Kann man sterben üben?
Tut man es nicht - werden wir mehr und mehr merken, auch sterben ist für andere nur ein Geschaft, und sterben wird teurer jeden Tag.
Warum ist der Tod für manche für uns so schrecklich und beängstigend?
Jeden Tag stirbt ein Teil der Natur rings um uns herum und lebt neu erschaffen am nächsten Tag weiter. Es ist normal, viele von uns blicken nicht mal mehr hin.
* Geboren werden und sterben, es ist der Kreislauf der Natur.
Wir leben mit dem Gedanken an den Tod und schieben ihn doch ständig vor uns her ohne ihn ernst zu nehmen.
Lassen wir den Gedanken zu, dass es auch uns selbst vor der Zeit treffen könnte, dann leben wir in ständigem Selbstbetrug und im Zustand der Täuschung, anscheinend ist der Gedanke anders nicht zu ertragen. Wir hadern mit dem Gedanken, wollen ihn für uns selbst aber nicht zulassen.
Doch was heißt schon“ vor der Zeit“?
Welcher Zeit?
Welche Zeit ist richtig?
Wer sagt, wie lange wir leben?
Wie viel Zeit haben wir denn, um uns mit dem Gedanken zu befreunden?
Ein Leben lang?! Ja -
Mutige tun es immer wieder um zu üben, um es sich selbst leichter zu machen, ohne zu wissen, ob man das überhaupt kann.
Tapfere akzeptieren den Tod am Ende eines Lebens als einen lebenswerten Gedanken weil er zum Leben dazu gehört
und freunden sich mit ihm an.
Feige fürchten und verdrängen den Gedanken an ihn.
Doch er kommt mit großen Schritten. Zu Alten und Kranken eher, zu Gesunden und Jungen unverhofft.
Oft entgleitet uns der Gedanke, im Alltag verdrängen wir ihn gern, aber im Hinterkopf lebt er weiter.
Wer sich in Gefahr begibt, kommt in ihr um, das weiß man, das wissen wir alle und vermeiden, meiden die Gefahr wo es nur geht.
Doch warum leben viele von uns so ungesund?
Ganz Mutige blicken ihr ins Auge. Andere suchen den Kick des letzten Augenblicks. Ob die wohl nur verrückt sind?
Auch noch in der heutigen Zeit und in der vielleicht ganz besonders, gibt es Krankheiten, von denen wir wissen, irgendwann sterben wir an ihr, früher oder später, mit oder ohne Schmerz.
Wir hoffen, wir schlafen friedlich mit der Krankheit ein, trösten uns in der Gewissheit, es gibt Mittel und Medikamente die uns das Sterben erleichtern.
Welch ein Thema, es ist eines, das wir im Gespräch vermeiden, als wäre es ansteckend und würde uns streifen, ohne dass wir davon gestreift werden wollen.
Sollen wir - für die nahen Angehörigen - unser Ende vorbereiten? Vielleicht Ihnen die Arbeit danach für uns erleichtern ?
Es akribisch planen, Vorsorge treffen, wie ist die Beerdigung, ist genug Geld dafür da? Das Sterben ist teuer, warum sollen wir dafür zahlen, das können doch die anderen tun, das denken wir oft und verschweigen den Gedanken. Schweigen ihn tot wie den Tod.
Wenn die ganz Alten das kommende Ende fühlen, verabschieden sie sich, sie versuchen noch in letzter Minute dazu zu stehen. Versuchen ihren Frieden zu machen, denn sie wissen, mit dem Frieden im Herzen stirbt es sich leichter. Doch diesen Gedanken haben nur die ganz Weisen. Jene, die ihn nicht fürchten. Als Rettungsanker dient oft der Glaube an ein gut gelebtes Leben, an Gott, eine höhere Macht. Der Gedanke, dass man im Grunde ein gutes Leben hatte und dass es richtig und nicht falsch ist, wenn es dem Ende zugeht.
Angst vor dem Tod erfasst viele, aber das auch nur, weil wir nicht wissen, wie er sich anfühlt.
Warum setzen wir uns eigentlich nicht in aller Ruhe mit ihm vorher auseinander, begrüßen ihn freundlich und schütteln ihm die Hand, er ist kein fürchterlicher Geselle und tut uns meist nicht weh, nur den anderen, denen die zurückbleiben.
Die weinen, aber warum?
Ich glaube, wir fürchten nicht so sehr den Tod, sondern nur den eventuellen Schmerz der mit ihm einher geht, doch wissen wir, ob der Letzte, der uns trifft, nicht süß und doch freundlich kurz, fast unmerklich gut zu uns ist?
Oder warum haben Sterbende im letzten Moment oft ein so friedvolles glückliches Lächeln auf den Lippen?
Was ging in letzter Sekunde in ihnen vor?
Haben sie ihren Frieden gefunden? Ihr Lebenskonto für sich zufriedenstellend gelöscht?
Wir wissen es nicht –
Unser Verstand und unsere Vernunft sagen uns, wir werden nicht ewig leben, nicht alle können gesund und munter ohne Einschränkungen über Hundert werden und dennoch fliehen wir den Gedanken.
Als meine Großmutter ihr Ende nahen fühlte, wusste ich, sie wollte es so. Ich sah es in ihren Augen, und ich denke, sie war glücklich es geschafft zu haben, obwohl sie an nichts glaubte. Weder an Gott - noch an die Ewigkeit.
Woran ich glaube - ? An eine andere Kraft die uns hält und beschützt.
Das Ende ist oft oder nie ein lebenswertes Leben. Es ist meist beschwerlich und müde, wie der Baum der zum Herbst seine Blätter verliert. Er braucht den Winter um neue Kraft für den Frühling zu tanken. Seine Knochen tun ihm weh, es braucht Kraft um all die Jahre aufrecht zu stehen.
Er hatte seinen langen sonnigen Sommer, die wundervollen warmen Nächte, den geliebten warmen Wind, der im jede Nacht begegnete, den Sternenhimmel über ihm. Er horchte dem Raunen seiner Gefährten zu, blickte den Schmetterlingen nach und freute sich am erblühen von jungen Trieben.
Der Mensch wurde eben nicht dazu gemacht um ewig zu leben, er vermischt sich irgendwann wie der alte morsche Baum der über Hundert Jahre alt wurde, wieder mit der Natur und die lebt und ist in uns weiter.
Ein Gang durch den Friedhof im Sonnenschein, inmitten von uralten Bäumen, erzählt uns wo in Frieden unsere Freunde ruhen. Sie haben in Ewigkeit den Himmel über sich, unter sich und sind mitten in ihm, nicht im Fegefeuer der gelebten Eitelkeiten.
c/ Angelface
cecilistroncho eine begnadete Schreiberin schrieb mir unter dieses Buch:
Du hast mit Deinen wohlformulierten Gedanken, die eine unglaubliche Leichtigkeit haben, eine der grundlegenden Wahrheiten über unser Leben betrachtet,
nämlich: dass es im Sterben gipfelt und in den Tod mündet.
Das Leben - solange wir es als Ur-Kraft in uns fühlen - scheint so viel schöner zu sein als der Tod, und das lässt uns den Tod fürchten,
und umso mehr den Prozess der Trennung vom Leben, der als 'Sterben' bezeichnet wird.
Da ist die Formulierung 'das Sterben üben' tröstlich. Aber wir können es nur im Geiste üben. Gleichzeitig müssen wir, um möglichst viel Lebenszeit zu gewinnen - wenn wir krank sind - das Leben schätzen und lieben. Dieser Konflikt scheint mir sehr schwierig zu lösen.
Cecilia
Texte: by Angelface
Bildmaterialien: by Angelface
Tag der Veröffentlichung: 06.07.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
für Stephan meinen kleinen Bruder, der mich und uns viel zu früh verliess.