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Märchen



„...und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende“, so endeten die meisten Märchen, die Elaine den Kindern vorlas. Wenn sie dann fertig gelesen hatte, setzte sie ihr “Alles ist so, wie in den Märchen- Lächeln“ auf und schickte die Kinder ins Bett. Monique sah ihr jedes Mal dabei zu (obwohl Elaine davon nichts wusste) und wusste, wie sehr Elaine doch gern selbst daran glauben würde, dass alles so, wie in den Märchen passieren würde. Dieses Mal war es das Märchen von dem Prinz, der in ein Biest verzaubert worden war und der Fluch nur durch die Liebe eines Mädchen gebrochen werden konnte, natürlich konnte der Fluch gebrochen werden und der Prinz lebte mit seinen Dienern und dem Mädchen im prachtvollen Schloss weiter, bis sie eben starben, so war es immer in Märchen, es gab nur gute Enden. Elaine erzählte den Kindern immer so etwas, von besseren Welten, versprach ihnen, dass es den Kindern irgendwann besser ginge und dass sie auch irgendwann adoptiert werden würden. Dabei war sie selbst schon seit 15 Jahren hier, am Stadtrand, in dem Waisenhaus, was eine so schöne Lage hatte, aber trotzdem gemieden wurde. Monique selbst lebte hier insgesamt 10 Jahre, aber das lag daran, dass sie ständig von Leuten Adoptiert wurde, wegen ihrer Schönheit, sie war ein richtiges „vorzeige Kind“ geworden und hatte in den Familien auch viele Sachen gelernt, sodass sie das Privileg im Waisenhaus besaß, rechnen, schreiben und lesen zu können. Und sie brachte, wenn sie mal wieder im Waisenhaus war Elaine immer ein Stückchen besser das Lesen bei, bis sie es nun gut genug konnte. Aber die Familien behielten sie nicht lange, sie war ja „anders“, keine Familie könnte zu so einer zeit mit so einem Mädchen als Tochter wohnen. Es war wahrscheinlich der Höhepunkt Frankreichs, da wollte keiner eine Tochter haben, die so „anders“ war, egal, wie hübsch, oder intelligent sie war. Aber natürlich blieb das geheim, niemand wollte zugeben, so jemanden adoptiert zu haben, also wies man sie wieder im Waisenhaus ein. Andere adoptierten sie aber immer weiter, sie wurde schon leicht berühmt, schließlich zeigte man Monique gerne anderen Leuten, um anzugeben und sobald diese Leute erfuhren, dass sie wieder zu haben war, tauchten ganz plötzlich wieder neue Familien auf, die sie haben wollten. Das war aber kein großer Nachteil, sie sah verschiedene Dörfer, Städte und manchmal, wenn man sie wieder zurück brachte, adoptierten die Familien ein anderes Kind und man sah sie meist nicht mehr wieder, die anderen waren ja normal. Monique ging hoch, Elaine sollte sie nicht entdecken.

Bald

, so dachte Elaine, bald werde ich auch adoptiert werden, wenn Monique mal wieder weg war, werde ich eine neue Familie finden und mein eigenes Märchen erleben. So, wie in den Geschichten.


Sie lächelte, wie immer, nachdem sie den Kinder etwas vorgelesen hatte. „Nun müsst ihr aber wirklich ins Bett, wie versprochen.“ „Können wir nicht noch ein bisschen auf bleiben?“, flehten die Kinder und sahen Elaine mit großen Augen an, aber sie hatte sich schon an diese Augen gewöhnt: „Nein, es tut mir leid, aber ich müsst jetzt ins Bett, Morgen haben wir noch etwas zu tun.“ Damit stand sie auf und wartete, bis alle Kinder aus dem Zimmer waren, auch wenn sie sich noch etwas mit gemeinem flüstern unterhielten. Danach ging sie selber in ihr und Moniques Zimmer, sie wollte mal wieder etwas ruhe haben und nachdenken. Diesmal ging sie zum linken Fenster, sah zum Horizont und ließ ihren Gedanken freien lauf, während die Sonne unterging.
Mein Traum wird sich irgendwo weit weg von hier erfüllen, mit meinem Traumprinz, einem eigenen Haus und ... einer Familie.


Es war nicht das erste Mal, dass sie so etwas dachte, aber sie zählte nicht mit. Wahrscheinlich war Monique hinter ihr, sah ihr zu, wie sie einfach nur in die Ferne starrte und würde kommen, aber natürlich nicht, ohne Elains Erlaubnis.

Elaine kam die Treppe hoch, das hörte Monique auch schon allein an ihren Schritten. Sie wartete in ihrem Versteck, bis Elaine im Zimmer war und lies ihr dort noch etwas Zeit, sie würde schon merken, wann sie zu ihr konnte. Es schmerzte, so eine Sehnsucht in ihrem Herzen zu tragen und sich trotzdem so zurück halten zu müssen. Es war ihr einfach nicht gestattet und Elaine wollte es auch nicht, das war der eigentliche Grund. Während Elaine von ihrem Traumprinzen träumte, saß sie neben ihrem Bett und sah Elaine nur an, sie war wirklich süß und ihre Träume bestanden bestimmt nur aus Märchengeschichten, wie sehr sie sich doch wünschte, dass sie in Elains Träumen mitspielen könnte, anstatt des Prinzen. Es war gerade Sonnenuntergang, sie würde bestimmt auf den Horizont hinaus blicken, schließlich hatte sie schon, als sie die Geschichte vorgelesen hatte, diesen Blick, der in der Ferne die Hoffnung suchte, es war mal wieder ein harter Tag gewesen. Monique ging zu ihrer Zimmertür und sah Elaine an, ihr hellblondes Haar bekam einen ganz leichten orangen Schimmer, von der Sonnendämmerung. Es war ein ziemlich trauriger Anblick, wie sie dort am Fenster stand. Dann, endlich, kaum merklich drehte Elaine ihren Kopf in Moniques Richtung. Sie ging zu ihr, aber stolperte dabei über einen Gegenstand, instinktiv schrie sie kurz auf und schloss ihre Augen. Aber statt auf dem abgenutzten und alten Teppich aufzuprallen, blieb sie in der Luft stehen. „Du kannst deine Augen wieder auf machen, es ist nichts passiert.“ Das war Elains liebliche und sanfte stimme! Und tatsächlich, als Monique ihre Augen öffnete und nach oben sah, blickte sie in Elains klaren, blauen Augen. Elaine zog sie nach oben, sodass sie jetzt nur noch ein paar Zentimeter voneinander entfernt standen. Monique wurde rot, sie wünschte es sich so sehr und um ihre Gedanken nicht die Oberhand gewinnen zu lassen, trat sie einen schritt zurück und stammelte: „D...Danke.“

Das leichte Kopfneigen, in Moniques Richtung würde ihr verraten, dass sie kommen durfte und natürlich kam sie auch. Aber der kurze Schrei ließ Elaine umdrehen, in Bruchteilen von Sekunden handelte sie und fing Monique auf. „Du kannst deine Augen wieder auf machen.“, sagte sie und zog Monique wieder auf die Beine, diese trat aber einen schritt zurück und bedankte sich nur. Elaine fing an zu lachen. „Weißt du, was in 2 Tagen ist?“, fragte sie, so gut gelaunt, wie noch nie. „N...Nein, woher soll ich das auch wissen?“, antwortete ihr Monique. „In zwei Tagen bist du weg.“, und ich werde adoptiert

, vollendete sie den Satz in ihren Gedanken.

Während Monique immer noch ihr Gesicht verbarg, fing Elaine an zu lachen. Sie schien so fröhlich, das irritierte Monique ein wenig und brachte sie dazu, wieder hoch zu schauen. Elaine fragte, ob Monique wüsste, was denn in 2 Tagen sei. Das wusste sie natürlich nicht, nur, dass sie dann bei einer Familie war, die sich angekündigt hatte, um Monique abzuholen. Als Elaine dann antwortete, brach irgendetwas in Monique, Elaine freute sich, dass sie an dem Tag weg war, als wäre sie ein nerviges Ungeziefer. Monique hielt es nicht mehr aus, das lachen, was sie zuvor als eins der wunderbarsten Sachen auf der Welt empfunden hatte, schien sie auszulachen. Monique lief aus dem Zimmer und aus dem Haus, Tränen liefen ihr vom Gesicht und landeten auf dem Boden.

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Tag der Veröffentlichung: 28.10.2010

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