Cover

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»Ich glaube an die künftige Auflösung dieser scheinbar so gegensätzlichen Zustände von Traum und Wirklichkeit in einer Art absoluter Realität, wenn man so sagen kann: Surrealität.«

 

So schrieb 1924 André Breton, der Kopf der Surrealisten.

Wasser,

nichts als Wasser???

Reisende

Eine Reling bezwingt ein Schiff keineswegs aber deren Insassen, die auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert sind. Vor allem dann, wenn sie inmitten gespenstisch krachender und knarzender Eisschollen eben noch treibend mit einem einzigen kurzen Ruck urplötzlich festsitzen.

 

Bewegungslos.

 

Nahezu gespenstisch war auch der Anblick der Eisberge, die unaufhaltsam näher rückten, wie von Geisterhand geschoben und Bernd und Beate die lange ersehnte Hochzeitsreise endgültig vermiesten. Sie hatten sich zu dieser frühen Stunde in der Enge der Kabine über Nichtigkeiten gestritten und die Ringe jeweils dem anderen vor die Füße geworfen, als es geschah. Strauchelnd lagen sie sich in den Armen.

Das Komitee der Schifffahrt konnte Kapitän Hubert glücklicherweise kurzfristig autorisieren, den gesamten Bestand an Schrauben inklusive der einzigen Inbusschraube in der vernebelten Kombüse zu deponieren. Warum das geschah wird für immer in den Geheimakten des Komitees verschwunden bleiben und ist ohnehin unwichtig.

 

Es sah ausgesprochen dilettantisch aus, als in ungewohntem Watschelgang eines der namenlosen Suppenhühner versuchte, zurück in den Käfig zu gelangen, da ihm der Aufenthalt an Deck zu dieser Stunde nicht wirklich sicher erschien.

 

Das Portfolio, in welchem fein sauber geordnet sämtliche losen Blätter gesammelt waren, barg lückenlose Skizzen der bisherigen Reise. Alexander trug die weinrote Mappe eng an sich gepresst, als er das Oberdeck genau in jenem Augenblick betrat. Den letzten Atemzug seines Lebens konnte er nicht mehr skizzieren. Der gigantische Ruck beförderte ihn in einem vollendet eleganten Salto Mortale über die Reling zielgerichtet in das weit aufgerissene Maul der Bestie, die wie immer zu dieser Jahreszeit an jenem Ort erfolgreich lauerte. 

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Träume

Lara hatte ausgezeichnet geschlafen, trotz des Traumes, an den sie sich dunkel erinnerte.

Als sie die Augen aufschlug fiel ihr Blick auf den frisch gefallenen Schnee, der über Nacht die hügelige Landschaft, in welche sich das kleine Häuschen duckte, wie in feinen Puderzucker getaucht hatte. Dann kam erneut der winzige Schmerz, der ihr im Traum begegnet war und sie besah die Stelle an ihrem rechten Unterarm. Klar und deutlich zeigten sich zwei kleine rote Punkte, die dem Biss eines Tieres entstammen konnten. Die Wunden waren nicht besonders tief und lagen verhältnismäßig eng beieinander. Die nicht mehr junge Frau mit dem feuerroten Haar, welches nun von grauen Strähnen durchzogen war, bückte sich nach der Inbusschraube, die vor ihrem Bett lag und hob sie verwundert auf.

Sie lief im Nachthemd die fünf Stufen der Treppe hinunter, öffnete die Terrassentür und stand an der Reling, die der Bär vor acht Jahren für sie gebaut hatte.

 

Ihre Augen hatten wieder die Farbe des Atlantik angenommen, auf welchen ihre Aufmerksamkeit nun gerichtet war.

 

Ihr Bär war alles andere als dilettantisch vorgegangen, als er die Aussichtsplattform für diesen Blick schuf. Die linke Hand an der Reling abgestützt, beschirmte die rechte ihre Augen, die nicht findend die kleine Bucht und darüber hinaus den Horizont absuchten.

 

Nichts.

 

‚Es ist auch noch viel zu früh für das Komitee‘, überlegte Lara und wandte sich dem zotteligen Hund zu, der wie an jedem Morgen stets aus dem Nirgendwo plötzlich zuverlässig neben ihr auftauchte. Die Kratzer auf ihrem Handrücken bemerkte sie erst, als ihre rechte Hand das eisgraue Fell des Hundes berührte.

 

‚Ach ja, der Traum‘, dachte sie, sich wieder erinnernd.

 

 

Wie in einem Portfolio gesammelt, kamen die Eindrücke zurück. Sie sah wieder das Schiff mit den drei vollständig rahgetakelten Masten, von welchem hunderte kleiner, dunkler Ratten sprangen, hörte den scharfen Befehl des Obersten des Komitees:

 

 „Autorisieren sie den Bären, die Festung einzunehmen!“ und dann erwachte sie von den Lauten ihres eigenen Stöhnens.

 

Der Hund neben ihr leckte die Wunden an Laras rechter Hand, während sie sich langsam erhob und ihre Augen die kleine Inbusschraube fanden.

Hintergrund

Die Geschichten entstanden durch das

 

Wörterspiel Januar/Februar 2015

 

Aufgabe:

Sechs Wörter in Story oder Gedicht einbauen - möglichst passgenau.

Wer zimmert um diese Wörter herum den stabilsten Text?

Die Wörter stammen aus dieser Wörter-Liste:

 

http://www.duden.de/schwierige-woerter

 

autorisieren

dilettantisch

Inbusschraube

Komitee

Portfolio

Reling

Impressum

Texte: Urheberrecht: Alea Gabrusch
Bildmaterialien: Alea Gabrusch
Lektorat: Manfred B. Scheel
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dem Spiel mit Worten gewidmt

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