Die Ländereien von Hogwarts wurden von einer hohen Schneeschicht bedeckt und immer mehr kleine Flocken bahnten sich ihren Weg nach unten. Es war ein friedliches Bild, dass sich draußen abzeichnete, welches sich auch nicht durch den starken Wind stören ließ, der durch jede kleine Öffnung blies und somit ein Pfeifen verursachte.
Lily Evans lag auf ihrem Bett und hatte sich so positioniert, dass sie durch das große Fenster nach draußen sehen konnte. Inmitten dieser weißen Idylle sah sie einen jungen Mann, in einen schwarzen Umhang gewickelt und mit Flocken auf den schwarzen Haaren. Er passte nicht in das Bild hinein mit seiner geknickten Haltung. Lily wusste genau, wer es war. Dachte sie doch jede einzelne Sekunde an seine warmen, haselnussbraunen Augen, an sein vertrautes Lachen. Immer, wenn sie an ihn dachte, schossen ihr bittere Tränen in die Augen. Lily hatte ihren besten Freund verloren, er würde wahrscheinlich nie wieder mit ihr sprechen. Aber hatte sie es nicht verdient? Mit Schrecken dachte sie an den 14. Februar zurück. Valentinstag.
~ Flashback~
Lily wachte auf, als sie etwas an ihrer Nase kitzelte und sie niesen musste. Stöhnend setzte sie sich auf und verfluchte sofort Dumbledore dafür, dass er immer am Valentinstag diese verdammten kleinen Engel, von denen gerade zwei Stück ihr Unwesen im Mädchenschlafsaal trieben, auf die Schüler loslassen musste. Mal ehrlich. Wer mochte schon kleine dicke Engel, die nur eine Unterhose trugen, mit Glitzerstaub um sich warfen und mit Pfeilen auf die Schüler schossen. Sie bestimmt nicht. Sie kam sich dabei immer vor, als würde sie im Madame Puddyfood´s sitzen. Lily war erst einmal in diesem Café gewesen, aber sie hatte sich geschworen, es nie wieder zu betreten. Bei dem Gedanken an die Herzchenkonfetti und den wiederlichen Geruch von süßem Vanilleparfüm stellten sich ihre Nackenhärchen auf und tausende unangenehme Schauer jagten ihren Rücken hinunter.
„Guten Morgen, du Schlafmütze!“ In dem Moment kam Lilys beste Freundin Alice ins Zimmer gestürzt und hatte ein großes Grinsen im Gesicht. „Zeit zum Aufstehen. Heute ist Valentinstag.“
„Oh wirklich? Das hab ich gar nicht bemerkt.“ Lily verzog das Gesicht zu einer Grimasse und deutete auf ihr Bett, dass nun glitzerte wie ein Weihnachtsbaum. Alice kicherte und setzte sich auf ihr eigenes Bett, dass dem von Lily gegenüber stand. Und schon setzte sie zu ihrem alljährlichen Vortrag über den Valentinstag an.
„Ich versteh einfach nicht, wie du den Valentinstag so hassen kannst. Alle Menschen sind fröhlich-“
„Außer mir, wie du siehst.“
„- und verbringen den Tag mit dem Menschen, den sie lieben.“
„Das tust du sowieso immer.“
„Es liegt Liebe in der Luft -“
„Nein, es fliegen hässliche kleine Engel durch die Gegend und verpesten unsere Luft mit Glitzerstaub.“
„- und es duftet nach frischen Blumen und Pralinen. Der Valentinstag ist einfach mein Lieblingsfeiertag im Jahr. Es ist so toll, dass heute – am letzten Valentinstag, den ich und Frank auf Hogwarts verbringen – Samstag ist. Er hat mich nach Hogsmeade zum Essen eingeladen und hat danach eine Überraschung für mich. Ich bin so gespannt.... Oh Gott! Was soll ich überhaupt anziehen?!“ Hektisch lief Alice zu ihrem Kleiderschrank und nach ein paar Minuten waren unzählige Kleidungsstücke auf dem Boden verstreut.
„Der Valentinstag ist doch sowieso kein richtiger Feiertag. Und du kennst doch meine Devise: Man braucht keinen Valentinstag, um den Menschen, die man liebt, zu sagen, wie gern man sie hat. Das sollte man an jedem anderen Tag im Jahr auch tun.“ Mit den Worten stand Lily auf und machte sich auf den Weg ins Badezimmer, um sich fertig zu machen.
Als Lily fertig war und aus dem Badezimmer kam, saß Alice inmitten eines Kleiderhaufens und sah sie verzweifelt an.
„Ich weiß einfach nicht, was ich anziehen soll.“, sagte sie mit einer weinerlichen Stimme.
„Süße, du könntest einen Kartoffelsack überziehen und Frank wäre trotzdem begeistert von dir. Er liebt dich.“, lachte Lily. Da das Alice nicht wirklich aufzumuntern schien, griff sie nach einer dunklen Jeans, nach Stiefeln und einem ausgeschnittenem Shirt.
„Zieh das an, das wird ihn umhauen.“, zwinkerte sie. Erleichtert sah Alice die Rothaarige an.
Als Alice sich endlich angezogen und ihre anderen Kleider in den Schrank zurück gehext hatte, gingen die beiden Mädchen zum Frühstück in die Große Halle. Alice machte einen Umweg zum Ravenclawtisch, um Frank zu begrüßen und ihm – wahrscheinlich – einen frohen Valentinstag zu wünschen, während Lily sich bei James niederließ.
„Morgen James.“, sagte sie.
„Morgen Lils.“, tönte es zurück.
„Na? Schon etwas geplant für den Valentinstag?“, grinsend sah er Lily an, die ihm einen dunklen Blick zuwarf. Er wusste genau, was Lily vom Valentinstag hielt. Nämlich absolut gar nichts. Aber durch sein Lachen angesteckt, musste sie mitlachen.
Ja, James Potter war wirklich ihr bester Freund geworden. Hätte vor einem Jahr jemand zu ihr gesagt, dass das mal passieren würde, hätte sie diesem Jemand wahrscheinlich die Augen ausgekratzt und ihn dann lebendig verscharrt.
James hatte sich aber verändert. Er hatte aufgehört, sie ständig nach einem Date zu fragen und hatte ihr stattdessen die Freundschaft angeboten.
„Nein, Jamesie. Ich habe noch nichts für den Valentinstag geplant und habe auch nicht vor auszugehen.“
„Ach, wie schade. Jetzt muss ich doch alleine nach Hogsmeade gehen? Dabei habe ich so auf dich gezählt. Sirius ist verabredet, Remus geht es nicht gut und Peter ist wieder einmal nicht aufzutreiben. Kannst du nicht eine Ausnahme machen? Für mich?“ Mit Hundeaugen und vorgeschobener Unterlippe sah er mich bittend an.
„James! Das ist gemein. Du weißt, dass ich diesem Blick nicht wiederstehen kann.“, lachte Lily. „Ok. Ok. Ich gehe mit dir nach Hogsmeade. Alice geht sowieso mit Frank weg und ich habe nichts anderes zutun.“
„Du bist ein Schatz, Lils. Versprochen?“ Grinsend hielt er ihr die Hand hin.
„Versprochen.“ Sie nahm seine Hand an.
„Lily? Kann ich dich mal sprechen?“ Lily war gerade auf dem Weg in den Gryffindorgemeinschaftsraum, als Nick Anderson sie rief. Überrascht drehte sie sich um und bekam einen rötlichen Schimmer auf ihren Wangen. Nick Anderson war ein wirklich süßer Ravenclaw. Seit sie in der fünften Klasse war, schwärmte sie für ihn und noch nie hatte er mehr als nur „Hi“ für sie übrig gehabt.
„Sicher. Was gibt es denn?“, fragte sie.
„Ich wollte nur fragen, ob du heute vielleicht mit mir nach Hogsmeade kommen möchtest?“ Wäre es möglich gewesen, dann wäre Lilys Kinnlade jetzt wahrscheinlich bis auf den Boden geknallt. Hatte Nick Anderson sie gerade um ein Date gebeten? Sie, Lily Evans?! Sie schüttelte ihren Kopf, um ihn klar zu bekommen.
„Also, ich kann verstehen, wenn du schon etwas vorhast. Immerhin ist es Valentinstag. Ich meine. du bist sehr hübsch und intelligent und...und bestimmt hast du viele Verehrer und vielleicht willst du ja auch gar nicht. .ich meine. ähm..“ Nick verhaspelte sich immer mehr. Seine Wangen färbten sich rot, was Lily ausgesprochen süß fand.
„Nick, ich habe nichts vor. Ich würde sehr gerne mit dir nach Hogsmeade gehen.“ Bevor sie nachdenken konnte, waren diese Worte über ihre Lippen gekommen. Was hatte sie da gesagt?! Sie hatte doch noch vor ein paar Minuten James versprochen, mit ihm nach Hogsmeade zu gehen. Außerdem hasste sie doch den Valentinstag! Was sollte sie denn jetzt tun? James absagen? Nein! Das durfte sie nicht, sie hatte es ihm versprochen. Ihre Versprechen hielt sie immer.
„Nick? Ähm. könnten wir uns in Hogsmeade treffen? Sagen wir um... 12 im >Good Appetite<?“
„Sicher.“, strahlte er sie an und ging dann in die Entgegengesetzte Richtung.
„Oh scheiße.“, fluchte Lily gehalten. Welcher Teufel hatte sie da geritten?! Wie sollte sie es schaffen an zwei Orten gleichzeitig zu sein?! Oh, wenn sie doch einen Zeitumkehrer hätte. Um 11 würde sie mit James nach Hogsmeade gehen und um 12 musste sie bei Nick sein. Das ging doch nicht.
„Moment mal. es ist doch ganz einfach. So etwas hab ich doch früher immer im Fernsehen gesehen. Etwa um halb zwölf werden ich und James in Hogsmeade sein. Dann gehen wir in den >Honigtopf< und danach in >Zonko´s Scherzartikelladen<, wo James sicher wieder Ewigkeiten brauchen wird. Ich sage, dass ich mal kurz auf die Toilette muss und laufe dann schnell zu Nick. Wir gehen ins >Good Appetite<, dass direkt neben dem >Drei Besen< ist. Wir dürfen uns aber nicht ans Fenster setzen. Ich unterhalte mich etwas mit ihm und entschuldige mich dann und...oh mein Gott, was denke ich da?! Ich kann die beiden doch nicht so hinters Licht führen. Das wird doch niemals klappen....aber ich kann jetzt auch nicht mehr zurück...“ Lily seufzte. Wenn das mal gut gehen würde...
Lily war völlig außer Atem. Dieser Plan war einfach nur schrecklich und hinterhältig. Außerdem war er verdammt schwer umzusetzen. Sie hatte Nick ins >Good Appetite< geführt und war dann mit James in die >Drei Besen
~Flashback Ende ~
Seit diesem Vorfall sprach niemand mehr mit ihr. Alice nicht, James´ Freunde nicht, Nick nicht und James erst recht nicht. Sie fühlte sich verdammt allein gelassen.
Plötzlich flackerte etwas wie Mut in ihr auf. Sie hatte einen einzigen Fehler begangen und deswegen wollten ihr alle das Leben zur Hölle machen? Sie war verdammt nochmal nicht perfekt. Jeder Mensch beging mal einen Fehler. Lily sprang von ihrem Bett auf, wischte sich ihre Tränen aus den Augenwinkeln und zog sich ihren Umhang über.
Sie lief nach unten durch den Gemeinschaftsraum, ignorierte die feindseligen Blicke der Anderen und stieß schließlich die große Tür auf, die nach draußen auf die Ländereien führte.
Ihre Schritte wurden langsamer. Was wollte sie James denn sagen, wenn er vor ihr stand. Doch sie hatte nicht länger Zeit darüber nachzudenken, als er bereits auf sie zukam.
„Was machst du hier?“, fragte er. Lily zuckte zusammen, als sie die Kälte in seiner Stimme hörte.
„James, es tut mir so Leid. Ich weiß, dass ich großen Mist gebaut habe und ich wünschte, ich könnte das alles rückgängig machen, aber das geht nun mal nicht. Ich habe einen Fehler begangen, aber jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass ihm verziehen wird. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte, als du mit diesem Geständnis kamst. Ich war nicht darauf vorbereitet und deshalb bin ich auch davon gerannt. Denkst du etwa, ich habe es geplant, zu Nick zu gehen und ihn zu küssen?! Ich wollte dich niemals verletzen. Du bedeutest mir so verdammt viel. Ich halte es einfach nicht mehr aus, dass du mich ignorierst. Ich..ich liebe dich.“ Lily wurde zum Schluss hin immer leiser. Es zeichnete sich ein leichter Rotschimmer auf ihren Wangen ab. Sie traute sich nicht zu James zu sehen. Sie hatte Angst, dass er sie zurückweisen würde. Das würde sie nicht aushalten, denn ihr wurde in diesem Moment klar, dass sie jedes einzelne Wort ernst gemeint hatte.
„Lily, sieh mich bitte an.“ Zögernd sah sie in James´ Augen und war erleichtert und glücklich, als er lächelte.
„Ich war verletzt, aber du hast Recht. Du sollst nicht dein ganzes Leben lang für einen Fehler büßen müssen. Außerdem würde ich es sowieso nicht ohne dich aushalten. Ich liebe dich auch.“
James beugte sich zu Lily hinunter und küsste sie zärtlich. Jetzt konnte alles wieder gut werden.
Tag der Veröffentlichung: 15.11.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
An alle die ihre große Liebe gefunden haben und an alle die sie noch finden werden