muss, „schon viel zu spät dran.“
Mara krabbelt aus meinem Bett und ohne ein Wort oder einen weiteren Blick läuft sie zielstrebig in mein anschließendes Bad.
„Dann überbringe ich das jetzt für Sie“, seufzt Marie und... weg ist sie.
Kurz raufe ich mir die Haare; WIE soll ich Mara jetzt noch unbemerkt aus dem Haus bringen!? Während ich schnell in neue Klamotten reinschlüpfe, höre ich, wie im Bad die Dusche angeht. Was soll das denn jetzt!? Für eine entspannende Dusche hat jetzt keiner Zeit.
Aufgebracht klopfe ich an die Badezimmertür.
„MARA! Du kannst jetzt nicht duschen!“
„Und OB ich das kann“, höre ich ihre Stimme durch das Rauschen des Wassers rufen.
„Hey, das ist MEIN Bad!“
Ich drücke die Türklinke runter und reiße genervt daran, weil diese Hexe abgeschlossen hat, „Maaaaraa!“
„Vergiss' es, Mr. Perfect“, zischt sie giftig und duscht einfach weiter. Die kann noch was erleben. Also muss ich meine Frisur mithilfe des Spiegelbilds in der Fensterscheibe – ja, ich der FENSTERSCHEIBE! – richten. Tzz, unfassbar. Und gerade gestern Nacht hatte ich gedacht, dass wir gut miteinander klar kämen und jetzt liefert sie mir DAS. Wütend funkele ich mein Spiegelbild an, ein Plan muss her. Jetzt. Sofort!
Plötzlich hab ich es. Wieder mach ich mich an der Badezimmertür zu schaffen, „Mara?“
„Jaaaaaa...?“
Ich höre, wie sie das Wasser ausstellt und muss den Gedanken daran unterdrücken dass Mara nackt und nass in meinem Bad steht.
„Alex??“
Ich reiße mich zusammen, „Ich weiß, wie wir dich hier rausbekommen.“
„Durchs Fenster?“
Ich stocke, „Nee. Viel besser.“
„Also durch die Tür?“, irgendwie ist es mehr eine Feststellung. Ihre Stimme ist auf wieder fester als gestern. Sicherer. Sie ist einfach wieder mehr Mara.
„Ja“, ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, „Und jetzt beeil dich, wir haben nicht ewig Zeit.“

Nach einer halben Ewigkeit kommt Mara mit feuchtem Haar aus dem Bad. Uahc wenn sie nun schon viel eher sie ist, sind ihre Augen verdammt seltsam.
„Du hast geheult.“ Sie sieht mich mit skeptisch gewölbten Brauen an, antwortet aber nicht.
„Mara. Was ist gestern passiert?“
Mit der linken Hand, die etwas dabei zittert, als sie diese hebt, fährt sie sich durch das feuchte Haar, als sie näher auf mich zukommt. Ihre Stimme ist wieder GANZ anders, zart, leise, es ist kaum mehr als ein Flüstern, „Erinnerungen... Erinnerungen an schlechte Zeiten. Und … eine Konfrontation mit Tanja.“
In diesem Moment sieht Mara einfach nur zerbrechlich aus. In mir wächst etwas. Ein Instinkt, der von mir verlangt, sie einfach in die Arme zu nehmen und ihr Halt zu geben. Zu versuchen sie zu verstehen. Aber ich kann es nicht. Ich... bin nicht Steffen.
„Tanja? Die Schlampe von Viktor?“, frage ich deswegen nur und meine Stimme klingt sogar etwas schroff, was mir ein schlechtes Gewissen macht.
Mara zuckt die Schultern, „Die Mutter seines baldigen Kindes trifft es wohl eher“, dann kommt sie weiter auf mich zu, sodass sie direkt vor mir steht. Kein ganzer Zentimeter trennt uns noch voneinander. Ihr Gesicht ist meinem so nahe. Und ich sehe ihr in die Augen. Diese grünen, bezaubernden Augen. FUCK – hab ich, Alex Precht, gerade BEZAUBERND gesagt?! Scheiße. Doch ihre Augen sehen einfach nur traurig und … gebrochen aus. Als wäre die Mara Sommer, die alle kennen, nur ein Fake. Demnach hatte ich gerade das Original vor mir.
„Alex“, flüsterte sie, ihre Lippen viel zu nah an meinen, ihre Stimme nur ein Hauch, „Ich nehme mir jetzt... was ich brauche.“ Ihre Hände schlingen sich um meinen Nacken und ziehen meinen Kopf so näher an sie, dass der Kuss unausweichlich ist. Aber selbst wenn er ausweichlich gewesen wäre, wäre ich nicht vor ihm zurückgeschreckt. Als sie mich küsst, rinnt eine Träne aus ihrem Augenwinkel hinab und trifft schließlich auf ihre – oder ehrer: unsere – Lippen. Das Salz ihrer Träne erinnert mich an „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“ von Goethe.
Mara küsst mit einer solchen Leidenschaft, dass es kaum möglich ist, an irgendwas anderes zu denken. Alles, was ich fühle, ist sie. Reflexartig lege ich meine Arme um sie, drücke sie noch ein bisschen mehr an mich. Ihre feuchten Haarsträhnen berühren meine Haut und kitzeln mich. Trotzdem kann ich nicht lächeln. Es liegt einfach eine gewisse Ernsthaftigkeit vor, die über alles zu gehen scheint. Mara hat mir anvertraut, was gestern mit ihr war. Nicht detailliert, aber vielleicht weiß auch sie, dass ich nicht mit der ganzen Geschichte klarkommen würde. Dass ich niemand bin, mit dem man das alles durchquatschen kann. Dass ich Alex bin. Schulsprecher, Mädchenschwarm, Arschloch.
Schulsprecher! Ich löse mich von Mara und streiche ihr eine ihrer lustigen, roten Strähnen hinter Ohr, „Ich muss in die Schule.“
Sofort lässt sie von mir ab und tritt wieder einen Schritt zurück, so als wäre da gar kein Kuss gewesen, „Dann lass uns geh'n.“
Ich greife nach meiner Tasche, „Ach ja, der Plan ist“, versuche ich wie beiläufig zu erklären, „dass du ein Groupie bist, der sich ins Haus geschlichen hat, um mir aufzulauern.“
Sie zeigt mir den Vogel und ist ihrem alten Ich so viel näher, „Tzz, als ob.“
„So falsch liege ich da doch gar nicht“, grinse ich frech und tippe sie an die Schulter, als ich an ihr vorbei gehe, „Ganz die Finger kannst du ja auch nicht von mir lassen.“
Sie verkreuzt die Arme vor der Brust und läuft mir schnellen Schrittes hinterher in den Flur.
„Und OB ist das kann. HallO?! Mr. Ich-kann-alles-Ich-kann-jede-haben-und-Ich-bin-alles; wach auf, Alex! Bin ICH es, die immer wieder ankommt?“
Ich ignoriere ihr Geplärre von hinten, bis sie ganz zu mir aufschließt und mich am Arm festhält, bevor wir die Treppe runtergehen können.
„Siehst du“, ein unverschämter Ausdruck stiehlt sich auf mein Gesicht „Du kannst es schon wieder nicht lassen.“ Zufrieden beobachte ich, wie sie ruckartig ihre Hand von mir nimmt, als ob sie sich die Haut verbrannt hätte.
„Ich. Bin. Nicht. Dein. Groupie“; knurrt sie mir gefährlich entgegen.
Mit einem nichtssagenden Schulterzucken drehe ich mich wieder von ihr weg und schreite die Treppe nach unten. Empört bleibt sie einen Moment stehen, dann höre ich das Tippeln ihrer Schuhe hinter mir, „Du hast ein unfassbar großes Arschloch-Ego.“
In genau diesem Moment kommt meine Mutter aus dem Speisesaal und bleibt perplext im Türrahmen stehen.
„DAS ist deine Mutter?“, fragt Mara und mustert sie mit einem fragwürdigem Blick.
„Wer IST diese Person?“, fordert meine Mutter zu wissen.
Ich verdrehe die Augen, „Sie ist durchs Fenster gekommen. Ein Groupie. Ich schätze wir müssen die Alarmanlagen verbessern.“
„Ein Groupie?“, ihre Stirn kräuselt sich, dann schüttelt sie den Kopf und wendet sich an Mara mit verbissen zusammengedrückten Lippen, „Was für eine Ehre, Miss Groupie.“
In diesem Moment kann ich das, was meine Mutter gerade sagt, fast schon als Humor ansehen, der Haken ist nur, dass sie es todernst meint.
„Ich bin kein Groupie“, Mara setzt ein leichtes Lächeln auf, geht auf meine Mutter zu und schüttelt ihr die Hand, „Alex' Charme in allen Ehren, aber ich bin eigentlich nur seine Verlobte.“
„Alex!“, sofort lässt meine Mutter Maras Hand los und starrt mich an. Ich sehe genauso überfordert und überrascht zurück. „Ähm....“
Genau in diesem Moment kommt mein Vater dazu, „Was ist hier los? - Wer ist dieses Straßenkind?“
„Ich sehe schon“, Maras Lächeln ist immer noch wie eingefroren, „Auch Alex' Eltern haben einen überwältigenden Humor.“ Sie reicht auch ihm die Hand.
„Ich bin Mara Sommer. Alex'-“
„-VERLOBTE!“; unterbricht meine Mutter und greift sich theatralisch ans Herz.


CHAPTER THIRTY-EIGHT: Singled


Mara



„Kommt gar nicht in Frage“, futzelt Alex' Vater rum, „Alexander, wie hast du dir das denn vorgestellt? Gestern erzählst du uns noch was von einem Ball mit Amelie, dann ist da noch der Besuch am Wochenende bei Hilary und jetzt... kommt SO EINE in unser Haus und ist plötzlich deine Verlobte?!“
Säuerlich lächele ich diesem alten Sack, der auf jeden Fall im sitzen pisst, zu, „Amelie hat uns sozusagen verkuppelt.“
Bevor ich noch mehr spontane, kleine Unwahrheiten ausplaudern kann, reißt Alex mich am Arm mit sich, „Mutter, Vater, wir reden später darüber. Ich muss zur Schule.“
Draußen lässt er meinen Arm los, als irgendwelche komischen Tussen auf uns zugestürzt kommen. Was geht hier denn ab?
„Alex, Alex, Süßer!“
„Er hat mich angelächelt!“
„Nein, er hat MICH angelächelt!“
Er verdreht die Augen und greift wieder nach meinem Arm, „Renn' einfach so schnell du kannst.“

Haha. Ich kann mich nichts Schöneres vorstellen, als mit einem Arschloch Hand ind Hand durch die Straßen zu rennen und von komischen Plateau-Schuh-Schlampen verfolgt zu werden.
„Ach, du gehst also mit Amelie zum Ball?“, sich von einem Arschloch wie Alex verarscht zu fühlen, ist noch viel schlimmer, als von irgendwem anders vollgelogen zu werden.
„Nö“, er lässt mich los, weil wir nicht mehr verfolgt werden und wir gehen im normalen Tempo weiter, „Das war eine Art.. Notlüge.“
„Ach“, mache ich wieder, dieses Mal klingt es noch hohler und fremder, „Zu peinlich mit MIR dahin zu gehen, oder was?“
Ich sehe, wie er die Augen verdreht, „Tu nicht so, als hätten wir was, Kleine“, er grinst mich frech an, „Es ist meine Sache, was ich erzähle.“
„Deine Lippen bewegen sich“, teile ich ihm gereizt mit, „Aber aus deinem Mund kommt nur Scheiße!“
Ungläubig und eine Spur wütend zugleich schüttelt er den Kopf, als er mich mit einem halbtödlichen Blick anstarrt, „Hab ICH mich als dein Verlobter ausgegeben!?“
„Denkst du, ich lass' mich als GROUPIE hinstellen!?“, ich kann und ich will verdammt noch mal nichts daran ändern, dass meine Stimme lauter und schroffer wird und mir das Blut durch den Körper schießt als würden meine Blutkörperchen bunt gemischt eine Runde Wiener Walzer tanzen.
Arrogant hebt Alex sein Gesicht in Richtung Himmel, ja – hochnäsiges Arschloch halt, aber statt mir die nächste wütenden und spießige Bemerkung an den Kopf zu schleudern, stellt er nur trocken fest: „Es regnet.“ Dann greift er wieder nach meiner Hand und zieht mich mit sich, „Komm, wir müssen uns beeilen.“
„Hey!“, protestiere ich lautstark, „Lass' mich LOS!“ Doch Alex denkt gar nicht erst daran und zerrt mich weiterhin hinter sich her. Der Himmel bricht auf und langsam fallen die ersten Regentropfen herab. Ich will, dass er mich loslässt! Ich hasse dieses seltsam angenehme und gleichzeitig elektrische Glühen, was ich ständig spüre, wenn er mich berührt. Es ist einfach falsch! Und zusammen mit den Regentropfen könnte es sich wirklich zu etwas sehr Gefährlichem wandeln! Ich bin so in Gedanken, dass ich den Hydranten nicht sehe, der direkt vor mir auftaucht und total beschissen dagegen laufe.
„Fuck! Mein Fuß!!“, jaule ich auf. Alex bleibt augenblicklich stehen und zieht nachdenklich eine Braue hoch.
„Was!? Es tut WEH.“
Ich kann nichts dafür, dass plötzlich total schlecht drauf bin, ich bin halt ein launischer Mensch. Manchmal.
„Obwohl du heute echt eine Furie bist“, murmelt Alex, bevor er mich mit einem Arm am Rücken und dem anderen an den Kniekehlen hochhebt, „bringst du mich um den Verstand.“
„Hey!“, protestiere ich wiedermal und will schon anfangen mit den Beinen und den Armen zu strampeln und meine Füße wieder dahin zu bringen, wo sie hingehören – auf den Boden, als Alex mir mit seiner Zunge über den Hals streicht und die vielen kleinen Regentropfen wegleckt. Weil ich mir meiner Stimme nicht mehr sicher bin, halte ich lieber den Mund und funkle ihn einfach nur wütend an. Warum um Himmels willen breitet sich überall auf meinem Körper diese bekiffte Gänsehaut aus, die nicht nur rein oberflächlich ist, sondern gleich unter die Haut dringt und etwas in meinem Bauch fast schon krampfhaft zusammenzucken lässt.
„Was soll das?“, meine Stimme ich wirklich leiser und nicht mehr SO aggressiv, sie bebt eher.
„Was denn?“, fragt er unschuldig, während er wieder so beschissen grinst und mir erneut über den Hals leckt. Und da geht mir auf, was er zuvor gesagt hat!

»Obwohl du heute echt eine Furie bist, bringst du mich um den Verstand.«

Holla die Waldfee! Ist der Pisser noch zu retten!? Nur weil ich.. in manchen Momenten schwach geworden bin, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn irgendwie … ach scheiße! Ich sammle meine ganze Kraft und springe ihm vom Arm runter.
Durch Alex empörtes „Mara!“, geht mein „Aua“ total unter. Fuck, mein Fuuuuß!
Trotzig verschränke ich die Arme vor der Brust, als wäre gar nichts, „Ich bin nicht deine Freundin, also pass' auf, was du tust.“
„DU hast doch gesagt, dass du meine Verlobte bist.“ Ist er wirklich so schwer von Begriff?
„Das war eine Ausrede“, ich presse meine Lippen aufeinander, weil ich voll auf den verletzten Fuß gesprungen bin und der Schmerz mich sonst zusammenzucken lassen würde. Naja, vielleicht auch ein bisschen, weil ich mir im Moment gar nicht mehr sicher bin, was ich hier gerade tue. Der Regen prasselt weiterhin auf uns, meine Haare, die noch vom Duschen feucht waren, sind mittlerweile wieder pitschnass und hängen mir platt über die Schultern.
„Ach, und DU darfst mich einfach so küssen und ich-“, fängt er an, aber ich schneide ihm das Wort ab.
„Es war nicht einfach so. Außerdem war das, was DU gemacht hast, kein Kuss.“
„Pfff“, macht er, dann grinst er mich ironisch an, „Am besten frag ich Viktor mal nach 'ner Bedienungsanleitung für dich, das ist mir echt zu komplex!“
Das trifft. Ich beiße mir auf die Unterlippe, nur ganz kurz. Dann versuche ich Alex so wütend ich kann anzufunkeln, „Na dann VIEL GLÜCK dabei!“
Ich drehe mich von ihm weg und laufe weiter, wobei der Schmerz sofort in meinen Fuß fährt und mich fast dazu bringt zu humpeln. Aber ich werde ganz sicher nicht vor Alex her zur Schule humpeln! Nie im Leben!
In meinem Kopf sehe ich wieder Viktor und seine beschissene Matratze Tanja vor mir. Die Wut darüber, wie schnell ich mich gestern von Tanja beeinflussen lassen habe; wie schnell ich ihr geglaubt habe und abgehauen bin, lässt mich weiterrennen und den schmerzenden Fuß dezent verdrängen. Ich MUSS zur Schule. Ich will das mit Viktor klären. Denn er ist der Einzige, dem ich voll und ganz vertraue. Und ihn lasse ich mir sicher nicht von einer arroganten, hässlichen Nutte wegnehmen, die plötzlich einen auf »Kleine glückliche Family« machen will!

Japsend komme ich auf dem Schulgelände an. An einer Mauer steht Viktor mit ein paar Kumpels und Luna. Zielstrebig und möglichst ohne zu humpeln gehe ich auf sie zu und begrüße Luna und Viktor erst mal mit einem Kuss auf die Wange.
„Hey Leute“, grinse ich die anderen an, bevor ich mich an Viktor wende, „Lass' schon mal rein gehen, okay?“
Er nickt dem Rest der Truppe als vorläufige Verabschiedung zu und wir stolpern zusammen durch den Regen ins Gebäude.
„Was war das gestern?“, fragt er schließlich unverblümt.
Um Kraft zu sammeln, schließe ich kurz die Augen und hole tief Luft, „Du liebst sie? Wirklich?“
Seine Stirn sieht sich in Falten, verständnislos mustert er mich, „Nein.“
Überrascht blicke ich zu ihm hoch, „Jetzt echt nicht?“
„Ne. Aber schwanger ist sie trotzdem.“
„Na super“, seufze ich, aber irgendwie bin ich heilfroh, dass er sie nicht liebt. Darum nehme ich ihn erst mal in den Arm, „Versprich mir, dass unsere Freundschaft sich durch keine Beziehung oder irgendeinen Typen oder ein Mädel auseinander bringen lässt.“
Viktor grinst, dann piekst er mich in die Seite, „Dazu fahr ich einfach zu sehr auf dich ab, Süße.“
„Gut“, grinse ich zurück, „Ach ja, bevor ich es vergesse, es gibt Gerüchte, dass deine Schlampe dich mit so einem komischen Tom betrügt.“
„Hat mir Luna gestern auch gesagt“, er zuckt die Schultern, dann legt er freundschaftlich den Arm um mich, als wir in den Bioraum gehen, „Ich hab mich gestern von Tanja getrennt, weil“, seine Stimme wird leiser, „sie mir ein Kind unterjubeln wollte.“
„Was!?“, irgendwie ist das einfach alles zu viel. Ich komm ja kaum noch mit.
„Und so löst sich das Chaos“, seufzt Viktor, als wir uns hinsetzen, „Tom, Tony oder wie auch immer wird Vater und ich bin jetzt wieder voll und ganz auf der Jagd.“
Ich verdrehe die Augen, kann mir das Grinsen aber nicht verkneifen, „Luna ist auch Single.“
Mein bester Freund boxt mich an den Arm, „Luna“, flüstert er leise, als sie auch schon den Raum betritt, „steht auf Finn; nicht auf mich.“
„Hey“, grinse ich Luna an, als sie sich auf den anderen Platz neben mir fallen lässt und ihre nasse Tasche auf den Tisch schmeißt.
„Dieses Wetter ist einfach total pervers“, vorsichtig öffnet sie ihre Tasche und zieht ihren nassfeuchten Block raus, „Seht euch das an!“
Ich lege ihren Block wieder auf den Tisch und werfe erst Viktor ein vorfreudiges Grinsen zu, bevor ich mich an sie wende, „Luna, weißt du schon bei wem Freitag Abend eine Single-Party steigt?“
„Neein, aber du weißt doch, was ich davon-“
„Psst“, unterbrech ich sie und werfe mein nasses Haar über meine Schultern, wobei ich Viktor leicht treffe, „Es ist nicht bei irgendwem. Viktor lässt die Party steigen.“
Viktor und Luna starren mich beide gleich überrascht an.
„Waaas!?“


CHAPTER THIRTY-NINE: Bang


Alex



Steffen und ich stehen zusammen vor Viktors Haustür. Laute Musik dröhnt zu uns nach draußen.
„Soll ich klingeln?“, fragt Steffen, aber in dem Moment öffnet sich die Tür und Viktor steht uns gegenüber.
„Hey, kommt rein.“
„Du bist wieder Single?“, neugierig mustere ich ihn. Eigentlich dachte ich, er wäre mit seiner Fickbeziehung ganz zufrieden.
„Oh jaaaa“, zieht er in die Länge, „Aber diese Party ist nicht auf meinem Mist gewachsen.“
„Ist Mara da?“, will Steffen wissen, was Viktor nur grinsen lässt.
„Und wie. Ich glaube, sie ist nur hier, um sich an Finn ranzuschmeißen.“
Finn?! Wer ist Finn?
„Wow“, Viktor grinst uns immer noch an, während wir ins Wohnzimmer schlendern,„Steffens Reaktion hätte ich mir ja denken können... aber Aleeex.“
„Tz“, ich tippe mir mit de Zeigefinger an die Stirn, zeige ihm den Vogel, „Wenn du eine Reaktion bemerkt hast, dann liegt das daran, dass du schon was getrunken hast.“
Viktor lacht auf, wobei man seine weißen Zähne im Schwarzlicht des Raumes hell leuchten sieht, „Ich hab nichts getrunken, nur geraucht.“
„Mara?“, Steffen geht an uns vorbei auf eines der frei Sofas zu, von dem nun Mara aufspringt.
„Hi Steffen!“, überschwänglich nimmt sie ihn in den Arm, dann huscht ihr Blick zu mir und verfinstert sich, „und Alex.“
Ihr bester Freund stupst mich leicht an, „Viel Spaß. Aber am besten kommst du ihr heute Abend nicht in die Quere“, damit lässt er mich stehen und verschwindet. Mara löst sich von Steffen und kommt auf mich zu.
„Mara?“, frage ich irritiert, weil sie mich nun amüsiert aber gleichzeitig auch hinterlistig anlächelt.
„Alex-Schatz“, irre ich mich, oder ist das Ironie? Sie nimmt meine Hand und zieht mich in einen angrenzenden Raum – die Küche. Dort lehnt sie sich an den Kühlschrank und schlägt die Beine übereinander.
„Also“, fängt sie an, „deine Eltern standen heute Abend vor meiner Tür und wollten mit mir reden. Über unsere Verlobung und so.“
„Was?“, perplex fange ich ihren genervten Blick auf.
„Ja. Aber eigentlich wollten sie mir nur klarmachen, dass ich mich von dir fernhalten soll, weil du nicht in meiner Liga spielst und – jetzt kommt das, was mich am meisten überrascht hat – weil du bereits verlobt bist. Mit einer gewissen Hilary.“
Ich trete einen Schritt näher an sie ran, versuche mit meinem Blick in ihren Kopf reinzugucken, aber alles was ich sehe, sind ihre höhnisch funkelnden Augen und ihre roten Lippen. Ich kann nicht anders, ich muss den Blick abwenden, um beim Thema zu blieben.
Mara fährt fort, „Damit wäre die Sache mit der Verlobung also geregelt.“ Sie will bereits wieder aus der Küche gehen, aber ich halte sie am Handgelenk fest.
„Es war doch eh eine Ausrede. Abgesehen davon ist Hilary meine Ex.“
Überheblich hebt sie die Augenbrauen, „Schön für dich.“
„Warum reagierst du so seltsam, darauf, dass ich heute hier bin?“
Genervt verdreht sie die Augen, während sie sich von halb abwendet, „Vielleicht weil du nervst?!“
„Ich bin gerade erst gekommen.“
„Dann kannst du ja auch ganz schnell wieder gehen“, warum fühlt sich das so merkwürdig an, mit ihr zu reden und dabei nicht zu sehen, wie sie ihr Gesicht spöttisch verzieht?
„Ich will dir ja keine Hoffnungen machen, aber vielleicht bin ich ja wegen dir gekommen?“
Ruckartig dreht sie sich um und ihre Augen brennen sich in meine. Einen Moment liegt eine nahezu intime Stille zwischen uns, dann treten Wut und eine Spur leidenschaftlicher Gereiztheit in ihre Augen.
„Hat deine »Mami« dir erlaubt, hier zu sein; weiß sie, wo du bist?!“
Ich schnaube auf, „Weiß deine Mutter etwa, dass du hier bist.“
So hasserfüllt wie sie mich ansieht, weiß ich sofort, was sie denkt: »Das hat damit sowas von gar nichts zu tun«, „Meine Mutter ist jedenfalls nicht davon besessen, mich mit Amelie oder Hilary zu verkuppeln!“
Verwirrt runzle ich die Stirn, was ist heute verdammt noch mal mit Mara los? „Mara, was hast du für ein Problem?“
„Mein Problem bist du. Weil du nicht einfach nur ein Arschloch bist!“
Als ihre Worte bei mir ankommen, kann ich mir ein Auflachen nicht verkneifen, „Sondern auch noch reich, beliebt und charmant.“
Entrüstet starrt sie mich eine Sekunde lang an, bevor sie tief Luft holt und wütend rumkeift, „HA! ALS OB! Als ob DU irgendeinen Charm hättest! Das Einzige, was dich noch ausmacht sind doch deine Alten!“
Es ist wirklich nervenaufreibend, sich mit Mara auseinander zu setzen. Im Moment kotzt sie mich einfach nur an. War sie denn schon immer SO zickig?!
„Nur weil sie vorhin bei dir aufgelaufen sind, oder was?!“
Sie lacht finster auf, „Ja, schließlich wollten sie nicht einfach ihre zukünftige Schwiegertochter besuchen – obwohl »aus dem Weg schaffen« es wohl besser trifft!“
„Weißt du was?“, langsam komme ich auf sie zu, ich weiß, dass man mir Empörung und Zorn ganz deutlich ansieht und selbst das seltsame Lächeln, was ich fast eine Ewigkeit mit mir rumgetragen hab, ist schon wieder zu dem alten, grimmigen Strich verebbt.
„Waaaas!?“, faucht sie mich an.
„Du kannst mich mal am A-R-S-C-H lecken, Lady Bitch!“, zische ich ihr zu und will eigentlich direkt die Küche verlassen, aber sie räuspert sich.
„Dann sind wir uns ja einig, Pisser!“
Ruf sie, stöckelt an mir vorbei und lässt MICH einfach in der Küche stehen. Hach, das Mädel macht einem Spaß.

Kopfschüttelnd und Haare raufend verlasse ich die Küche und suche Steffen im Wohnzimmer. Er steht bei irgendwem, den ich nicht kenne und unterhält sich.
„Da bist du ja, Alter“, meint er, als ich mich dazu stelle, „Hier“ und reicht mir einen Pappbecher, der mit einer glasklaren Flüssigkeit gefüllt ist. Aus dem Augenwinkel beobachte ich Mara, die sich gleich wieder zu diesem komischen Typ gestellt hat.
„Du bist Alex?“, spricht mich ein blondes Mädchen, mit hellblauen Augen an. Ich nicke ihr zu.
Sie lächelt, „Ehrlich gesagt, gibt es meiner Meinung nach genug Typen die größere Arschlöcher zu sein scheinen als du.“
Als ich das höre kann ich nicht mehr, ich muss lachen und lachen... und lachen. Scheißegal, dass sie mich alle anstarren. Irgendwann bin ich dann fertig mit dem Lachen und sehe sie wieder schmunzelnd an, „Du bist 'ne Freundin von Mara?“
„Ja, bin ich.“
„Das war keine Frage“, grinse ich sie an, dann nehme ich einen kräftigen Schluck von dem Wodka-Becher. Dabei werde ich angerempelt – von niemandem geringerem als Mara selbst, was sie aber gekonnt ignoriert, auf ihre Freundin zu stolziert und sie mit sich zieht, wobei sie irgendwas von diesem Finn labert.
Ich sehe den brünetten Typen und seine kleine schwarzhaarige Freundin, die bei uns stehen, fragend an, „Wer ist Finn?“
„Viktors Bruder“, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen, ehe sie sich wieder den Lippen ihres Freundes zuwendet.
„Viktor hat 'nen Bruder?“, überrascht sieht Steffen mich an, „Dann wette ich, dass es der Typ da ist.“ Meine Augen folgen der Richtung, in die er nickt und ich sehe einen Kerl, der ziemlich relaxt neben Mara und ihrer Freundin steht und einen Zug von einem Joint nimmt.
„Ja“, stimme ich mit finsterem Blick zu, „Der sieht aus wie ein Finn.“
Steffen rempelt mich kumpelhaft an, „Alex, da ist doch was zwischen dir und Mara.“
Genervt sehe ich ihn an, nicke dann aber langsam.
„Und was?“, irgendwie habe ich fast schon das Gefühl, dass Steffen sich nur noch halb so sehr für Mara interessiert, als ich den Blick sehe, mit dem er ihre Freundin beobachtet.
„Das Einzige, was zwischen mir und Mara ist, ist heiße Luft. Nichts als Worte. Nichts als Schall und Rauch.“


CHAPTER FORTY: Shock


Mara



Keine Ahnung wie spät es ist. Spät genug, dass Alex sich endlich wieder verpissen kann. Er ist mir noch nie so auf die Nerven gegangen wie heute. Reicher Schnösel!
„Alles okay?“, fragt mich Finn und ich versuche meine Gesichtsmuskeln wieder zu entspannen.
„Klar“, nicke ich, „Aber du siehst ziemlich blass aus, vielleicht solltest du mal mit Luna nach draußen gehen.“
Fragend wirft er Luna einen einladenden Blick zu. Das erste Mal an diesem Abend, dass er ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Endlich! Hat ja auch lang genug gedauert. Luna zuckt mit den Schultern, dann nickt sie und die beiden gehen über den Balkon nach draußen in den Garten.
„Hey“, Viktor hält mir einen Pappbecher mit einer blauen Flüssigkeit hin und ohne zu fragen, nehme ich ihn und stürze ihn auf ex runter.
„Wie läuft's mit Luna und Finn?“
Fahrig gleiten meine Fingerspitzen durch mein Haar, als ich es mit meiner Hand leicht nach hinten kämme und seufze, was aber in der Lärmkulisse total untergeht.
„Es ist schwierig. Ich hab manchmal das Gefühl, dass Finn in zwei oder drei Welten gleichzeitig lebt.“
Viktor grinst, „Finn ist Perlentaucher, Astronaut und Fallschirmspringer zusammen.“ Dann leert er seinen Becher und zwinkert mir zu, „Lass uns tanzen.“
Für einen Moment überlege ich wirklich mit ihm zu tanzen, aber als sich plötzlich eine unbarmherzige Hitze in mir ausbreitet, schüttle ich den Kopf, „Ich geh besser frische Luft schnappen.“

Draußen ist es kalt. Sieben Grad zeigt das Thermometer an der Wand an. Tief atme ich die kühle Luft an, die mir ein Zittern durch meinen Körper schickt. Kurz schließe ich die Augen. Es ist Freitag Nacht. Morgen Abend ist der Ball. Der Ball, zu dem ich mit Alex gehe. Wenn überhaupt. Er hat nichts mehr wegen dieser Hilary gesagt, aber das hat ja nichts zu bedeuten. Ich öffne die Augen und fahre mir mit den total kalten Handflächen über meine vor Kälte zitternden Arme.
„Dir ist klar?“, plötzlich steht Finn neben mir und lächelt mich mit schwarzen Augen an. Schwarz, weil die Nacht so dunkel ist, dass weder Mond noch Sterne am Himmel leuchten.
Schulternzuckend mustere ich ihn, wo ist eigentlich Luna hin?
Aus seiner Hosentasche zieht er eine transparente, kleine Plastiktüte, in der sich weiße ellipsenförmige Pillen tummeln. Hier draußen, wo alles so finster scheint, leuchten sie. Fast schon so hell wie die Sterne, die heute fehlen.
„Hier nimm' zwei und dir geht’s gleich viel besser.“
Unentschlossen nehme ich meine Hände von den Armen und starre die Pillentüte an.
„Oder traust du dich nicht, Süße?“
„Tz!“, entfährt es mir, als ich ihm den Plastikbeutel fast schon aus der Hand reiße und ihn ungeduldig öffne. Ironisch grinsend strecke ich Finn die Zunge raus, wobei ich mir gleich drei Pillen aus der Tüte nehme, auf die rausgestreckte Zunge lege und schlucke. Er zieht mir den Beutel aus den Fingerspitzen und legt einen Arm um meine Taille.
„Mara-Schatz, dann kann der Abend ja endlich anfangen!“
Noch fühl ich mich ganz normal. Mir ist weder schlecht und tut mir irgendwas weh. Es geht mir gut und ich habe plötzlich das Gefühl voller Energie zu sein. Naja, bis auf das schlechte Gewissen, was sich schlagartig in mir ausbreitet.
„Wo ist Luna?“
Finn zuckt die Schultern und kräuselt die Augenbrauen ohne mir eine Antwort zu geben.

Meine Beine tragen mich wie von ganz allein mit Finn auf die provisorische Tanzfläche. Die Musik geht fuckig ab und um uns herum verwandeln sich alle Körper in züngelnde Flammen. Finn grinst sich einen ab, weil ich so gut drauf bin und voll abgehe. »Voll laser wie ich abgeh« hahaha.

„Hey!“, nach einer halben Ewigkeit, in der ich mit Finn echt viel Spaß beim Tanzen gehabt hab, werde ich an den Schultern weggezogen und in die Küche verschleppt.
„Was soll das!?“ Was soll ich hier schon wieder? Alter, wenn das Alex ist! Aber derjenige, der sich nach dem Zuschmeißen der Tür zu mir umdreht ist nicht Alex, sondern Viktor.
„Süße, ich weiß nicht, was mit dir abgeht, aber Luna ist seit einer halben Stunde im Garten.“
Irritiert reiße ich die Augen auf, „Na und?“
„Du wolltest sie mit Finn verkuppeln“, versucht er mir auf die Sprünge zu helfen, aber ich verstehe einfach nicht, was das Problem ist, „Und trotzdem machst du ihn selbst die ganze Zeit an, du weißt genau, dass sie auf ihn steht. Mara, Bist du blue?!“
Ich zeige ihm den Vogel, als OB, ICH!? Ich bin doch nicht besoffen!
„Finn hat mir nur 'ne Pille angeboten.“
Viktor presst die Kiefermuskeln zusammen, sagt aber nichts dazu, „Luna ist nicht alleine im Garten.“
„Wenn du dir Sorgen machst, schau doch nach dem Rechten.“
Er seufzt nur und ich check echt nicht, was da abgeht.
„Viktor; Das ist doch gut, wenn sie wen Neues hat. Finn ist eh-“, ich breche im Satz ab, weil er die Stirn in Falten zieht und den Kopf schüttelt.
„Wenn du meinst“, murmelt er und will gehen, aber mir fällt noch was ein.
„Warte – Was macht eigentlich Alex?“
Ich sehe wie er trotzdem weitergeht, seine langen Beine Schritt für Schritt weiterbewegt, kurz bevor er die Küchentür öffnet und geht, dreht er sich flüchtig zu mir um, „Alex? Der?.... Der ist im Garten.“

Mein bester Freund verschwindet aus der Küche und einen Moment steh' ich fassungslos da. Alex... und Luna... im Garten.
Moooooment mal! Alex und Luna sind alleine zusammen im Garten!!
Irgendwas rast in Lichtgeschwindigkeit durch meinen Körper – durch meinen Geist – durch mein Blut. Aufregung. Wut. Überraschung. Enttäuschung? Verzweiflung?
Der Kühlschrank, die Theken und die Küchenschränke wirken plötzlich so beklemmend. Der Raum ist so klein und auf einmal in schwarze Dunkelheit gehüllt. Einengend. Ich kneife die Augen so fest zusammen, wie es geht. Will mich zusammen reißen, weil es jetzt echt albern wäre, wegen sowas, anzufangen zu bibbern, zu zittern, zu heulen und zusammenzubrechen. »Es ist nicht schlimm«, versuche ich mir einzubläuen. Ich weiß doch gar nicht, was da dran ist, was da draußen wirklich los ist. Aber beim Gedanken daran nachzugucken, versteifen sich meine Glieder, ich bin wie festgefroren. Kann da nicht raus.
In meinem Kopf klingt wieder Finns Stimme.
Immer wieder dieselbe Frage: »Dir ist kalt?«
Kalt, kalt. KALT!
Ich weiß nicht, ob mir heiß oder eiskalt ist – es ist einfach alles falsch! Ich muss hier raus! Sofort!

Rasselnd atme ich die kühle Nachtluft aus, nachdem ich durch die Haustür raus auf die Straße gestürmt bin. Mein Körper zittert immer noch. Mein Sichtfeld wackelt, wie bei einer schlampigen Kameraführung ohne Stativ. Doch ich reiße mich zusammen, konzentriere mich darauf, klar und deutlich zu sehen.
„Mara“, ich fahre ruckartig rum und sehe Steffen, der auf mich zugelaufen kommt. Vor mir kommt er zum Stehen und in seinen Augen liegt ein geschockter und trauriger Schimmer, „Was ist passiert? Warum weinst du?“
Mit bebenden Händen fasse ich mir ins Gesicht, betaste meine Wangen. Ich hab nicht mitbekommen, dass ich angefangen zu heulen und tränennasse Wangen habe.
Ich kann Steffen nichts entgegnen, ich sehe ihn einfach nur an und er nimmt mich in den Arm. Er drückt mich fest an sich und seltsamerweise gibt er mir wirklich Halt. Steffen. Die Grinsebacke gibt mir Halt. MIR.
„Alles wird gut. Du kommst über ihn hinweg. Andere Mütter haben auch schöne Söhne. Du kommst über ihn hinweg, ganz sicher.“ Im ersten Moment bekomme ich gar nicht mit, was er direkt sagt. Doch als mir ein Licht aufgeht, mache ich mich von ihm los und funkele ihn an.
„Was soll das!?“, spucke ich ihm entgegen, „Du weißt doch gar nicht, um was es hier geht!“
Er lächelt schwach, „Aber ich weiß, was es für Alex ist.“
„Ach ja“, ich verdrehe dich Augen, „Das weißt du. Schön für dich! Als ob Alex das selbst wüsste.“
Steffen lacht trocken auf, „Das was zwischen euch ist, ist Luft. Abgestandene, stickige Luft. Und Mara, ich weiß, dass das für dich verletzend ist. Aber du weißt, was ich für dich empfinde und ich... denke wirklich, dass es besser ist, wenn ich es dir sage, als wenn du es anders von Alex erfährst.“
Ich schnaube auf, „Ich fasse es nicht!“
Damit lasse ich ihn stehen und stürze zurück ins Haus, wo ich mir das erstbeste Zeug, was ich in die Hände kriege, runterkippe. Einfach alles rein. Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken.
Natürlich bin ich noch total bei Sinnen! … Zumindest ein bisschen. Da treffe ich wieder auf Finn.
„Schon gehört, was im Garten abgeht?“, fragt er, ehe er mich aufs Sofa zieht.
Ich schüttele den Kopf – auua, nicht gut –, „Ich will's auch nicht wissen.“
„Deswegen ist es hier auf jeden Fall so leer, die sind alle draußen und gaffen“, erklärt er, dann zieht er mich auf seinen Schoß.
Breitbeinig sitze ich auf ihm und verschränke meine Finger hinter seinem Nacken miteinander.
„Das passt sich ja gut.“
Finn legt seine Arme um meine Hüften und zieht mich noch ein Stück näher an sich ran, „Oh ja, Baby.“
Ich habe dank meines besonderen Platzes den perfekten Blick auf die Balkontür, in der auf ein Mal jemand steht und uns anstarrt. Einen Moment zuckt etwas in mir zusammen, als ich Alex erkenne. Dann denke ich an Steffens Worte und habe das Bedürfnis, ihm endlich was heimzuzahlen. Also beuge ich mich noch mehr zu Finn und küsse ihn unverblümt auf den Mund. Dazu lässt er sich natürlich nicht zweimal auffordern und steigt direkt darauf ein. Während er mich küsst, als gäbe es keinen Morgen mehr, streichen seine Hände meine Seiten hoch und runter und gleiten bestimmend unter mein Top.


CHAPTER FORTY-ONE: Iron Curtain


Alex


Stumm und starr. Wie erstarrt. Es ist, als ob ich einen Film sehe, oder als ob die Zeit still stehen bleibt und ich einfach nur das sehe, was ich verdiene. Das, was mir überhaupt nicht gefällt. Was soll diese ganze verpisste Scheiße!? Was will ich hier eigentlich? Ich weiß nicht mal selbst, was ich hier auf dieser 'Single-Party' suche. Mara ja ganz offensichtlich nicht, denn ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, stolziere ich geradlinig an ihr und ihrem Junkiestricher vorbei. Sie ist nicht mal einen eiskalten Blick würdig, der dafür stur nach vorne gerichtet ist. Warum hab ich mich eigentlich letzte Wochen überhaupt dazu breitschlagen lassen, den ganzen Scheiß mit Steffen mitzumachen? Warum bin ich mit zu dieser zickigen Schlampe Nachhause gekommen? Warum bin ich dageblieben? Und warum hab ich mich wegen ihr in noch mehr Probleme Zuhause – Hahaha, als ob, guter Witz – bringen lassen?
Durch dieses schockende Bild von dieser Tusse mit ihrem ach so tollen Finn, bin ich endlich wieder klar im Kopf! Es war ja auch schon albern und abnormal, was in den letzten Tagen mit mir abgegangen ist. Ich hab sie sogar mit zu mir genommen, sie bei mir schlafen lassen und was macht sie!? Lässt mich links liegen. Schöner Dank. Sie kann sich aber nicht darauf verlassen, dass ich wieder ankommen werde. Nicht mehr. Ich nicht. Im Laufe dieser einen Woche ist viel passiert, mein Freundeskreis hat sich eigentlich um zwei Personen erweitert und selbst mit Steffen bin ich noch besser klargekommen. Und trotzdem fühlt sich das alles schrecklich falsch an.
Ich stürme geradezu aus Viktors Haus, stehe auf der Straße. Die Stimmung, die eben schon im Garten angefangen hat, auf mich einzuwirken, macht sich noch breiter. Ich hab mich mit Luna unterhalten. Fast schon normal. Und ich war wieder so beschissen nett, nur noch halb so viel Arschloch wie sonst. Auf jeden Fall saßen wir nebeneinander im Gras und haben in den Himmel gesehen – Sterne waren trotzdem nicht da. Doch es war ein ganz anderes Gefühl als mit Mara oder Hilary. Oder Amelie, tzz. Mit Luna war es einfach leicht, unbeschwert. Ich hatte das Gefühl, mit ihr über alles reden zu können. Sie hat mir erzählt, dass diese ganze Party eigentlich nur wegen ihr stattfindet, sie glaubt, dass Mara sie mit irgendwem verkuppeln will. Und dann hat sie gesagt, dass sie glaubt, dass ich derjenige bin. In dem Moment haben wir uns angesehen und mussten beide loslachen – ich mit meinem neuentdecktem annährend sympathischen Lachen und sie mit einem Lachen, was einfach wunderschön und gleichzeitig menschlich klingt. Und dann ist so ein komisches Mädel über den Nachbarszaun gesprungen, hat ihre Haare nach hinten geworfen und sich vor uns aufgebaut. Es war so dunkel, dass ich nicht mal ihre Gesichtszüge erkennen konnte. »Tanja?«, hat Luna gefragt und diese Tanja ist total abgetickt und hat an meinem Handgelenk gezerrt.
»Viktor! Warum lässt du mich für diese Druffigirls fallen!? Weder Mara noch Luna sind das wert, was wir zusammen-«, ich hab mich von ihr losgerissen und war kurz davor, ein Mädchen zu schlagen. Es wär nicht das erste Mal. Ich habe in meiner Vergangenheit Fehler gemacht. Es ist so. Aber ich will sie nicht wiederholen. Da kam auch schon Viktor aus dem Haus gestürmt und die beiden haben sich lautstark gestritten und während ich Luna am Arm genommen habe und mit ihr Richtung Terasseneingang gehen wollte, sind alle anderen von drinnen nach draußen gekommen, um das Wortgefecht zwischen Viktor und seinem Ex-Fick-Schnitzel zu beglotzen. Erst hab ich nur gesehen, dass Luna ihre Hand vor ihren Mund geschlagen hat, ihre Augen sahen geschockt, hilflos und panisch aus. Es hatten sich doch nicht alle nach draußen gedrängt, Mara und Finn waren ja wohl noch beschäftigt.

Das alles verschwindet jetzt wieder vor meinen Augen und ich stehe draußen, eine Brise kommt auf. Die Blätter in den Bäumen rauschen, Wind baut sich auf, weht um die Häuser. Das Bauschen und Rauschen wird lauter, die Luft, die um mich herum bläst stärker, aggressiver. Als wollte der Wind mich aufhalten, zu gehen. Verpiss dich, Wind! Ich laufe los, immer Richtung Villa. Hier hab ich nichts mehr verloren.
Aber da höre ich eine helle Sopranstimme hinter mir, „Warte, Alex!“
Als ich mich umdrehe, sehe ich Luna, deren helles blondes Haar wirr um ihren Kopf gewirbelt wird.
„Was?“
Mit schnellen Schritten rennt sie zu mir und streicht sich die Haare aus dem Gesicht, „Wenn du jetzt gehst, kommst du nicht wieder an Mara ran. Sie hakt dich ab und schiebt dich mit all den schlechten Erinnerungen in eine Schublade in ihrem Unterbewusstsein, die sie nie wieder freiwillig öffnen wird. Komm schon Alex, ich seh' doch, dass dir was an ihr liegt.“
Ein Kopfschütteln begleitet meine Antwort, „Ich weiß es nicht.“
„Alex!“, sie legt den Kopf schief und bettelt mich blinzelnd an, „Ich kenn' dich nicht gut und auch nicht lange, aber bitte vertrau mir. Ich habe... ein Gespür, wenn es um Verbindungen zwischen Menschen geht. Und wenn Mara von dir geredet hat, haben ihre Augen gefunkelt – sie wird das nie zugeben, aber sie braucht dich. Und du brauchst sie genauso.“
„Ach ja?“
Luna nickt, dann presst sie ihre blassen rosa Lippen aufeinander, „Und Finn...-“
„-ist ein Arschloch“, fahre ich dazwischen.
„Nein...“, sie nimmt meine Hand und zieht mich mit sich zurück zum Haus, „... Finn ist ...anders. Für mich. Er... braucht mich. Das weiß er nur noch nicht.“
Ok, das war richtig beschissen. Von Mara. Sie muss doch wissen, dass ihre beste Freundin was von dem Kerl will, dem sie gerade in allen Einzelheiten die Zunge in den Hals rammt. Ich entgegne Luna nichts mehr, trete mit ihr wieder in dieses unheilvolle Haus ein. Soll es wirklich das sein, was ich will? Hat Luna Recht und brauche Mara? Und braucht sie mich echt genauso? Warum ist das alles eigentlich so gekommen? Warum sollte ich irgendwen brauchen und gleichzeitig gebraucht werden!? Das war doch alles-
„Bullshit!“, entfährt es mir unwillkürlich.
„Was?“, Luna dreht sich zu mir um, ich hab ihre Stimme kaum gehört, weil die Musik wieder aufgedreht ist und man den Beat sogar in den Knochen spüren kann. Ich deute auf Finn, diesen Wixer, der in einer recht dunklen Ecke des Wohnzimmers steht und sich irgendein Scheißzeug in eine Vene seines Unterarms jagt.
Luna presst ihre Lippen aufeinander, einen Moment scheinen Flüssen von Tränen durch das Blau ihrer Augen zu fließen, aber dann fängt sich sich, blinzelt solange, bis ihre Augen wieder annährend normal aussehen und drückt kurz meine Hand mit den Worten „Viel Glück“, bevor sie mich stehen lässt und zu Finn eilt.
Einen Moment schüttle ich den Kopf, ratlos darüber, was ich jetzt genau tun soll, bis Viktor mir von hinten auf die Schulter haut und mich mit sich zieht.
„Ich glaube“, fängt er an, zieht mich immer noch weiter, „dass es das Beste ist, wenn sie jetzt endlich jemand hier wegbringt.“
„Wen?“
Wir bleiben vor einem Sofa stehen, vor einem leeren Sofa. Man sieht noch, wo zuletzt jemand gesessen hat, wie Reliefen haben sich zwei Ärsche verewigt. Na gut – eher weniger für die Ewigkeit, aber im übertragenen Sinne.. passt es schon irgendwie.
„Mara“, murmelt Viktor.
„Wie willst du jemanden nach Hause bringen, wen er nicht da ist?“, mit gehobenen Augenbrauen und lächellos sehe ich ihn an.
„ICH gar nicht“, er hebt einen Mundwinkel zu einem schiefen und etwas provokantem Grinsen, „DU wirst das machen und sie liegt hinter dem Sofa.“
„Warum sollte ich-“, beginne ich den Satz, aber Viktor unterbricht mich kopfschüttelnd.
„Liebe ich Mara oder du?“, fragt er, lässt mich stehen – wie irgendwie JEDER und verschwindet zwischen Beats, wenig bekleideten Körpern und Dunkelheit. Als hätte ich seine Worte noch nicht ganz realisiert, stehe ich da, wie ein beschissener Vollhorst und checke gar nichts. Bis ich beschließe, DARÜBER wann anders nachzudenken und erst mal das offensichtliche Problem aus der Welt zu schaffen. Mich ergebend schlendere ich hinters Sofa, wo Mara zusammengerollt auf dem Boden liegt. Ihre Augen sind geschlossen, ihr Gesicht blass. Langsam knie ich mich zu ihr und streiche ihr eine Haarsträhne, die quer über ihre Nase gelegen hat, zur Seite, wobei ich zufällig ihre Lippen berühre. Es trifft mich wie ein Stromschlag, die Erinnerung, die sich durch meinen Kopf frisst, meine Hände leicht zittern lässt. Und ich weiß schlagartig, was es ist. Eifersucht. Eifersucht auf diesen Druffi, der mit ihr quasi machen konnte, was er wollte. Der sie SO geküsst hatte, mitten auf dem Sofa.
Ich atme tief durch, hebe Mara vom Boden auf und trage sie aus diesem ganzen Remmidemmi raus. Der Wind braust immer noch, außerdem hat er sein Talent entdeckt und gehört zur klassischen Auswahl für DSDS. Dieses bekiffte Zischen, Heulen und Pfeifen, geht mir so was von auf den Sack, ey!


CHAPTER FORTY-TWO: Seeing behind the curtain


Mara


Ich werde wach. Es ist dunkel. Nacht. Regen, wenn nicht sogar Hagel, schlägt gegen meine Fensterscheibe. Ich fasse mir an die Stirn, sie ist schweißnass. Ein Schauer durchfährt mich, als ich an den Albtraum denke, der sich immer mehr in meine Gedanken drängt, während kalter Schweiß mir den Rücken runter läuft – zumindest fühlt es sich so an. Normalerweise ist jetzt der Moment, in dem ich kerzengrade im Bett sitze, mich auf irgendwas anderes konzentriere, ins Bad husche, wo ich aufs Klo gehe, mir die Hände wasche und eiskaltes Wasser ins Gesicht spritze. Aber so ist es jetzt nicht. Überhaupt nicht. Dieses Mal will ich einfach nur liegen bleiben, mich nicht bewegen. Nicht mehr denken, einfach schlafen. Traumlos. Reglos liege ich da, auf meiner Matratze, unter der Bettdecke, presse mein Gesicht auf das Kopfkissen. Bevor ich es wütend an die Wand pfeffere. Das ist der Moment in dem ich anfange zu heulen. Weil alles hochkommt. Alles von früher. Bilder von meinen Eltern. Bilder von anderen, gefährlichen Leuten. Waffen. Tote. Hakenkreuze.
„Mara?“, ich nehme die Stimme kaum war, weil mein Heulen und Schluchzen einfach so laut ist, dazu auch noch der Regen...
„Mara.“ Ein schwarzer Schatten steht vom Boden auf und setzt sich auf mein Bett. Ich reibe mir panisch die Augen, nein, ich heule nicht.
„Was ist los? Warum heulst du?“, Alex mustert mich besorgt, dann streckt er seine Hände aus und nimmt meine Handgelenke, womit er meine Hände von meinem Gesicht wegzieht.
„Ich flenne nicht“, meine Stimme klingt relatv unecht und unüberzeugend.
Er lässt meine Handgelenke los und fährt mit dem Zeigefinger über meine Wange, wobei er eine Träne wegwischt und mir die Fingerspitze mit der Träne vor die Augen hält, „Und was ist das?“
„Regen“, will ich sagen, aber da bricht noch mehr raus, Tränen rinnen wie Regenwasser durch die Rinnsteine aus meinen Augen. Aus meinem Herzen. Aus mir.
Ich weiß nicht, wie lange ich heule. So lange, bis keine Tränen mehr kommen. So lange, bis mir auffällt, dass Alex immer noch unverändert vor mir sitzt, mir in die Augen sieht und wahrscheinlich versucht, das alles zu verstehen. Aber es ist nicht leicht zu verstehen.
„Erzählst du's mir?“, fragt er schließlich, „Was dich so fertig macht.“
„Komm ins Bett.“ Ich rücke ein Stück und halte die Decke hoch und nach kurzem Zögern liegt Alex neben mir. Wir starren an die schwarze Decke. Es scheint eine Ewigkeit zu vergehen, bis ich anfange, aber er wartet.
„Erinnerst du dich noch an die Konfrontation von Steffen mit dieser alten Frau?! Der 'Großmutter' oder was auch immer? Ihr Name ist Gerda von Sommer. Sie war verheiratet mit Waldemar von Sommer, der schon seit Fünfzehn Jahren tot ist.“ Meine Stimme ist schwach, leise und unmelodisch, dafür umso emotionaler.
„Dieser Unmensch, hat im zweiten Weltkrieg eine Entscheidende Rolle gespielt. Er war es, der Hitler zu allem beeinflusst hat, der ihn erst auf die Idee gebracht hat, die Juden zu verfolgen, sie ausrotten zu wollen. Er war voller Hass. Ich weiß nicht, warum und woher, aber dieser Mann strahlte schon auf Fotos eine Aggressivität und Fremdenfeindlichkeit aus, die ich selten wieder gesehen habe“, wieder rinnen Tränen meine Wangen entlang, aber ich ignoriere sie geflissentlich. Alex hört mir einfach zu.
„In ein KZ zu gehen, war für ihn einem Besuch der Kirche gleich, und er war sehr gläubig – bete zu jeder Mahlzeit und vor dem Schlafengehen. Ich weiß das alles, weil mir seine Geschichten, Taten und sein Leben, von klein an eingebläut wurden. Als Gute-Nacht-Geschichte bekam ich zu hören, wie grandios die Pläne meines Opas, die Juden zu vernichten, gewesen waren, welche Siege er verbucht hatte – während andere Kinder Märchen und Kinderbücher vorgelesen bekamen. Meine Eltern waren fanatisch. Auch sie waren stark rechtsextrem; auf allerhand Umzügen, Demos, Veranstaltungen. Dabei waren sie recht gebildete Leute, mein Vater war Arzt, meine Mutter Bibliothekarin... Wenn ich mich an die Zeit mit meinen Eltern erinnere, sehe ich uns zu dritt im Auto, auf dem Weg zu solchen Veranstaltungen, auf denen brutale Reden gehalten wurden und die Zuhörer zu toben schienen. Gewalt spielte immer eine große Rolle. Mein Vater schwärmte von Schlägereien, in denen er und seine Nazi-Freunde zu zehnt auf einen eingeschlagen hatten...“, ich schluchze, kralle mich mit meinen Fingernägeln in die Matratze.
„Ich bin damit aufgewachsen, für mich war es ganz normal. Bis ich in die Schule ging. Bis zur vierten Klasse hatte ich da keine Probleme, hatte viele Freundinnen, natürlich alle deutsch und christlich mit anständigen Familien, die mich aber nie besuchen durften... In der fünften Klasse lernte ich Viktor kennen, außerdem war es das erste Mal, dass ein anderer, Paul, ein Jude, in meiner Klasse war. Meine Eltern tickten aus, als die davon hörten. Ein Jude... Das war ein Skandal für sie. Ich durfte ihn nicht ansehen, nicht mit ihm reden, weder neben ihm sitzen, noch gegenüber. Mit Viktor verstand ich mich von Anfang an gut, wir wurden schnell Freunde. Aber er freundete sich auch mit Paul an, was ich meinen Eltern verschwieg. Auf dem elften Geburtstag von Viktor war ich eingeladen. Paul auch. Die meiste Zeit ignorierte ich ihn, bis jemand auf die Idee kam Flaschen drehen zu spielen... Die Flasche zeigte auf Paul, dann drehte sie sich weiter. Ich weiß noch, wie ich gefleht hab, sie solle nicht bei mir stehen bleiben, aber natürlich tat sie das... Alle warten darauf, dass ich Paul küsste, der bereits aufgestanden war und mich anstarrte. Ich sah die Flasche an mit den Worten, 'Ich küsse keinen Juden.' Daraufhin wandten sich alle von mir ab. Keiner wollte noch was mit dem Nazi-Mädchen ohne Freunde zu tun haben... Bis auf Viktor. Er wollte mich verstehen und mir helfen... Er war der Einzige. Der Einzige 'normale' den ich hatte. Und ohne Viktor hätte ich nie begriffen, wie falsch das alles ist. Wie verachtend und abscheulich alles ist, was Walter von Sommer je getan hat...“
Ich wende den Kopf zur Seite und sehe Alex an. Etwas geschockt sieht er grade aus, streckt aber den Arm aus, den er um meine Schulter legt und mich näher zu sich zieht.
„Und deine Eltern?“, seine Stimme klingt monoton, ist er etwa überfordert?
Ich schlucke, „Die sind tot. Das Leben hat sich bei ihnen gerächt und ihnen bei einer Tankstellenexplosion ihr schrecklich verpfuschtes Leben genommen.“
Alex streicht mir mit der Hand über die Wange, wischt die Tränenspuren weg. Ich schließe meine Augen, frage mich einen Moment, ob das ein Traum oder die Realität ist und entschiede mich für die Realität. Weil ich so gut wie nie so was träume. Wenn ich träume, sind es Albträume, von Gewalt, Blut, Tod. Alex setzt sich auf und zieht mich an den Armen auf seinen Schoß. Dann schließt er mich in eine innige Umarmung, während weiterhin von Maskara, Lidschatten und Kajal schwarze, flüssige Tränen aus meinen Augen rinnen. Alex hält mich fest. Schließlich finden sich unsere Lippen. Der Kuss schmeckt salzig. Doch es fühlt sich wie der erste richtige Kuss in meinem Leben an. Die Regentropfen hämmern gegen das Fenster, als ein leuchtender weißer Blitz die Dunkelheit ganz kurz erhellt. Ich sehe Alex in die Augen, die in der erneuten Finsternis wieder schwarz wie Kohlen scheinen, und was ich sehe ist, was ich fühle. Ich sehe ihn anders als sonst. Nachdem ich ihm das Geheimnis meines Lebens erzählt habe und er immer noch bei mir ist, mich nicht alleine lässt, fange ich an zu realisieren, dass ich ihn brauche. Dass ich auf ihn angewiesen bin. Ich brauche ihn.
„Alex“, der rauchig-rostige und zittrige Ton meiner Stimme, „Lass mich nicht allein.“
Er räuspert sich, sieht mir in die Augen. Auch wenn er das Versprechen nicht ausspricht, akzeptiere ich es, weil ich das Funkeln in den schwarzen Kohlen-Augen sehe, was mich schlucken lässt.
Langsam stehe ich auf und stolpere wortlos ins Bad. Ich erschrecke mich nicht, als ich mich im Spiegel sehe. Das Mädchen mir gegenüber blickt nicht mehr einfach nur traurig, sondern gleichzeitig glücklich, wach, fertig. Früher hatte man das Glück nie in ihren Augen sehen können, ihr glücklichstes Lächeln war eines mit geschlossenen Augen gewesen, um ihre Zerrissenheit zu verbergen. Genauso wie früher ist ihre Haut blass, kalkweiß, bis auf die Wangen, auf denen sich die Spuren der schwarzen Tränen in grauen Linien abzeichnen. Ihre rot leuchtenden Lippen liegen locker aufeinander, wobei sie trocken und spröde erscheinen. Plötzlich beginnt sie unkontrolliert zu beben, zu zittern. Ich will die Hand nach ihr ausstrecken, ihr Halt geben, aber, das Einzige, was ich berühre, ist die eiskalte Glasplatte des Spiegels mir gegenüber.


CHAPTER FORTY-THREE: Gentleman


Alex


Fünf Minuten verstreichen. Zehn Minuten verstreichen. Eine Viertelstunde verstreicht. Wo bleibt die denn? So lange wird sie jetzt doch wohl auch nicht im Bad brauchen. Langsam steige ich aus dem Bett und schlendere in den Flur. Auch hier keine Spur von Mara. Dreimal klopfe ich an die Badezimmertür, „Mara? Alles klar?“
Von drinnen dringt nichts zu mir. Diese Stille wirkt beklemmend auf mich – was wenn Mara irgendwas passiert ist, wenn sie sich irgendwas getan hat? Nach allem, was ich heute von ihr gehört habe, bin ich echt überempfindlich. Das muss auch der Grund sein, warum ich nicht einfach weiter gegen die Tür hämmere, sondern sie stattdessen aufreiße und perplex in meiner Reinstürm-Aktion gebremst werde. Eine frischnasse Brise weht mir entgegen. Mara sitzt auf der Fensterbank des weit geöffneten Fensters und lässt die Beine rausbaumeln. Im Regen. Sie scheint mich gar nicht zu bemerken.
„Mara?“, langsam gehe ich zu ihr, sie reagiert immer noch nicht. Einen Moment stehe ich still hinter ihr, lasse ihr knallrotes durcheinander liegendes Haar, was locker über ihren nackten Schultern liegt, auf mich wirken. Warum hat sie nur dieses dünne Top an und setzt sich so auf die Fensterbank – nachts, bei Regen und Sturm. Auf der Haut ihrer Schultern ist eine feine Gänsehaut ausgebreitet, die über ihren Rücken und die Arme weiterführt. Ich spreche sie wieder an und sie scheint es immer noch nicht zu checken. Darum lege ich meine Hand auf ihre Schulter. Aber durch die Berührung zuckt sie zusammen, dreht sich ruckartig zu mir um, wobei sie den Halt auf dem schmalen Fensterbrett verliert. Reflexartig schnappen ihre Hände nach mir, wobei sich ihre Fingernägel in meine krallen.
„Fuck!“, ruft sie, dann lässt sie sich von mir von der Fensterbank ins Zimmer ziehen. Ich mache das Fenster zu.
„Ich brauche keinen Aufpasser“, protestiert Mara und ihre Augen funkeln mich an. Was dieses Funkeln ausmacht sind die wenigen Tränen, die jeden Moment heraus zuströmen drohen. Schnell fasst sie sich aber wieder, greift meine Hand und zieht mich mit sich in die Küche.
„Was hast du vor?“
Ihre Brauen zucken hoch, „WIR backen jetzt zusammen Kekse.“
Ich stöhne auf, „Ganz sicher nicht.“
„Alex“, bedrohlich ist kein Wort für die Intensität ihrer Stimme, „Meinst du nicht, das bist du mir schuldig, nachdem du mich eben fast aus dem Fenster geschubst hast!?“
Meine Augen finden ihre. Ich starre sie in Grund und Boden: Der Drache starrt die Raubkatze an.
„Ohne mich wärst du“, fange ich an, aber Mara dreht mir desinteressiert den Rücken zu und kramt Zutaten raus.
„Blablabla, schön, Alex-Schatz, aber das kannst du deiner Mami erzählen, wenn wir die Kekse fertig gebacken haben. Hier, fang!“, ein Packet Mehl fliegt durch die Luft auf mich zu, schon bevor sie »fang!« ruft. Es trifft mein schwarzes Shirt und hinterlässt ein weißes, pudriges Muster.
„Na warte!“, ich hebe das Packet vom Boden auf, reiße es auf und renne auf Mara zu.
„Waaah! Nein!“, ruft diese und läuft vor mir weg. Ins Wohnzimmer.
„Du kannst mir nicht entkommen!“
Sie lacht auf, „Warum lügst du?“
Sie kreischt, als ich sie doch einhole, auf dem Sofa.
„Alex!“
Ich halte sie fest und schütte ihr das Mehl über den Kopf, wobei ich „Huui“ mache.
„Maaan! Meine Haare!“
Ich grinse sie überlegen an, „Das hat Spaß gemacht, das sollten wir öfter-“ Buuumm. Mara hat mir den halbvollen Mehlbeutel aus der Hand gerissen und schlägt ihn mir ins Gesicht.
„Baaah!“, mache ich, entwaffne sie und halte ihre Handgelenke fest. Ihr Gesicht ist weiß. Mehlweiß. Was mich zum Lachen bringt, „Du - siehst aus - wie ein verunglückter – Bäcker!“, lache ich.
Mara streckt mir die Zunge raus, „Wenn ich dich in die Finger kriege!“
Ich grinse sie frech an, „Im Moment sieht es eher nicht so aus, schließlich halte ich dich gerade mit MEINEN Fingern.“
Protestierend pustet sie Luft in Richtung ihrer Nase, was eine kleine Mehlstaubwolke auslöst, aber ich lasse mich nicht irritieren und halte sie weiterfest.
„Alex, es bringt nichts, wenn du mich festhältst“, teilt sie mir mit.
„Stimmt“, mein Grinsen wird immer breiter, ich lasse sie los und fange blitzschnell an sie auszukitzeln.
„Nein! Nein! Das – wird – dein – Tod sein!“, bringt sie hervor, während sie sich kichernd vor mir auf dem Sofa hin und her rollt. Das Gerolle nervt, darum setze ich mich auf ihre Hüfte, von wo aus ich sie noch besser kitzeln kann.
„AAAA-hahaha-haha-haha-Leee-hehe-hex!“, quietscht sie, während sie sich die Seele aus dem Leib lacht. Wie ich so auf ihr sitze und ihr beim Lachen zu höre, muss ich selbst lachen über das Mehlmädchen mit den blutroten Haaren und mich. Irgendwie schafft Mara es, sich ein Stück unter mir hervor zu winden, sodass sie etwas mehr Bewegungsfreiheit hat, die sie auch gleich ausnutzt. Mit Schwung holt sie aus und gibt scheuert mir eine auf die rechte Wange. Dann auf die linke. Verdutzt halte ich inne. Was geht hier AB?! Dann beugt Mara sich zu mir, kommt meinem Gesicht immer näher, zärtlich küsst sie meine rechte Wange, dann die linke. Langsam bewegen ihre Lippen sich zu meinen Lippen. Halten aber auf dem Mundwinkel inne und entfernen sich.
„Vergiss es – so leicht kommst du mir nicht davon“, flüster' ich und nehme selber dieses schreckliche Verlangen nach Mara wahr, als ich sie an den Hüften packe und zu mir ran ziehe. Unsere Lippen trennen nur wenige Millimeter. Eine hauchdünne elektrisch geladene Luftschicht. Und die Versuchung ist zu groß, dass ich diesem Verlangen nicht standhalten kann.
„Alex“, flüstert sie, ihre Stimme ein zartes Hauchen, „wenn du mich jetzt küsst, musst du die ganze Nacht mit mir Plätzchen backen.“
Höchstens drei Millimeter Luft zwischen uns.
„Es ist Spätsommer“,antworte ich eben so leise.
„Na ja“, murmelt sie, dann lehnt sie sich zurück, bringt Abstand zwischen uns, leckt sich langsam über die roten Lippen, „du weißt ja was dir entgeht.“
Blitzschnell lege ich meine Hand an ihren Hinterkopf und drücke diesen mit sanfter Gewalt zurück an seinen Platz.
„Ich hab noch nie gebacken“, gebe ich zu, dann lege ich meine Lippen auf ihre und besiegele ihren Plätzchen-Wunsch mit einem sanften Kuss, der dann in ein inniges Zungenspiel übergeht. Als wir uns wieder voneinander lösen strahlt Mara mich an, wie ein kleines Kind an Weihnachten, springt auf und reißt mich mit sich zurück in die Küche.
„Voll laser, dass wir beide heute zum ersten Mal zusammen-“
„klingt gut“, unterbreche ich sie und fahre ihr mit meiner Zeigefingerkuppe über den linken Wangenknochen.
„Tz“, macht sie, greift meinen Finger, führt ihn sich in den Mund und beißt drauf, „Laber keinen Schnick Schnack, sonst... Finger ab.“
Ich muss lachen, und sie beendet ihren Satz, „...Kekse backen.“
„Es ist immer noch Sommer.“
„What ever“, verdreht sie die Augen!? Da dreht sie sich schon wieder von mir weg und kramt die restlichen Zutaten – inklusive neuem Mehlpakets raus.


CHAPTER FORTY-FOUR: Lady in black


Mara


Ich stehe an der Kreuzung vorm Shoppingcenter. Es regnet, wie auch schon den ganzen morgen. Während ich darauf warte, dass die Ampel mir grünes Licht gibt, lasse ich meine linke Hand in die Hosentasche gleiten, um einen der sternförmigen Kekse rauszuziehen. Die Ampel zeigt grün, ich geh über die Straße, stecke mir den Stern in den Mund. Alex ist schon seit Sechs Uhr morgens weg. Und heute Abend ist der Ball. Das ist auch der Grund, warum ich hier an einer Steinstatue vorm Shoppingcenter auf Luna warte – ich brauch was Funkyges für heute Abend.
„Hey“, grinst sie mich an, gespielt. Ihre Augen strahlen einfach nicht, sie sind sogar noch rötlich, weil Luna wahrscheinlich geheult hat.
„Was ist los?“
Tränen quillen aus ihren Augen und sie versucht diese verzweifelt wegzuwischen, doch es kommen immer mehr. Seufzend lege ich meine Arme um meine blonde Freundin, „Luna... was hast du?“
Schniefend, Rotz und Wasser heulend, macht sie sich von mir los und zieht mich mit sich ins Gebäude und in den nächsten Coffeeshop – Starbucks.
Mit einer Latte vor der Nase, mustere ich Luna, die sich hektisch ihr blondes, vom Wind verwuscheltes Haar aus dem Gesicht streicht und gleichzeitig nach einem Taschentuch in ihrer Handtasche sucht.
„Mara, du kannst dir nicht vorstellen, was heute Nacht noch passiert ist!“, beginnt sich schließlich, nachdem sie ihren Kaffee demonstrativ von sich weg geschoben hat.
„Was denn?“
Luna schnieft wieder auf, „Nachdem Alex mit dir abgehauen ist, ist Tanja wiedergekommen – sie war ja vorher schon mal da und hat Stress geschoben“, schnieft, rotzt, hustet, „na ja, jedenfalls meinte sie etwas wie »Viktor, ich geb dir noch eine Chance, zu mir zurückzukommen. Entweder du nutzt sie, oder ich ruf die Bullen, die sich sehr über die Apotheke von Finn freuen werden«.“ Als Luna Finns Namen in den Mund nimmt, rollt eine große, geradezu perfekte Träne aus ihrem Augenwinkel die Wange hinab, über ihre Lippe, bis sie von ihrem Kinn auf ihren Schoß tropft. Tränen sind doch wie Träume, selbst die, die perfekt scheinen und sogar einen Schimmer der brutalen Realität durchscheinen lassen, laufen vor einem weg, ehe sie sich in kleine Wasserflecken auflösen, die später trocknen und so unnahbar werden. Wer fragt schon eine verheilte Wunde, ob sie je wehgetan hat?
Luna atmet tief und zittrig ein, „Viktor hat es nicht gemacht und Finn... wurde 'ne Stunde später von der Polizei abgeholt. Festgen-genommen … wegen Drogenkonsum u-und...“.
Ich massiere mir die Schläfen – fuck! Tanja ist echt so eine egoistische Crack-Bitch!
„Und jetzt?“, frage ich.
Luna zuckt die Schultern, beißt sich auf die Lippen, „Knast. Therapie – WAS WEIß ICH!“ Es schüttelt sie und ich muss fast auch losheulen, wenn ich sie so sehe.
„Entschuldigung, kann ich euch helfen?“, ein strohblonder Kerl dreht sich von seinem Platz rechts von uns zu uns hin und schlägt vor Luna zum nächsten Arzt zu bringen.
„Nein, danke“, murmle ich lächelnd, stehe auf und ziehe Luna mit mir in die Toilette.
Vor dem Spiegel halte ich sie fest und zwinge sie dazu, uns im Spiegel anzusehen.
„Luna! Es ist tragisch und wirklich beschissen!! Aber sieh dein Spiegelbild an und sag mir, dass du das bist. Kannst du das überhaupt, wenn du SO aussiehst?“
Sie presst ihre blassen rosa Lippen fest aufeinander, „Natürlich bin ich das.“
Ich nehme sie in den Arm, „Pass auf, wir besuchen Finn morgen. Und mal ehrlich, es ist eine Chance für ihn. Weißt du, mit was der sich vollpumpt? - Eben, ich auch nicht. Aber eins ist doch klar, wenn der so weitermacht, gibt es ihn nicht mehr lang. Und wenn er echt eine Therapie machen sollte, wird ihm das mehr bringen, als wenn er am »goldenen Schuss« in einer dreckigen Gasse verreckt.“
Luna lächelt mich unsicher an, „Stimmt...“

Nachdem wir durch gefühlte 50 Shops gelaufen sind und immer noch nicht die richtigen Ball-Outfits gefunden haben, betreten wir einen glamourösen Laden, der mehr nach Hochzeitskleidern aussieht.
„Letzter Versuch“, murmelt Luna und wir beginnen uns umzusehen.
Nach einer weiteren halben Stunde verlassen wir das Geschäft – jede von uns mit einer schwarzen Einkaufstüte.
Ich hab endlich ein Kleid gefunden, was ich schon immer gesucht habe, ein schwarzes. Nun ja, niemand denkt, dass es so schwer sein kann, ein schwarzes Kleid zu suchen, aber das ist es. Mein schwarzes Kleid ist kurz – es geht bis zur Hälfte meiner Oberschenkel. Von der Hüfte abwärts gleicht das Kleid einem Rüschenrock, mit vier Stoffebenen, wobei unter der untersten eine weitere feine weiße Stoffschicht auffällt. Zwei relativ breite Riemen halten das Kleid, was am Oberkörper eng anliegt.
Es ist echt ein Traum! Luna hat sich für ein azurblaues Kleid entschieden, was ein wunderschönes Motiv aus Glitzersteinen draufgenäht hat. Zufrieden gehen wir noch bei einem Asiaten essen, bevor ich sie mit zu mir nach Hause nehme. SO wie sie vorhin drauf war, lass ich Luna ganz sicher nicht alleine.

Wir verbringen den ganzen Nachmittag damit, uns für den Ball fertig zu machen. Mit allem drum und dran. Sogar Nagellack! Wovon ich kein allzu großer Fan bin, weil ich das ewige Abwarten, Pusten und Trocknen-lassen hasse.
Es ist halb Acht. In einer Stunde beginnt alles in der Schule.
„Holt Alex dich eigentlich ab?“, will Luna wissen.
Ich zucke die Schultern, „Probably noooot. Sonst hätten wir das ja irgendwie angeklärt. Aber da scheiß ich eh drauf.“
Als würde sie mich nach dem Wetter fragen, kämmt sie sich die Haare und sieht flüchtig aus dem Fenster, „Und warum führt ihr eine geheime Beziehung?“
Fast schon empört hake ich nach, „WAS!?“
Luna verdreht die Augen und kämmt sich weiter seelenruhig das Haar, „Hey, dass da was abgeht, sieht doch jeder. »Mara und Alex« – das klingt doch gar nicht so schlecht, Süße!“
Ich presse die Kiefer aufeinander, „Da ist aber keine geheime Beziehung!“
„Mara..“, Luna seufzt, dann mustert sie mich skeptisch, „Warum sollte da keine geheime Beziehung sein?“
Gute Frage... Warum haben wir keine geheime Beziehung nach allem?
„Weil... Alex ein Arschloch ist!“
„Das stimmt doch gar nicht“, blockt sie sofort ab, „Und das weißt du besser als jede andere! Der Kerl ist alles, aber kein Arschloch! Er hat dich letzte Nacht nach Hause gebracht! Siehst du echt nicht, dass der dich liebt!?“
Ich werfe einen Blick auf die Uhr, es ist viertel vor Acht.
„Sorry, aber ich muss jetzt los, Luna.“
„Fuck! Wir haben noch ewig Zeit, Süße“, sie lächelt mich mit diesem typischen »Und-wir-können-über-alles-reden«-Blick an.
„Nope, ich will vorher noch zum Friseur, ich hab keinen Bock drauf, mir selbst die Finger am Lockenstab zu verbrennen.“
„Das kann ich auch machen“, bietet sie an – immer noch das Lächeln und der bekiffte Blick. Nein, Danke.
„Ich hab einen Termin“, lüge ich.
„Wann hast du den denn gemacht?“ Luna N-E-R-V-T.
„Ist doch scheißegal. Entweder du kommst jetzt mit zum Friseur oder du holst mich da in 'ner halben Stunde ab.“
„Ich hol' dich ab“, grinst sie, „Bis dann.“ Sie greift nach den Spangen und richtet ihr Haar, während ich mit einem „Bye, bye“ aus den Lippen aus der Wohnung stolpere – in Ballkleid und auf grünen Glitzerpumps.

Ich wickele eine korallenrote Locke um meinen Zeigefinger, als ich mit Luna vor der Steintreppe vor dem Schulgebäude stehen. Luna starrt ununterbrochen auf ihr Handy, klickt andauernd, weil die Hintergrundbeleuchtung alle paar Sekunden erlischt und ich stehe mit demonstrativ verschränkten Beinen neben ihr und sage mir immer wieder dasselbe. »Alex wird kommen.«
Eine dunkel gekleidete Person kommt auf uns zu geschlendert. Zwar ist es nicht Alex, sondern Viktor, aber ich bin heilfroh ihn zu sehen.
„Heeey Biaaatches!“, grinst er.
„Wie geht’s Finn?“, schießt es aus Luna.
Mein bester Freund seufzt, „Der ist wieder Zuhause“, sein Blick huscht zu mir, „Du hast echt was verpasst.“
„Kann sein“, ich lasse meine Locke los und stemme meine Hände in die Hüften.
„Alex ist wohl noch nicht da...“, murmelt er. Woraufhin Luna wild nickt.
„Komm doch schon mit uns rein“, schlägt Viktor vor, bevor er einen Arm leicht um Lunas Schultern legt.
„Hm, ich warte lieber und rauche noch eine. Aber euch schon viel Spaß.“
„See you“, flüstert Luna, dann verschwinden die beiden nach oben, sobald sie vier, fünf Stufen hochgestiegen sind, hat die Dunkelheit sie verschlungen.
Mir ist kalt, ich reibe mir die Arme. Dann ziehe ich eine Kippe aus meiner Handtasche, zünde sie an und rauche. Bis mein Handy klingelt.
„Ja?“
„Hey Mara.“ Alex. Irre ich mich, oder ist das mein Herz, was so laut pocht? Unmöglich!! Ich spinne ja!
„Hey, wo steckst du?“ Ich trete die Zigarette mit meinen chicen Pumps aus.
Er zieht die Luft ein, „...In den Staaten.“


CHAPTER FORTY-FIVE: Glitter of the night


Alex


„Aha“, macht Mara. Ihre Stimme ist kühl, fremd und auch wenn ich sie nicht sehe, wirkt sie total unnahbar auf mich, „Gut, dass wir das geklärt haben.“ Es ist nichts geklärt.
„Mara... Es tut mir-“
„Touché! Fang bloß nicht an mit »Es tut mir so leid«, Alexander, wir sind zu nichts verpflichtet. Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen.“ Sie ist zu weit weg. Ich hatte noch nie dieses Gefühl, jemanden, der mir so nah steht, so weit weg zu spüren, zu merken, dass es Lügen sind, an denen alles zu zerbrechen droht.
„Ich weiß aber, was ich dir versprochen habe“, fange ich an, aber sie fährt mir wieder ins Wort.
„Mach dir keine Sorgen, ich überlebe das alles. Ist ja nicht so, dass es was Besonderes gewesen wäre, nur ein Ball. Versprechen. Reden ist leichter als Tun und Versprechen leichter als Halten.“
Ich kann sie beinah sehen, diese grünen Augen, die von den Tränen, die sich anbahnen, - Tränen der Wut – glänzen.
Ich will ihr etwas sagen. Etwas. Irgendwas. Aber da ist nichts. Nur eine Kluft zwischen uns, die sich verstärkt, als ich ein Schniefen höre.
„Weinst du?“
„Nein“, streitet sie ab, ihr Ton hart wie Stahl, „Es fängt an zu regnen. Ich geh rein.“
Dann sagt sie nichts mehr, es ist eine Weile still. Dann dringt das Tuten zu mir durch – aufgelegt.

Ich kann dieses Gefühl schlecht beschreiben, aber es ist wie ein Gedanke, eine Gewissheit, die so in Watte und Nebel gehüllt ist, dass sie nicht direkt zu mir durchdringt, obwohl ich es doch eigentlich weiß. Aber es ist wie die Suche nach einem Wort, das einem schon durch den Kopf schwirrt, bevor es einem auf der Zunge liegt und dann plötzlich – nichts. Das Wort ist weg. Und so ist es mit dem Gedanken, ich weiß, dass ich weiß, was ich eben noch gedacht habe, aber es fällt mir jetzt nicht ein. Egal, wie sehr ich mich anstrenge. Da ist nur dieser Nebel, der leicht nach Vanille und gleichzeitig stickiger Luft riecht. Nur der Nebel. Und die Watte. Ich weiß nicht, was ich fühle. Vielleicht ein kleines bisschen Verzweifelung, weil mein verficktes Gehirn mir nicht sagen will, was ich eben noch gefühlt oder gedacht hab.
„Alex“, die großen weißen Doppeltüren schwingen auf und eine blonde Diva mit Extensions, deren Make-up doppelt so dick wie ihre Haut ist und deren künstliche Wimpern fast ihre Nasenspitze berühren, wenn sie die Augen niederschlägt. Hilary.
Ich sehe sie stumm an.
„Ich hoffe du hast noch nicht lange gewartet, ich hab jetzt erst erfahren, dass du bereits hier bist“, der typische „Das-wirst-du-bereuen“-Zicken-Blick trifft den armen Butler, der beschämt den Kopf neigt.
„Ich bin noch nicht lange hier“, ich stehe aus dem Ledersessel auf. Hilary ist nicht gewachsen. Selbst mit ihren Zwölf Zentimeter Absätzen dieser mit Diamanten besetzten High Heels, ist sie noch zwanzig Zentimeter kleiner als ich. Sie ist einfach nicht gewachsen. Mit einem Blick auf die Uhr fahre ich fort, „Höchstens 'ne halbe Stunde.“
„Pff“, eine ihrer viel zu schmalen und künstlich noch heller gefärbten weißblonden Augenbrauen schnellt in die Höhe, „Spielt ja auch keine Rolle“; sie lächelt, wobei mir dazu nur ein Wort einfällt: »Tussi.«, - „Jedenfalls, ist da heute Abend diese Geburtstagsfeier von Selena – ich habe die perfekten Outfits dafür extra für uns beide designen und schneidern lassen. Komm, sieh' sie dir mit mir an.“
Zusammen laufen wir durch einen langen Flur – wobei das Laufen eher mich betrifft, sie stöckelt –, fahren mit einem vollständig von einem Aquarium umgebenen Fahrstuhl zwei Etagen höher, wo wir dann weiter über roten samtweichen Teppich laufen, bis wir in einer Art Atelier ankommen.
Stolz, aber vor allem überheblich präsentiert sie mir ihr knallrotes Ball-reifes Kleid – trägerlos, elegant, luxuriös.
„Du bist sprachlos, oder?“, fragt sie, redet aber im gleichen Atemzug weiter, „Na ja, kann ich auch total verstehen. Es ist halt in der Tat atemberaubend. Wie du schon sagst.“ Hatte ich das gesagt? Egal.
„Alex, und dein Anzug erst! Hier“, sie reicht ihn mir rüber, „Zieh' ihn gleich an“ und schiebt mich in eine Kabine, so groß wie ein durchschnittliches Bad.

Kurz darauf mustere ich mich im Spiegel, der Anzug ist weiß. Edel, teuer, bequem. Auch das schwarze Hemd mit der roten Krawatte sitzen einwandfrei. Mein Spiegelbild erinnert mich jedoch an alte Zeiten. An früher. Als ich noch mit Hilary zusammen war. Dass wir abends oft zusammen zu irgendwelchen wichtigen Events gegangen sind, dass unsere Outfits immer perfekt aufeinander abgestimmt waren. Dass ich es geliebt habe, auch durch unser Äußeres eine Verbindung zu ihr zu haben, öffentlich zu zeigen, dass wir zusammen gehören, zusammen passen.
Heute ist es anders. Es spielt keine Rolle, was ich je für Hilary empfunden habe – obwohl, genau genommen spielt es eine Rolle, denn sonst würde ich nicht hier stehen, in diesem Anzug, mit diesem »Ich-gehöre-hier-nicht-hin«-Gefühl. Ich wollte zum Ball, mit Mara. Wie ich es versprochen hatte. Aber ich hatte keine Chance.
„Und, passt alles? Ich hab mir von deiner Mutter extra deine Maße geben lassen, Schatz.“
Mit den schwarzen, glänzenden Lackschuhen, die in der Kabine für mich bereit standen, an den Füßen, trete ich wieder direkt ins Atelier, zu Hilary.
Sie strahlt, läuft um mich herum, zupft hier und da. Dann zerrt sie mich zu einer großen Spiegelwand, zieht meinen Arm so hin, dass er um ihre Hüfte liegt und lehnt ihren Kopf gegen meine Schulter.
„Alex, ich wusste, dass wir immer noch wie füreinander geschaffen sind. Das ist es, was ich ein »Traumpaar« nenne.“
Ich räuspre mich, „Der Schein hat schon viele hinters Licht geführt.“
„Weißt du, jeder Mensch macht Fehler. Wir beide sind da keine Ausnahme. Die Kunst liegt darin, keinen Fehler zu wiederholen.“
Ich nickte, „Warum bin ich dann hier?“ Ich kenne ihre Antwort.
„Ich hab dich vermisst, Schatz“, – schon wieder, „Erinnerst du dich an die Sache mit den Papieren, die ich dir mal erzählt hab? Mein Blatt Papier ist weder unschuldig, noch unbeschrieben. Und auf unserer beider Blätter befindet sich dieser eine Abschnitt, dieser Fleck, das, was damals alles kaputt gemacht hat und ich denke, dass es langsam Zeit wird, das wieder auszubessern. Den Schreibfehler in unserer Lovestory zu korrigieren.“
Zum ersten Mal an diesem Abend, erkenne ich einen Teil des Mädchens, das ich geliebt habe, wieder, es ist nur ein kleiner Ausschnitt ihrer eigenen Philosophie, aber das Glänzen ihrer Augen jagt mir dabei eine Gänsehaut über den Rücken.
„Ich hab es geliebt, wenn du so sprichst“, ein leichtes Lächeln verlässt meine Lippen, 'Aber es ist alles vorbei', bringe ich dann hervor, 'Manche Fehler, gravierende, verletzende, die einen am Ende jedoch prägen und dadurch ausmachen, sollten nicht korrigiert werden.'
Hilary nimmt meinen Arm von ihrer Hüfte, hält meine Hand aber fest und zieht mich wieder mit sich, „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Dein Haar muss noch gestylt werden, Schatz.“ Sie hat mich nicht gehört. Vielleicht, weil ich es nicht ausgesprochen habe.

Wie es Mara wohl geht? Sie hat sich vorhin nicht gut angehört. Es tut mir wirklich leid. Man sollte keine Versprechen leichtfertig geben – und das Ballversprechen war eher spontan, offen, mehr ein Wortgefecht als ein Versprechen. Aber das andere, was sie von mir gefordert hat... Ich hab es nicht gesagt, nicht bestätigt. Nicht geschworen, dass ich sie nicht allein lasse. V ielleicht ist es besser so wie es jetzt ist. Sonst hätte ich ein noch viel wichtigeres Versprechen gebrochen. Trotzdem, ich weiß doch immer noch nicht genau, was das zwischen mir und Mara ist. Oder gewesen ist. SO wie vorher wird es nicht sein. Nicht nachdem, wir uns vor einem Moment noch so nah und dann plötzlich so fern waren; nicht nach dem ich sie im Regen mit ihrer Trauer stehen lassen habe. Nachdem ich sie versetzt habe. Aber was war das zwischen uns? War es Liebe? Aber, wenn es Liebe gewesen wäre, wäre es jetzt sicherlich vorbei. Hätte mir mein Herz dann nicht rundum die Uhr sagen müssen, dass es Mara ist, die mein Leben besser und schöner macht? Wenn es besser gewesen wäre, würde ich es jetzt alles irgendwie verlieren. Ganz sicher. Obwohl ich immer noch zu Mara will, weil sie mir irgendwas bedeutet, was ich vielleicht nie zuordnen werden kann, frage ich mich, ob sie das ist, was ich immer gesucht habe. Die eine besondere Person, die einem Herzen berührt, alles auf den Kopf stellt, immer an dem einen Ort ist, wo das Wasser fließt und der Wind bläst. Wo Stürme, Gewitter und sanfte Sommerregen die Gefühle bestimmen. »Hör auf dein Herz«, singt Roxette und ich würde gerne auf mein Herz hören, aber ich versteh es nicht. Ich höre da keinen doppelten Herzschlag, wo keiner ist. Keinen Beat, der mir sagt, was ich fühle. Mein Herz spricht nicht die selben Sprachen wie ich – es ist ein Teil von mir, den ich nicht verstehe.


CHAPTER FORTY-SIX: Deadhearted day


Mara


Es ist morgens. Das Klingeln meines Weckers dringt kaum zu mir durch, dabei liege ich schon eine Ewigkeit mit offenen Augen da. Mit einem Hauch von Nichts im Kopf. Stille. Leere. Erdrückend und benebelnd. Ich liege hier im Ballkleid, ich weiß, dass meine ganze Schminke verwischt ist. Denn auch wenn ich gestern Abend kaum geheult hab, überkam es mich in der Nacht – dieses Gefühl; diese Enttäuschung. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich werfe meinen Wecker an die Wand und stehe auf. Pelle mich aus dem viel zu edlen Kleid und dusche so lange, bis ich mich sauber und in Ordnung fühle.
Fertig angezogen und zum ersten Mal seit Langem mit einem Pferdeschwanz statt offener Mähne setze ich mich an den Küchentisch. Vor mir ein unbeschriebenes liniertes Papier auf meinem Collegeblock aufgeschlagen und halte einen Kugelschreiber – tränensicher – in der Hand. Langsam fange ich an zu schreiben.
Lieber Alex!


Nein. That sucks! Falscher Anfang; also reiße ich das Blatt raus und nehme mir das nächste vor.
Hey Alex!
Ich hab gestern auf dich gewartet. Selbst noch, als du schon längst abgesagt hattest. Nein, ich bin nicht zum Ball gegangen. Und auch erst nach Hause, als alle anderen schon längst in irgendwelchen Ecken und dunklen Gassen rumgevögelt haben.


Netter Versuch? Nein, genauso beschissen. Also abgelehnt!
Ich sitze stundenlang vor diesem Brief, der kein Brief ist, sondern einfach nur ein Blatt Papier, was sich nicht füllen will. Weil ich nicht weiß, wie ich anfangen soll und was ich ihm überhaupt schreiben will. Aber ich werde ihn nicht anrufen, keine Sms oder eMail oder sonst was schreiben. Bin mir ja nicht mal sicher, ob ich diesen Brief je schreiben werden – und wenn doch dann steht noch lange nicht fest, dass ich ihn überhaupt abschicke. Warum auch? Bis er fertig ist, ist es doch eh egal, was ich denke, schreibe oder Alex sagen will.
Plötzlich bin ich mir nicht mal mehr sicher, ob ich ihm überhaupt was schreiben will. Ob ich überhaupt über ihn nachdenken sollte und den Kontakt halten sollte. Was weiß ich schon? Ich weiß nicht mal, was das zwischen uns ist. Und ich weiß weder wo er ist, noch wann er wieder kommt und wie das alles weitergehen soll, wenn – oder sogar falls – er wiederkommt. Genaugenommen, hab ich ja nicht mal Klarheit über meine eigenen Gefühle! Aber vielleicht ist das mein Anker.
Ich brauche ihn nicht! Was will ich denn mit so einem? Arrogant, reich, von den Eltern viel zu oft bevormundet? Arschloch? Gerade ich! Soll er sich doch eine steinreiche, aufgetakelte Tussi in den Staaten suchen; oder einfach seine alte nehmen. Wenn er denkt, dass alles so ist wie vorher, wenn er zurückkommt, liegt er sowas von daneben. Nichts wird je wieder gleich sein. DAS weiß ich.
Ich zerknülle wieder ein leeres Blatt und werfe es ans Fenster, wo es an der glasigen Scheibe abprallt und geradewegs zu Boden geht, als mein Handy klingelt.
Ich nehme ab, ohne vorher aufs Display zu gucken.
„Hallo?“, frage ich, ohne ein Lächeln auf den Lippen, die ich heute mit einem leichten Orangeton angemalt habe.
„Tamara?“
Ich blinzle perplex; „Was!?“
„Bist du endlich mal rangegangen, mein Kind?“
Wieder ihre Stimme. Die Stimme einer Mörderin. Einer Frau, die viel zu viele auf dem Gewissen hat, jedoch keineswegs ein Gewissen zu haben scheint.
„Was soll das und was willst du?“, meine Stimme ist kühl und abweisend, was auch gut ist. Ich werde ihr immer wieder zeigen, wie sehr ich sie verachte und dass ich nichts mit ihr zu tun haben will.
„Kind, in der Vergangenheit ist so vieles passiert. Viel Unrechtes, viel Falsches und das, was aus unserer Familie geworden ist, ist nicht mehr das, was man eine Familie nennt. Alles ist so kaputt...“, ihre harte Stimme wird von einem Seufzen abgelöst.
„Na und!?“, schnappe ich, „Was geht MICH das an. Du weißt, dass das nicht mehr mit mir zu tun hat, denn deine Familie ist mir egal.“
„Sag doch so was nicht, Kleines. Ich mach' dir einen Vorschlag. Wir treffen uns-“
-“Nein“, unterbreche ich. Ganz sicher nicht.
„Tamara, wir treffen uns um 15 Uhr im Café mit den tanzenden Kellnern. Du, ich und dein Cousin, Steffen.“
Ich schlucke, „Warum sollte ich das wollen?“
„Es geht um dein Erbe. Also bis um 15 Uhr – vergiss es nicht.“ Sie legt auf. Das Tuten in der Leitung dringt ganz langsam zu mir durch, ich brauche erst noch eine Weile, bis ich auflege und wieder auf meinen Block starre. Was soll das.
Dann rufe ich Steffen an.
„Hey meine Hübsche!“, ich höre sein Grinsen ohne es zu sehen – was für eine Leistung!
„Hi!“, halbherzig zaubert sich ein Lächeln auf meine Lippen, „Schon davon gehört, dass wir heute Nachmittag ein Date haben?“
„Date?“, seine Stimme ist etwas höher als sonst, weil er aufgeregt ist. Also weiß er's noch nicht.
„Deine »Oma« hat mich grad angerufen und dazu gedrängt, dass wir uns um drei Uhr heute Nachmittag im »Dancario« treffen. Es geht um irgendein Erbe.“
„Du … hasst sie doch?“, hakt Steffen nach.
„Ja“, ich presse die Lippen aufeinander.
„Wollen wir zusammen hingehen – als geschlossene Front?“
Dankbar schlage ich kurz die Augen nieder, „Danke, Steffen. Guter Plan. Hol' mich einfach ab, ja? Wann auch immer.“
„Okay, dann komm ich vielleicht mit Absicht zu früh...“
Ich übergehe das, was er sagt, „Du weißt gar nicht, wie froh ich gerade bin, dass ich einen Cousin habe, den ich noch nicht ewig kenne und der das trotzdem mit mir durchzieht. Danke, Süßer.“
Eine Träne rinnt aus meinem Auge und tropft auf das Blatt vor mir. »Du bist nicht allein«, sagt eine Stimme in meinem Kopf.
Und dann spricht auch Steffen es aus, „Hey. Auch wenn Alex jetzt in Maryland ist, ändert das nichts an meinen Gefühlen und auch nichts daran, dass ich dich nie so verlassen werde.“
Will ich das wirklich hören? Ich weiß es nicht. Darum murmle ich noch ein höfliches „Danke“, bevor ich auflege.

Aha. Er ist also in Maryland. Mit Hilary. Oder wem auch immer. Wütend springe ich von meinem Stuhl auf, reiße den Block vom Tisch und schlage ihn immer wieder auf den Tisch. Solange bis mein Zopf sich löst, meine Haare vollkommen durcheinander vom Kopf abstehen und ich mit Tränen der Wut in meinen Augen auf dem Boden zusammensinke. Aha. Maryland. Hilary. Hat Alex also seine Entscheidung getroffen? Nicht, dass sie nötig gewesen wäre. Ich schlage die Hände vor die Augen, wische alles was nass ist weg. Aber irgendwie kommen wieder neue Tränen.

Es klingelt an der Tür. Ich weiß nicht, wie lange ich hier auf dem Boden gesessen habe, bis ich nach hinten gekippt bin und einfach an die Decke gestarrt habe. Da sind immer wieder diese Bilder gekommen. Sogar chronologisch! Das ist einfach alles total beschissen! Alex. Alex bei meinem Referat. Alex vor meiner Haustür, mit Steffen. Alex auf dem Weg zum Supermarkt. Alex nachts im Bad. Alex auf dem Sofa. Alex auf verschiedenen Straßen. Alex Im Auto. Alex auf dem Skateboard. Alex Gesicht, als er mich mit zu sich genommen hat. Der Schulweg, auf dem er so anders war. Alex auf der Party; mit Luna. Alex nachts in meinem Schlafzimmer. Alex bei unserer Mehlschlacht. Alex. Alex. Alex. Die Tränen sind weiterhin unkontrolliert aus meinen Augenwinkeln geflossen. Bahnen sich einen Weg durch meinen Haaransatz und an meinen Ohren vorbei, bevor sie auf den Küchenboden tropfen. Es fühlt sich ekelhaft an, aber es ist nichts gegen das Gefühl in mir drinnen. Es klingelt wieder. Wie betäubt stehe ich auf und stolpere zur Tür.

„Mara! Wie siehst du denn aus?“, vor mir steht Steffen. Ich bringe kein Lächeln über die Lippen sondern gehe einfach wieder zurück in die Wohnung, ins Wohnzimmer, wo ich mich aufs Sofa setze.
Steffen schließt die Tür und setzt sich zu mir.
„Süße, was ist los!?“
„Ich bin nicht deine Süße“, murre ich mit zusammen gepressten Zähnen.
Er mustert mich, versucht mich so zu sehen, wie ich fühle. Aber ich sehe, dass er es nicht kann. Steffen – der ewig nervige Sunnyboy – sieht nur die verheulten Augen, die verwuschelten Haare und das gestorbene Lächeln auf den trockenen, aufgesprungenen Lippen. Selbst jetzt, als er sich konzentriert, sieht er es nicht.
„Es ist wegen Alex oder?“
„Nein, ist es nicht!“, keife ich und fahre mir mit den Fingerspitzen durchs Haar, um es etwas zu ordnen, „Es ist alles okay. Lass uns einfach gehen.“
Wieder lasse ich ihn zurück, als ich in den Flur trotte, um meine Schuhe anzuziehen und mir meine Lederjacke schnappe. „Kommst du endlich?“
Vorhin war ich froh, Steffen als Beistand zu haben, aber was die alte Fotze angeht, ist mir momentan egal, dafür hab ich keinen Platz in meinem Kopf – weil ich für Nichts dort einen Platz finde.
„Mara“, er läuft mir nach, als ich schon die Treppen im Treppenhaus runterlaufe, hält mich am Arm fest und dreht mich zu sich um.
„Was!?“
Er seufzt, „Ich kann für dich da sein, wenn du wen zum Reden brauchst oder … einfach nur Beistand“ bietet er an.
„Danke, aber ich lehne deine Großzügigkeit ab“, ich verdrehe die Augen, „Lass uns gehen.“
Doch Steffen hält mich weiter fest, „Ich kann dich von Alex ablenken.“
„Kannst du nicht! Und ich hab doch gesagt, dass nichts ist – erst recht nichts mit Alex!“ Ich habe seinen Namen schon wieder viel zu laut ausgesprochen und es tut irgendwie weh, doch ich halte die Tränen zurück.
„Mara!“
„Du kannst absolut nichts tun, was irgendwas besser macht! Es gibt nichts, was du tun kannst, was mich überraschen würde!“
In dem Moment zieht er mich an sich und küsst mich.


CHAPTER FORTY-SEVEN: Concocting a plan


Alex


Der Abend war beschissen. Mann! Wenn ich daran denke, dass ich diese Zeit mit Mara hätte verbringen können. Und mit Steffen und Viktor. Auf dem Schulball. Mit Leuten, die mir wirklich was bedeuten! Aber nein, ich musste den ganzen Abend mit Hilary rumlaufen, mich von ihr als ihr Freund ausgeben lassen. Ich weiß selbst nicht, warum ich das mit mir machen lasse. Ich weiß gar nicht mehr, was ich hier überhaupt soll und was ich hier noch verändern sollte. Warum auch?
Diese seltsame Party ist jetzt aber schon 'ne Weile her. Das war letztes Wochenende, jetzt ist es wieder Freitag. Ich habe noch nichts von Mara gehört. Egal, wie oft ich bei ihr anrufe, sie nimmt nicht ab. Tausende von SMS hab ich ihr geschrieben – Entschuldigungen und halbe Versprechen, die ich eh nicht halten kann. Aber meistens hab ich einfach nur geschrieben, dass ich es bereue und dass ich die Zeit mit ihr und den anderen vermisse. Ein Mal hab ich auch mit Steffen telefoniert – und das werde ich mir in nächster Zeit garantiert nicht wieder antun! Der Dulli ist total ausgerastet, was ich überhaupt noch wollte. Er hat mir viel an den Kopf geschmissen und es ging die ganze Zeit eigentlich nur um Mara. Er hat gefordert, dass ich aufhöre, sie zu »tyrannisieren« und dann hat er angefangen etwas von einem Erbe zu labern. Er und Mara hätten sich mit ihrer Horror-Oma getroffen und diese hätte sie darum gebeten, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wenn sie gestorben ist. Ich weiß nicht genau, wie das alles gemeint war, aber ich kann daran eh nichts ändern. Pech. Danach hat Steffen aufgelegt.
„Alexander, Ihre Eltern sind soeben eingetroffen“, faselt dieser ausgelutschte Butler. Ich reagiere nicht.
„Sie sollten sie in Empfang nehmen, schließlich sind sie extra wegen Ihrem großen Tag morgen angereist.“
„Schon klar“, ich verdrehe genervt die Augen und begebe mich in die Eingangshalle.
Meine Eltern werden schon herzlich, doch gleichzeitig dezent und förmlich, von Hilarys Eltern umarmt, „Schön euch endlich wieder zu sehen.“
Langsam schlendere ich zu ihnen, „Willkommen“, murmele ich.
„Alexander!“, ruft meine Mutter und schließt mich in die Arme, ihre Augen funkeln, wie gefrorenes Eis, auf das ein kleiner Lichtschein fällt und einen Schimmer hinterlässt, „Wo ist dein bezauberndes Lächeln?“
Bitte WAS!? Wann hatte ICH bitte ein bezauberndes Lächeln? Gerade jetzt, als meine Mundwinkel irgendwo in Richtung Hölle baumeln. Ich kann den bitteren Gesichtsausdruck nicht ändern – es gibt ja auch keinen Grund zur Freude. Dass meine Eltern hier sind, wird alles nur noch schlimmer machen. Wie immer.
„Alexander“, kommt jetzt auch mein Vater an, „Komm' doch nachher, also nach dem Essen, bitte mit mir in den Park. Es gibt Neuigkeiten.“ Ich nicke starr.
Da düst auch schon Hilary um die Ecke, mit Designerpumps, einem Faltenrock und einem blauen Top, setzt sich perfekt in Szene und stolziert auf meine Eltern zu mit einem aufgesetzt warmen Lächeln gibt sie meiner Mutter ein Küsschen links und rechts auf die Wange, „Fantastisch, dass Sie wirklich gekommen sind.“ Dann macht sie zwei Schritte auf meinen Vater zu, umarmt ihn offenherzig und sagt auch ihm etwas wie, „Sie sind die besten Schwiegereltern, die ich mir vorstellen kann.“
Meine Eltern lachen geschmeichelt, während mein Blick sich mit Grauen füllt. Mich beschleicht eine ungute Vorahnung, aber ich schweige weiter.
Es ist total seltsam, wie wir alle zusammen später zum Ess-Saal gehen. Und es fühlt sich falsch an – so wie fast alles in meinem Leben. Wir könnten genauso gut bei uns Zuhause in Deutschland sein, es wäre genauso fremd und falsch. Das Essen vergeht schweigsam. Bei Hilarys Familie legt man Wert auf die Gespräche beim Nachmittagskaffee, das Mittagessen wird von Stille und den Geräuschen von klappernden Besteck begleitet – und ausschließlich davon.

Nach dem Essen schlendere ich mit meinem Vater nach draußen, in den Park. Die Blumen blühen, das Gras ist grün, aber es wirkt trist auf mich. Unreal. Falsch.
„Alexander“, fängt er wieder an und je öfter sie meinen Namen aussprechen, um so mehr fange ich an, ihn zu hassen, „Ich und deine Mutter haben nachgedacht. Es tut uns leid, wenn wir zwischen dir und Amelie etwa erzwingen wollten.“ Moment mal – Amelie!?
„Amelie?“, frage ich, „Was hat die denn mit dem allen hier zu tun?“
Er seufzt, „Es war falsch von uns und heute haben wir gesehen, wie du und Hilary nebeneinander gestanden habt. Und es ist nicht zu übersehen, dass sie sich wünscht, dass es wieder so wie früher wäre. Alexander, das willst du doch sicher auch, oder nicht?“
Sein Blick bohrt sich in meinen.
„Nein“, ich halte seinem Blick trotzdem stand, „Ich bereue Nichts von dem, was war, bevor ich hier her verfrachtet wurde.“
„Wie redest du denn bitte mit mir!?“, empört er sich und rümpft die Nase, „Ich verbiete dir diesen Ton, schließlich bin ich immer noch dein Vater.“
Ich presse die Lippen aufeinander, „Was meinen alle mit dem »großen Tag« morgen?“
Mein Vater kickt einen Stein aus dem Weg, wir umkreisen einen Brunnen. Langsam zieht er eine Münze aus seiner Hosentasche und wirft sie ins Wasser.
„Weißt du, was ich mir gewünscht habe?“, er erwartet keine Antwort, „Ich habe mir gewünscht, dass ihr nächsten Sommer hier heiratet, in Maryland. Dann seid ihr beide Achtzehn und euer Leben als Paar kann endlich beginnen.“
Fassungslos sehe ich ihn an, „Ich werde Hilary niemals heiraten.“
„Oh doch, das wirst du. Und morgen wirst du ihr einen Verlobungsantrag machen, mein Sohn. Alle wichtigen Leute sind geladen. Freu dich, ich hab sogar Steffen eingeladen, du kannst deinen besten Freund wiedersehen.“
Somit lässt er mich am Brunnen stehen. Ich starre auf das Wasser. Er muss sich nochmal umgedreht haben, weil ich ihn noch was rufen höre: „Es ist das Beste für unsere Firmenfusion – wir profitieren alle davon. Tu es nicht und du endest als Ausgestoßener.“
Was soll denn das bitte!?

Ich setze mich auf eine Bank in der Nähe des Brunnens, starre in die Ferne. Plötzlich setzt sich jemand neben mich, Hilary.
„Es tut mir leid“, murmelt sie und für eine kleinen Moment hab ich das Gefühl, dass ein Funke der alten Hilary wieder da ist.
„Mir auch“, ich schließe kurz die Augen nieder, „Ich werde dich nicht heiraten.“
Ein trauriges Lächeln schleicht sich auf ihr Gesicht, „Haben wir eine Wahl? Weißt du, am Anfangt – also damals – mochte ich dich echt gerne und ich war froh, dass es zwischen uns so schnell gefunkt hat, aber dann hab ich herausgefunden, dass es von unseren Eltern geplant war. Von da an wollte ich nicht mehr das Werkzeug für ihre Geschäfte sein“, eine Träne läuft ihre Wange hinunter, ich schweige weiter.
Hilary lächelt wieder halb, „Glaubst du, es tat mir nicht weh, aus Deutschland abzuhauen, zurück in mein altes Leben?“
„Es war für uns beide schwer“, ich sehe sie an, „Aber gerade war es besser geworden, bis dein Fax kam.“
„Pfff. MEIN Fax“, wieder rinnen Tränen aus ihren Augen, „Es war eine Art Strafe, dafür, dass ich mit meinem Freund erwischt wurde. Ich musste mich von ihm trennen. Und mein Vater hat dieses Fax geschrieben. Ich WILL dich doch gar nicht zurück haben, Alex. Ich will... einfach nur... mit... Dean... zusammen ...s“, sie bricht ab und schlägt die Hände vors Gesicht. „Ich fass' es nicht, dass du mich so siehst, Alex.“
Als sie meinen Namen wieder ausspricht – Alex und nicht Alexander – nehme ich sie in die Arme und drücke sie wie eine alte Freundin.
„Hey Hil', wir schaffen das. Wir lassen uns nicht von denen bestimmen.“
Sie sieht mich aus verheulten Augen an, „Ja?“
„Klar“, ich schaffe es sogar EINEN Mundwinkel zu heben.
Und von da ab, nimmt unser Plan Gestalt an.

Beim Abendessen werfen wir uns immer wieder vielsagende Blicke zu. „Schätzchen“, grinst Hilary mich an, „Kannst du mir bitte die Soße reichen?“
„Für dich doch immer“, ich hebe einen Mundwinkel und greife nach der Soße, um sie weiter zu reichen. Mein Vater räuspert sich zufrieden und murmelt ein „Geht doch“.
„Ach ja“, Hilarys Vater erhebt sein Weinglas, „Ich hoffe es stört euch nicht, aber wie es aussieht können wir am Ende des Wochenendes die Verträge unterschreiben, wenn wir heute Abend noch mal zusammen ausgehen und alle Einzelheiten besprechen, was meint ihr?“
Meine Mutter lächelt, ihr typisches Eislächeln – höflich, freundlich und charmant, trotzdem strahlen ihre Augen nie, „Eine gute Idee, aber wollt ihr das nicht als Männer alleine machen? Wir Frauen können doch auch zusammen mit Hilary zu ihrem Lieblingsdesigner fahren und“, sie zwinkert Hilary zu, „Ihr ein hübsches, neues Kleid mit aussuchen.“
„Oh ja“, grinst Hilary, „Das würde mir gefallen.“ Doch mit dem Blick, den sie mir kurz zuwirft, teilt sie mir mit, dass es sie doch ein bisschen beunruhigt.
Ansonsten sind alle begeistert.
„Und was machst du, Schatz?“, fragt Hilary mich zuckersüß.
„Ich halte die Stellung.“
Meine Mutter mustert mich, „Du könntest auch mal wieder Klavierspielen üben. Oder Steffen für die Feier Morgen einladen; wenn du ihn denn dabei haben willst.“
„Gut“, seufze. Dann löst sich unser »fröhliches Beisammensein« auf – die Weiber machen sich für ihre Shoppingtour bereit; die Lackaffen sammeln jeder für sich ihre Akten und wichtigen Papiere zusammen, bevor auch sie aufbrechen. Und ich stehe auf und begebe mich in mein Zimmer. Der rote Teppich auf dem Boden kotzt mich an. Er ist blitzblank, ohne auch nur einen Fusel und in dieser blutähnlichen Farbe, mittel bis dunkel rot. Schwungvoll reiße ich die großen Fenster auf und lass die milde Nachtluft rein, dann ziehe ich mein iPhone aus der Hosentasche und wähle Steffens Nummer. Keine Ahnung warum, aber er nimmt ab.
„JA?!“, seit wann ist er der Pessimist in Person? Vermisst er mich etwa!? Ich muss fast bitter auflachen; Quatsch.
„Hey Alter! Hier geht morgen Abend 'ne fette Party. Du bist eingeladen. Hilary würde sich auch sicher freuen dich wieder zu sehen. Und ich dreh' hier bald durch ohne meinen … besten Freund.“ Ich lasse mich auf die seidigen Laken dieses goldscheinenden Betts sinken und lehne mich nach hinten.
„Zu schade, da hab ich schon 'ne Verabredung“, presst er hervor.
„Bring sie mit. Steffen, ich zähle auf dich.“ Dann lege ich auf. Entweder er kommt – oder er lässt es. Aber ich kenne ihn. Steffen wird kommen.


CHAPTER FORTY-EIGHT: THE PLAN FAILED


Mara


Es ist morgens. Und es ist lau. Steffen und ich sitzen nebeneinander in einem Flugzeug.
„Fliegst du zum ersten Mal?“, fragt er mit seinem typischen Sunnyboy-Smile.
„Ja“, ich krame mein Handy aus der Handtasche und wähle Viktors Nummer. Nach dem dritten Tuten nimmt er ab.
„Mhhhh!?“. Ein verschlafener, grummeliger bester Freund.
„Hey Süßer“, ich werfe einen Blick aus dem Fenster, „Hör auf zu pennen. Die Sonne ist schon vor zwei Stunden aufgegangen.“
Er seufzt, „Was interessiert mich die Sonne!? Mhhh...“, er gähnt, „Was gibt’s?“
Ich muss lachen, „Ich fliege.“
Er muss auch lachen, kichert vor sich hin, „Hast du wieder was geraucht?“
„Nein“, ich verstumme und verdrehe die Augen, „Ich fliege... Ich fliege mit Steffen nach Baltimore.“ Einen Moment ist es still in der Leitung.
„Hää?... Wie jetzt.. echt?“, ich kann fast sehen, wie er aus dem Bett springt und auf den Digitalwecker starrt, „Es ist 7Uhr!“
Ich schmunzele, „Der Flug dauert fast 18 Stunden.“
„Und warum das alles?“
Ich beiße mir auf die Lippe, sehe aus dem Fenster, schließe kurz die Augen. Dann antworte ich, „Ich hab da etwas verloren, was ich brauche.“
„In Baltimore!? Was denn bitte?“, Viktor ist vollkommen durcheinander.
Nun bin ich es, die seufzt, „... mein Herz.“
„Ach so“, er lacht kurz und froh auf, bevor Sarkasmus in seine Stimme tritt, „Pass auf, dass es heile zurückkommt. Lass' es dir nicht kaputt ficken.“
Und plötzlich muss ich lachen wie lange nicht mehr. Es ist wie am ersten Tag, an dem Alex in mein Leben getreten ist. Als ich mit Viktor auf den Gängen in der Schule war. Es fühlt sich genau so an. Und es ist ein gutes Gefühl. Ich liebe Viktor, er ist der beste Beste Freund, den man haben kann.
„No way, Sucker! Aber vielleicht hab ich Glück und jemand macht genau das solange, bis es wieder heile ist“, es vibriert, es wird lauter und wir STARTEN, „FUCK! Viktor! Ich sterbe!“
Er lacht wieder, „Guten Flug, Süße. Grüß ihn.“
„Halt's Maul“, ein Schauer durchschießt mich, „Pisser!“ Ich lege auf.
Und wir fliegen. Ich drehe den Kopf in Steffens Richtung. Alles in mir prickelt, es ist als würde alles Blut in meinem Körper voller Kohlensäure sein, zumindest fühlt es sich so an.
„Aufgeregt?“, grinst Sunnyboy.
Ich zucke mit den Schultern, sehe mich um, mustere die Leute um uns herum. „Als ob.“ Ein dicker Mann, Pfarrer, mit einer Bibel auf dem Schoß, der wahrscheinlich an seiner langweiligen Predigt schreibt. Neben ihm ein kleiner Junge mit seiner Mutter, die mit einem Müsliriegel vor der Nase ihres Kindes herumwedelt und „Frühstüüücks-Snaaack“ brüllt. Dann das gegenüberliegende Fenster. Blau. Himmel. Freiheit.
„Mara“, lenkt der Junge neben mir wieder meine Aufmerksamkeit auf sich, „Du weißt, was ich für dich empfinde“ - nicht das schon wieder - , „Ich liebe dich.“ Seine Augen funkeln und einen Moment lang rechne ich fast damit, dass er losheult wie ein kleines Kind, was in eine Brennesel fasst.
„Ich hab dich nie darum gebeten“, ich schlucke. Kann er noch kitschiger werden?
„Vielleicht hast du es nicht gemerkt, aber in den letzten Tagen haben sich meine Gefühle nur noch mehr verstärkt. Seit Alex weg ist, ist es, als ob eine Blockade verschwunden ist. Je mehr ich dich gesehen und getroffen habe, desto mehr habe ich dich gesehen. Gesehen, wer du bist. Du bist ein verdammt starkes Mädchen. Das stärkste, was ich kenne. Das einzige Mädchen, was nicht aus Trauer, sondern aus Verzweiflung oder eher Wut weint.“ Ich sehe Steffen an und ein Mundwinkel hebt sich, wenn auch widerwillig. Er sieht es als Zeichen fortzufahren, „Du hast mir gesagt, als was du mich siehst – aber da war alles doch noch ganz anders. Und weil sich meine Gefühle geändert haben, dachte ich, dass deine-“
Mit einem Kopfschütteln und einem Seufzen unterbreche ich ihn, „Sorry. Aber es ist was es war. Eigentlich ist es einfach was es ist. Du sagst, dass du mich liebst; das es Liebe ist. Ich weiß nur, was ich fühle – und das ist schon ein Chaos. Ich habe immer gedacht, dass Liebe vielleicht gar nicht weh tut, wenn man sich nicht auf den Boden legt und heult.“ Ich höre auf zu reden. Egal, ob ich noch was sagen wollte oder nicht. Ich sollte ihn jetzt alleine mit seinen Gedanken lassen; das zweite Mal zurückgewiesen.
Halb mit dem Rücken von ihm abgewandt krame ich in meiner schwarzen Handtasche, bis ich einen Karoblock und einen Füller rausgefischt habe. Dann beginne ich zu schreiben; Es ist ein Gedicht von Erich Fried, was mir grade durch die Gedanken rast.

es ist Unsinn, sagt die Vernunft
es ist, was es ist, sagt die Liebe

es ist Unglück, sagt die Berechnung
es ist nichts als Schmerz, sagt die Angst
es ist aussichtslos, sagt die Einsicht
es ist, was es ist, sagt die Liebe

es ist lächerlich, sagt der Stolz
es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht
es ist unmöglich, sagt die Erfahrung
es ist, was es ist, sagt die Liebe

Es ist nicht so, dass ich weiß, was ich da genau schreibe. Es ist einfach nur etwas, was mich berührt. Und das ist auch der einzige Grund, warum als nächstes eine Träne auf das Blatt tropft und das letzte Wort der letzten Zeile trifft, wie ein Tropfen Regen an einer Fensterscheibe herunterläuft und dabei Spuren hinterlässt. Spuren wie nach einem Stich mit der Nadel, bei dem der Blutstropfen am Finger hinab läuft, bis er langsamer und langsamer wird und schließlich stoppt.
Ruckartig klappe ich den Block wieder zu und stopfe alles wieder in die Tasche, kralle mir meinen MP3-Player und versuche zu schlafen.

„Kein Begrüßungskomitee?“, ironisch hebe ich eine Braue, als ich mit Steffen den Flugplatz überquere, „Ich hätte echt mehr erwartet.“
Er zuckt nur die Schultern, sieht mich nicht mal richtig an. Oh, okay. Er hat sich wohl doch irgendwelche Hoffnungen ausgerechnet. Tja, das ist... Pech. Passiert.
„Steffen... wenn du Alex als Blockade gesehen hast... warum sind wir dann hier?“
Er hebt den Blick und sieht mir in die Augen, „Nach allem, was passiert ist, bin ich immer noch kein Arsch.“
Erst mustere ich ihn nur, seine Augen, die viel zu ehrlich und gutherzig sind – der Junge wird’s nicht überleben, wenn eine Heartbreakerin ihn als ihr Opfer wählt – dann öffne ich leicht die Lippen, „Danke.“ Es ist so leise, dass man es kaum hören kann, aber er bemerkt es und nickt nur.
Kurz darauf steigen wir in ein Taxi, was uns zu einem Hotel bringt. Sieht nach Vier-Sterne-Hotel aus. Der Boden ist mit königsblauem Teppich ausgelegt, die Wände mit einer Tapete, auf der sich verschlungene Muster in sanften Gelbtönen schlängen, tapeziert. Edel. Das Einchecken geht recht schnell, Steffen scheint schon gestern Abend gebucht zu haben. „Das ging schnell“, murmele ich, als Steffen mir meinen Zimmerschlüssel reicht.
Er zuckt die Schultern, „Das Hotel gehört meinem Dad. Ich bin im Zimmer gegenüber.“
„Ah, okay“, langsam schließe ich die Tür auf, schenke ihm noch einen Blick über die Schultern, „Holst du mich um sieben ab?“
„Klar“, er lächelt, „Bis nachher.“

Wir stehen vor einem riesigen Gebäude – ungefähr so groß wie der Reichstag. Es ist kühl, eine feinfühlige Gänsehaut scheint wie die Brise eines Windes meine Haut zu streicheln. Okay, das stimmt nicht. Aber was würde ich dafür geben! Für eine kalte Brise! Nein, hier ist es lauwarm. Viel zu lauwarm für Zwanzig Uhr abends. Ja, wir waren wirklich eine Stunde lang in einer Limousine durch die Stadt gekurvt. Whatever.
„Bist du aufgeregt?“, will Steffen wissen, er grinst von einem Ohr bis zum anderen.
„Nein“, ich schüttele den Kopf, „Es ist nur ungewohnt.“
Langsam steigen wir die Treppen hoch, laufen durch eine Art Eingangshalle, bis wir vom Personalchef in Empfang genommen werden.
„Ah, Mister Teichert“, erfreut reicht er ihm seine glitschige Hand. Dann mustert er mich, „Miss Summer?“
„Sommer“, erwidere ich und versuche seiner fettigen Hand auszuweichen. Hat er die vorher in ein Fass Sonnenblumenöl gequetscht oder was?
„Miss Sommer“, wiederholt er und lächelt schleimig, streckt die Hand aus.
„Mara Sommer“, erklärt der Sunnyboy zu meiner Rechten schnell und nickt, „eine gemeinsame Freundin von Mister Precht und mir.“
„Ah“, macht der Schmierige Schleimer wieder und greift einfach nach meiner Hand – Ihh! - , zieht sie näher zu sich heran, in die Nähe seines pikanten Oberlippenbartes und atmet tief ein. Ich muss den Instinkt unterdrücken, die Augen zuzukneifen, oder zumindest meine Hand wegzuzerren und etwas wie »FUCK; lassen sie ihre glitschigen Öl-Pfoten von mir!« zu rufen. Dann küsst er meine Hand. Aha. Steffen räuspert sich und der Schwuchtel lässt meine Hand los. So schnell wie möglich laufen wir zur Gaderobe.
„Das – mache – ich – nie – wieder – mit!“, stelle ich klar.
„Quatsch, so schlimm war's doch auch nicht“, Steffen ist schon wieder fähig zu grinsen, halb amüsiert, halb schadenfroh. Dulli. Wir geben unsere Jacken ab und betreten den nächsten Saal. Kronleuchter aus Gold, mit daran hängenden Diamanten und Lichtschein aus einer anderen Zeit – Mittelalter oder was!? - geben dem Saal Flair und Stil. Es sind viele Leuchte da, so an die hundert im ersten Raum, an den aber noch weitere drei anschließen. Niemand tanzt. Alle stehen am Rande, mittiger stehen nur die, die am Rand keinen Platz mehr bekommen haben. Wir stellen uns in die Mitte. Direkt.
„Und?“, fragt der Sunnyboy, „Wie findest du's hier?“
„Beschissen“, antworte ich, „Guck dir mal diese ganzen reichen, edlen und verklemmten Persönlichkeiten an! Da ist einer ja schlimmer als der andere. Da zum Beispiel“, ich deute auf einen Kerl, der ungefähr in unserem Alter ist – vielleicht Zwanzig – er steht mit schlaff herunterhängenden Armen und einer Wirbelsäule, die nicht gerader sein könnte neben einer Säule und redet mit einer jungen Frau, die ebenso wie er, den Kopf hoch erhoben hat, hochnäsig und eitel – uuuh, „Meinst du, dass diese beiden hier Spaß miteinander haben? Das hätten sie nicht mal, wenn sie sich zufällig in einer Besenkammer begegnen würden! Und warum?“
Steffen zuckt die Schultern, „Weil sie keinen Punk-Rock hören und schräges Zeug rauchen?“
Ich muss auflachen, „Ja, unter anderem. Sie sind einfach zu steif. Ich wette, dass selbst das alte Flittchen dahinten noch Jungfrau ist.“ Ich nicke in Richtung eines Mädchens mit blonden Locken, welches in einem knielangen, aber raffiniert geschneiderten Kleid aus rosanem Samt und pinker Seide.
„Das ist“, er macht eine kurze Pause, „Hilary.“
Ich seufze, „Aha.“ Moooment – , „Waahh -DIE Hilary?“
In diesem Moment betritt diese komische, elegante, hübsche, flittchenhafte Hilary dieses Podest, eine Art kleine Bühne und greift sich ein Mikrophon. Es gibt kein typisches »1, 2, 3, - Teee'eeest!«, nein sie beginnt sofort unverblümt mit ihrer Rede.
„Guten Abend meine lieben Gäste! Ich bin nicht die Einzige, die Ihnen/Euch danken möchte, dass Sie heute Abend hier sind, um mit uns zu feiern. Darum bitte ich jetzt jemanden ganz Besonderes für mich auf die Bühne: Alexander Precht.“ Es wird geklatscht. Ich klatsche nicht, obwohl ich dazu hingerissen werde, also klatsche ich – nur zwei- drei Mal; aber es reicht aus, damit ich angestarrt werde.
„Warum klatschst du erst, wenn alle anderen aufhören?“, fragt Steffen, lächelnd wie immer. Ich zucke die Schultern. Instinkt.
Ein junger Mann betritt die Bühne. Lange, schlanke Beine, die in einer schwarzen Anzugshose stecken. Er trägt ein dunkelblaues Hemd und eine strahlend weiße Krawatte – die Unschuld in Person. Etwas too much. Als er vorne steht, streift er sich mit der Hand kurz lässig durchs Haar, dann sieht er in die Menge. Irgendwie tut es schrecklich weh, ihn da vorne zu sehen. Mit... dieser... Hilary! Es tut weh, wie er seine Lippen zu einem halben Lächeln auf der linken Seite verzieht und beginnt zu reden: „Es ist noch gar nicht so lange her, da haben wir uns in Deutschland eingefunden, um genau zu sein, in Berlin. Zu einer Verlobung...“
Alles was er noch sagt, zieht an mir vorbei. In meinem Kopf sind nur zwei Wörter: Verlobung; Heirat. Auch wenn er das zweite nicht sagt, schwebt es unsichtbar in der Luft. Es ist wie ein Dolche, der einen Millimeter vor meiner Kehle auf mich gerichtet ist, wie ein Hauch, der mich nicht berührt, doch trotzdem erreicht.
„Reiß dich zusammen“, zischt Steffen mir zu, „Und hör zu, Süße.“
Für das »Süße« schlage ich ihm gegen die Schulter. Ist mir doch scheißegal, was die anderen denken.


CHAPTER FORTY-NINETH: Blinded by Mara


Alex


Es ist 21Uhr. Ich kann mich fast nicht mehr daran, erinnern, wie Mara und ich – FUCK! Nicht Mara!– HILARY und ich von dieser kleinen Bühne runterstolziert sind und an diesen runden Tisch mit den sechs Plätzen angekommen sind. Auch die Worte, die ich gesagt hab, sind schon wieder verflogen. Das ist der Unterschied. Wenn man etwas schreibt, dann stehen die Worte da und drücken klar und deutlich aus, was man denkt. Wenn man etwas sagt, können die Worte verfliegen, mit der Zeit schnell vergessen oder verändert werden. Es ist leichter, ihre Gültigkeit zu beeinflussen. Ich ziehe für Hilary den Stuhl ein Stück zurück und wir setzen uns gleichzeitig. Hilary sitzt links von mir, und daneben sind Tony und Amelie – yes!, es war eine »Tragödie«, dass sie mit ihrem Cousin und gleichzeitig unserem Securityman als Partner hier aufkreuzen musste. Amelie sitzt mir also direkt gegenüber und kann es mal wieder nicht lassen, mich mit ihren von künstlichen Wimpern monströs wirkenden Augen anzustarren. Auf ihren ganzen Körper ist mehr Make-Up als Haut.
Die übrigen beiden Plätze rechts von mir sind noch leer.
„Wo bleiben Steffen und seine Freundin denn?“, flüstert Hil' mir zu und genau in diesem Moment zieht jemand den Stuhl neben mir zurück – Steffen. Mara wirft mir einen eiskalten Blick zu, dann setzt sie sich. Ihr Blick ist unmissverständlich. Ihr gefällt nicht, wie nah wir uns stehen. Hil' nimmt wieder eine normale Gesprächsdistanz zu mir ein.
Mara lächelt ein unehrliches Lächeln, „Lasst euch nicht stören“, zwitschert sie, „ist ja schließlich eure Spießer-Party.“
Gegenüber von mir verdreht Miss Make-Up die Augen, „Glaub' mir Süße, ich weiß auch nicht, was eine wie du hier sucht.“
Irgendwas durchfährt mich. Eiskalt und elektrisch. Fast so wie das Gefühl, einen Moment nicht atmen zu können, wenn man nachts in arschkaltes Eiswasser springt. »Eine wie Mara«. Ich weiß nicht, warum; aber gerade eine wie Mara gehört hier her. Gehört zu mir. Ich brauche sie. Ohne sie ist es... seltsam. Hil' wird mir einen skeptischen Blick zu – es ist ein typischer »Na-ob-das-gut-geht«-Blick. Obwohl ich die Katastrophe schon vor mir sehe, zucke ich mit den Schultern. Okay, das kann auf Keinsten GUT gehen.
Steffen ist mal wieder ganz der Optimist und grinst mich an, „Du hast viel verpasst, Alter. Dabei war es nur eine Woche.“
Amelie nickt vehement, „Echt – musstest du auch gerade an dem Abend weg, als der Ball für dich geplant war?“
Ich will schon entschuldigend zu Mara sehen, aber sie lehnt unberührt an ihrer Stuhllehne und kramt in ihrer Handtasche rum.
„Oh“, Hilary reißt die Augen auf, „es gab extra einen Motto-Abend für dich?“
„Schulball“, korrigiert Steffen lächelnd, woraufhin Amelie nicht mal mit der Wimper zuckt, als sie sich aufspielt.
„Es war ein Ball mit dem Thema: Superhero.“
„Ah“, macht Hil' dann wendet sie sich an Mara, die eine blaue Zigarettenschachtel aus ihrer Tasche gezogen hat, „hier wird nicht geraucht. Aber es gibt extra eine Raucherterrasse; ich kann sie dir nachher gerne zeigen.“
Ich greife nach der Zigarettenschachtel, „Mara ist Nichtraucherin“, ich nehme ihr die Schachtel weg, „oder?“
„Tzzz“, sie verkreuzt die Arme vor der Brust, „Woher willst du das denn bitte wissen – wir kennen uns doch gar nicht.“ Dann zwinkert sie mir angepisst zu, „Aber du kannst sie gerne behalten, Alexander.“ Ich verstaue die Schachtel in meiner Hosentasche – maßgeschneidert – da richtet sich Tony an Mara, „Falls du nachher doch noch rauchen möchtest, können wir zusammen rausgehen.“
Mara grinst, „Okay.“
Und Tony lächelt zurück, doch dann schwenkt sein Blick zu Steffen, mustert ihn kurz, bevor er wieder zu Mara wechselt, „wenn das für deinen Freund auch okay ist...“
Mir stockt der Atem und ich muss mich stark zurückhalten, um nicht rauszuplatzen, dass die beiden auf keinen Fall zusammen sind – aber das ist nicht mein Part; nicht heute.
Steffen räuspert sich verlegen, „Sie ist-“.
Aber Mara fährt ihm kopfschüttelnd ins Wort, „Das ist kein Problem.“
Die Art, wie ihre grünen Augen dabei funkeln, fasziniert mich, vernebelt mir einen Augenblick lang die Sinne. Sodass ich erst nach einer Weile merke, dass keiner die Beziehung abgestritten hat.
„Ohhh“, macht Amelie, „wie lange läuft denn sch0n was zwischen euch? Bei unserem »kleinen Ausflug« sah das doch noch ganz anders aus.“
Steffen lächelt, wahrscheinlich will er das Missverständnis jetzt wirklich aufklären, „Ähm.. also, um ehrlich zu sein-“
„-eine Weile“, Mara blickt ernst in die Runde und Steffen verrutscht das Lächeln. Mir stellen sich die Nackenhaare auf. WAS!? Das … stimmt doch nicht! Nie im LEBEN! NIE! Mara und Steffen...!? Ich bin geschockt und sprachlos.
Aber Hilary hat schon wieder ihre Fassung – naja, sie hat sie ja gar nicht erst verloren, „Ach, wirklich?“
Mara nickt ihr lächelnd zu, als auch schon der erste Gang serviert wird. Suppe.
Schweigend löffeln wir alle unsere Suppe, im Hintergrund spielt mein alter Klavierlehrer ein Stück von Mozart. Amelie ist die Einzige, die ihre Suppe in die Mitte des Tisches schiebt und mir und Hil' ein entschuldigendes Lächeln zuwirft, „Ich esse kein Flisch, auch nicht in Suppen. Das bekommt meinem Hautbild nicht besonders gut.“ Stattdessen stützt sie ihr Kinn auf ihre Handflächen und beobachtet jede Bewegung von mir.
„Wenn du mich fragst“, grinst Tony, „würde deiner Haut auch etwas weniger Schminke guttun.“
Wütend funkelt sie ihn an. Ich muss mir ein Grinsen verkneifen, was Mara ganz offensichtlich nicht tut. Sie strahlt fast, als sie noch einen draufsetzt, „Selbst eine Maske aus Kotze würde deiner Haut besser tun als das ganze Make-Up.“
So geht es eigentlich die ganze Zeit weiter. Die beiden provozieren sich gegenseitig und wenn nicht, ignoriert diejenige mich, von der ich mir wünsche, dass sie mich so anstarrt, wie die andere. Es ist zum Kotzen.
Mittem im zweiten Gang steht Mara einfach auf.
„Was ist los?“, will ich wissen.
„Frag nicht“, sie geht.
Nach zehn Minuten kommt sie wieder, setzt sich seelenruhig hin und sieht dem Kellner dabei zu, wie er alle Teller abräumt.
Ich beuge mich zu ihr und flüstere ihr ins Ohr, „Wo warst du?“
Ihr Blick trifft mich und ihre Augen funkeln giftig, „Pissen“, zischt sie, dann lehnt sie sich wieder weg, „Aber das geht dich nichts an, Stranger.“
Der Nachtisch wird serviert. Eiskrem.
„Wie ist das denn jetzt, eigentlich?“, fragt Amelie, „Heiratet ihr jetzt, oder was ist das für eine Feier?“
Hilary und ich werfen uns einen Blick zu, dann antworte ich, „Eher so was wie eine »Coming out«-Party.“
Tony lächelt mir zu, „Was steht nach dem Essen an?“
Hilary strahlt, „Tanzen, mein Lieber.“
Mara führt ihre Hand vors Gesicht und schüttelt den Kopf, „Jetzt nicht wirklich, oder?“
Ich trete ihr leicht gegen das Bein und sie reißt ihre Hände fast vom Gesicht, „Lass das!“
„He“, beruhigt Steffen sie, „Keine Sorge, ich zeig dir ein paar einfach Tänze.“
Auch Tony sieht nicht gerade erfreut aus, als er sich wieder an Hi' wendet, „Heißt das Walzer, Foxtrott und Marche?“
Sie nickt grinsend, „Ja! Und ab Mitternacht darf sogar Rock'n'Roll getanzt werden.“
„Bringt mich um“, seufzt Mara. Amelie grinst sie an, „Sag einfach wann und wo – was gleich jetzt – Kein Ding. Verschwinde einfach schon mal unterm Tisch, ich komm gleihc mit ner spiiiitzen Gabel nach.“
Mara verdreht die Augen, „Als ob du den Mumm zu so was hättest.“
„So schlimm ist das bisschen tanzen jetzt auch nicht“, murmele ich und nehme einen Schluck von meinem Rotwein.
Mara ignoriert mich und macht immer noch Amelie an, „Außerdem würde eigentlich deine Anwesenheit genügen. Mit dir für eine Stunde in einen Raum gesperrt bedeutet für jeden den Tod. Allein dein Parfum nimmt jedem die Luft zum Atmen.“
„Ruuhig Ladies“, versucht Hil' zu vermitteln, „Wir haben den ganzen Abend noch vor uns. Vielleicht sorgt ihr einfach dafür, dass ihr euch nicht in die Quere kommt, dann wird alles gut.“
Und schon wird der Nachtisch abgeräumt, mein Klavierlehrer verschwindet vom Piano und eine CD wird aufgelegt.
„Schlager!?“, mit großen Augen schüttelt Tony den Kopf, „Ohne mich – Mara kommst du mit Eine rauchen?“
„Jeeep, jeep, jep!“, grinsend springt sie auf und die beiden verschwinden.
Steffen rückt auf den Platz neben mir.
„Alter, pass auf, Mara und ich-“
Er wird wieder unterbrochen, dieses Mal von Hilary.
„Alex, wir müssen das jetzt wirklich besprechen. Ihr könnt doch noch später reden.“
„Und was ist mit mir?“, fragt Amelie, als Hil' und ich uns zum Gehen abwenden.
„Tanz doch mit Steffen“, schlage ich vor, dann verschwinden wir.
In einem abgelegenen Raum schalten wir das Licht ein und schließen die Tür hinter uns ab.
„Also zum inszenierten »Streit«“, Hilary seufzt, „Du weißt, wie überzeugend wir sein müssen.“
„Ja. Am besten wir fangen damit mitten auf der Tanzfläche an. Lenken da die Aufmerksamkeit auf uns und gehen dann zum Rand des Raumes.“
„Dann werden eh alle Blicke an uns kleben.“
„Genau“, ich ziehe einen Mundwinkel hoch, „Und der Streitgrund wird sein, dass keiner von uns zu dem anderen ins Land ziehen will. Und dass wir auch beide keine Fernbeziehung wollen.“
„Okay“, sie grinst und zwinkert mir zu, „Freiheit wir kommen!“
Ich nicke und wir begeben uns zurück auf die Feier.

Hilary und ich plazieren uns in der Mitte der Tanzfläche und beginnen mit einem Mambo. Ich sehe, wie Mara und Tony lachend von der Terrasse wieder in den Raum kommen. Sie verstehen sich gut... zu gut.
„Alex!“, zischt Hil', „Tritt mir bitte nicht auf den Fuß.“
„Oh, sorry.“
Wir tanzen weiter und ich richte meine Aufmerksamkeit auf uns. Nur auf uns. Nein, ich starre nicht auf Mara und Tony, als sie sich an die Bar begeben und zusammen anstoßen. Mit Tequila Sunrise. Ich sehe nicht, wie Mara ihn anlächelt. Überhaupt nicht. Meine Augen liegen nur auf Hilary und ihren... seltsamen, glänzenden Perlenohringen.
Wir beginnen uns zu streiten. Aber ich bin nicht ganz bei der Sache.
„Ich ziehe ganz sicher nicht nach Deutschland“, faucht Hilary.
„Tzz, ich hab hier in diesem Kaff auch nichts zu suchen!“, ich ziehe sie an der Hand mit mir von der Tanzfläche. Die Musik spielt immer noch. Irgendein Lied aus den 80ern.
„Maryland – ist – kein – KAFF!“
Lachend werfe ich den Kopf nach hinten, „Allein der Name! Maaa-hahaha-ryyy-laa-haha-nd. Wer will hier denn wohnen!?“
Ich sehe die entsetzten Blicke unserer Eltern. Und den gefassten Blick von Mara, kurz bevor sie Tony mit sich wieder nach Draußen zieht.
„Aber Schatz“, Hil' nimmt meine Hand in ihre beiden zarten Händchen, „Wir bekommen das schon hin. Irgendwie.“
„Vergiss es. Du weißt, wie das das letzte Mal geendet hat!“
Geschockt starrt sie mich an, „Das wird nie wieder passieren!“
„Also willst du eine Fernbeziehung, oder was?“
Sie lässt meine Hand los, „Sag doch gleich, dass du mich nicht genug liebst.“ Auf ihrem Gesicht liegt dieser hässliche »Ich-heul-gleich-los«-Ausdruck.
„DU hast mir doch mein Herz gebrochen!“, rufe ich, dann stürme ich aus dem Raum.
„Das läuft alles verkehrt!“, ruft Hilary und fängt an zu heulen. Sie ist echt gut in ihrer Rolle.
Beim Rauslaufen schnappe ich mir noch Steffen und zerre ihn mit in den Flur.

Es ist ruhig. Die Musik dringt nur leise zu uns durch.
„Bist du mit Mara zusammen?“, komme ich direkt auf den Punkt.
Er schüttelt den Kopf, „Ich würde alles dafür geben. Aber ich weiß, dass ich nicht der bin, den sie will.“
„Du“, sage ich und tippe ihm auf die Brust, „solltest dir wen anderes suchen. Kennst du Luna?“
„Wen?“
Ich lächele – und es ist aufrichtig und ernst gemeint, „Sie würde viel besser zu dir als zu diesem komischen Finn passen.“
Stirnrunzelnd guckt Steffen mich an, dann klopft er mir auf die Schultern, „Geh dich umziehen, Alter. Und dann haust du am besten mit Mara von hier ab. Das ist nichts für euch. Und ihr habt viel zu reden.“
Ich lächle immer noch – oder etwa schon wieder? - irgendwie lässt mich der Gedanke daran, dass ich das Mädchen eigentlich schon gefunden habe, was mir ein richtiges Lächeln geschenkt hat, alleine weiterlächeln; nicke und laufe so schnell ich kann in mein Zimmer.


CHAPTER FIFTY: Blinded by Alex


Mara


Steffen kommt auf uns zu. Sieht zwischen Tony und mir hin und her. Ich verdrehe die Augen: Nein, da ist NICHTS.
Ein erleichtertes Lächeln breitet sich auf seinen Sunnyboy-Lippen aus, als er bei uns ankommt und mich am Arm nimmt und wegzieht.
“Sorry Tony, aber Mara hat noch was vor.”
„Ach ja“, mache ich entnervt, als er mich auf den Flur zerrt, „Das wüsste ich aber.“
„Ich hab grad mit Viktor telefoniert“, lässt er mich wissen – ahaaa, und jetzt!?
„Na und“, ich zucke mit den Schultern, „Hat er dir seine Liebe gestanden?“
„Was?“, einen Moment sieht er mich irritiert an, dann schüttelt er den Kopf, „Nein, aber ich soll dir was ausrichten.“
„'kay, 'kay. Was sagt denn mein alter Arschloch-Kumpel?“
Mit der rechten Hand fährt sich Steffen durchs Haar, dann kommt er einen Schritt näher, beugt sich zu mir und öffnet seine Lippen.
„Er hat gesagt, dass du mit allen Mitteln darum kämpfen musst, wenn du es wirklich wieder haben willst.“
„Das war's?“, meine Stimme ist viel lauter als sein Flüstern, steht dazu im krassen Kontrast.
„Nee“, macht die Grinsebacke, „Und dass es der Kamp deines Lebens sein könnte.“
Ich schlucke, „Okay.“
Steffen tritt wieder ein paar Schritte von mir weg, „Alex kommt gleich.“
Ich beiße mir auf die Unterlippe. Versuche das Kribbeln zu unterdrücken, das sich so blitzschnell auf meiner Haut ausbreitet. Ich schweige.
Steffen grinst, „Viel Glück. Und Viktor hat Recht. Du darfst den Grund nicht vergessen, warum du hier bist.“
Mit einem Mal steht Alex bei uns. Und ist gut – denn plötzlich ist der Sunnyboy auch schon weg. Wie von mir weggeblinzelt.
Alex hat sich umgezogen. Er hat jetzt eine schwarze Hose in röhrenähnlicher Form und ein dunkelblaues T-Shirt an.
„Mara.“
Ich sehe ihm in die Augen, bin einen Moment sprachlos.
„Was!?“
Er nimmt meine Hand und wir laufen aus dem ganzen prunkvollen und beschissen edelen Gebäude auf die Straße.
„Klasse“, ich verdrehe die Augen und lächle ironisch, „Und jetzt stehen wir hier rum, oder was?“
„Ich hab dich vermisst, meine Fee.“ Schamlos wirft er mir ein freches Grinsen zu, als er auf ein dunkles Motorad zusteuert.
Ich verkreuze die Arme vor der Brust, als ich ihm folge und die Maschine mustere, „Deine?“
„Meine.“ Er setzt sich und hält mir einen Helm hin.
„Pff, so weit kommt's noch“, grinse ich und setze mich hinter ihn. Hmm, nicht der beste Abend für das Kleid.
„Setz' den Helm auf, Süße.“
Ich lehne mich an ihn, flüstere sanft und zugleich gefährlich in sein Ohr, „Noch ein beschissener und lieblicher Spitzname und ich tret' dir so heftig in die Eier wie ich kann, wenn wir abgestiegen sind.“ Ich lasse es einen Moment sacken, „Und ich setze den Helm NICHT auf.“
Er lacht, dreht sich um und setzt mir den Helm auf.
„Hey!“, rufe ich und reiße ihn mir vom Kopf und halte ihn so weit von Alex weg, wie ich kann, „Kennst du nicht die Geschichte, die sie alle als »Super-traurige Story« bei Youtube reinstellen!?“
„Ehm, neeeein“, er schüttelt den Kopf, „Spielt auch keine Rolle, weil wir erst fahren, wenn du den Helm aufhast.“
Tzz, Dulli. Egal, ich erzähl' ihm jetzt die Geschichte. Ansonsten nehm' ich den Helm mitten auf der Fahrt ab. Ist mir doch scheißegal, wenn er in irgendeinem Gebüsch verrottet – was er jetzt nicht UNBEDINGT machen würde, aber egal.
„Also“, fange ich an, „Ein Mädchen und ein Junge waren zusammen mit seinem Motorrad unterwegs – aber sie hatten nur einen Helm. Doch das war ihnen egal. Sie fuhren los. Nach einer Weile fiel dem Mädchen auf, dass ihr Freund immer schneller fuhr. Sie sah auf den Tacho – es waren bereits 180 km/h. Sie hatte Angst und bat ihn, langsamer zu fahren. Er antwortete nur: »Umarm mich und sag mir, dass du mich liebst.« Sie antwortete mit: »Ich liebe dich über alles mein Schatz, nur fahr' jetzt bitte langsamer.« Der Junge nickte: »Okay, aber nimm erst mal meinen Helm und setz' ihn bitte auf. Er sitzt mir zu eng. Und danach umarme mich und sage mir noch ein Mal, dass du mich liebst.« Das Mädchen setzte den Helm auf, umarmte ihn und sagte: »Ich liebe dich mein Ein und Alles auf dieser Welt!«
Einen Tag später steht in der Zeitung: »Unfall; Zwei Jugendliche fuhren mit 180 km/h auf ein Haus zu. Nur eine Person überlebte.«
Überlebt hatte nur das Mädchen. Dem Jungen wurde beim Fahren bewusst, dass die Bremse nicht mehr ging, das Gaspedal hängen geblieben war und sie nicht mehr langsamer fahren konnten. Deswegen hatte er ihr den Helm gegeben und gesagt, sie solle ihn umarmen und sagen, dass sie ihn liebe.“
Alex hebt eine Braue, „Mach' dir keine Sorgen, Mara. Das wird nicht passieren. Du kannst den Helm ruhig aufsetzen. Ich werde nicht sterben, nicht dadurch“, er unterdrückt ein Lachen, „Ein Motorrad hat kein Gaspedal. Und wenn man mit 180 Sachen wo lang brettert, kann man sich ganz sicher nicht mehr so seelenruhig unterhalten. Technisch ist das Ganze auch ziemlich unmöglich. Also deinen Versuch in Ehren, aber die Story zieht nicht.“
Ich stöhne auf, „Lass' mich raten, du hast das Video dazu nie gesehen?“
Er grinst mich schief an, „Halt dich fest“, dreht sich nach vorne und fährt los.
„Und der Helm!?“, rufe ich.
„Setz' ihn auf.“
„Ignorant.“
„Lügnerin.“
Ich schweige, hebe den Helm auf meinen Kopf und halte mich an Alex fest, als wir durch die dunkle Nacht fahren. Es fühlt sich an, als würden wir fliegen.
Wir fahren durch die Straßen dieser Stadt, wo überall noch Licht brennt und niemand zu schlafen scheint. An jeder Ecke steigt eine Party, und trendy gekleidete, junge Leute amüsieren sich.
„Wo fahren wir hin?“, frage ich als, wir an einer Ampel halten müssen.
Es ist, als könnte ich das Lächeln auf seinen Lippen fast sehen, „Wir müssen reden. Und ich kenne einen Platz, an dem das am besten geht.“
Die Ampel springt von Rot auf Gelb und schließlich auf Grün und wir sausen davon.
Es ist Nacht. Oberflächlich betrachtet, eine Nacht wie jede andere. Die Sonne hat sich verpisst, der Mond spielt sich als Boss der tausenden kleinen Sterne auf und vereinzelte Wolken hängen am schwarzen Himmel. Mit der Ausnahme, dass ich mich vervollständigt fühle. Ganz. Spielt es noch eine Rolle, dass ich es abstreite? Es liegt an Alex. Und daran, dass ich mir mein Herz zurückhole. Und … an der Sehnsucht, die irgendwie ohne, dass ich es gemerkt hab, über mich gekommen war, und sich jetzt schelmisch grinsend in die Ecke stellt.

Wir halten an. Ich springe vom Motorrad ab und sehe Alex dabei zu, wir er absteigt und sich dann zu mir wendet.
„Du hast ihn aufgelassen.“
Überrascht nehme ich den Helm ab und halte ihn ihm hin, „Tut mir leid.“
Ich bemerke das Grinsen auf meinen Lippen und drehe mich von Alex weg, sehe mich um. Da ist ein See, dessen Wasser schwarz im Licht des Mondes glänzt. Der Weg zum See hin führt durch kniehohes Gras und ich laufe sofort auf das Ufer zu.
Eilig streife ich die Schuhe von meinen Füßen und mache die ersten Schritte ins Wasser. Es fühlt sich gut an, nachdem ich den Abend stundenlang auf diesen Absätzen rumgestöckelt bin. Ich vermisse meine Chucks. Mit langsamen Schritten gehe ich weiter, bis mir das pechschwarze Seewasser bis zu den Oberschenkeln reicht.
Plötzlich höre ich ein Geräusch und fahre herum, wobei das Wasser Wellen schlägt und die Spitzen des Kleides nass macht.
Alex sitzt am Ufer, ein Bein aufgestellt und einen Ellenbogen darauf gestützt, und das andere ausgestreckt im Gras.
„Erschrocken?“, seine Augen funkeln genauso schwarz wie der See in der Nacht.
Ich tapse aus dem Wasser und setze mich neben ihn. Wir schweigen. Es ist ein seltsames Schweigen. Unangenehm angenehm. Gewohnt ungewohnt. Wie so gut wie alles, was uns beiden passiert, neu und seltsam und immer auch ein bisschen verstörend.
„Es tut mir leid.“ Er greif nach einem Stein und schmeißt ihn ins schwarze Wasser.
Ich presse die Lippen zusammen.
Nach einer Weile löse ich die Anspannung und seufze, „Das kommt ja früh.“
„Du bist unglaublich.“
Ich hebe eine meiner vorhin extra frisch gezupften Augenbrauen, „Selbstverständlich.“
Er grinst, „Selbst wenn ich mich entschuldige, bist du noch ironisch.“
Kaum merklich zucke ich mit den Schultern, „Passiert. Da kann man wohl nichts machen.“
Sein Lächeln löst sich auf und Ehrlichkeit tritt in seine schwarzen Augen, in die der Mond nur ein paar weiße, glitzernde Punkte funkeln lässt, „Ich hätte dich wirklich gerne in diesem Kleid gesehen.“
Ich schubse ihn sanft zur Seite, „Echt? Keine Sorge, du hast nichts verpasst. Ich hab das Kleid an.“
Überrascht mustert er mich, lächelt und wendet seinen Blick wieder aufs Wasser, „Das mit Hilary ist … kompliziert.“
„Nein.“
„Was!?“
„Nein“, wiederhole ich, „Es ist nicht kompliziert. Also mach' es kurz.“
ich ziehe meine Knie an meine Brust, lege die Arme darum und starre aufs Wasser. Ich will Alex jetzt nicht ansehen. Ich will nicht, dass mein Herz so stark schlägt und dass alles in mir zittert. Angestrengt versuche ich mich auf das Glitzern des Wassers zu konzentrieren.
Es gelingt mir nicht, sobald Alex seien Stimme hebt, liegt mein Blick auf ihm. Nur auf ihm.
„Hilary und ich waren schon ein Mal zusammen. Verkuppelt durch unsere Eltern, die ihre geschäftlichen Angelegenheiten pushen wollten. Und dann... ist alles in die Brüche gegangen. Ich hatte mich wirklich in Hilary verliebt. Aber sie.. alles, was sie gesagt und getan hat, war eine riesige Lüge. Sie wusste die ganze Zeit von allem. Als wir Klartext gesprochen haben, ist sie gegangen. Und es sollte endgültig sein. Ich wollte sie nie wieder in mein Leben lassen... Bis das Fax kam – was mich vor die Wahl zwischen Schulball und Einladung in den Staaten gestellt hat-“
„-eine Wahl zwischen Hilary und mir“, unterbreche ich ihn, „Und du hast deine Entscheidung gemacht.“ Ich bin kurz davor aufzustehen und wegzulaufen. Egal wohin. Alles in mir, was eben noch gezittert und geflackert hat, zieht sich merkwürdig zusammen. Aber ich kann mich nicht regen.
„Nein“, Alex schüttelt den Kopf, „So ist das nicht. ICH hab mich nicht entschieden. Meine Eltern haben mich in ein Flugzeug geschubst und ich wurde hier quasi »ausgesetzt«. Eigentlich war das hier alles nur geplant, um Hilary und mich wieder zusammen zu bringen und eine Verlobung zu erzwingen.“
„Ach“, mache ich und tue gelangweilt, obwohl sich alles in mir sträubt, und mir ein bisschen übel ist, „was du nicht sagst.“
„Hey“, er sieht mir in die Augen, hält meinem skeptischen Blick stand und lächelt ein schiefes Lächeln, „Ich war noch nicht fertig.“
„-sag Bescheid, wenn ich wen zum Abputzen holen soll.“
Er grinst, ermahnt mich aber, „Mara, jetzt halt mal deine Klappe und spitz die Öhrchen-“
„Hey, ganz ruhig Brauner“, fahre ich ihm wieder dazwischen, „Ich spitzt dich gleich!“
„Ey, bei deinem frechen Mundwerk hat man ja keine Wahl!“, er zieht mich näher zu sich und legt seine Lippen blitzschnell auf meine, fährt mit seiner einen Hand meinen Arm hoch während er mich mit der anderen an der Wange berührt.
In mir explodiert alles. All das, was sich vorher so bekifft zusammengezogen hat, alles, was sich weder richtig noch falsch angefühlt hat, rutscht an seinen Platz und alles, was mir noch durch den Kopf schießt ist Alex.
Wir lösen uns voneinander.
„Ich heirate Hilary nicht. Sie ist nicht diejenige, die ich nicht mehr aus meinem Kopf bekomme. Sie ist nicht du.“
Irgendwo in mir ist dieser Impuls zu lächeln, aber ich kann es nicht. Ich kann Alex einfach nur ansehen und schweigen. ICH. Ich schweige.
„Und zu deiner niedlichen, kleinen Motorrad-Geschichte: ich wette du hast dabei geheult.“
Wie bitte!?
„Was!?“, entwischt es mir unwirsch.
Er grinst, „Du HAST geheult, oder?“ Soll das eine Frage oder eine Feststellung sein. Egal.
„Nope.“
„Du lügst schon wieder.“
„Gar nicht!“
Ich schlucke.
Alex grinst mich überlegen an, „Mara. Warum bist du hergekommen?“
Ich lege mich ins Gras. Es sticht ein bisschen, aber ich unterdrücke das Juckreiz-Gefühl und sehe in den Himmel.
Ich sammelte meine Gedanken: Da war ein Loch. Ein Loch, das gebrannt hat. Eine Stelle, die verlassen war. Der etwas fehlte, etwas genommen wurde. Etwas, das ich wieder haben wollte. Etwas, wonach ich mich gesehnt habe. Etwas, was jemand hatte, den ich zum Leben brauche. Ohne den es nur noch schwarz-weiß ist und mit dem alles um mich herum strahlt.
Alex legt sich neben mir ins Gras und drückt die Grasstängel zwischen unseren Gesichtern runter, sodass ich ihn ansehen kann, wenn ich meinen Kopf zu Seite drehe.
„Ich bin hier... weil ich mir mein Herz zurückholen will... Und weil ich es ohne die Person, die es einfach mit sich genommen hat, ohne zu fragen, nicht mehr aushalte...“
Alex grinst mich verschlagen an, „Weil du verrückt nach mir bist?“ Eine Feststellung.
„Was?!“, überrascht setze ich mich auf, „Niemand hat von DIR gesprochen, Loser.“
„Loser?“, echot er.
Ich grinse, er setzt sich auf und mustert mich.
„Ich liebe dich“, flüchtig küsse ich ihn auf die Wange, dann springe ich auf und laufe ins Wasser, bis es mir bis zum Bauch reicht.
„Mara!“, er schlüpft aus seinen Schuhen und folgt mir, „Sind wir jetzt zusammen?“
Ich zucke mit den Schultern, lege meine Arme um ihn und ziehe ihn näher zu mir, „Yes. Yes, yes, yes, Baby.“
Unser Kuss lässt mich alles um uns herum vergessen, es ist als würde mein Leben gerade erst anfangen. Es ist, als wäre Alex wie ein Wunder, wie eine Heilung. Alexander Sommer – ehm, ja; oder: Alexander Precht – mein Lebenselixier.


EPILOG



Lichter werden dich nach Hause führen
Und deine Knochen werden Feuer fangen,
Und ich werde versuchen, dich zu heilen.




(Coldplay)






Lichter werden dich nach Hause führen



[Alex:] Mein Herz war obdachlos. Da war ein Herz, aber es schlug still und leise und kaum hörbar. Aber es hat sein Zuhause gefunden. Mara hat mir ein Zuhause gegeben.


Und deine Knochen werden Feuer fangen.



[Mara:] Meine Vergangenheit hat mich gelähmt. Und da war ein Teil in mir, der nur verdrängen konnte. Bis Alex in mir ein Feuer entflammt hat, was nicht zerstört, sondern geheilt hat.


Und ich werde versuchen, dich zu heilen.




Hey ;)
Danke an euch alle! :D
Ich weiß, wie bröckelhaft es hier in Bookrix online gestellt worden ist. Es tut mir leid, aber jetzt ist ja alles online ^^
Das waren 50 Kapitel mit Mara und Alex. 50 Kapitel von mir für euch. Und auch mit euch! Denn ohne eure Unterstützung weiß ich nicht, wie weit ich gekommen wäre o.O
Darum ein GROßES, fettes: DANKE an euch.
Ich hoffe, es hat euch gefallen. Und ich hoffe, dass ihr die beiden (Alex&Mara) nicht vergesst. ;)

Liebste Grüße ♥

Anna



Ansonsten danke ich noch Caro, Daniel - ihr beide seid einfach zauberhaft! - meinen Freunden, die man aufgebrachtes Gebrassel über FIX YOU immer ertragen haben und mir noch neue Anreize gegeben haben; mich unterstützt haben. Ich danke allen, die mich imemr wieder dazu ermutigt haben, weiterzumachen! Und allen, die mir Kritik gegeben haben, die die Kapitel und die Story an sich kommentiert und bewertet haben - euch steht "spezieller Dank" zu :)
Und ganz besonders danke ich Emelie, dafür, dass du mich nie aufgibst, immer als Beste Freundin an meiner Seite bist und mir auch bei dieser Geschichte immer beistandest und dich mindestens genauso wie ich über jedes neue Kapitel gefreut hast. Danke. ♥
Ihr alle seid die besten, geilsten und überhaupt überwältigend!! Danke! :)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.07.2010

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