Cover

Kapitel 1 – Nur Mut




Schüchtern lugte sie hinter den hohen Bücherregal vor. Ihr Herz raste wie wild und sie hatte Angst es würde in ihrer Brust einfach zerspringen.
Beruhige dich Mia, ermahnte sich das Mädchen selbst und beugte sich noch etwas weiter vor, um besser sehen zu können.
Dabei fiel ihr eine etwas größere Strähne ihres dunkelbraunen Haares vor ihre grünbraunen Augen und verdeckten ihr so etwas die Sicht. Schnell strich sie die Strähne zurück. Ihr Blick ruhte auf einem jungen Mann, der nicht weit von ihr stand und einige Bücher einräumte. Laut dem Namensschild an seiner Brust hieß er Johannes. Mia kam sich irgendwie ein wenig dumm vor, dass sie hier stand und ihn anstarrte. Eigentlich war sie ja hergekommen um ihn endlich einmal anzusprechen, doch kaum hatte sie ihn erblickt wurden ihre Knie weich und sie war hinter ein Bücherregal geflüchtet. Für einen kurzen Moment schloss das Mädchen die Augen, um sich etwas zu beruhigen.
Es waren jetzt fast zwei Wochen vergangen, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Damals war sie mit ihrer Freundin Kate hergekommen, um Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Es war zwar erst Anfang November, aber Kate hatte darauf bestanden, die Geschenke so früh wie möglich zu besorgen. An jenem Tag verliebte Mia sich sofort in den jungen Mann, der ihrer Freundin so nett half und das passende Buch raus suchte. Als sie denn Buchladen dann verliessen, gestand die Ältere Kate, dass sie Johannes richtig toll fand. Seitdem war sie jeden Tag gekommen, um ihn zu sehen und zu versuchen ihn anzusprechen.Bis heute hatte es einfach nicht geklappt, doch eigentlich wollte Mia das an diesem Tag ändern, aber sie konnte sich einfach nicht überwinden.
Leise seufzte das Mädchen und öffnete die Augen wieder. Leider musste sie feststellen, dass Johannes mit dem Bücher einräumen fertig war. Schnell sah sich die Schülerin um, doch sie konnte ihn nicht mehr entdecken. Leicht geknickt verließ sie den Buchladen. Auf der anderen Straßenseite saß auf einer Bank ihre Freundin Kate, welche sofort aufsprang, als sie Mia entdeckte.
„Und, hast du endlich mit ihm gesprochen?“, wollte das Mädchen mit den langen dunkelblonden Haaren sofort wissen, doch die Dunkelhaarige schüttelte nur mit den Kopf.
Kate seufzte schwer und fuhr sich kurz durch ihre Haare.
„Meine Güte, wenn du nicht bald mal hin machst, dann wird das mit euch Beiden in diesem Leben nichts mehr“, meinte sie nur.
„Das weiß ich selber auch“, erwiderte Mia. „Aber ich kann es einfach nicht. Außerdem war er ja auch gar nicht da.“
„Dafür was du aber ganz schön lange drinnen“, entgegnete ihre Freundin. „Mensch Mia. Du musst ihn eben nach einem Buch oder so fragen. Der Rest wird sich dann sicher von ganz alleine entwickeln.“
„Du sagst das so, als wäre das total einfach, aber doch nicht für mich. Ich trau mich das einfach nicht. Vielleicht ist es besser die Sache ganz zu vergessen. Wir passen doch eigentlich gar nicht zusammen und eine Freundin hat er sicher auch, so gut wie er aussieht.“
„Hörst du wohl auf so einen Unsinn zu reden. Ihr wärt ein total süßes Paar und wenn er dich nicht will, dann ist er doch selbst Schuld. So ein tolles Mädchen wie dich findet er sicher nie wieder.“
Mia lächelte schwach. Kate versuchte alles um sie wieder aufzumuntern.
„Ich danke dir, aber ich kann das einfach nicht. Immer wenn ich ihn sehe werden meine Beine ganz schwach und klar denken kann ich auch nicht mehr“ meinte die Braunhaarige und seufzte leise.
Sie wäre wirklich gerne mit Johannes zusammen, doch den Mut ihn überhaupt erst einmal anzusprechen, konnte sie einfach nicht aufbringen.
„Na dann üben wir das Ansprechen von Jungs jetzt einfach mal ein bisschen“, sagte Kate breit grinsend, nahm die Hand ihrer Freundin und zog sie hinter sich her.
„Und wie bitte?“, fragte Mia die Blondine etwas verwirrt.
„Über lass das nur mir. Wir gehen jetzt in den Park. Ich such dir jemanden aus und du fragst ihn einfach nach der Uhrzeit. Das wird dich schon nicht umbringen“, meinte das blonde Mädchen und schien voller Energie zu sein.
Manchmal fragte sich Mia, woher ihre Freundin diese Energie und den Mut her nahm. Leise kicherte das Mädchen. Sie war froh eine Freundin wie Kate zu haben, die immer für sie da war, wenn sie sie brauchte. Es dauerte nicht lange, dann hatten sie den Park erreicht und Kate sah sich suchend um.
„Wie wäre es mit dem da?“, fragte sie und deutete auf einen Jungen, der nur einige Meter von ihnen entfernt stand.
Mia folgte dem Blick ihrer Freundin. Als sie den Jungen sah, musste sie leicht schlucken. Der Kerl schaute wirklich verdammt gut aus. Zwar nicht so gut wie Johannes, doch das Mädchen würde bei ihm sicher nicht nein sagen.
„Nun geh schon hin und frag ihn nach der Uhrzeit. Er wird dich schon nicht umbringen“, meinte Kate und gab ihrer Freundin einen sanften Stoß.
Mia holte einmal tief Luft und ging langsam zu dem Jungen hinüber. Je näher sie ihm kam, um so schneller wurden ihre Schritte und nur einen winzigen Augenblick später war sie an dem Jungen vorbei gerannt. Hinter sich hörte sie noch wie Kate ihr nach rief, doch sie blieb nicht stehen. Sie rannte weiter bis zur Parktoilette und sie schließlich vor lauter Seitenstechen nicht mehr konnte. Mia stürzte hinein und schloss sich in einer freien Kabine ein. Das war so furchtbar peinlich gewesen. Leise seufzend ließ sich das Mädchen auf den Toilettendeckel sinken.
Ich bin wirklich eine absolute Versagerin, ging es ihr niedergeschlagen durch den Kopf.
Die Tür zu den Toiletten wurde geöffnet und jemand kam hinein.
„Mia, bist du hier?“, fragte diese Person und die Dunkelhaarige wusste gleich, dass es Kate war.
Einen Momentlang war es noch still, dann öffnete Mia die Kabinentür und trat vor ihre Freundin.
„Der hat sich sicher über mich kaputt gelacht“, murmelte die Ältere.
„Er hat dich gar nicht bemerkt“, erwiderte die Blondine.
„Wirklich nicht?“
„Wirklich! Ich hab ihn sogar gefragt, ob er ein Mädchen an sich vorbei rennen sehen hat, doch hat er nicht. Er hat Musik gehört und die Augen etwas geschlossen. Du hättest ihn schon umrennen müssen, damit er sich bemerkt hätte.“
Die Jüngere kicherte leise.
„Können wir dann langsam nach Hause fahren? Das war wirklich genug Peinlichkeit für nur einen einzigen Tag“, fragte Mia und ihre Freundin nickte.
„Ist gut, aber es ist noch massig Zeit bis unser Zug überhaupt kommt. Lass uns ein bisschen durch die Stadt gehen, bevor wir zum Bahnhof gehen“, meinte Kate.
Die Dunkelhaarige stimmte zu und so gingen die beiden Mädchen noch gemütlich etwas durch die Stadt. Hier und da blieben sie an einem Schaufenster stehen und betrachteten die Sachen, die dort zu sehen waren. Als sie schließlich im Zug saßen, zog Mia sofort ein dickes Buch aus ihrem Rucksack.
„Das hast du den ganzen Tag mit dir rumgeschleppt?“, fragte Kate und setzte sich neben ihre Freundin. „Hattest du nicht gestern noch ein anderes Buch dabei?“
„Lass mich doch. Das habe ich gestern schon fertig gelesen, außerdem sagt man doch, das Lesen bildet. Ich will doch später selbst mal Bücher schreiben und da kann es ja nicht schaden, wenn ich viele Bücher lese“, erwiderte Mia.
„Schon und ich bewundere dich für deinen Eifer, aber übertreibst du nicht etwas? Das ist schon dein zweites Buch diese Woche und es ist erst Mittwoch. Besonders dünn war das andere Buch auch nicht gerade.“
„Na und? Ich lese eben sehr gerne.“
„Kein Wunder das es mit den Jungs nicht richtig klappt, wenn du dich immer hinter deinen Büchern versteckst“, meinte Kate und ließ sich tiefer in ihren Sitz sinken.
„Das stimmt doch gar nicht“, protestierte die Ältere. „Außerdem hatte ich schon mal einen Freund.“
„Ja, dem du einen Ohrfeige gegeben hast, als er dich küssen wollte.“
„Du bist echt gemein, weißt du das? Ich hab mich eben damals erschreckt.“
„Vor deinem eigenen Freund?“
„Das wird mir jetzt echt zu dumm.“
Mia schlug ihr Buch auf und begann zu lesen, doch sie konnte ihre Freundin noch leise kichern hören. Die Sache mit ihrem Freund war jetzt schon vier Jahre her, doch richtig vergessen konnte das dunkelhaarige Mädchen ihn irgendwie nie. Allerdings war sie sich nicht sicher, ob man es wirklich als Beziehung werten konnte, da sie nur knapp zwei Wochen zusammen waren und sich davon die Hälfte der Zeit nicht mal gesehen hatten. Es war schon seltsam, denn nach und nach kamen in Mia die Erinnerungen an diese Zeit wieder hoch.
Sie war damals gerade 13 Jahre alt geworden und musste mit der Hausaufgabengruppe, die sie besuchte, auf eine Freizeit fahren. Eigentlich war die Freizeit ja gar nicht so schlecht gewesen. Sie übernachteten in kleinen Holzhütten und da es nur ein weiteres Mädchen neben ihr gab, hatten sie eine ganze Hütte für sich alleine. Die Braunhaarige hatte sich erstaunlich schnell mit dem anderen Mädchen, das Sarah hieß, angefreundet. Bereits am zweiten Tag allerdings, fragte sie ein Junge, aus einer anderen Gruppe, ob sie mit ihm gehen wollte. Er hätte sie schon öfters in dem Haus gesehen, wo die verschiedenen Hausaufgabengruppe untergebracht waren, und hätte sich auch gleich in sie verliebt. Mia war von dieser Frage ziemlich überrumpelt und konnte dem Jungen, dessen Name Sebastian war, nicht sofort antworten. Er verlangte auch nicht direkt eine Antwort von ihr, sondern gab ihr bis zum nächsten Tag am Abend Zeit sich das ganze noch einmal zu überlegen. Mias Gefühle spielten völlig verrückt. Es kribbelte total in ihrem Bauch und sie wusste gar nicht recht, was sie eigentlich genau für diesen Jungen empfand. Sarah riet ihr ihm einen Korb zu geben, da sie ihn kannte und glaubte, dass er nur mit Mias Gefühlen spielen würde. Eigentlich wollte sie ihn auch abweisen, doch als sie Sebastian gegenüber stand und er ihr tief in die Augen sah, stimmte sie doch zu. Sie war glücklich mit ihrer Entscheidung und sie fühlte sich wohl bei ihm, auch wenn er etwas aufdringlich war. Selbst die Ohrfeige nahm er ihr nicht übel. Allerdings verletzte er sich am Fuß und fuhr für einige Tage nach Hause und kam erst am letzten Tag wieder zurück. An diesem Tag müsste sie sich erst einmal wieder von ihm verabschieden. Natürlich würden sie sich nach den Ferien wieder sehen, doch Mia musste weinen. Sie brachte es nicht fertig ihm auf Wiedersehen zu sagen und verschwand einfach so. Bis heute bereut sie dies, weil sie ihn nachdem die Ferien zu ende waren, doch nicht wieder gesehen hatte, da ihre Hausaufgabengruppe in ein neues Haus gezogen war. Damals hatte sie eine ganze Nacht lang geweint.
„Mia. Hey Mia! Hörst du mir eigentlich überhaupt zu?“, riss Kate ihre Freundin aus ihren Gedanken.
„Wie? Was?“, fragte die Angesprochene etwas verwirrt.
„Wir sind gleich an meiner Haltestelle. Warst du so in dein Buch vertieft?“
„Nein, ich war nur etwas in Gedanken versunken.“
„Ach, hast du etwa wieder an jemand bestimmtest gedacht?“, fragte die Blondine frech und zog sich ihre Jacke wieder an.
„Nein! Ich hab nur an damals gedacht. An meinen Ex-Freund“, antwortete Mia und war etwas rot um die Nase geworden.
„Das musst du mir morgen unbedingt ganz genau erzählen. Da fällt mir doch noch etwas ein, was ich dich fragen wollte. Wie geht es denn dem kleinen Kätzchen, dass ihr euch vor ein paar Tagen geholt habt? Hast du dir auch endlich einen Namen überlegt?“
„Ja, habe ich. Die Kleine heißt jetzt Speedy und sie hat sich schnell bei uns eingelebt. Musst du jetzt nicht aussteigen?“
Der Zug wurde langsamer und blieb schließlich stehen.
„Ich muss dich unbedingt mal wieder besuchen kommen“, meinte Kate und drückte ihrer Freundin kurz ein Küsschen auf die Wange. „Wir sehen uns dann morgen.“
Sie schnappte sich ihre Tasche und stieg aus. Draußen auf den Bahnsteig blieb sie noch einen Moment stehen und winkte Mia zu, bis sie diese nicht mehr sehen konnte. Leicht schüttelte die Ältere den Kopf. Das machte ihre Freundin jedes Mal und immer wieder freute sie sich darüber. Mia blickte das Buch in ihren Händen an. Sie hatte nicht ein einziges Wort gelesen, sondern war einfach nur in Gedanken gewesen. Leise seufzte sie und packte das Buch wieder weg. Ihre Gedanken hingen immer noch an der Erinnerung mit Sebastian und so konnte sie sich nicht auf das Lesen konzentrieren. Eigentlich mochte sie den Jungen von damals immer noch sehr gerne, doch sie war sich nicht sicher, ob sie Kate davon erzählen sollte. Insgeheim hatte sie immer den Wunsch gehegt, Sebastian irgendwann einmal wieder zusehen, doch war das heute auch noch so?
Ich sollte aufhören solche dummen Sachen zu denken. Sebastian gehört meiner Vergangenheit an und die Wahrscheinlichkeit, dass ich ihn wiedersehe, ist doch eher sehr gering, dachte sich Mia und blickte aus dem Fenster.
An der nächsten Haltestelle stieg sie aus, streckte sich etwas und begab sich langsam auf den Heimweg. Zuhause würde sie erst einmal ein Bad nehmen und versuchen alles von heute wieder zu vergessen. Als sie die Wohnungstür aufschließen wollte, hörte sie auf der anderen Seite der Tür schon ein fröhliches Miauen. Die kleine Speedy erwartete die bereits freudig. Die Kleine lebte zwar noch nicht so lange bei ihnen, trotzdem wusste sie jetzt schon, wann Mia immer nach Hause kam und begrüßte sie jedes Mal. Sie hatte ein graubraun gestreiftes Fell, nur ihre Brust und ihre beiden Hinterläufe waren weiß. Mia hatte sich direkt in das süße Kätzchen verliebt und es, nach einer langen Diskussion mit ihrer Mutter, schließlich auch bekommen.
„Du hast sicher Hunger. Noch eine Sekunde Geduld, ich gebe dir ja gleich was“, meinte das Mädchen, schloss die Tür hinter sich und stellte ihren Ranzen ab.
Die kleine Katze rannte sofort zu ihrem Fressnapf und Mia zog sich lachend ihre Jacke aus. Speedy war wirklich der perfekte Name für das süße Wollknäuel. Sie folgte ihrem Haustier, füllte den Futternapf und ging dann ins Wohnzimmer. Sie war wie immer alleine Zuhause. Ihre Mutter war sicher noch auf der Arbeit und ihr Bruder unternahm wahrscheinlich was mit seiner Freundin. Die Schülerin seufzte leise, holte ihren Laptop, stellte ihn auf den Esstisch und schaltete ihn an. Sie beschloss das Bad auf heute Abend zu verschieben, da sie sonst danach sicher sofort einschlafen würde und sie hatte noch einiges zu tun. Während das Gerät hochfuhr, ging sie in die Küche, um sich eine Kleinigkeit zu essen zu machen. Sie kam mit ein paar belegten Broten zurück und setzte sich vor ihren Laptop. Speedy war in zwischen auch fertig mit essen und rollte sich auf dem Schoss ihres Frauchens zusammen. Mia öffnete eine Textdatei und begann zu schreiben. Es war schon immer ihr Traum gewesen ihr eigenes Buch zu schrieben, aber bisher hatte sie nur Kurzgeschichten zustande gebracht. Für längere Geschichten mit mehreren Kapiteln fehlte ihr einfach die Ausdauer, doch irgendwann würde sie es sicher schaffen. Sie tippte weiter und summte dabei leise vor sich hin. In solchen Momenten vergaß sie meistens alles um sich herum. Vergaß wie unglücklich verliebt sie war oder das ihr etwas furchtbar peinliches passiert war. Sie tauchte dann in ihre eigene Welt ein, in der sie jemand sein konnte, der sie sicher nicht war. Jedenfalls so lange, bis man sie in die Realität zurückholte und sie einsehen musste, dass sie niemals so werden würde, wie die Figuren ihrer Geschichten. Die Braunhaarige seufzte leise, speicherte die Datei ab und schloss den Laptop. Ihre Texte hatte sie bisher kaum jemanden gezeigt. Nur ab und zu mal durfte Kate einen lesen und sie war stets begeistert davon. Mia war sich aber nicht sicher, ob sie viel darauf geben konnte, da Kate ja ihre Freundin war und sie sicher nicht verletzen wollte. Wahrscheinlich würden sie auch sagen, der Text wäre gut, wenn er es auch gar nicht war. Das Mädchen schüttelte leicht den Kopf. An so was wollte sie jetzt gar nicht denken. Sie setzte vorsichtig das noch schlafende Kätzchen runter, ging ins Bad und ließ Wasser in die Wanne ein. Als sie in das herrlich warme Wasser eintauchte und ihre Augen schloss, entschwand sie langsam ins Reich der Träume.


Kapitel 2 - Einen Schritt nach vorne




Sie war immer noch müde, als sie am nächsten Morgen langsam die Augen öffnete. Zwar war Mia recht schnell eingeschlafen, doch ihre Nacht war nicht erholsam gewesen. Immer wieder war sie aufgewacht und konnte danach einfach nicht wieder richtig einschlafen. Verschlafen setzte sie sich auf und strich sich ihre ziemlich verwuschelten Haare zurück. Draußen vor ihrer Zimmertür hörte das Mädchen schon Speedy an der Tür kratzen, die unbedingt zu ihrem Frauchen wollte. Mia stand nun rasch auf, ging ins Bad und kehrte dann mit der kleinen Katze auf dem Arm in ihr Zimmer zurück. Vorsichtig setze sie das Tier auf ihrem Bett ab, dann wandte sich die Dunkelhaarige ihrem Kleiderschrank zu. Während sich die Schülerin für dich Schule fertig machte, wurde sie von ihrer Katze ganz genau beobachtet.
„Und was sagst du dazu?“, fragte Mia Speedy, nach dem sie sich fertig angezogen hatte und sich ein Mal um sich selbst drehte.
Sie trug ein grau-schwarz gestreiftes Longshirt, dessen Ärmel bist zur Mitte ihres Unterarmes ging und einen weiten Rollkragen hatte. Dazu trug sie einen Taillengürtel und schlichte dunkelblaue Jeans. Ihre dunkelbraunen Haare, die sie offen trug, wellten sich leicht. Speedy miaute zustimmend.
„Du hast Geschmack meine Kleine“, sagte das Mädchen und kraulte ihr Kätzchen kurz hinter dem Ohr. „Jetzt ist es aber langsam Zeit zum Frühstücken.“
Rasch schnappte sie sich ihren Rucksack und ging mit Speedy auf dem Arm aus ihrem Zimmer. Sie fütterte die Kleine noch schnell, dann ging sie ins Wohnzimmer. Dort am Esstisch saßen bereits ihre Mutter und ihr Bruder Jim und waren schon am Frühstücken.
„Guten Morgen“, begrüßte Mia ihre kleine Familie.
„Morgen“, brummte der zwei Jahre jüngerer Jim.
Ihre Mutter sagte gar nichts, sondern nickte nur kurz mit dem Kopf, trank dann weiter Kaffee und las ihre Zeitung. Die Schülerin setzte sich dazu und aß ein Brötchen. Es war wie jeden Morgen. Ihr Bruder brummte nur vor sich hin und ihre Mutter sprach kaum mit ihr.
„Hast du alles was du für heute brauchst?“, fragte ihre Mutter, als sie ihren Kaffee ausgetrunken und die Zeitung beiseite gelegt hatte.
„Mama ich bin kein kleines Kind mehr. Natürlich hab ich alles was ich brauche“, maulte Mia etwas.
„Bei dir frage ich immer lieber mal nach. Was steht heute so in der Schule an?“
„Nicht sonderlich viel. Wir kriegen heute unsere Deutscharbeit wieder und in Sport machen wir ein kleines Basketballturnier.“
„Bei Deutsch hattest du doch ein super Gefühl“, meinte ihre Mutter.
„Ja hatte ich“, erwiderte die Dunkelhaarige, aß ihr letztes Stückchen Brötchen und warf einen Blick auf die Uhr. „Ich mach mich dann mal langsam auf den Weg.“
Sie räumte ihr Geschirr weg, zog sich ihren Mantel und ihre Stiefel an und setzte ihren Ranzen auf. Bevor sie ging streichelte sie noch schnell Speedy und machte sich dann auf den Weg. Sie hörte nur noch leise wie ihre Mutter ihr viel Spaß wünschte. An diesem Morgen war es besonders frisch draußen und Mia war froh sich etwas dicker angezogen zu haben. Auf dem Weg zum Bahnhof musste sie immer an einem kleinen Friedhof vorbei, vor dem sie, als sie noch klein war, furchtbare Angst hatte. Aber nur, weil die älteren Schüler den Jüngeren immer Schauergeschichten über den Friedhof erzählt hatten. Heute wusste sie es natürlich besser und fürchtete sich nicht mehr. Als sie sich auf einem leeren Sitzplatz im Zug fallen ließ, war das Mädchen etwas erleichtert. Sie mochte die Kälte nicht sonderlich, aber es ließ sich nun mal nicht ändern. Es ging langsam auf den Winter zu. Mia sah aus dem Fenster und betrachtete die Landschaft, die sie zwar schon tausend Mal gesehen hatte, aber doch auch immer etwas neues für sie bereit. So sah sie an diesem Morgen einen Hasen, der quer über ein Feld raste.
Vielleicht eine verwünschte Prinzessin, die auf der Flucht ist, dachte sich Mia und spannte diesen Gedanken immer weiter.
Erst als sich jemand neben sie auf den Sitz fallen ließ, kehrte sie aus ihren Gedanken zurück.
„Ich hasse dieses Wetter und zu dem habe ich so was von gar keine Lust auf die Schule. Ich will meine Arbeit nicht zurück bekommen. Ich habe sie ganz bestimmt in den Sand gesetzt“, meinte Kate, als sie ihre Jacke öffnete und ihre Freundin kurz zur Begrüßung drückte.
„Du siehst das immer viel zu negativ. Wir haben doch zusammen viel für dir Arbeit gelernt. Du wirst sie schon nicht verhauen haben“, versuchte die Ältere die Blonde etwas aufzumuntern.
„Als würde lernen groß was bei mir nützen. Ich hatte alles wieder vergessen, als ich auf das Aufgabenblatt geschaut habe. Aber du hast ganz sicher wieder eine Eins geschrieben. Du vergisst das Gelernte eben nicht so schnell wieder.“
„Das ist doch gar nicht wahr. Ich vergessen zum Beispiel in Englisch gleich alles wieder, was ich gelernt habe. Du aber dafür nicht. Zu dem liegt es wohl daran, dass ich in Deutsch so gut bin, weil ich wirklich viele Bücher lese. Wenn ich mehr englische Bücher lesen würde, würde das vielleicht auch endlich mal meine Englischnote verbessern.“
„Du hast recht. Englisch liegt mir bei weitem mehr als Deutsch. Ich lese außerdem auch viele Bücher.“
„Ja, aber die Bücher die du liest, haben meistens mehr Bilder als Text“, erwiderte Mia und grinste ihre Freundin leicht an.
„Hey, dass ist überhaupt nicht wahr. Ich lese auch Bücher mit wenigen Bilder, also sei nicht so gemeint zu mir“, protestierte Kate, doch sie musste etwas schmunzeln.
„Schon gut, schon gut. Ich hab nichts gesagt.“
„Gut. Hast du heute vielleicht Lust nach der Schule mit zu mir zu kommen? Du könntest mir bei der Berichtigung helfen.“
„Klar, warum nicht. Ich müsste dann nur Jim bescheid sagen, dass er für mich Speedy füttern soll“, antwortete Mia ihrer Freundin.
„Die Kleine hat sich wohl schnell bei euch eingelebt“
„Ja, dass hat sie. Sie wartet immer neben der Wohnungstür auf mich. Sie weiß jetzt schon immer, wann ich nach hause komme. Die Kleine begrüßt mich dann immer mit lauten Miauen.“
„Das ist ja süß. Sie ist besser als jeder Hund.“
Die Blonde lachte ein wenig, dann stand sie langsam auf.
„Wir sind auch schon da. Ich will wirklich nicht gehen, aber du wirst mich wohl zwingen oder?“, meinte Kate und blickte die Ältere an.
Auch Mia war aufgestanden und zog sich ihre Jacke an.
„Darauf kannst du aber Gift nehmen. Ich gehe auch nicht gerne in die Schule, aber wenn wir nicht gehen, dann werden wir noch mehr Ärger bekommen“, antwortete sie der Jüngeren, diese nickte nur etwas betrübt.
Die Freundinnen stiegen aus und machen sich ganz gemütlich auf den Weg zur Schule.
„Wollen wir heute eigentlich einen neuen Versuch starten?“, fragte Kate plötzlich, als sie an einer roten Ampel standen.
„Ich denke, ich werde es wohl aufgeben. Ich bin auch gar nicht gut genug für ihn. Lieber vergesse ich ihn einfach“, antwortete Mia ihr, ohne sie anzusehen.
„Was?“
Völlig verwundert blickte die Blonde die Andere an. Hatte sie da gerade richtig gehört? Mia wollte ihren Schwarm einfach so aufgeben?
„Was ist mit dir los? Du hältst es doch sonst kaum einen Tag aus ihn nicht zu sehen. Hat es was mit deinem Ex zu tun? Du hast ihn doch gestern erwähnt“, wollte Kate wissen und sah ihre Freundin etwas besorgt an.
„Nein, es hat nichts mit ihm zu tun. Kate, ich gehe jetzt schon seit zwei Wochen in diesen Buchladen. Ich bleibe ziemlich lange dort, verrenke mit den Hals, damit ich ihn sehen kann und gehe dann ohne auch nur irgendetwas gekauft zu haben. Denkst du nicht, dass das langsam etwas auffällt?“, erwiderte die Braunhaarige und sah ihre beste Freundin kurz an.
„Ach was. Du bist ganz sicher niemanden aufgefallen.“
„Ach ja? Und was ist mit der Verkäuferin? Die sieht mich seit einiger Zeit immer so komisch an, wenn ich in den Laden komme.“
„Ja aber“, begann die Blonde, doch Mia unterbrach sie.
„Nichts aber Kate. Lass es uns einfach gut sein. Ich werde schon damit klar kommen. Es wird zwar schwer werden, aber das ist etwas, was ich gewiss überleben werde.“
Die Ampel sprang vor Rot auf Grün um und Mia überquerte die Straße. Ihre Freundin blieb einen Moment verwirrt stehen, doch dann folgte sie ihr.
„Ich glaube dir das nicht. Du bist einfach nur unsicher. Gut, wir werden heute nicht hingehen, aber bitte gib ihn nicht einfach auf. Du hast es ja noch nicht mal richtig versucht“, sagte die Jüngere, als sie wieder neben Mia herging, diese seufzte nur leise.
Kate war hartnäckig. Das war sie schon immer gewesen, selbst als sie noch Kinder gewesen waren.
„Na schön. Ich werde ihn noch nicht aufgeben, aber nur, weil du mich sonst gar nicht mehr in Ruhe lassen würdest“, erwiderte sie mit einem leichten Grinsen.
Allerdings war das nur dir halbe Wahrheit gewesen. Mia selbst wollte Johannes auch noch nicht aufgeben, aber die hatte wirklich das Gefühl, dass sie nicht gut genug für ihn war. Was hatte sie ihm schon groß zu bieten. Sie war eine einfache Schülerin. Sie war weder besonders klug, noch was sie besonders hübsch. Erneut seufzte das Mädchen.
„Du machst dir einfach viel zu viele Gedanken dabei“, sagte Kate zu ihr und lächelte sie lieb an. „Und ich hab dir doch schon gestern gesagt, wenn er dich nicht will, dann ist er ein blöder Idiot und hat dich somit auch gar nicht verdient.“
Schwach lächelte die Dunkelhaarige ihre Freundin an. In der Schule angekommen trennten sich die Wege der Freundinnen fürs erste, da Kate, wie an jedem Morgen, erst einmal aufs Klo ging. Mia hingegen ging bereits ins Klassenzimmer. Dort fuhr sich das Mädchen kurz durch ihre Haare und musste ein Gähnen zwanghaft unterdrücken. Noch immer war sie sehr müde. Sie ließ sich auf ihren Platz fallen und packte langsam ihre Sachen für die erste Stunde aus. Um sie herum waren ihre Klassenkameraden munter am reden, doch die Schülerin ignorierte sie nur. Sie hielt sich so gut sie konnte von ihnen fern, da sie nicht wirklich etwas mit ihnen zu tun haben wollte. Ihre einzige Freundin war Kate und das reichte Mia auch. Sie brauchte nicht wirklich mehr Freunde.
„Hey du“, wurde sie plötzlich angesprochen und sie fuhr leicht zusammen.
Als Mia aufblickte, stand vor ihr ein Junge mit mittelangen, dunkelblonden Haaren und dunkelgrünen Augen. Sie musste überlegen, wie der Name des Jungen war, denn sie hatte vielleicht höchstens einmal mit ihm gesprochen.
Maik? Nein. Paul? Nein, das auch nicht. Verdammt wie war sein Name, ging ihr durch den Kopf.
„Was gibt es denn...ähm...“, fragte sie etwas stockend.
Genau in solchen Momenten war Kate natürlich nicht da. Sie hätte ihr sicher sagen können, wie der Junge hieß.
„Louis“, half er ihr etwas auf die Sprünge und lächelte sie an.
„Ah ja genau, Louis“, sagte sie leicht verlegen. „Was willst du denn von mir?“
„Ich wollte dich fragen, ob du mir vielleicht bei meiner Deutschberichtigung helfen kannst. Wir haben zwar unsere Arbeiten noch nicht zurückbekommen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich eine Menge falsch gemacht habe. Du bist doch wirklich richtig gut in Deutsch, also hilfst du mir?“
Die Schülerin fiel fast aus allen Wolken. Ein Junge, den sie wirklich kaum kannte, fragte ausgerechnet sie, ob sie ihm bei der Berichtigung seiner Deutscharbeit half.
„Ich soll dir bei deiner Berichtigung helfen?“, fragte Mia etwas verwirrt nach.
„Ja, aber natürlich nur, wenn es dir nichts ausmacht und du die Zeit dafür hast. Ich könnte dir als Gegenzug vielleicht in einem anderen Fach etwas Nachhilfe geben. Du bist doch in Englisch nicht so gut. Da könnte ich dir vielleicht helfen“, antwortete ihr Louis und lächelte sie noch immer an.
„Weißt du, eigentlich wollte ich schon meiner Freundin Kate helfen und sie hilft mir auch bei Englisch etwas.“
„Oh. Ja, klar, dass verstehe ich“, sagte der blonde Junge, sein Lächeln verschwand und er klang ein kleinen wenig enttäuscht.
„Aber vielleicht kann ich euch ja beiden helfen. So in der Gruppe macht das doch auch mehr Spaß. Zu dem lenken Kate und ich uns gerne gegenseitig ab. Wenn da noch jemand wäre, werden wir vielleicht schneller fertig“, erwiderte die Schülerin schnell.
„Wirklich? Das ist ja klasse. Wann wollt ihr euch denn treffen? Heute?“
„Ja, aber eigentlich wollten wir zu Kate. Wenn wir jetzt aber zu dritt sind, sollten wir lieber zu mir gehen. Da ist weitaus mehr Platz.“
„Gut, dann treffen wir uns nach der Schule und fahren zu dir“, sagte Louis und ging zurück zu seinem Sitzplatz.
Langsam wurde Mia bewusst, was sie da gerade eigentlich getan hatte. Ihr Gesicht wurde so rot wie eine Tomate und am liebsten wäre sie in einem Erdloch verschwunden. Sie würde einen Jungen mit nach hause bringen. Das hatte sie noch nie getan.
„Was wollte der Kerl denn von dir?“, fragte sie aufeinmal Kate, die sich gerade auf den Platz neben Mia niederließ.
„Er hat mich gefragt, ob ich ihm bei der Berichtigung der Deutscharbeit helfe“, antwortete ihr das braunhaarige Mädchen.
„Louis? Aber er ist doch sonst so gut in Deutsch.“
Die Andere zuckte nur mit den Schultern und in diesem Moment kam ihr Deutschlehrer herein. Wie zu erwarten hatte Mia wieder die beste Deutscharbeit geschrieben. Sie war froh, als sie zur Sporthalle gingen, für ihre letzten zwei Stunden für heute.
„Weißt du, ich finde es schon komisch, dass Louis ausgerechnet dich gefragt hat, ob du ihn hilfst“, meinte Kate, während sie sich für den Sportunterricht umzog.
„Was willst du damit sagen?“, fragte die Ältere, die schon fertig umgezogen auf der Umkleidebank saß, sie.
„Na ja weißt du, selbst wenn er die Arbeit wirklich so in den Sand gesetzt hat wie er vermutet hat, dann könnte er doch seine Freundin um Hilfe bitten.“
„Seine Freundin?“
„Ja. Er geht mit Jasmin“, sagte Kate, die ihre Stimme etwas gesenkt hatte, und nickte Richtung Tür.
Gerade verliess ein Mädchen mit langen rotbraunen Haaren, die zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden waren und die mindesten eine Tonne Schminke im Gesicht trug, die Umkleidekabine.
„Mit so einer geht er?“, fragte Mia und klang deutlich verwundert.
Zwar kannte sie Louis noch nicht wirklich gut, aber sie hatte das Gefühl, das er nicht der Typ war, der auf solche Mädchen wie Jasmin stand.
„Ja, aber wie es aussieht haben sie wohl mal wieder etwas Stress miteinander, sonst hätte er dich nicht sicher gefragt“, erwiderte Kate und band sich die Haare zusammen. „Ich hasse Basketball.“
Sie drehte sich zu Mia und sah sich an. Die Blonde trug ein dunkelblaues T-Shirt, auf dem ein Husky gedruckt war und schwarze Shorts.
„Du wirst es schon überleben“, meinte ihre Freundin und stand auf.
Sie selbst trug ein graues Hello Kitty T-Shirt und eine lange blaue Sporthose. Sie hatte sich die Haare zu zwei Zöpfe zusammengebunden.
„Ich will nicht. Können wir nicht einfach schwänzen?“, maulte Kate leise.
„Du weißt genau, dass das nicht geht oder willst du extra Runden laufen?“, erwiderte Mia, nahm Kate an der Hand und zog sie hinter sich her in die Sporthalle.
Es war noch etwas Zeit, also setzten sie sich auf die Tribüne und wollten noch etwas reden. Da kam plötzlich Jasmin mit zwei Freundinnen, die bestimmt genau so viel Schminke trugen wie sie selbst, zu ihnen und stellte sich vor sie.
„Lass meinen Freund in Ruhe klar“, fuhr sie die Braunhaarige sofort an.
„Ich hab doch gar nichts gemacht“, verteidigte sich das Mädchen leise.
„Das ist auch besser so für dich. Wenn du ihn auch nur anfassen solltest, dann bist du dran. Ich behalte dich im Auge.“
Damit zog Jasmin mit ihren Freundinnen wieder ab. Mia blickte ihr nur verwirrt hinterher.
Was geht denn mit der ab?, fragte sie sich.
„Die ist ja mal verdammt eifersüchtig. Vielleicht steht Louis ja sogar ein bisschen auf dich“, meinte Kate und grinste ihre Freundin an.
„Na und. Ist mir doch egal“, sagte Mia und war etwas rot geworden. „Ich stehe aber nicht auf ihn.“
„Ja ja. Für dich gibt es nur den süßen jungen Buchhändler, den du nicht schaffst anzusprechen.“
„Du bist schon wieder fies zu mir.“
„Du kennst mich doch. Das ist meine Art dir zu sagen, wie lieb ich dich doch habe.“
„Hey, aber was ist, wenn Louis wirklich auf mich stehen sollte?“, fragte die Ältere und klang nun etwas verunsichert.
„Na dann gibst du ihm einfach einen Korb. Du hast doch gesagt, dass du nichts von ihm willst“, erwiderte die Blonde nur.
„So was kann ich nicht. Ich hab noch nie jemanden einen Korb gegeben.“
„Es gibt schließlich für alles ein erstes Mal. Außerdem ist es doch ganz einfach. Du müsste ihm nur sagen, dass du nichts für ihn fühlst.“
„Oh Gott, dass wird niemals was werden. Ich hoffe jetzt einfach mal, dass dem nicht so ist und Jasmin und du euch das nur einbildet. Ich bin verdammt froh, dass wir uns zu dritt heute bei mir Treffen.“
„Zu dritt bei dir?“, fragte Kate ihre Freundin verwundert.
„Ach verdammt, dass habe ich dir ja noch gar nicht gesagt. Ich habe Louis vorgeschlagen, dass wir heute alle drei zusammen die Berichtigung machen und uns bei mir treffen. Es tut mir so Leid.“
Die Blonde seufzte leise und schaute Mia an.
„Na gut, machen wir das eben zusammen“, sagte sie dann schließlich.
„Wirklich? Du bist die allerbeste Freundin die man sich nur wünschen kann“, erwiderte Mia und drückte die Blonde an sich.
Nach dem Unterricht warteten die Beiden vor der Sporthalle auf Louis. Der Sportunterricht schien an diesem Tag noch schlimmer gewesen zu sein, als sonst. Jasmin hatte versucht Mia so fertig wie nur möglich zu machen. Sie hatte sie an gerempelt, geschubst und sogar den Basketball nach ihrem Kopf geworfen. Zum Glück hatte sie sich nichts weiter getan. Nur leicht das Knie auf geschlagen, als sie den Ball ausgewichen war. Jasmin hatte darauf hin so einen Ärger bekommen, dass sie den Rest des Unterrichts auf der Bank verbringen durfte und sogar noch eine Strafarbeit aufbekam.
„Und ich dachte immer, Mädchen brauchen so lange beim umziehen“, meinte Kate, als sie schon gute zehn Minuten auf Louis warteten und sah auf ihre Uhr.
„Er kommt sicher gleich“, entgegnete Mia und in diesen Moment ging die Tür auf und der blonde Junge kam raus.
„Sorry das ihr warten musstet. Von mir aus können wir jetzt los“, sagte er.
Während des ganzen Weges zum Bahnhof, die ganze Zugfahrt bis zu sich nach hause schwieg Mia. Sie merkte auch nicht, wie Louis ihr immer wieder versohlende Blick zu warf, doch auch er schwieg. Erst als sie vor der Wohnungstür standen sagte sie was.
„So, dann wären wir dann also“, meinte die Braunhaarige und schloss die Wohnungstür auf.
Speedy erwartete sie bereits, doch als sie Louis sah, machte sie sich schnell aus dem Staub.
„Habe ich dein Kätzchen etwa erschreckt?“, wollte er wissen.
„Sie ist noch etwas scheu gegenüber Fremden. Wir haben sie erst seit kurzen“, antwortete Mia ihm. „Geht doch schon mal ins Wohnzimmer. Ich werde uns etwas zutrinken holen.“
Kate nickte nur und zog Louis einfach hinter sich her. Die Schülerin verschwand rasch in der Küche und atmete erst einmal richtig durch. Obwohl ihre Freundin auch hier war, war das Mädchen doch recht nervös. Sie hatte noch nie einen Jungen mit nach Hause gebracht.
Ruhig bleiben Mia. Ihr arbeitet nur zusammen für die Schule nichts weiter, ging es ihr durch den Kopf.
Mia gab der, sich untere dem Schuhregal versteckenden, Speedy etwas zu futtern und kam dann mit drei Gläsern und einer Flasche Trinken ins Wohnzimmer. Sie stellte alles auf den Tisch ab und setzte sich zu den Anderen.
„Ihr habt ja noch nicht mal ausgepackt“, stellte Mia fest.
„Wir wollten gerne auf dich warten“, erwiderte Louis, öffnete seine Schultasche und begann gemütlich seine Sachen auszupacken.
Die Braunhaarige nahm die Arbeiten der Beiden zu Hand und überflog sie kurz. Louis hatte noch schlechter abgeschnitten als Kate. Mia begann zu erklären und zu ihrer Verwunderung begriff der Blonde sehr viel schneller als ihre Freundin. Die Schülerin runzelte leicht die Stirn. Wenn er so schnell verstand, warum machte er dann so viele Fehler in der Arbeit. Sie saßen sehr lange zusammen, als Louis plötzlich aufstand.
„Was ist denn?“, fragte die Gastgeberin leicht verwundert.
„Ich will nur eine neue Flasche Zutrinken holen“, erwiderte er, hielt die leere Flasche etwas hoch und verschwand in der Küche.
„Aber du musst doch nicht gehen. Ich kann das auch machen.“
Auch Mia stand auf und folgte dem Jungen in die Küche. Dieser stand in der Küche und grinste sie verlegen an.
„Weißt du, eigentlich wollte ich dich nur von Kate weg locken, denn ich würde gerne kurz alleine mit dir sein“, sagte Louis zu ihr.
Das Mädchen wurde leicht rot im Gesicht, schüttelte dann aber leicht den Kopf und schloss die Küchentür hinter sich. Vielleicht wollte er sie nur etwas wegen der Arbeit fragen, was ihm vor Kate peinlich war.
„Und warum?“, wollte sie wissen und lehnte sich leicht an die Küchentür, da sie doch etwas nervös wurde.
Louis kam auf sie zu, stütze sich mit den Händen neben ihrem Kopf ab und kam ihr langsam etwas näher. Mias Herz begann wie verrückt zu schlagen. Er war ihr nah. Viel zu nah. Sie konnte leicht seinen Atem auf ihrer Haut spüren. Ein doch recht angenehmer Schauer lief ihr über den Rücken und doch fühlte sich die Schülerin nicht ganz wohl bei der Sache.
„Louis, bitte lass das. Das ist viel zu nah. Sag mir einfach, warum du mit mir alleine sein wolltest“, sagte die Braunhaarige leise, drehte den Kopf verlegen etwas zur Seite und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
„Ich möchte mit dir ausgehen“, erwiderte er eben so leise wie Mia.
„Warum? Du hast doch eine Freundin.“
Leise lachte Louis auf und begann etwas mit einer Haarsträhne von Mia zu spielen.
„Sie ist schon lange nicht mehr meine Freundin. Ich hab mit ihr schon vor Monaten Schluss gemacht, doch sie will es einfach nicht wahr haben“, meinte er.
„Ich kann nicht“, murmelte Mia leise und schloss die Augen.
„Und wenn ich dir sage, dass ich schon sehr lange in dich verliebt bin“, flüsterte der Blonde ihr ins Ohr und das Mädchen wurde sofort knallrot.
„Bitte Louis. Ich kann wirklich nicht mit dir ausgehen.“
Diese Situation wurde Mia immer unangenehmer. Louis wollte also tatsächlich etwas von ihr.
„Es gibt wohl schon jemanden, dem dein Herz gehört“, sagte er leise und ließ langsam von der Schülerin ab.
Diese öffnete langsam ihre Augen wieder und sah den Jungen an. Er wirkte ein wenig traurig und niedergeschlagen.
„Ja, den gibt es“, antwortete sie ihm ehrlich.
„Ich bin selbst Schuld. Ich hätte nicht so lange warten und dich schon viel früher fragen sollen. Noch bevor ich mit Jasmin zusammen gekommen bin, aber ich war einfach zu feige.“
„Louis, es tut mir Leid.“
„Dir muss gar nichts Leid tun Mia. Mir tut es Leid, dass ich gezögert habe, aber ich werde warten, denn vielleicht ist dein Herz ja eines Tages wieder frei für mich. Ich denke, ich werde jetzt lieber gehen. Wir sehen uns Morgen in der Schule.“
Louis beugte sich zu ihr, küsste sie kurz auf die Wange und verschwand dann aus der Küche. Erst als Mia die Wohnungstür hörte, wurde ihr klar, dass Louis wirklich gegangen war. Kate kam nun zu ihrer Freundin und sah sie besorgt an.
„Ist alles ok“, fragte sie leise.
„Er liebt mich“, brachte die Ältere nur hervor und einige Tränen liefen ihr die Wangen runter. „Er hat gesagt, dass er schon lange in mich verliebt ist.“
Behutsam nahm die Blonde die Andere in den Arm und streichelte sie etwas. Mia wischte sich rasch die Tränen weg. Es tat ihr wirklich weh Louis so zu verletzen, doch Tränen halfen da nicht.
„Lass uns in die Stadt fahren. Ich muss mich irgendwie davon etwas ablenken“, sagte die Ältere schließlich.
„Alles klar und dann besuchen wir deinen Buchhändler. Ich komm auch mit“, erwiderte Kate.
Sie kann es einfach nicht lassen, dachte sich die Brünette und lächelte etwas.
Es konnte ja nicht wirklich schaden kurz in dem Buchladen vorbei zu schauen. Vielleicht würde das sie ja genug ablenken um die Sache mit Louis wenigsten ein wenig zu vergessen.


Kapitel 3 - Peinlich




„Verdammt Mia! Könnten wir bitte endlich rein gehen? Hier draußen frieren wir uns noch den Hintern ab“, sagte Kate und sie klang deutlich genervt.
Die beiden Mädchen standen nun schon eine geschlagene Stunde vor dem Buchladen und Mia weigerte sich hinein zu gehen.
„Weißt du Kate, ich habe es mir doch noch mal überlegt und ich halte es für keine gute Idee. Du kannst alleine rein gehen und ich werde hier ganz brav auf dich warten“, erwiderte die Ältere.
Mit leicht gerunzelter Stirn sah Kate die Andere an und schüttelte nur mit den Kopf.
„Nichts da. Du kannst sofort vergessen, dass du dich wieder davor drücken kannst. Wir werden jetzt zusammen in den Laden gehen.“
Mit diesen Worten griff die Blonde nach der Hand ihrer Freundin und zog sie hinter sich her in den Laden.
„Er ist gar nicht hier“, behauptete Mia einfach, ohne sich überhaupt einmal umzusehen, aber die Jüngere blickte sich suchend um.
„Du hast recht. Ich kann ihn jedenfalls nicht entdecken. Er scheint tatsächlich nicht da zu sein“, meinte Kate und die Braunhaarige sah sich rasch unauffällig um.
„Hab ich doch gesagt, also können wir ja auch gleich wieder gehen.“
„Wir sind zwar wirklich hauptsächlich wegen Johannes gekommen, aber so kannst du dich hier endlich mal wieder ein bisschen entspannen. Wenn du sonst hier im Laden bist und er auch da ist, dann bist du immer total verkrampft. Zu dem kannst du dich endlich mal wieder in Ruhe umsehen. Du hast doch schon ewig hier kein Buch mehr gekauft, weil Johannes dich immer abgelenkt hat. Als, ich sehe mich da drüben mal um. Wir sehen uns später.“
Damit ließ Kate ihre Freundin einfach stehen und verschwand zwischen einigen Bücherregalen. Mia blieb noch einen kurzen Moment stehen und blickte der Anderen leicht verwirrt nach, doch dann lächelte sie. Sie wusste, dass die Blonde wirklich recht hatte und so begann sie etwas zu stöbern. Seit dem sie Johannes das erste Mal getroffen hatte, hatte sie sich in dem Laden nicht mehr umgesehen, sonder immer nur Augen für ihn gehabt. Nach und nach fühlte sich die Schülerin schon wohler in den Buchladen. Wenn Johannes nicht hier war, war es wirklich anders. Gerade hatte sie ein Buch zurückgestellt und wollte nach Kate suchen, als sie mit jemanden zusammen stieß und schon fast das Gleichgewicht verlor. Doch ehe sie überhaupt fallen konnte, hatte sie jemand am Arm gepackt und sie fest gehalten.
„Ich hoffe, dass dir nichts passiert ist“, hörte das Mädchen eine ihr sehr vertraute Stimme sagen und wäre in diesem Moment am liebsten im Erdboden versunken.
Die Person mit der sie ausgerechnet zusammen gestoßen war, war niemand anderes als Johannes. In diesem Moment glaube Mia, dass sich das Leben komplett gegen sie verschworen hatte. So etwas konnte natürlich auch nur wieder ihr passieren. Als wäre die Sache mit Louis heute nicht schon schlimm genug gewesen, nein, jetzt musste ihr auch noch so was passieren. Die Schülerin merkte, wie sie langsam etwas röter im Gesicht wurde und wie Johannes sie die ganze Zeit schon ansah. Noch immer hielt der junge Mann sie am Arm fest. Leicht senkte Mia ihren Blick etwas, damit er ihr nicht in die Augen sehen konnte und nicht merkte, wie unglaublich peinlich ihr die ganze Sache in diesem Augenblick war. Wie konnte sie nur glauben, dass ihr Leben wirklich nicht mehr schlimmer hätte werden können? Sie schluckte leicht. Irgendwas musste sie doch jetzt sagen, denn immer hin wartet Johannes ja auf eine Antwort von ihr.
„Was ist? Hast du dir vielleicht irgendwie weh getan?“, fragte der junge Buchhändler nach, da die Braunhaarige immer noch kein Wort heraus brachte.
„Ich...Nein es ist nicht. Entschuldigung“, sagte sie schnell, löste sich von ihm und verließ den Laden so schnell sie nur konnte.
Ihr Leben schien von Sekunde zu Sekunde schlimmer zu werden. Bei ihrer 'Flucht' hatte sie nicht bemerkt, wie sich der Anhänger, der sich immer an ihrer Umhängetasche befand, gelöst hatte und zu Boden fiel. Ihre Gedanken waren gerade wo anders und draußen vor dem Laden atmete sie erst einmal tief durch. Auch wenn die ganze Sache furchtbar peinlich gewesen war, so hatte sie doch wenigstens mit ihm geredet, irgendwie jedenfalls. Trotzdem seufzte die Schülerin leise. Johannes würde sie jetzt sicher für ziemlich seltsam halten. Schließlich war sie einfach aus dem Buchladen getürmt.
„Was machst du denn hier draußen?“, fragte Kate , die gerade den Buchladen verließ, sie plötzlich.
Leicht zuckte die Ältere zusammen und wandte sich ihrer Freundin zu.
„Ich...hab ihn getroffen. Er war doch da und ich bin mit ihm zusammen gestoßen. Ich hab auch mit ihm geredet. Naja, ich hab mich mehr bei ihm entschuldigt und bin dann nach draußen abgehauen“, sagte sie schnell und holte erst, als sie fertig war, wieder Luft.
„Noch mal ganz langsam. Du bist mit Johannes zusammen gestoßen, hast dich dafür entschuldigt und bist dann abgehauen? Bist du blöd oder was? Das war doch die Chance mit ihm ins Gespräch zu kommen.“
„Ich war zu sehr damit beschäftigt, vor Scham nicht im Boden zu versinken. Kate, das war mir in dem Moment wirklich sehr peinlich und ich wollte eigentlich nur noch da weg. Du als meine Freundin solltest das doch eigentlich doch verstehen.“
„Du hast Recht. Es tut mir Leid. Es war nur eben die Chance ihm näher zu kommen. Ich hab nicht daran gedacht, dass dir die Situation vielleicht ziemlich peinlich war.“
„Ich will jetzt nur noch nach Hause. Ich dachte, nach dem gestrigen Tag könnte es nicht mehr schlimmer werden, aber ich habe mich geirrt. Erst gesteht mir Louis seine Liebe und ich breche ihm das Herz und dann stoße ich auch noch mit meinem Schwarm zusammen.“
„Wenn ich dir einen Vorschlag machen dürfte Mia. Was hältst du davon, dass ich von heute bis Sonntag bei dir bleibe. Wir machen ein richtiges Mädchenwochenende und wir versuchen, dass du wenigstens für die paar Tage einfach mal all deine Sorgen vergessen kannst. Na, was hältst du davon?“
Ein schwaches Lächeln erschien auf den Lippen von Mia. Erwähnte sie schon, dass Kate die beste Freundin war, die man sich nur wünschen konnte?
„Das würdest du wirklich für mich tun?“, fragte das ältere Mädchen nach.
„Aber klar doch! Ich müsste zwar am Wochenende zu meinem Vater, aber da habe ich eigentlich so gar keine Lust drauf. Meine Schwester ist doch eh sein Liebling. Ich bin da völlig überflüssig“, erwiderte die Blonde schnaubend.
Mia wusste, dass ihre Freundin kein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatte, seit dem sich ihre Eltern vor einigen Jahren voneinander Scheiden ließen. So weit die Braunhaarige wusste, war damals eine andere Frau im Spiel gewesen, aber so genau hatte sie da nicht nachgefragt. Sie hatte einfach versucht ihre Freundin zu trösten.
„Und du bist ganz sicher, dass du deinen Vater nicht sehen willst?“, wollte die Schülerin wissen. „Ich weiß ja, dass ihr euch seit der Scheidung nicht mehr so gut versteht, aber er ist dein Vater. Ich wäre wirklich froh, wenn ich meinen Vater jedes Wochenende sehen könnte. Aber meiner ist irgendwo am anderen Ende der Welt und meldet sich kaum noch bei mir.“
Während Mia sprach wurde sie immer trauriger. Sie hatte ihren Vater schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen.
„Ist er etwa immer noch in Mexiko?“, fragte Kate nach.
„Nein, laut seiner letzten Mail ist er jetzt in New York City. Aber das ist trotzdem noch so weit weg. Er weiß noch nicht mal, ob er es schafft, an Weihnachten nach hause zu seiner Familie zu kommen. Ich hab wirklich manchmal wirklich das Gefühl, seine Arbeit ist ihm wichtiger, als seine Kinder“, erwiderte die Ältere und wischte sich kurz über die Augen, weil sich doch ein paar Tränen dort gebildet hatten.
„Dann lass uns langsam mal los gehen. Sonst verpassen wir noch unseren Zug und kommen niemals an. Ich schlage vor, dass wir erst zu mir fahren und ich meine Sachen holen. Meine Mutter ist sicher so nett und fährt uns dann zu dir“, meinte die Blonde und griff nach der Hand ihrer Freundin.
„Sie wird sich aber nicht darüber freuen, dass du nicht zu deinem Vater willst“, entgegnete die Braunhaarige.
„Das ist mir ziemlich egal. Meine beste Freundin ist mir jetzt weit aus wichtiger als das doofe Wochenende bei meinem Erzeuger!“
Und schon war die Jüngere mit Mia an der Hand zum Bahnhof gegangen. Sie hatten wirklich ziemliches Glück, denn sie erwischten gerade noch so ihre Bahn.
„Das war knapp“, meinte Mia, als sie sich auf einen freien Sitzplatz am Fenster sinken ließ und nun bemerkte, dass ihr irgendetwas fehlte. „Oh nein, ich habe Hussel verloren.“
Kate, die sich gerade auf den Platz neben sie setzte, horchte nun auf.
„Der kleine süße Plüschhundanhänger, den ich dir mal geschenkt habe?“, fragte sie nach und Mia nickte.
„Ja. Ich bin mir ganz sicher, dass er vorhin noch an meiner Tasche war. Verdammt, ich werde ihn wohl nicht wieder sehen.“
Seufzend ließ sich die Schülerin in ihren Sitz sinken. Hussel war ihr wirklich sehr wichtig. Für sie war der kleine Terrier so etwas wie ein Talisman. Er begleitete sie gewiss schon über zehn Jahre durch ihr Leben. Hussel war ein Geburtstagsgeschenk von Kate gewesen und der Kleine hatte schon wirklich viel mit den Beiden erlebt. Ihren ersten großen Streit und die Versöhnung danach, aber nun war der kleinen Hund eben weg.
„Ach was, den werden wir schon wieder finden. Du sagtest ja, dass du ihr vorhin noch hattest, dann hast du ihn vielleicht im Buchladen verloren. Wir könnten morgen hin gehen und nach fragen oder ich gehe alleine und frage, wenn dir es noch peinliches ist hin zu gehen“, meinte Kate zu ihrer Freundin.
„Ich glaube zwar nicht, dass sie ihn einfach da behalten und warten bis sicher der Besitzer meldet, aber tu was du nicht lassen kannst“, erwiderte das ältere Mädchen und blickte aus dem Fenster.
„Heute scheint wirklich nicht ganz dein Tag zu sein. Aber du bist doch sonst auch kein Kind von Traurigkeit. Weißt du, ich glaube morgen wird alles wieder besser werden.“
„Weißt du, manchmal bist du mir etwas zu optimistisch, weißt du das eigentlich. Aber na ja, wir werden ja sehen. Wovor ich morgen doch ziemlich Angst habe, ist das Treffen mit Louis. Er hat wirklich ziemlich verletzt ausgesehen, als ihm klar wurde, dass mein Herz schon einem Anderen gehört.“
„Mia, du kannst nicht alle Jungs glücklich machen. Sie müssen genauso mit Abweisungen leben wie wir. Es wird ihn schon nicht umbringen. Wir sind außerdem gleich da.“
Mia nickte schlicht und einfach nur, denn weiter darüber reden wollte sie nun eigentlich nicht mehr. Es machte die Sache ja auch nicht mehr besser. Sie stiegen aus, als der Zug hielt und machten sich auf dem Weg zu Kate. Die Ältere war schon seit längerem nicht mehr bei ihrer Freundin gewesen. Meistens trafen sie sich eben bei ihr Zuhause. Als die Blonde die Tür zur Wohnung auf schloss, wurde sie schon freudig von ihrem Schäferhund Lucky erwartet. Kaum war die Tür offen, da sprang der Hund auch schon den erst Besten an, um ihn das Gesicht abzulecken und das war ausgerechnet Mia.
„Hey ganz ruhig Großer. Ich freue mich ja auch, dich mal wieder zu sehen“, sagte die Schülerin lachend und schaffte es irgendwie, den Hund wieder von sich wegzudrücken.
Sie hatte Glück, dass er sie nicht einfach umgeworfen hatte, denn so ein ausgewachsener Schäferhund war nicht gerade klein.
„Das bist du ja endlich wieder Kate“, sagte nun Kate's Mutter, die zur Tür gekommen war. „Und du hast Mia mit gebracht. Das ist aber schön. Du hast uns lange nicht mehr besucht.“
„Schönen guten Abend“, sagte Mia, denn draußen wurde es nun schon langsam dunkel.
„Du bleibst doch sicher zum Abendessen.“
„Ja, tut sie und ich schlafe die nächsten Tage bei ihr. Ich werde nämlich nicht zu Papa fahren“, schaltetet sich Kate jetzt ein.
„Du willst nicht zu eurem Vater fahren? Du weißt doch, wie sehr er sich immer freut, wenn ihr Beide ihn besuchen kommt“, meinte die Mutter von Kate.
„Nein, auf mich freut er sich ganz sicher nicht. Auf die Einzige, auf die er sich freut, ist Laura. Ich bin ihm doch ziemlich egal.“
„Kate, du weißt ganz genau, dass das nicht stimmt. Er hat euch beide gleich lieb.“
„Ist mir auch egal. Ich hab keine Lust darauf, zu ihm zu fahren.“
„Na schön. Ich glaube, du kommst auch so langsam in das Alter, in dem man das selbst entscheiden will“, meinte die Mutter mit einem leisen Seufzer. „Dann geh jetzt wenigstens mit Lucky spazieren. Er wartet schon die ganze Zeit auf dich.“
Mit diesen Worten drückte Kate's Mutter ihrer Tochter die Hundeleine in die Hand und verschwand wieder in der Küche. Lucky war schnell angeleint und die Beiden Mädchen machten sich auf den Weg, mit dem Schäferhund eine Runde zu drehen.
„Deine Mutter hat wirklich nicht sonderlich glücklich ausgesehen, als du ihr gesagt hast, dass du nicht zu deinem Vater fahren willst. Ich hab dir ja gesagt, dass es ihr nicht gefallen wird“, meinte Mia, nach dem sie schon ein gutes Stück durch das Dorf gegangen waren.
„Aber du hast sie ja gehört. Ich bin wohl in dem Alter, in dem man das selbst entscheiden will“, antwortete ihre Freundin mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
„Wie gesagt, du kannst froh sein, dass du deinen Vater ab und zu sehen kannst. Dafür würde ich manchmal wirklich alles geben. Wenn er wenigsten an Weihnachten nach Hause kommen würde.“
Mia seufzte leise. Sie wünschte sich wirklich sehr, dass ihr Vater zusammen mit der Familie Weihnachten feiern würde. Seit dem Weihnachtsfest im letzten Jahr hatte sie ihn nun schon nicht mehr gesehen, aber wahrscheinlich würde ihm etwas dazwischen kommen und er würde wirklich nicht nach Hause kommen. Ihr Vater verdiente mit seinem Job wirklich sehr gut, doch das war der Schülerin eigentlich egal. Sie wollte einfach nur ihren Vater zuhause haben.
„Hey, jetzt schau doch nicht schon wieder so traurig drein. Das mag ich ganz und gar nicht. Er kommt bestimmt zu Weihnachten nach Haus“, meinte Kate und pickte ihre Freundin leicht in die Seite.
„Das ist leichter gesagt als getan. Es ist heute so viel passiert, dass ich gar nicht so recht weiß, wo mir jetzt eigentlich der Kopf steht. Ich sollte nicht so viel an meinen Vater denken, dass zieht mich wirklich nur noch weiter runter und außerdem ist es ja noch eine Weile bis Weihnachten“, erwiderte die Braunhaarige und streckte sich etwas.
Der Hund hatte sich nun erleichtert und so machten sich die Mädchen langsam auf den Rückweg. Bei Kate wartete auch schon die Mutter mit dem Essen auf die Beiden. Es gab selbst gemacht Pizza und Mia aß sogar drei große Stücke. Nach dem Essen gingen sie nach oben in Kate's Zimmer, wo die Blonde rasch ein paar Sachen zusammen packte. Mia setzte sich aufs Bett und beobachtete ihre Freundin bei ihrem Treiben.
„Du sag mal, bist du eigentlich mit deinem Freund noch zusammen?“, fragte die Ältere plötzlich.
„Du meinst Flo? Sicher sind wir noch zusammen“, antwortete Kate ihr etwas verwundert.
Für gewöhnlich fragte Mia nie nach dem Freund ihrer Freundin.
„Ich frag nur, weil du schon so lange nicht mehr von ihm gesprochen hast.“
„Wir haben uns jetzt schon länger nicht mehr gesehen, aber er kommt vielleicht bald her. Ich wollte jetzt nicht so sehr mit meinem Glück prallen, während du doch noch Probleme in der Liebe hast.“
Kate führte seit einigen Jahren eine Fernbeziehung mit ihrem Freund Florian, den sie nur Flo nannte. Zwar sahen sie die Beiden wirklich nur selten, aber doch schien die Jüngere glücklich in dieser Beziehung zu sein. Auch wenn Mia es nicht zu geben würde, so war sie doch etwas neidisch darauf und war froh, dass ihre Freundin etwas Rücksicht auf sie nahm. Kate war nun fertig mit packen, setzte sich zu der Braunhaarige aufs Bett und legte den Arm um sie.
„Bei dir wird das sicher auch noch klappen, da musst du mir nur vertrauen“, meinte sie und lächelte Mia an.
„Da bin ich mir inzwischen aber gar nicht mehr so sicher. Aber wie meine Mutter sagen würde, jeder Topf findet irgendwann seinen passenden Deckel“, erwiderte die mit einen schwachen Lächeln auf den Lippen.
„Die Einstellung gefällt mir doch gleich sehr viel besser an dir! Selbst wenn das mit Johannes nicht klappen sollte, irgendwo da draußen wartet ganz sicher der Richtige auf dich. Ich bin mir ja auch nicht sicher, ob Flo wirklich 100 prozentig der Richtige für mich ist. Aber so lange ich mit ihm glücklich sein kann, will ich es auch genissen.“
Mia kicherte leise und drückte die Blonde an sich. Nun standen die Beiden auf, Kate schnappte sich ihre Tasche und schon einen Augenblick später saßen sie im Wagen von Kate's Mutter.
„Hast du denn auch alles mein Schatz?“, fragte die Mutter Kate, bevor sie den Motor startete.
„Natürlich Mama“, erwiderte sie und verdrehte leicht genervt die Augen.
„Ich wollte ja nur nochmal nachgefragt haben. Nicht das du am Ende doch noch was vergessen hast. Da fällt mir ein, hab ihr heute nicht eure Deutscharbeit zurückbekommen? Wie ist sie denn ausgefallen? Mia hat sicher wieder eine gute Note geschrieben, aber was ist mit dir Kate?“
„Na ja, eigentlich so wie immer.“
„Was soll das heißen, so wie immer? Kate, jetzt sag mir doch bitte einfach deine Note.“
„Ich hab eine Vier geschrieben“, nuschelte Kate, sank etwas weiter in ihren Sitz und blickte aus dem Beifahrerfenster.
„Schon wieder? Dabei lernt ihr Beiden doch eigentlich dauern zusammen. Obwohl, ich glaube genau das ist das Problem. Ihr lenkt euch gegenseitig viel zu sehr ab“, meinte Kate's Mutter und seufzte schwer.
„Mir hat nur ein Punkt zur Drei gefehlt!“
„Und warum hast du diesen einen Punkt nicht bekommen?“
Darauf antwortete Kate nicht, sondern starrte weiter aus dem Fenster.
„Kate, du weiß, dass gute Noten wichtig sind. Deswegen habe ich beschlossen, dass du Nachhilfe bekommen sollst. Du bist ja nicht nur in Deutsch schlecht. Dazu kommen ja auch noch Mathe und Biologie. Ich hab bereits mit einem deiner Klassenkameraden gesprochen und er ist bereit dir zu helfen.“
Die Augen der Blonden verengten sich leicht zu Schlitzen und sie schaute ihre Mutter misstrauisch an.
„Und wann hast du das ganze bitte entschieden und wen hast du ausgesucht?“, fragte sie nach und rechnete eigentlich schon mit dem schlimmsten.
„Heute morgen, als du schon in der Schule warst. Ich hab heute Nachmittag schon mit ihm gesprochen. Ein ausgesprochen netter Junge. Sein Name ist Louis.“
Kate starrte ihre Mutter nun mit offenen Mund an und auch Mia konnte nicht so recht glauben, was sie da gerade gehört hatte. Louis sollte Kate Nachhilfe geben? Sie wusste ja, dass er wohl ein bessere Schüler war, als er aussah, aber das er dann doch wieder so gut war, dass er jemand anderes Nachhilfe geben konnte, dass hatte sie nicht gewusst. Sie hoffte nur, dass das gut gehen würde und er das nicht ausnutzen würde, nur um in ihrer Nähe zu sein.
„Na dann wünsche ich euch Beiden noch viel Spaß“, sagte die Mutter von Kate, als sie bei Mia angekommen waren. „Und Kate? Komm am Sonntag bitte nicht zu spät nach Hause. Ich habe Stev zum Abendessen eingeladen.“
„Ja, ja Mama“, murmelte die Blonde nur, verdrehte wieder etwas die Augen und stieg mit ihrer Freundin aus.
„Du magst den neuen Freund deiner Mutter nicht, nicht wahr?“, stellte Mia fest, als das Auto wieder weg fuhr.
„Ich kann den Kerl einfach nicht leiden. Aber jetzt geht es nicht um mich, sondern nur um dich. Lass uns reingehen ok.“
Sie gingen zur Haustür, vor der etwas kleines auf dem Boden saß. Mia bückte sich, um es aufzuheben und erkannte, dass es Hussel war.
„Aber wie kommst du denn hier her?“, fragte sie.
„Was ist denn Mia?“, wollte Kate wissen.
„Hussel lag hier vor der Tür. Jemand muss ihn hergebracht haben“, antwortete die Braunhaarige und zweigte ihrer Freundin den Stoffhundanhänger.
„Da hängt ja ein kleiner gefaltete der Zettel dran.“
Nun bemerkte auch Mia das Stück Papier. Vorsichtig löste sie es und faltete ihn auseinander. Nur kurz überflog sie das Geschriebene und wurde knall rot. Sie konnte einfach nicht glauben, von wem dieser Zettel war.
„Was steht denn da nun?“, fragte Kate ungeduldig, riss Mia den Zettel aus der Hand und las ihn selbst.
'Hey Mia
Ich hab den kleinen Kerl nach unserem kleinen Zusammenstoß auf dem Boden gefunden und ich dachte mir, dass er ganz sicher dir gehört. Leider war keiner zuhause, als ich ihn nach Hause bringen wollte, also lass ich ihn einfach mal hier sitzen und hoffe, dass er gute bei dir ankommt. Ich hoffe sehr, dass wir uns bald wieder sehen werden.
Johannes'
Kate lass sich den Zettel ein paar mal durch, dann musste sie grinsen.
„So einen schlechten Eindruck scheinst du bei ihm ja nicht gemacht haben, wenn er dir extra Hussel bringt“, meinte die Blondine.


Impressum

Texte: Charakter so wie die Story gehören mir alleine
Tag der Veröffentlichung: 29.11.2010

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /