Cover

Huhuuu :)


Ich überarbeite das Buch momentan, darum ist auch seit Monaten nichts gekommen. Aber jetzt wo ich schon einige Kapitel fertig habe, hoffe ich doch, dass der eine oder andere noch mehr Gefallen an dieser Story findet als vorher. Ich weiß jetzt nämlich, was ich mit der Geschichte ausdrücken will ;)


»Und es tritt so fest
Es bricht deine Knochen
Schneidet so tief
Es trifft deine Seele
Zerreißt deine Haut
Und lässt dein Blut fließen
Es ist besser, dass du weißt
Dass Liebe schwer ist«


aus "Love is hard", James Morrison


Kapitel 01 - Simon vs. Theo



„Kommst du Samstag zu Lisas Party?“, fragend sah Sina mich an und ich registrierte, dass ihre Augenbrauen hochgezogen waren, als ich kurz von meinem nun pink lackierten Zeigefingernagel aufsah.
„Weiß nicht“, murmelte ich und achtete sorgsam darauf, beim Daumennagel gründlich zu arbeiten.
„Du musst kommen“, Sina kicherte, als sie ihr langes blondes Haar in den Nacken warf, „Es soll sogar Alkohol geben.“
Ich wedelte mit meinen Händen, damit der Nagellack schneller trocknete und lächelte ironisch, „Unsere erste Party mit Alkohol“, sagte ich, „wie genial“ Der Sarkasmus triefte nur so aus meinen Worten. Irgendwie war ich noch nicht besonders wild auf das Zeug.
„Helena, du hast doch gehört, wie die alle davon geschwärmt haben. Das wird ganz toll“, wieder kicherte Sina, „Alkohol.“ So wie sie es aussprach klang es eher wie „Eikuhol“.
„Weißt du wer auch kommen will?“, Sina sah mich erwartungsvoll an. Ich hatte keinen Schimmer, ob sie nun von mir erwartete, dass ich riet oder drei Namen runterratterte. Daher sah ich sie einfach nur neugierig an und legte den Kopf schief.
„Simon“, begann sie und dann brach sie nach einem Seufzer in einen Monolog ohne Punkt und Komma aus. „Er ist so toll. Du hättest ihn heute sehen sollen. Ist er nicht super süß? Ja, er ist der niedlichste Typ! Und seine Haare, so schön blond und erst seine Augen!! Dieses Blau. Boah, darin könnte ich versinken – was sage ich denn da, ich versinke ständig in seinen Augen – eigentlich immer. Und wenn er lächelt, das hättest du heute mal sehen müssen, in Mathe an der Tafel! So süß!“
Ich kniff Sina in die Seite, „Hey. Ich war dabei“.
„Ja, aber du hast es nicht so erlebt wie ich. Zwischen mir und Simon da ist was ganz besonderes“, wieder seufzte sie und ich verdrehte die Augen. Aber sie hatte recht, ich erlebte es anders als sie. Simon war ganz sicher ein Arschloch, ein Junge, der mit einem Mädchen nach dem anderen anbändelte, mit ihr sonst was anstellte und sich dann eine Neue suchte. Simon war nicht süß. Simon war gefährlich. Sina hatte heute im Matheunterricht anscheinend nicht mitbekommen, dass er unserer Lehrerin Frau Kessner mit seiner scharfen Erwiderung auf eine Frage, die er nicht beantworten konnte, zu nach getreten war.
Ich hatte nicht bemerkt, wie ich mit dem Nagellackpinsel gedankenverloren über meinen gesamten Daumen gestrichen hatte und fluchte nun vor mich hin, während Sina mir glucksend den Nagellackentferner reichte.

„Wollen wir jetzt noch ins Freibad, ich hab gehört, dass Simon auch kommt“, setzte ich an, sobald ich meine Nagellackarbeit schließlich vollendet hatte, doch sobald ich den Namen „Simon“ erwähnte, schnappte Sina nach Luft.
„Du hast Simon gesagt“, brachte sie hervor und hielt mich an den Armen fest.
„Sina, du sagst ständig Simon.“
„Ja, aber doch nur, wenn wir allein sind-“
„Scheiße, da hab ich wohl leider nicht dran gedacht, dass die Nagellackflasche mithört.” In mir brodelte es gerade verräterisch und auch die Spannung in der Luft fühlte sich unheilvoll an.
„Wir nennen ihn jetzt aber nicht mehr so!“, beschloss meine beste Freundin, “Also fahren wir jetzt zum Schwimmbad, um Theo zu sehen, klar?”
„Und ich dachte, wir fahren dahin, damit wir beide was zusammen unternehmen können, aber es geht wieder nur um so einen Trottel wie Simon“, biss ich und funkelte sie aus engen Augenschlitzen an.
„Ttttschsch“, machte Sina und legte den Zeigefinger auf die Lippen, wie eine Kindergärtnerin es macht, während der Zorn in ihrem Blick allerdings nicht erlosch, „Es ist Theo. Der Name ist nicht so auffällig.“
“Sina!”, ich spürte wie meine Augen langsam feucht wurden, “Hör verdammt noch mal auf so ignorant zu sein! Es geht doch gar nicht mehr um ihn!” Die Brühe in mir brodelte heftiger und bald würde das alles aus meinen Augenlidern strömen, wenn sie nicht endlich verstand, dass sie mir damit wehtat. Aber sie schien meine Worte nicht zu hören, ließ Nagellackflasche und -entferner in ihre Schwimmtasche gleiten und musterte mich mit einem mürrischen Ausdruck im Gesicht. Am liebsten würde ich sie so richtig anschreien, Ich gehe da nicht wegen Simon hin, sondern wegen dir, weil du meine beste Freundin bist und du scheinst mich nur als Accessior mitnehmen zu wollen! Doch ich biss mir nur auf die Zunge, so fest, dass ich bald Blut schmecken würde, wenn ich den Biss nicht lockerte.
„So können wir jetzt endlich los, Helena?“, genervt sah sie mich an, als ob ich daran schuld wäre, dass wir immer noch hier saßen.
„Von mir aus immer, aber du warst ja gerade in deiner Simonphase.“
Wütend sah sie mich an, „Wer lackiert sich denn die ganze Zeit die Nägel? Außerdem heißt er Theo!“
„Er heißt Simon, aber du nennst ihn Theo!“, keifte ich zurück, „Wie dumm ist das denn, he?! Wahrscheinlich wird aus dir und ihm sowieso nichts. So wie du dich anstellst!“
“Dann müssen wir ja jetzt auch nichts zusammen unternehmen, wenn du das so siehst!”, rief sie.
Ein paar Sekunden standen wir uns noch gegenüber und funkelten uns giftig an, bis Sina schließlich mit wutverzerrtem Gesicht an mir vorbei stürmte und ich nur noch hörte, wie unsere massive Haustür ins Schloss fiel. Sina war weg. Ich stand da wie erstarrt. Sina war weg. Ich musste ihr hinterher. Ich wollte doch keinen Streit. Sie war meine beste Freundin. Wir kannten uns schon so lange. Seit Fünf Jahren, seit ich von Hamburg nach Braunschweig gezogen war, kannten wir uns. Ich konnte sie nicht mehr stoppen, die Tränen strömten aus meinen Lidern, rannen meine Wangen hinab und tropfen von meinem Kinn auf den Boden.
Die Zeit schien nicht vergehen zu wollen, als ich dastand und mich meinem Elend hingab, aber wahrscheinlich waren es höchstens zwei Minuten, ehe ich auch aus dem Haus brauste, durch der gleichen Tür, aus der Sina vor ein paar Sekunden gestürmt war. Ich rannte den kurzen Weg bis zur Hofpforte, die Sina sperrangelweit aufstehend zurück gelassen hatte und sah nicht nach links oder rechts, als ich den Weg zu ihrem Haus im Sprinttempo zurücklegte. Sie besaßen keine Hofpforte, darum stand ich kurz darauf vor der Haustür, ohne zu wissen, was ich hier jetzt tun wollte.

Nach Luft schnappend lehnte ich mich gegen die Tür und fuhr mir mit den Fingern durch mein offenes dunkelbraunes Haar. Nachher würde ich in aller Ruhe ganz heiß Duschen. Mir versuchen die Sorgen und den Stress abzuwaschen.
Die Haustür gab auf einmal nach und ich fiel direkt in Sinas Bruder Jeff hinein. Eigentlich wäre es wohl einigermaßen bequem gewesen, da er ein Jahr älter als wir war und auch wirklich gut aussah, aber ein abstoßender Geruch, ließ mich schnell zurückweichen. Jeff lachte, noch ehe ich den Behälter in seinen Händen gesehen hatte.
“Ich wollte grade den Müll rausbringen”, er riss sich zusammen, und grinste mich nur noch an.
“Da komm ich ja wie gerufen”, murmelte ich, “Hat Sina sich eingeschlossen?”
Er zog die Stirn kraus, “Warum denn? Sie ist gar nicht zurück nach Hause gekommen. Wolltet…”, er stockte, “ihr nicht ins Freibad?”
Seufzend sah ich auf meine Hände, dem mitfühlenden Blick aus seinen blauen Augen wollte ich jetzt nicht ertragen müssen, “Wir haben uns gestritten.”
“Oh”, sagte er nur, dann wurde es still zwischen uns. Jeff und Sina waren in dieser Beziehung vollkommen gleich, sie sprachen nicht gerne über Gefühle, und erst recht nicht über ihre eigenen. Dieser Gedanken ließ wieder eine Tränen meine Wange entlang laufen, ganz langsam.
“Soll ich ihr was ausrichten?”, Jeff räusperte sich peinlich berührt und wich genauso meinem Blick aus, wie ich seinem. Trotzdem bekam er mit, wie ich den Kopf schüttelte, mich umdrehte und langsam nach Hause ging.
“Das wird schon wieder!”, rief er mich noch nach, dann hörte ich wie er meinen Namen seufzte, aber als ich mich umdrehte war er schon mit dem Müllbeutel zur Mülltonne marschiert und hatte mir den Rücken zu gewand.

Sina und ich hatten schon so lange nichts mehr zusammen gemacht, die Sommerferien waren gerade seit zwei Wochen vorbei und in den Ferien war sie einen Monat mit ihrer Familie in Dänemark gewesen. Vier Wochen lang hatten wir nur telefoniert und als sie wieder hier war, war ich für die restlichen Ferienwochen mit meiner Familie in Italien. Ich hatte sie echt vermisst und jetzt … Jetzt waren wir offensichtlich in einer Krise, denn selbst wenn ich ihr hinterher gerannt war, würde ich nicht Ruhe geben, ehe wir das anständig geklärt hatten. Bis auf den Satz, dass das mit Simon und ihr nichts werden würde, bereute ich keines meiner Worte. Aber ich musste mich entschuldigen, ich würde sie abends anrufen und versuchen mit ihr wieder ins Reine zu kommen.
[!]

Sina ging nicht ans Telefon. Nicht um 20Uhr. Auch eine halbe Stunde später nicht. Nach einer Stunde immer noch nicht und auch am nächsten Morgen gönnte mir die Telefonleitung nur ein Tuten. Natürlich war sie trotzdem in der Schule, auch wenn sie mir nur die kalte Schulter zeigte. Als ich mich bei ihr entschuldigte, drehte sie sich einfach nach hinten und fragte Florian nach den Englischhausaufgaben. Ich gab es auf. In der Pause stand sie bei Lauren und Diana. Ich hörte, wie Sina immer dann in Gelächter ausbrach, wenn ich mit Mia und Finnja an ihr vorbei ging. Eigentlich waren wir eine Clique. Mia, Finnja, Sina und ich. Die vier Leichtathletinnen, die besten Freundinnen.

„Ihr habt euch aber ganz schön gestritten“, bemerkte Finnja auf dem Weg von der Schule nach Hause.
„Ja, das ist wohl nicht zu übersehen“, ich nickte.
„Willst du drüber reden?“, Finnja lächelte. Sie war immer für einen da, wenn man sie brauchte. Ihr Haar war noch heller als Sinas, wirklich hellblond, fast schon weißblond, und schulterlang. Mit ihrer schlanken Figur und ihrer hellen Haut wirkte sie immer ein bisschen zerbrechlich, zart und wenn man in ihre klaren, grünen Augen sah, spürte man sofort das Interesse, das sie an ihren Mitmenschen und an ihrem Wohl hatte.
„Ich hab was ziemlich Gemeines zu ihr gesagt“, gab ich zu, „Und dann ist sie einfach abgehauen.“
Finnja nickte, sie drängte mich nicht weiterzuerzählen. Es fühlte sich gut an, mit ihr darüber zu reden. Aber das mit Simon konnte ich ihr nicht sagen, es war Sinas Geheimnis und nicht meins.
„Das kommt sicher wieder alles ins Lot, Sina regt sich immer schnell auf, egal um was es geht. Und trotzdem seid ihr beste Freundinnen und dazu wird man nicht einfach mal so. Sie wird dir vergeben“, meinte Finnja. Den Rest des Weges liefen wir schweigend nebeneinander her. Als wir an mein Haus kamen, umarmte sie mich noch einmal und lächelte freundlich.
„Kommst du nachher zum Training?“, fragte sie. Mit Training meinte sie Leichtathletik. Schon seit Drei Jahren machten wir alle zusammen Leichtathletik und am Wochenende stand ein wichtiger Wettkampf an.
„Klar“, murmelte ich und ging ins Haus.


Kapitel 02 - Trainingsgruppe



Ich trat aus der Umkleidekabine hinaus auf den Sportplatz, das Wetter war perfekt, die Sonne brannte vom Himmel und zum Glück hatte ich mich auch mit Sonnenschutz eingecremt. Mit einem schnellen Blick überflog ich die Gesichter meiner Sportsfreunde, suchte nach Sinas. Aber da waren nur Finnja, Lisa, Klara, Jeff, Lasse und Sascha.
Vorsichtig stupste ich Jeff an, der sich gerade mit seinen Kumpels über irgendeinen Starwars-Film unterhielt.
“Jeff, kommt Sina noch?”
Verwundert drehte er sich zu mir um, wieder einmal merkte ich, wie groß er war, so hoch gewachsen, dass er mir problemlos auf den Kopf hätte spucken können. Aber auch Lasse war so groß, nur Sascha war etwa fünf Zentimeter kleiner, was mich aber nicht größer machte, mit meinen 1,70Meter. Jeff zuckte belanglos die Schultern, “Schätze mal nicht. Die ist mit Simon im Freibad.”
“Was denkt die sich eigentlich, wir haben Samstag einen wichtigen Wettkampf!”, herrschte unser Trainer Thomas uns an, der unsere kleine Unterhaltung mitbekommen hatte.
“Das schaffen wir schon”, grinste Mia, die gerade über die Wiese zu uns gestoßen war, wie sie es eigentlich immer tat, ein breites, glückliches Grinsen, “Ich geb mir einfach mehr Mühe bei der Stabübergabe und dann klappt das auch mit der Staffel.”
“Gut, dann machen die Mädchen jetzt erstmal Hochsprung und Weitsprung, und ihr Jungs holt den Kugelwagen, es steht Kugelstoßen und Speerwurf an. Und die letzte halbe Stunde trainieren wir nachher dann für die Staffel.”
Während ich mit Finnja die Hochsprunganlage aufbaute, bemerkte ich, wie sie immer wieder Blicke zu der Kugelstoßanlage warf.
“Was ist denn heute los mit dir?”, ihr kurzes Haar glänzte fast silbern in der Sonne, als sie langsam wieder den Blick von den Jungs abwandte und mich ansah.
“Lasse hat vorhin was Komisches gesagt”, flüsterte sie, als wäre es ein großes Geheimnis, “Helena, Lasse ist in dich verliebt.”
“Hä?”, ich ließ die Hochsprungstange, die wir gerade hatten auf eine Höhe von 1,15Meter legen wollen, so plötzlich los, dass sie mir auf den linken Fuß fiel. Vor Schreck musste ich kurz aufschreien, auch wenn es mehr ein Hysterie- als Schmerzensschrei war.
Finnja hob die Stange auf und sah mich prüfend an, “Das tat doch nicht wirklich weh, oder?”
“Alles in Ordnung?”, ruckartig drehte ich meinen Kopf in Richtung Kugelstoßplatz und wich verwundert einen Schritt zurück, weil Lasse bereits direkt vor mir stand und mich musterte, “Hast du dich verletzt?”
Während Finnja ein Lachen unterdrückte, starrte ich den Jungen an, dessen dunkelblaue Augen sich in einem besorgten Lächeln leicht verengten.
“Ist schon okay”, murmelte ich und wandte den Blick von seinen Augen ab, griff erneut nach der Hochsprungstange und legte sie zusammen mit Finnja auf die 1,15-Ebene, während Lasse wieder zurück lief. Dachte ich zumindest, in Wahrheit stand er immer noch hinter mir und als ich mich wieder umdrehte und zielstrebig zu meiner Anlaufmarke rennen wollte, lief ich direkt in ihn rein.
“Lasse!”, donnerte Thomas über den Platz, “Beschäftigt euch miteinander wann und wo ihr wollt, aber nicht wenn Training ist, ab zum Kugelstoßen!” Lasse strich sich eine seiner schwarzbraunen Haarsträhnen aus dem Gesicht und grinste mich schief an, dann ging er ohne ein weiteres Wort und dieses Mal ging er wirklich.

“Ich hab es dir gesagt”, beharrte Finnja, deren Intuition sie eigentlich nie täuschte, “Lasse will was von dir.”
“Schön”, murmelte ich missmutig, “Ich aber nicht von ihm. Ich hab wichtigere Probleme.”
Mia war gerade gesprungen und kam nun zurück zu uns geeilt, während Lisa anlief und zum Sprung ansetzte.
“Ihr redet immer noch über Lasse?”, mutmaßte Mia, nachdem sie einen Schluck aus ihrer Wasserflasche genommen hatte.
Finnja nickte, ich schüttelte den Kopf, “Ist jetzt auch egal, ich bin dran.”
Ich lief an, sprang ab, drehte mich, rollte mich ab und landete. Neben der großen dicken Matte, wartete Lisa auf mich.
“Guter Sprung”, ihre Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, “Helena, du kommst doch nach dem Wettkampf Samstag noch mit zu mir, oder?”
Ich seufzte, “Was soll ich denn da?”
“Das was, alle da machen. Was trinken, tanzen, Party machen eben.”
Zusammen gingen wir zurück zu den anderen, “Kommt Lasse auch?”
Sie nickte kurz, “Wenn ich ihm sage, dass du kommst, kommt er auch und dann kommt Sascha auch eher mit.”
“Aha, Sascha also, hm?”, ich grinste sie an, das war schon eine halbe Zustimmung zu kommen, “Okay, ich bin da, aber nur, wenn du mir Lasse vom Körper hältst.”
“Danke!”, Lisa schlang die Arme um mich und drückte mich fest, “Dafür leg ich nachher sogar noch ein gutes Wort für dich bei Sina ein!”
Ich erstarrte, “Ihr seid… verabredet?”
“Jeder noch einen Sprung!”, dröhnte Thomas über den Platz, “Dann macht ihr Weitsprung! Und ihr Jungs geht jetzt gleich schon mal zum Speerwurf über!”
In der Zeit, die ich Thomas zugehört hatte, hatte sich Lisa schon wieder von mir gelöst und war zu ihrem letzten Sprung angelaufen. Eine Antwort auf meine Frage würde ich also nicht mehr bekommen.
Nachdem wir alle auch unseren letzten Weitsprung erledigt hatten, beschlossen wir den Jungen noch eine Weile beim Speerwerfen zuzusehen. Also setzten wir uns ins von der Sonne gewärmte Gras und bewerteten jeden Wurf.
“Eins!”, kam es von Mia und Lisa gleichzeitig, als Lasse geworfen hatte und sich zu uns um drehte. Nicht zu fassen, was er dann tat, durch seine langen schwarzen Wimpern zwinkerte er mir doch tatsächlich zwei Mal ganz offensichtlich zu.
“Ouhh, was bedeutet das denn Helena?”, quikte Klara, die sich erfolgreich vor Hochsprung, aber nicht vor Weitsprung gedrückt hatte.
“Nichts”, meine Stimme klang fest, “Ihm ist bestimmt nur was ins Auge gekommen.”
Mia lachte und da ihr Lachen ein so lautes, bemerkenswert selbstbewusstes Lachen war, fielen die anderen Mädchen schnell mit ein.
“Ihr seid echt albern”, schnell stand ich auf und lief zu Thomas, der mit uns Mädchen schon mal eine Staffellauf-Vorübung durchführen wollte, während die Jungen noch Speerwurf machten.
Nach dem Staffellauf waren wir alle total fertig und wollten nur noch eine eiskalte Dusche.
“Hey, wie wär’s wenn wir noch ins Freibad gehen?”, Sascha sah in die Runde. Wir standen alle mit hochroten Gesichtern da und nickten schwach.
“Super Idee!”, Lisa grinste mich an.
Als wir in die Umkleide gingen, hielt ich sie kurz zurück, “Triffst du dich nicht mit Sina?”
Sie schüttelte den Kopf, “So gut sind wir nun auch nicht befreundet, ich finde, dass sie manchmal echt zickig ist, aber wir chatten manchmal in ICQ.”
Ich zog eine Augenbraue hoch, ich hielt davon nichts. Chats dienten doch nur dazu, seine wahre Identität zu leugnen, die wahren Konversationen durch gefakte Emotionen zu umgehen und im Grunde wurde man am Ende doch eh wieder angelogen und verarscht. Ich ließ Lisa stehen und ging mich fertig machen.

Eine Stunde später trafen wir uns alle im Freibad, niemand hatte seine Schwimmsachen zum Training mitgehabt, darum hatten wir uns für 19Uhr verabredet.
Sobald ich das Bad betreten hatte, hatte mein Blick wieder nach Sina gesucht, ich wollte das jetzt endlich klären.
“Sie ist grad bei den Toiletten gewesen”, zischte Mia mir zu und wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und lief Sina hinterher, die bereits wieder ins große Schwimmbecken stieg. Schnell stieg ich auch ins Wasser, genoss die Kühle und tauchte ihr hinterher, als ich sie eingeholt hatte, tippte ich ihr an die Schulter und sie drehte sich durch das Wasser verlangsamt um.
„Sina“, begann ich und sah ihr fest in die Augen. Sina starrte auf den Beckenboden
„Was ist?“, unsicher traf mich der Blick ihrer grünblauen Augen, bevor sie ihn wieder abwandte.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich war... so fies. Es tut mir wirklich leid. Ich hab’s nicht so gemeint“, sagte ich und öffnete meinen Pferdeschwanz, so dass ich das Haargummi um mein Handgelenkt stülpen konnte.
Sina sah mir nun direkt ins Gesicht, „Nicht? Du hast es nicht so gemeint?“
Ich schüttelte den Kopf, „Nein, ich hab das nur gesagt, weil ich so sauer war.“
Sie lächelte mich an und ich erkannte, was ich an Sina hatte. Sie war meine Beste Freundin für immer. Ich lächelte zurück und kurz darauf lagen wir uns in den Armen. „Natürlich hast du eine Chance bei Si...Theo“, murmelte ich ihr zu und als wir zum Beckenrand schwommen, grinste Sina mich wieder so wie früher an. „Ich möchte aber nur eine Chance bei Simon, nicht mehr bei Theo. Das war eine total bescheuerte Idee. Schließlich finde ich ja auch Simon toll und nicht Theo. Also wieder Simon, ja?“
“Okay. Wo ist der eigentlich, ich dachte, ihr seid zusammen hier?”
Während wir zu Sinas altem Liegeplatz liefen und ihre Sachen holten und zu unserem Platz brachten, erklärte sie mir, wo er war.
“Simon ist eben gegangen. Er hat sich gerade erst von seiner Freundin - Exfreundin - getrennt, und er wollte ein bisschen Zeit für sich haben.”
“Seine wievielte ist das denn nun?”
Sina biss sich auf die Unterlippe, “Er hat aufgehört zu zählen.”
Ich unterdrückte ein Lachen, aber als Sina dann plötzlich einen Lachanfall bekam, konnte ich mich auch nicht mehr zurückhalten.
“Ist das nicht bescheuert? Es gibt so viele normale Jungen und ich verliebe mich ausgerechnet in einen, der nicht mal die Nachnamen seiner letzten fünf Exfreundinnen behalten hat?”
Wir waren bei den anderen angekommen und Sina wurde freudig empfangen. Zusammen genossen wir die letzten Strahlen der Sonne und im Wasser brach schließlich eine Wasserschlacht - Mädchen gegen Jungen - aus, wobei natürlich wir Mädchen gewonnen. Und das lag nicht nur daran, dass wir zahlenmäßig überlegen waren, wir waren es auch geistig.
“Wehe einer oder eine von euch”, Lisas Blick huschte zu mir, “Kommt Samstag Abend nicht zu mir. Das wird so lustig, wenn ihr alle kommt! Aber erzählt bitte nicht rum, dass es Alkohol gibt, es ist eine Insider-Party, also will ich da keine unbekannten Gesichter”, sie umarmte jeden von uns und stieg auf ihr Fahrrad.
“Bis Morgen!”, rief ich ihr noch nach, bevor sie um die nächste Ecke verschwand und erfreut stellte ich fest, dass Sascha ihr einen Augenblick länger, als die anderen nachgesehen hatte - Das war doch ein gutes Zeichen!


Kapitel 03 - Flaschendrehen



„Kann ich das so anziehen?“, fragte Sina mich und drehte sich einmal um die eigene Achse. Wir standen in unserem Flur und ehe ich nach dem Klingeln den Fuß der Treppe erreicht hatte, war Sina schon ins Haus gekommen und hatte angefangen drauflos zu brabbeln. „Ich wusste nicht ob Simon lieber blau oder gelb mag, darum dachte ich probier ich es mit dem grünen Top von C&A, das wir letzte Woche gekauft haben – Und? Was meinst du?“
Ich strahlte Sina an, es war echt schön, dass wir uns wieder vertragen hatten, „Du siehst super aus – Simon wird umfallen.“
Sina grinste überglücklich, „Na, das wollen wir ja mal nicht hoffen, ich hab ja noch gar keine Ausrede, warum gerade ich dann mit im Krankenwagen sitzen soll.“ Wir kicherten, dann sah Sina mein Outfit an. „Hm“, machte sie, „Helena, du weißt schon, dass wir jetzt auf eine richtige Party gehen oder?“
Verständnislos blickte ich sie aus meinen blauen Augen an, „Was meinst du?“
„Äh, nimm’s mir nicht übel, aber das Kleid ist viel zu feierlich. Wir sind Jugendliche. Du bist Fünfzehn, da zieht man sich zu einer Party nicht so an wie zu einer Hochzeit.“ Verknirscht biss Sina sich auf die Unterlippe und dachte nach, während ich mit gerunzelter Stirn an meinem weißen Kleid mit Blumenmuster hinab sah. Schließlich hellte sich das Gesicht meiner besten Freundin auf, „Das kriegen wir hin. Helena“, posaunte sie aus und riss mich an meinem Handgelenk die Treppe hinauf, über den Flur, bis wir in meinem Zimmer vor dem Kleiderschrank standen.
„Zieh das Kleid schon mal aus“, rief sie, den Kopf in meinem Kleiderschrank versteckt, wo sie die Klamottenstapel nach was Angebrachterem durchwühlte, „Ich such dir was ultra Cooles raus... Wo ist denn das Top, das du bei H&M gekauft hast, das rote?“
Sobald Sina es gefunden hatte, schmiss sie es mir zu und suchte noch einen Jeansminirock raus. Als ich endlich alles anhatte, betrachtete sie lächelnd ihr Werk, „Super, nur noch ein bisschen Wimpertusche und Lipgloss“. Natürlich hatte Sina sich schon einmal bei sich Zuhause geschminkt und wollte jetzt nur noch überprüfen, nachbessern, überprüfen, überprüfen - was vollkommen unnötig war, sie sah hübsch aus.
Darum schüttelte ich den Kopf, „Lass mal, wir kommen noch zu spät.“ Ich wollte keine Wimperntusche auf meinen Wimpern. Seit ich mal bei meiner Mutter gesehen hatte, wie sie beim Tuschen der Wimpern kurz mit der Hand gezuckt und etwas von der schwarzen Schminke ins Auge bekommen hatte, benutzte ich Maskara nur bei wirklich wichtigen Anlässen.
„Ja, du hast recht, oh Gott, gleich treff’ ich Simon“, Sina gab sich wieder ihrer Schwärmerei hin und ich hoffe einfach nur, dass Lasse heute keinen Versuch mehr starten würde, mir näher zu kommen.

Lisas Haus war so riesig wie immer. Jedes Mal wenn ich da war, wunderte ich mich wieder, dass man sich so ein großes Haus leisten konnte. Und dabei war Lisas Familie nicht mal groß. Sie hatte keinen Bruder und auch keine Schwester, sie wohnte mit ihren Eltern ganz alleine in dieser Villa. Na ja, dachte ich mir, vielleicht würde Sascha ja später noch einziehen.
Bevor wir klingelten hielt Sina mich noch am Arm fest, „Helena!“, rief sie mit einem Unterton, der stark nach Hysterie klang, „Ist meine Schminke okay? Und mein Haar“, sie nahm eine Strähne und roch dran, „Riecht wie immer“ murmelte sie.
„Sina, alles ist super. Du siehst klasse aus und das sehen sicher alle anderen genauso.“
Während meiner letzten Worte legte sich eine Hand von hinten auf unsere Schultern – Sina zuckte nicht gleich zusammen, ganz im Gegensatz zu mir – und wir hörten, wie ein Junge, „Na ihr beiden“ sagte. Als wir uns umdrehten stand Sascha vor uns und grinste uns an, „Hab ich euch erschreckt? Sorry, ich wollte euch nur sagen, dass ihr gar nicht erst klingeln braucht. Wir sind alle im Garten“, er wandte sich zur Seite und jetzt erst bemerkte ich, dass Lisa daneben stand. Sascha zwinkerte ihr zu, „Lisa möchte keine Verwüstung im Haus.“
„Hallo ihr zwei“, begrüßte uns Lisa, flüsterte mir noch “Lasse ist noch gar nicht da, vielleicht kommt er ja gar nicht” zu und drehte sich schlagartig um, als ein Fahrradfahrer klingelte, „Hey Lasse“, rief Sascha und wir winkten.
Schließlich gingen wir alle zusammen in den Garten. Eine bombastische Musikanlage war aufgebaut, an der Leon noch herumbastelte. Er bemerkte gar nicht wie wir kamen und Lisa zeigte uns erst mal, wo wir was zutrinken finden konnten und wo die Gästetoilette sich befand.
„Wer fehlt denn noch so?“, fragte ich, als wir wieder aus dem Haus kamen. Sinas Blick huschte schnell hin und her über das ganze Gelände und suchte nach einem gewissen Jungen.
„Ich glaube jetzt wo ihr und Lasse da seid, fehlen nur noch Mia und Finnja.“ Uuuups, stimmte ja, an die beiden hatte ich noch gar nicht gedacht. Irgendwie war ich plötzlich doch ganz aufgeregt. Eigentlich war diese Party für mich keine große Sache, aber plötzlich fragte ich mich genauso wie Sina, ob ich wohl gut aussah. Und auch obwohl Sina es mir auf dem Weg hierher noch mal beteuert hatte – nach ihrem Simon-Monolog – zweifelte ich immer noch. Mit einem Mal ertönte Musik aus der riesigen Anlage und ein zufriedenes Grinsen trat auf Leons Gesicht. Lisa ging zu Sascha, der gerade an der Bar war und sich mit Lasse unterhielt.
„Hast du Simon schon irgendwo gesehen?“, fragte Sina, wobei sie mich aber nicht ansah, sondern immer noch suchend herumblickte.
„Nein“, sagte ich, aber ich hatte ja auch gar nicht auf Simon geachtet. Schließlich wollte ich ihn ja nicht mit meinem Outfit umhauen, „Aber da, guck mal, Mia und Finnja sind da.“ Sina sah kurz in die von mir angedeutete Richtung und machte „Hm“. Danach suchte ihr Blick weiter, kurz bevor Finnja und Mia bei uns waren, tickte Sina mich an, „Ich glaub ich hab ihn“ grinste sie, „Was meinst du, soll ich hingehen?“. Ich nickte, „Klar, frag ihn doch, wie er die letzte Mathearbeit fand oder so.“ Sina grinste mich an, sie sah so glücklich aus, sie kam ihrem Ziel heute Abend so nahe. Sie kam Simon so nahe. Ich freute mich wirklich für sie. Gerade als unsere anderen beiden Freundinnen ankamen, wandte Sina sich ab und ging schnellen Schrittes zielstrebig auf Simon, Klara und Jeff zu.
„Was hat die denn?“, fragte Mia und sah mich fragend an.
„Och, ich glaube, sie will noch mal wegen der Mathehausaufgabe nachfragen.“
„Und warum fragt sie dann nicht eine von uns?“, Finnja fragte vorsichtig, aber die Frage war trotzdem so direkt, dass ich mir kurz eine Erklärung einfallen lassen musste.
„Keine Ahnung, ihr kennt doch Sina. Wahrscheinlich glaubt sie nun wieder, dass die Gehirnhälfte, die für mathematische Zusammenhänge zuständig ist, bei Jungs besser funktioniert als bei Mädchen.“
„Ach“, machte Mia, „Sie fragt einen Jungen?“
„Ist doch egal“, meinte ich, „Woll’n wir mal zur Bar gucken?“
Meine beiden Freundinnen stimmten zu und kurz darauf stand der erste Cocktail vor uns und wir tauschten vielversprechende Blicke aus. Es war nur ein Cocktail, ein Cocktail für uns drei zusammen.
„Wer will zuerst?“, fragte Finnja, die in der Mitte von Mia und mir stand. Mia grinste, „Ich“, meinte sie und nahm einen Schluck aus dem pinken, leuchtenden Strohhalm vor ihr.
Ich ließ Finnja den Vortritt. Als ich an der Reihe war, zögerte ich erst. Das war Alkohol. Mein Vater hatte mich immer wieder vor Alkohol, Zigaretten und Drogen gewarnt und ich sah es als Vertrauensbruch an, aber auf der anderen Seite wollte ich es auch probieren. Mia und Finnja hatte es ja geschmeckt, warum sollte es mir nicht so gehen? Ich nahm erst nur einen kleinen Schluck, aber als ich den Geschmack auf der Zunge spürte, nahm ich noch einen Schluck, einen kräftigeren.
„Lecker“, ich lächelte Finnja an, die mir nickend zustimmte. Wir reichten das Glas solange herum und nahmen jede nur einen Schluck, bis es leer war und das ging ziemlich schnell. In der Schule hatten sie uns immer erzählt, wie gefährlich Alkohol war. Sie hatten gesagt, dass einem ganz schwindelig wurde und man sich wackelig auf den Beinen fühlte, wenn es zu spät war. Aber vorher wüsste man nicht, dass man schon zu viel getrunken hatte. Dass man schon zu viel „intus“ hatte. Aber ich fühlte mich noch super. Sogar noch besser als vorher.
„Ich nehm’ noch einen“, Mia bestellte sich den gleichen Cocktail noch einmal und auch Finnja und ich wollten mehr von diesem Zeug. Mit unseren Getränken gingen wir über den Rasen und stellten uns an einen der Stehtische.
„Habt ihr Sina noch mal gesehen?“, erkundigte ich mich.
„Helena, wir waren zusammen an der Bar, da hat sich keiner nach Sina umgedreht“, Mia lachte. Eigentlich lachte sie ja immer. Ich nippte an meinem Cocktail, bis mich irgendwer auf die provisorische Tanzfläche zog. Plötzlich spürte ich warme Arme um meine Hüften und ich legte automatisch meine Arme um den Hals meines stürmischen Tanzpartners. Bitte lieber Gott, mach, dass es nicht Lasse ist, nicht Lasse, sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel, ehe ich in sein Gesicht sah und Lasse erkannte. Lasse war nicht mal hässlich, ganz im Gegenteil, auch an der Schule war er sehr beliebt, Mädchen aus meiner Klasse schwärmten für ihn, ich war heilfroh, dass er nicht in unserer Klasse, sondern ein Jahrgang höher war.
„Lasse?“, fragend legte ich den Kopf schief. Ich wollte wissen, warum er gerade mich zum Tanzen gebracht hatte, wo wir uns doch nicht gerade nah standen, aber ich hatte nicht wirklich Ahnung, wie man so was so formulierte, dass es nicht abweisend oder unfreundlich klang. Es war vollkommen egal, dass wir etwas schneller als die anderen tanzten – das war die Hektik, die ganz plötzlich in mich gekrochen war. Ich wusste halt nicht wie ich reagieren sollte. Allerdings konnten wir gar nicht aus dem Takt kommen, schließlich war es eines dieser langsamen Schmusesongs, zu dem jedes Paar in seinem eigenen Rhythmus tanzte.
„Ja. Und wie heißt du?“, ein Lächeln spielte um seine Lippen und als ich sein Lächeln erwiderte, glitzerte etwas so Kleines und doch so Emotionales wie Hoffnung in seinen Augen.
„Helena, aber das weißt du doch“, antwortete ich und musste auf ein mal lachen. „
Was ist?“, Lasse sah mich irritiert an. Es dauerte nicht lange, bis ich mich wieder im Griff hatte, „Es ist nur“, begann ich, „Das ist alles so ... hm, ich weiß nicht ganz, so neu für mich-”
“FLASCHENDREHEN!”, die Musik war verstummt und Lisa hatte sich ein Megaphon gegriffen und brüllte es immer wieder, “Flaschendrehen, Flaschendrehen…” “Flaschendrehen”, stimmte Lasse mit ein und zog mich mit zu den anderen, die sich schon in einen Kreis auf das Gras gesetzt hatten. Lisa legte das Megaphon beiseite und stieß mit einer leeren Colaflasche zu uns, in der anderen Hand hielt sie eine volle Glasflasche auf deren Vorderseite der Schriftzug “Saurer Fritz” geklebt war.
“So”, Lisa setzte sich glücklicherweise zwischen Lasse und mich und blickte mit einem provokanten Grinsen in die Runde, als sie die Flasche in die Mitte legte und drehte. Gebannt starrten wir alle zehn auf die Flasche. Ich ertappte mich dabei, wie ich die Luft anhielt, als sie bei Klara, die rechts von mir saß, stehen blieb. Klara beugte sich nach vorne und wollte die Flasche wieder drehen, um ihren Partner ausfindig zu machen, aber Lisa hielt ihre Hand fest, “Das erste Mal bei jedem ist Wunschrunde, du kannst dir aussuchen, wen du willst.”
Mir entfuhr ein stöhnen, was war das denn hier? Wenn Lasse sich mich aussuchte, musste ich ihn küssen! Und wenn die Flasche auf mich zeigte? Wen würde ich auswählen? Ich verdrängte den Gedanken, indem ich meine Konzentration wieder auf Klara lenkte, die sich Simon ausgesucht hatte. Während die beiden sich flüchtig auf den Mund küssten, beobachtete ich Sina, die mit ihrer ganzen Konzentration versuchte ihre Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten.
Lasse war meinem Blick gefolgt, und lachte kurz auf „Ja, am Anfang war ich auch ein bisschen durcheinander. Aber mit der Zeit gibt sich das. Das Partymachen, der Alkohol, das Flaschendrehen - Man gewöhnt sich dran.“ Ich nickte, obwohl mir die Gewissheit, die seine Worte zum Ausdruck brachte, nicht gefiel. Er ging bereits davon aus, dass ich beim nächsten Mal wieder dabei war. Lisa stieß ihm in die Seite, “Die Flasche zeigt auf dich.” Er blickte kurz runter und sah, wie knapp es gewesen wäre, eigentlich war die Flasche genau zwischen ihm und Jeff.
Ich wollte nicht, dass Lasse mich küsste. Nein, nein, nein. Also zeigte ich auf die Flasche, “Die zeigt doch gar nicht auf Lasse, die ist bei Jeff.”
Lisa verkniff sich ein Grinsen, aber von Mia und Finnja kam ein Glucksen, als Zeichen eines unterdrückten Lachens. Jeff sah verwirrt zu der Flasche, dann zu Lasse, der ihn anfunkelte und mit seinem Blick meine Worte Lügen strafte, dann sah er zu mir, traf meinen hoffnungsvollen Blick, “Eindeutig, ich bin dran”, sagte er dann und kam zu meinem Bestürzen genau auf mich zu, “Helena?”
Nein. Nein. Nein. Nein,nein,nein. NEIN! Mir musste doch irgendwas einfallen. Ich wusste, dass küssen einfach dazu gehörte, aber ich wollte meinen ersten Kuss von dem Jungen haben, mit dem ich später auch zusammen sein würde, den ich lieben würde. Und das war weder Lasse noch Jeff. Ich musste vom Thema ablenken, wie konnte ich das schaffen? Denk nach!”, Jeff war schon im Begriff seine Lippen auf meine zu legen, als ich schnell einen Schritt zurückwich.
“Moment mal, was machen wir denn, wenn Sina und Jeff ausgewählt werden - die beiden sind Geschwister!”
Skeptische Blicke musterten mich und Jeff sah mich mit gerunzelter Stirn an, “Ach dann darf derjenige, der dran ist sich einen Ersatz aussuchen.”
Ich nickte, “In Ordnung.” Und weil Jeff mich so abwartend anblickte, machte ich schnell wieder einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn ganz kurz auf die rechte Wange, dann setzte ich mich wieder.
“Helena?”, fragte Klara, “Kennst du das Spiel nicht?”
“Doch, aber ich bin keine Schlampe”, war das erste, was mir in den Sinn kam. Klara schnaubte und ignorierte mich einfach und Lisa warf mir einen bedeutsamen Blick zu, die Botschaft war deutlich Mach bitte einfach mit, Helena.
Jeff drehte die Flasche und sie stoppte bei Sina, aber sie wählte nicht wie vermutet Simon, sondern Leon - aus unserer Klasse! Als die beiden sich küssten, versuchte ich einen Blick auf Simons Gesicht zu erhaschen, aber Lasse sprach mich schon wieder an und lenkte meine Aufmerksamkeit von Simon zu ihm um.
„Hat dir eigentlich schon mal jemand gesagt, dass du wunderschön aussiehst?“, sein Lächeln verschmolz mit seinem Blick und alles wirkte so zuckersüß auf mich.
„Ähm, nein.“ Ein bisschen zu süß für mich. Er meinte es ja nicht so... – Moment mal, natürlich meinte er es so, so und nicht anders, sonst würde er es ja nicht sagen. Aber Jungs sagten doch nicht immer genau das, was sie dachten oder – dachten sie nicht immer das genaue Gegenteil oder so? Hieß das, dass er mich nicht schön – oder wunderschön, was auch immer – sondern total hässlich fand? Ich schüttelte meinen Kopf, ich musste diese Gedanken loswerden, aber vor meinem Gesicht war immer noch Lasse. Er grinste und wurde ein bisschen rot, „Ich finde, dass du wunderschön bist“, wiederholte er sein Kompliment noch mal.
Mein Hals war trocken und meine Stimme rau, “Danke.”
Wie hätte es anders kommen können, stoppte die Flasche als nächstes bei Lasse, der mich nur so angrinste, als wüsste ich es bereits, und das tat ich ja auch. Ich lächelte ihm gezwungen zu, versucht froh darüber zu sein, dass er mich nun küssen würde.
“Lisa?”, fragte er, rutschte ein Stück näher an sie heran und irritiert huschte mein Blick zu Lisa, die unerwartet die Augenbrauen hochzog.
Nachdem die beiden sich geküsst hatten, riss ich meinen Blick von Lasse, der mich die ganze Zeit angestarrt hatte und stand langsam auf.
„Ich muss ... weg... auf Klo“, ich bemühte mich nett zu lächeln, obwohl in mir die Zerstreuung herrschte – es war ein einziges Durcheinander –, drehte mich von den anderen weg und flitzte auf das Gäste-WC, wo ich mich einschloss. Auf ein mal kam alles über mich und ohne den Grund wirklich beim Namen nennen zu können, begann ich zu heulen.


Kapitel 04 - Küss mich, Party



„Helena? Bist du hier drin?“, ich hörte, wie Sinas Faust gegen die Tür hämmerte. „Ja“, schniefte ich und wischte mir dürftig die Tränenspuren von den Wangen. Es brachte nicht wirklich was, was mir mein jämmerliches Spiegelbild natürlich vor Augen hielt. Trotzdem öffnete ich die Tür, so dass Sina reinkommen konnte.
„Was hast du?“, fragte sie sofort, ehe sie die Tür wieder hinter sich verschloss.
„Es war alles so seltsam“, ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich fass’ es nicht, du hättest deinen ersten Kuss beinahe mit meinem Bruder gehabt! Zum Glück bist du da sauber rausgekommen. Bäh, Jeff küssen, da hast du wahrscheinlich echt Glück, wenn du gleich die Wahl hast und Lasse küssen kannst.”
„Was?”, perplex sah ich sie an, “Ich küsse Lasse nicht freiwillig.”
Sina kicherte, „Daran musst du dich wohl gewöhnen. Außerdem zählen Partyküsse ja nicht direkt als richtige Küsse. Aber die Cocktails sind der Wahnsinn, oder?“
„Sicher“, ich überlegte kurz, und mir fiel ein, um was es heute Abend eigentlich für Sina ging, „Wie läuft die Sache mit Simon?“
Aufgeregt und vom Themenwechsel ganz quirlig setzte Sina bei ihrer Antwort ihre Hände als Begleitung zu ihren Worten ein, wahrscheinlich merkte sie es noch nicht mal, dass sie bei diesem Thema gleich ganz anders dastand.
„Nachdem du weg warst, hat die Flasche auf Simon gezeigt und er hat mich ausgewählt! Ich hab ihn geküsst!”
„Er hat schon drei Flaschen Bier und fast acht von diesen Schnäpsen getrunken”, bemerkte Sina, “Aber er schmeckt trotzdem zu gut!”
Ich versuchte entgeistert oder zumindest überrascht auszusehen und mir nicht anmerken zu lassen, dass ich mir keine Vorstellung machen konnte – Hätte er drei Flaschen Wasser und ein paar kleine Schlucken O-Saft getrunken, wäre er klar wie eh und je gewesen, wie konnte dieser Alkohol einen eigentlich so beeinflussen? Ich wischte meine Gedanken beiseite und fragte stattdessen etwas weniger wichtiges, „Du hast gesagt FAST acht Schnäpse, was meinst du damit?“. Ich witterte eine interessante Geschichte dahinter, die Sina sicher noch loswerden wollte.
„Na ja, den einen hat Klara angefangen, aber sie mochte es nicht und dann hat er ihn halt getrunken. Du weißt gar nicht wie wütend ich innerlich auf dieses Mädchen war – Dabei kann sie ja gar nichts dafür. Aber wäre ich an ihrer Stelle gewesen, es wäre der perfekte Einstieg gewesen. Komm Helena, komm mit zurück zu den anderen, wir spielen Flaschendrehen zu Ende, dann hat Lisa noch was anderes vorbereitet und danach gehen wir schon“, sie seufzte.
„Sina?“, begann ich, „Lasse hat gesagt...“
Ihr ungeduldiger Blick verlieh ihren Worten besonderen Nachdruck: „Was? Sag doch schon, WAS hat Lasse gesagt?“
Es nützte ja doch nicht, ich wollte es ja auch loswerden, aber es fühlte sich so komisch an, über so was zu reden. Ich hatte nie irgendwas mit Jungen gehabt, ich war immer mit ihnen zurechtgekommen, aber es war nie so intim gewesen und niemand hatte diese Worte gesagt...
„Er meinte, ich bin wunderschön und, ob mir das schon wer gesagt hat. Sina, und dann hat er mich so merkwürdig angelächelt und sein Blick war so verträumt.“
Sinas Augen wurden groß, „Echt?“. Ich nickte und Sina musste grinsen, „Süß von ihm, dann hat er es auch nicht verdient, ihn so lange warten zu lassen“, sie wollte meinen Arm schon greifen und mich vom Klodeckel ziehen, doch ich schubste sie weg.
„Ich will da nicht hin, ich... hab irgendwie Schiss“, für einen kurzen Moment presste ich meine Lippen zusammen, „Was, wenn er mich küssen will?“
„Dann küsst du ihn auch, ist doch klar. So macht man das doch.“
Ich schüttelte den Kopf, „Okay ich komm’ da mit hoch, aber ich will eigentlich nicht diejenige sein, die Lasse später erklärt, dass ich seine Gefühle nicht erwidere.”
„Und wer dann?”, fragte Sina, während ich schon den Flur entlang ging.
„Du natürlich.”

Erst jetzt, als wir aus dem Haus in den Garten traten, bemerkte ich, wie dunkel es schon war. Wir waren sicher schon drei Stunden hier, es musste also mindestens schon elf Uhr spät sein. Ich hatte meinen Eltern versprochen um Mitternacht zu Hause zu sein und ich wollte sie auch nicht enttäuschen, nicht bei meiner ersten richtigen Party, die über alle zukünftigen entschied.
„Wie spät ist es?“, fragte ich Lisa, als ich mich wieder neben sie setzte.
„Hm“, sie zuckte mit den Schultern „Ist doch egal, schließlich übernachtest du doch auch hier, oder?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay, aber du bist jetzt eh dran.“
Ich sah in die Runde, begegnete dem Blick von Lasse, hoffnungsvoll, dem Blick von Jeff, der es anscheinend auch nicht ausschloss, dass ich ihn noch küssen würde, Simon, der mich skeptisch musterte. Sascha sah die ganze Zeit zu Lisa und Leon wich meinem Blick aus, was wahrscheinlich dann auch der Grund war, warum ich schließlich ihm meinen ersten Kuss schenkte. Und es war nicht Besonderes. Vielleicht auch, weil man sich solche Gesten eigentlich für die Person, die man wirklich liebt, aufhebt und nur mit ihr teilt. Aber davon wollte hier ja eh keiner was wissen.
Und wie es kommen musste, war das nicht der einzige Kuss, den ich heute Abend - eher Nacht - vergeben musste. Als nächstes begann das richtige Spiel, bei dem man nicht mehr eine Wahl hatte, wen man küsste. So musste ich als erstes Klara küssen, was ich wirklich bereute, sie war Raucherin und schmeckte einfach nur ekelhaft. Dann musste ich Jeff küssen, was er aber irgendwie auch nicht wirklich zu genießen schien. Ich bemerkte, wie Lisa und Sascha sich aus dem Spiel ausklinkten und sich zurückzogen. Und zu meiner Erleichterung zog sich auch Lasse zurück, auch wenn ich überrascht war, dass Mia mit ihm rumknutschte - hatte die vielleicht zu viel intus!? Das war Lasse!
Also blieben noch Sina, Finnja, Jeff, Simon, Klara und Leon zurück. Als Sina endlich Simon küssen durfte, glühten ihre Wangen und während sie genießerisch die Augen schloss, beobachtete Simon ihre Reaktion, selbstzufrieden in welchen Zustand er sie versetzte. Danach war es vollkommen um Sina geschehen und sie versuchte ihn dazu zu überreden, auch alleine wohin zu gehen, aber Simon blieb bei der Truppe. Und schließlich gaben wir das Flaschendrehen auf, aber Simon und Jeff hatten schon eine neue Idee, was wir nun machen würden. Ein Trinkspiel.
„Bei Komasaufen mach ich nicht mit“, murmelte Leon, stand auf und verabschiedete sich.
„Idiot“, meinte Simon, als er den „Sauren Fritz“ nahm und in die Becher goss, die Jeff schon vor jedem platziert hatte, dann kramte er einen blauen Würfel mit weißen Augen aus seiner Hosentasche, „Bei 1 und 6 muss man trinken“, er reichte den Würfel an Sina, als sich ihre Finger kurz berührten, zuckte Sina wohlig zusammen. Simon reagierte gar nicht auf die Berührung und das war kein gutes Zeichen.
„Ich wette…“, hörte ich Jeff sagen, dann beugte er sich zu Simon und flüsterte so leise, dass ich es nicht verstehen konnte.
„Tz“, war die Reaktion von Simon, „Die Wette gilt. Das schaff ich locker.“
„Steig mal von deinem hohen Ross“, konterte Jeff.
Mittlerweile war der Würfel bei mir angekommen, eine 2. Glück gehabt. Jeff durfte als erster trinken. Und als ich dann musste, war ich wieder überrascht, warum es mir schmeckte.
Irgendwann merkte ich, dass hier meine Grenze lag. Ich musste nur noch lachen, egal, was die anderen sagten. Und noch später wurde es schwarz, ich schlief.

„Helena, Prinzessin wach auf“, ich öffnete meine schweren Lider und starrte in Simons Gesicht - was wollte der denn von mir?
Er beugte sich nach vorne und küsste mich.
„Hey“, ich schubste ihn von mir weg, aber er kam mir nur wieder noch näher und drückte sich auf mich, dann presste er seine Zunge in meinen Mund.
„Simon!“, er wurde endlich von mir weg gerissen und kassierte eine Backpfeife von Finnja! „Was fällt dir eigentlich ein. Nur weil du gut aussiehst und meinst du bist der totale Mädchenschwarm, heißt das nicht, dass du Helena so überfallen darfst.
„War nur ‘ne Wette, ihr Mädchen versteht das nicht“, er grinste spitzbübisch und ging davon. Ich rappelte mich auf, ich lag im Gras, in Lisas Garten, es war früher Morgen, vielleicht fünf Uhr.
„Scheiße!“, als ich aufsprang, verlor ich fast das Gleichgewicht.
„Nicht so schnell“, Finnja stütze mich, „Deine Mutter hat gester um halb zwölf angerufen, aber du warst beschäftigt mit… dem Trinkspiel. Darum bin ich dran gegangen - erinnerst du dich nicht?“
Ich schüttelte den Kopf, der plötzlich dröhnte und auch in meinem Magen schien etwas zu rebellieren.
„Ich hab ihr gesagt, dass du mit mir bei Sina übernachtest, weil du den Hausschlüssel vergessen hast und deine Eltern nicht wecken wolltest. Und ich hab ihr gesagt, dass du schon geschlafen hast. Es ist alles klar, wir gehen nach dem Frühstück, aber jetzt solltest du erstmal duschen gehen und dir von Lisa was frisches zum Anziehen leihen.“

Mein rotes Top hatte einen riesigen Fleck und stank, “Finnja”, jammerte ich, “Wer hat mich angekotzt?”
Sie lächelte matt, dann deutete sie mit dem Finger auf den Fleck, “Du selbst. Und es stinkt wirklich.”

Ich spürte, wie die Übelkeit in mir hoch kroch und ich hetzte zum Bad, wo ich mich würgend in die Toilette übergab. Mit so was hatte ich ja rechnen müssen, die Wirkungen des Alkohols, wenn man noch nie was getrunken hatte. Sobald ich unter der Dusche stand, versuchte ich mir die letzte Nacht in Erinnerung zu rufen. Nichts, wir hatten Flaschendrehen gespielt und ein Würfelspiel. Aber was noch so gewesen war, da hatte ich keinen blassen Schimmer.
“So ein Mist!”, fluchte ich und lehnte mich gegen die kühlen Kacheln der Dusche, bevor ich das Wasser abstellte und mich abtrocknete.


Kapitel 05 - Familienfrühstück



Während des Frühstücks - meine Eltern aßen, ich hatte ja schon bei Lisa gegessen - warf mir meine Mutter immer wieder neugierige Blicke zu, denen ich gekonnt auswich. Mein Vater las in der Samstagszeitung, wobei er nebenbei ab und zu einen Schluck Kaffee aus seiner Kaffeetasse nahm.
Schließlich machte meine Mutter doch den Mund auf, „Wie war’s denn gestern? Ist irgendwas Lustiges passiert?“
„War ganz nett bei Lisa. Was Lustiges fällt mir eigentlich nicht so direkt ein, aber die Musik war total super.“ Damit sollte sie sich zufrieden geben, beschloss ich und wollte gerade aufstehen, als meine Mutter seufzte.
„Bleib doch noch sitzen, wann sind wir denn mal alle beisammen beim Frühstück? Doch nur am Wochenende und heute Mittag bist du doch auch schon wieder bei Finnja.“ Mein Vater stimmte ihr nickend zu und steckte den Kopf wieder in die Zeitung, „Gibt’s das?“, fragte er, „Da wollen sie schon wieder Leute entlassen, tzz. Helena, hast du dir schon Gedanken gemacht, was du später mal machen willst? Doch bitte einen anständigen Job, mit einem anständigem Gehalt und anständigen Kolle-“
“Ja”, unterbrach ich ihn, “Ich möchte frei arbeiten, als Autorin, Fotografin und vor allem als Schauspielerin.”
Meine Mutter lächelte mir aufmunternd zu, aber der finstere Blick meines Vaters, traf mich unvorbereitet, “So einen Blödsinn hab ich ja noch nie gehört”, er zitierte mich mit höhnischer Stimme, “Autorin, Fotografin, Schauspielerin.”
“Ich bin nicht gut genug in Englisch um die geniale Sekretärin zu werden, als die du dir mich wünschst.”
“Ja, das ist wirklich ein Problem, aber ich habe da bereits eine Lösung für gefunden.” Meine Mutter zwinkerte meinem Vater und mir zu, dann flüsterte sie ihm etwas wie Erzähl ich dir später ins Ohr.
“Ich geh dann mal”, murmelte ich, heute war das beste Wetter, um ins Freibad zu gehen, ich würde Finnja sicher ohne Probleme dazu überreden können.
„Stop”, Mama musterte mein Gesicht, “Hat Lisa eigentlich auch Jungen eingeladen – aus der Nachbarschaft vielleicht?“
Ach da lief der Hase lang. Machte sie sich nun Sorgen, oder wollte sie, dass ich schnellstmöglich meinen ersten Freund hatte? Über Jungs hatten wir doch nie geredet, warum so plötzlich? Ich stützte meine Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände, „Ja, es waren welche aus unserer Klasse da“, Leon und Simon, “und ein paar aus der Leichtathletikgruppe.”
„Und…“, die Augen meiner Mutter begann aufgeregt zu funkeln, „Hast du mit einem getanzt? Vielleicht mit Jeff?“ Oh nein, wie peinlich; als nächstes fragte sie sicher auch noch, ob ich einen geküsst hätte. Dummer Gedanke, schallte ich mich, dummer, dummer Gedanke. Jeff hatte ich geküsst. Auf die Wange. Und Lasse. Und irgendwie wohl auch Simon. Aber das zählte ja alles nicht… zumindest nicht so richtig. Sina hatte mal gesagt, dass ein Kuss erst ein richtiger Kuss war, wenn die Lippen aufeinander lagen und angeekelt hatte sie hinzugefügt, dass es sogar ein Zungenkuss sein musste, wenn es ein richtiger Kuss sein sollte. Wir hatten nie viel darüber geredet, erst seit ein, zwei Monaten. Zuerst hatte Sina sich in Marcus verguckt und wollte so viel wie möglich über die Liebe erfahren, dann hatte sie Marcus mit Katarina an einer Hauswand knutschen sehen und kurz darauf verliebte sie sich in Simon. Meine Mutter sah mich immer noch fragend an. Ihr neugieriger Blick bohrte sich in mich.
„Ähm, na ja, eigentlich haben wir nicht getanzt“, ich spürte wie ich rot wurde. Es lag wahrscheinlich einfach daran, dass meine Mutter, deren schulterlanges Haar noch eine Nuance dunkler war als mein kastanienbraun, ein ganz anderes Bild von den Partys in diesem Zeitalter hatte.
„Aha“, sie legte den Kopf schief, stellte den Ellenbogen auf die Tischplatte und stützte mit ihrer Hand das Kinn, „Also habt ihr Flaschendrehen gespielt.“ Eine Feststellung. Woher zum Teufel konnte sie das wissen?
„Ja“, brachte ich kurz heraus, und spürte, wie mein Gesicht glühte. Vor Lachen verschluckte sich mein Vater an seinem Kaffee und musste husten. Meine Mutter sprang von ihrem Platz auf und klopfte ihm den Rücken, "Geht's?".
Das war so typisch, noch während mein Vater hustete, musste natürlich wieder dieser Satz kommen. Das war halt meine Mutter, auch wenn sie merkte, dass es noch nicht wieder normal ging, fragte sie schon danach. Ich stand auf und verkniff mir ein Grinsen, ich war so dankbar für die Ablenkung. "Ich pack' meine Schwimmsachen und geh dann schon mal zu Finnja."
"Ja, ja, mach das", murmelte meine Mutter und ihre Stirn legte sich in Falten, "Dann erzählst du uns wohl nicht mehr, wer dich geküsst hat?”
Lachend verließ ich die Küche, meiner Meinung nach war kein einziger Kuss ein “echter” gewesen, es war eher so eine Art Übung.
“Ach Helena?”, rief mein Vater gerade bevor ich mit meiner Sporttasche das Haus verlassen wollte, “Komm doch noch mal kurz in die Küche.”
Als ich vor meinen Eltern stand, grinste meine Mutter mich an - was schon ein unheilvolles Zeichen war, denn sie hatte immer die Absicht, mir in etwas zu helfen, wobei sie mich immer noch tiefer in etwas reinritt, was ich gar nicht wollte - und mein Vater legte die nun zusammengefaltete Zeitung beiseite, ehe er mich vor beschlossene Tatsachen stellte.
“Ich möchte nicht?”, startete ich den letzten Versuch, “Ich schaff das auch alleine, ich lerne einfach ganz viel.”
Er schüttelte den Kopf und meine Mutter gluckste, “Helena, Spatz, es ist einfach die beste Lösung.”
“Die beste Lösung für WAS?”, ich zog eine Augenbraue hoch, “Dafür, dass ich möglichst schnell einen Freund bekomme?”
Mein Vater zuckte die Schulter, ein Lachen schüttelte ihn, “Nimm es auf wie du willst, wenn du dadurch besser mit ihm arbeiten kannst, dann wäre das kein schlechter Plan.”
“Papa, ich bin keine Schlampe.”
Schweigen. Das Grinsen wich aus den Gesichtern meiner Eltern und reflexartig griff Papa wieder nach der Zeitung und faltete sich vor seinem Gesicht auseinander, als wollte er sich vor mir verstecken.
“Natürlich bist du das nicht”, zwitscherte meine Mutter schließlich, nachdem ich sie Minutenlang mit giftigen Blicken bombardiert hatte, “Aber trotzdem wird Morgen schon Jeff kommen und dir Nachhilfe geben. Basta.”
Sie erhob sich, beugte sich zu mir und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Wange, “Viel Spaß!”


Keine Sorge, es geht noch weiter, kann allerdings dauern, bis ich die nächsten paar Kapitel habe, wer ungeduldig ist, kann sie allerdings auch Häppchenweise auf www.myfanfiction.de lesen; da heißt die Story auch Love is Hard

und ich von anna-abvffl (Mit Bindestrich!) ;) Wäre mir eine Ehere. Liebste Grüße, Anna


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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 09.08.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich an Franzi (Kiko), die meinen Schreibstil mit ihren Texten verbessert hat, und der ich für die vielen, netten "Gespräche" danken möchte.

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