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Das letzte Geheimnis

Joachim Fuchsberger äußerte irgendwann, er glaube nicht an einen lieben Gott. Ich weiß nicht, ob ich anders denken würde, wenn ich einst den 2.Weltkrieg hätte mitmachen müssen.

Meine Eltern lebten schon, da gab es den 2.Krieg noch nicht, erlebten ihn und die Zeit danach. Sie haben bereits vor einiger Zeit das letzte Geheimnis für sich lüften können: sie starben, wie ich meine, lange vor ihrer Zeit!

Aber wie lange möchte man denn so leben?

Für ein Kind ist es natürlich zu wenig Zeit, wenn es nur ca.20 Tage leben durfte, für einen alten Menschen kann jeder Tag mit Krankheit zur Qual werden, und da gibt es nicht nur die körperlichen Leiden!

2009 fiel mir etwas auf, was ich so merkwürdig fand, dass ich Extrazeilen darüber dichtete, wie auch die Zeilen über den sitzenden oder verzweifelten Engel speziell gewidmet wurden..

Einem Mann, dessen Mutter genau (!) ein Jahr vor meiner Mutter starb, einen Tag danach..

Ich kenne ihn nicht persönlich, hätte möglicherweise etwas Angst, wenn ich ihm begegnete?

Der Star, der es mal ablehnte, als Star betitelt zu werden, zeichnete vor der Karriere als Schauspieler und wenn mich etwas sehr stark berührte, so war das einst seine eigene Zeichnung von einem sitzenden Engel. Bestimmte Gesichter interessieren mich nun einmal und je länger man dann hinsieht, um so mehr meint man:"Ja, genau, ich kann mir genau vorstellen, was in dir vorgeht.."

Wirklich?

Was hat es nun mit der Angst zu tun, die verschiedene Menschen im Leben so oft verspüren. Man weiß zu selten, wo sie auf einmal hergekommen ist, hofft, dass sie schnell wieder geht.

Ja, man kann gegen Gefühle von Angst und Panik sogar anschreiben, habe das früher sehr oft tagebuchweise getan.

Meine Angst hat nichts mit Gevatter Tod zu tun, den ich als Märchengestalt in einem Film kennenlernte. Da sitzt ein alter, behäbiger Mann (Dieter Franke spielte ihn sehr gekonnt!) auf einem Esel oder Pferd und normalerweise hat man ja Angst vor dem Tod. Hätte man nicht, wenn der wie ein gemütlicher Mann daherkäme, der sich kurz vor dem Lebensende so vorstellte:

"Übrigens, ich bin der Tod und nehme dich jetzt mit, denn deine Uhr ist abgelaufen..." (?)

( das Fragezeichen natürlich, denn jeder stirbt für sich allein, jeder geht mit Verlust und den Fragen zum Tod anders um. Muss man Angst haben vor der letzten Stunde? Muss nicht, aber sie könnte sich einstellen..)

Dieses Bild gefiel mir schon immer besser als das vom Tod als klapperndes Skelett, was zu deutlich zeigt, was irgendwann vom Menschen übrig bleibt und irgendwann verrotten auch Knochen, darf man nicht vergessen.

Aber der Mensch ist ja darin schlau, wusste, wie man die äußere Hülle so konservieren kann, dass (wie es eben die alten Ägypter taten!) noch nach Jahrhunderten da eine Mumie betrachtet werden kann.

Jeder schüttelt seine spezielle Angst auf seine Art ab, wenn er denn Angst verspürt vor dem Unvermeidlichen. Der Tod als der große Gleichmacher?! 

Natürlich, das auch, er macht keine Unterschiede zwischen Reich und Arm, nur die Zeit bis zum letzten Atemzug wird evtl.hinaus gezögert, je nachdem, ob man sich Medikamente leisten kann oder nicht, ob man einer OP zustimmt oder nicht.(ein großer englischer Komiker lehnte es ab, seine Beine amputieren zu lassen, starb deshalb..)

Einmal die Woche gehe ich mit einer sehr netten älteren Dame zum Friedhof, ans Grab ihres Mannes. Oder fast jede Woche, immer muss auch das nicht sein, man möchte ja LEBEN und den Toten kann man still bei sich gedenken in Gedanken eben.

Ich habe keine Berührungsängste, wenn in einiger Entfernung eine Trauergemeinschaft von einer Bestattung nach Hause geht, aber jeden Tag könnte ich es sicher nicht: anderen Menschen beruflich Trost zu spenden, meine ich.

Violette Farbe der Urne, Bild meines Vatis daneben, die traurige Musik und meine lang zurückgehaltenen Tränen kamen natürlich.

Wut? Trauer,Fassungslosigkeit? Möglicherweise alles zusammen. Natürlich wünscht man sich einen geliebten Menschen uralt. Bis heute weiß ich nicht genau, woran Vater starb und inzwischen möchte ich auch das nicht mehr wissen.

Bei meiner Mutter wusste ich das leider ganz genau, ihre Seele machte sich vorher schon bereit, wartete ab 1994 auf Vati, so stelle ich mir das vor, denn was wäre ein Mensch ohne Seele?!

Ich lenke mich manchmal ab von den eigenen traurigen Gedanken, der Erinnerung, wenn ich ca. 2 Minuten einen Clip ansehe, anhöre, versuche, etwas zu verstehen..

Nein, falsch, ich muss doch gar nicht versuchen zu verstehen, man versteht es auch so und übersetzen möchte ich all die Worte auch nicht, die ein damals noch relativ junger Schauspieler sagte, als er irgendwas zum Tod seiner Mutter gefragt wurde.

Pietätlos? So kam es für mich rüber.

Der eigene Kummer wird etwas weniger, (aber nicht viel!) wenn man sieht , wie die Reaktion auf die Fragen des Moderators war: das ganze Gesicht, die Mimik verlegen, ratlos, erschüttert, ja, vielleicht sogar den Tränen nahe?! (aber die Übersetzung falsch, er weinte nicht..)

Ein anderer Clip war noch da, 3, nein 4 Personen an einem Tisch, Buch dazu, welches umworben wurde, irgendwann verschwand auch dieses bewegende Filmchen, sicher doch zu privat gewesen?

Bekannte und gar berühmte Menschen, nein, die möchten nicht fast privat so leidend gezeigt werden? Herr Fuchsberger ("Blacky") war anders, er überlebte ja den Tod seines Kindes und mag sich gewünscht haben, an seiner Stelle  gestorben zu sein.

Stars sind auch nur Menschen, natürlich. Auch wenn wir viele in den imaginären Himmel heben. Wer sagt denn, oder wer kann denn mit Gewissheit behaupten, dass uns dort tatsächlich die Seelen anderer Verwandter erwarten? Wenn es nach bestimmten Wissenschaftlern zu gehen hat, dann ist der Sauerstoffmangel Ursache für Trugbilder, aber wenn auch das nicht stimmt, was dann? 

Ist Unbefangenheit möglich?

Eigentlich kaum. Ich befand mich vor Jahren in einer Zeit der beruflichen Neuorientierung und zum Kurs gehörte: frei reden ausprobieren, Zensuren gab es dafür keine.

Während ich Probleme hatte, etwas an Tafeln zu schreiben - seltsamerweise gerieten meine Buchstaben riesig -, aber kaum Schlimmes dabei fand, nach vorn zu kommen, etwas zu erzählen (ich erzählte ja auch meinem Sohn gern Geschichten und das war so ähnlich), weinte eine noch junge Frau vor Angst, sie könne sich blamieren. Ich dachte nur:"Das ist ein echt menschliches Gefühl, kaum einer würde über ihre Panikattacke lachen, sind alles erwachsene Leute hier."

Sie war toll in Mathe, was ich hasste, sie kam in dem Kurs später so weit, dass sie die Prüfung auch bestand, ich hatte da schon andere Problemchen..

Was ich frei reden wollte?

"Über den Tod im Allgemeinen und im Besonderen"

Kein schönes Thema, ich weiß und prophozieren wollte ich damit auch nicht, Stichwort: in Deutschland ehrt man die Toten an einem bestimmten Tag, ist dann der Totensonntag, Rest des Jahres..?

Andere Länder, andere Sitten. Es mag seltsam anmuten (muss mal googeln, in welchem Land diese Sitte Brauch ist..), wenn man wo sogar Süßigkeiten anbietet, in Gestalt kleiner Totenköpfe, an den Grabstätten wird gefeiert, gegessen, der Toten gedacht, mir schien: dort sind die Lebenden echt noch mit den Toten verbunden..Aber auf dem Friedhof wohnen möchte ich auch nicht, leider existieren auf der Welt auch diese Zustände.

Heute?

Aus keinem besonderen Anlaß ging ich das zweite Mal über den riesigen Friedhof, suchte aber doch irgendwie ein Grab, das von einer Tante meines Kindes, eine sehr liebe Tante, die mir einst noch anbot, ich könne sie ja mal anrufen, sie starb leider zu früh. Und ehrlich: getraut hatte ich es mir damals auch nicht, zu viele angeblich gute Tanten schwatzten dann dummes Zeug über mich daher.Nun, ich bin eben ANDERS, das müssen Schreibende wohl auch sein, sie leben ja gern in ihrer eigenen Welt, wenn die reale Welt oft nur schwer zu ertragen ist?!

Ich fand ihr Grab noch nicht, jedenfalls nicht auf jenem Friedhof, in meiner jetzigen Wohnstadt (so echt mein zu Hause wird es nie werden!) soll es noch 2 oder 3 weitere Friedhöfe geben, habe ich überhaupt ein Recht, nach ihrem Grab zu fragen?

Ich beschaute mir sehr schöne gepflegte Gräber und auch solche, wo ein Zettel die Angehörigen bittet, sie mögen sich doch bitte bei der Verwaltung melden. Wofür? Ganz klar zu sehen:

Grabstein kaum noch mit leserlichen Buchstaben versehen und keine Blumen auf der Erde, nur Unkraut. Am liebsten hätte ich da all das Unkraut entfernt, denn: zu Lebzeiten fühlte man sich denen verbunden und dann?

Es gibt sogar Clubs in Deutschland, die sich um Gräber und sogar Mausoleen kümmern, kein Wunder, dass das meistens ältere Damen und Herren sind, die Mitleid mit verwahrlosten Stätten unbekannter Toten empfinden.

Aber zurück zu meinem Vortrag.

Vorsichtshalber fragte ich, ob das Thema ein Problem darstellen würde. Ja, würde es, sagte jemand. In jenem Familienkreise hätte man vor Kurzem jemanden zur letzten Ruhe gebettet.(wenn man weiß, das die letzte Ruhe höchstens 15 oder 20 Jahre dauert? Seltsames Wort:letzte Ruhe, denn irgendwann verschwindet die Urne, der Sarg zerfällt und und und...)

Natürlich konnte ich nicht grob sagen:"Das passiert doch früher oder später in jeder Familie.."

Warum nicht? Weil es herzlos und pietätlos geklungen hätte, denn niemand möchte seinen eigenen Schmerz noch deutlicher spüren, wenn er über Tod auch noch eine Rede hört.

Und also änderte ich mein Thema leicht ab, dabei hatte ich mir das mit dem Tod schon gut zurecht gelegt.

(" Rendezvous im Jenseits" Komödie, fabuliert herrlich darüber, wie es nach dem körperlichen Tode weitergehen könnte, also versuchte ich, den Inhalt des Films nicht wortwörtlich wiederzugeben, aber so als Hinweis, wie man das mit dem Sterben noch sehen könnte..)

Man mag mich Grufti nennen, das bin ich echt nicht, aber der Tod und das Danach ist ja das, was jeder allein durchmachen muss.

2004 steckte in meinem Türspalt zur Wohnungstür eine Karte, nachträglich zu Weihnachten? Denn rechts oben stand im Feld: frohes Fest oder so. Im Text kam aber nichts Schönes drin vor. Meine Schwester bat (und sie bat mich sehr selten um etwas, denn so nahe standen wir uns nie, leider..), ich möge mich schnellstens melden, unser Vati sei gestorben...

10 Jahre ist das schon her und natürlich fehlt mir mein Vater, meine Mutter gleichfalls. Im Herzen, in der Erinnerung und sogar im Internet haben sie ihren Platz gefunden: per Erinnerung und per virtuelles Grab, so mit Grabstein, denn mein Vater hatte darauf bestanden, dass es eben keinen echten Grabstein zu geben hat, um "uns nicht zur Last zu fallen".

Kann da so etwas wie Neid aufkommen, wenn man sogar weiß umrandete Grabflächen sieht, wo jemandem gedacht wird, der sehr jung gestorben ist, wo Zeilen verkünden:"wir werden dich nie vergessen.."? Ja, durchaus möglich. Ich bin fast soweit, dass ich das einfach nur schön finden kann. Auch wenn ich mit den Bestattungsgewohnheiten in Deutschland absolut nicht einverstanden bin, denn die Urne? Warum soll schon nach 15 oder 20 Jahren die Asche respektlos wohin geschüttet werden?! Hat sich was mit "letzter" Ruhe. Unruhig und wütend im Herzen kann man da schon werden. Kein Wunder,wenn sich traurige Angehörige entschließen, andere Wege zu gehen, um eben den oder die Liebe noch näher bei sich zu haben, sogar in einem schönen Gefäß in der eigenen Wohnung. Ich finde das gar nicht widerwärtig oder skuril und schließlich lassen sich Gesetze auch ändern, wenn Menschen das wollten.. 

Wenn ich nun oft meiner älteren Freundin auf dem Friedhof helfe, gedenke ich automatisch meiner Lieben, man ist sich gedanklich sehr nahe, denn der Ort ist egal, die Erde, in der sie liegen (oder eben leider nicht mehr, wenn die Ruhezeit abgelaufen ist!) auch, die Seele stirbt nie, bin ich fest überzeugt. 

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Tag der Veröffentlichung: 13.09.2014

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