Fiktive Briefe können auch eine Herausforderung bedeuten, besonders ehrlich zu sein.
An meinem Klemmbrett im Gang hängt eine Plastikfolie.
Jeden Tag gehe ich an ihr vorbei, immer dann, wenn ich vom Wohnzimmer ins Esszimmer und… von diesem in die Küche und über den Gang zurück ins Schlafzimmer und rechts herum ins Bad, direkt gegenüber wackle.
Darin, nicht im Bad, in der Folie, sind die wichtigsten Telefonnummern und Adressen.
Gleich obenauf die von der Familie und den nächsten Freunden..
Nur für den Fall, dass etwas passiert und man nicht wieder nach Hause kommt.
Aber irgendwie ist diese Folie auch ein Schatzkästchen.
Mittlerweile ist sie ganz schön angewachsen.
Die Zweite Seite ist mit den Nummern des Tierarztes, der Bank meines Vertrauens, meiner Versicherungen, der Apotheke, meines Hausarztes und der Autowerkstatt bestückt,
man weiß ja nie, wie schnell man sie braucht.
Aber dann, stecken auch Seiten darin, die sind nicht für öffentliche oder gar fremde Augen bestimmt, die sind nur für den Ablebensfall und sollten nur von ganz bestimmten Personen geöffnet werden.
Hab ich die Namen überhaupt darauf geschrieben?
Da muss ich gleich noch einmal nachsehen!
Es sind fiktive Briefe.
Irgendwann einmal hatte ich sie in einer einsamen Nacht, als ich nicht schlafen konnte, geschrieben.
Selbst habe ich nie wieder hineingeguckt, aber vielleicht sollte ich das irgendwann wieder einmal machen?
Ein Liebes – Abschiedsbrief an einen Verflossenen ist dabei, nie ist er abgeschickt worden.
Ich allein, weiß warum.
Einer an eine Freundin, die mir gram war, darin erleichterte ich mich, und schrieb, was mir so auf dem Herzen lag.
Einer an meine Mutter, als ich sie am liebsten auf den Mond schießen wollte. ( das konnte ich der alten Dame ja nicht antun).
Einen an meinen Bruder, in dem ich ihn für komplett verrückt erklärte ( er hätte es nie verstanden)
Einen an einen Liebsten in dem ich ihn am liebsten sofort zurückholen wollte.
(der wär sofort gekommen)
Ein ganz langer an meine Tochter, in dem - unter anderem steht - wie sehr ich sie liebe.
Mein Testament und eine Verfügung was nach mir mit meinen Katzen geschehen soll.
Und viele Gedankensplitter und Zeilen, die ich so einfach vor mich hingeschrieben habe.
Vielleicht ist es so etwas wie eine Erklärung - warum ich so bin wie ich bin.
Fühle wie ich fühle und handle wie ich handle in vielen Situationen.
Denn, dass jemandem zu verkasematuckeln dürfte wohl eine Lebensaufgabe sein.
Fiktive Briefe sind etwas was man quasi in den Himmel schreibt.
Wer hat die in seinem Leben nicht schon geschrieben.!
Nie abgeschickt, nur hingeschrieben um sich zu erleichtern.
Vielleicht auch nur, um sich selbst über seine eigenen Gefühle und Empfindungen Klarheit zu verschaffen.
Fiktive Briefe sind oftmals dafür da, um das innere Chaos zu beseitigen.
Um aufzuräumen, was einen innerlich beschäftigt.
Sie sind nicht wichtig für jemanden anderen, nur für einen selbst.
In dem Moment, in dem man sie schreibt.
Es gibt Dinge, die man nicht aussprechen kann, nicht aussprechen möchte.
Es gibt Dinge, die noch ungeordnet sind, nicht klar und strukturiert, die schreibt man erst einmal ins Unreine.
Dazu gehören vielleicht Liebesbriefe voller Sehnsucht, die man schreibt, und nie wagt sie abzuschicken.
Dazu gehören Ängste, die man nie ausspricht um andere nicht zu belasten.
Es gibt vielleicht Ärger, den schreibt man lieber auf, als ihn einem anderen unwirsch an den Kopf zu knallen.
Fiktive Briefe können auch Wünsche sein, die nie in Erfüllung gehen,
sie können Anklagen sein, wenn man verletzt wurde, sich beschämt fühlte, selbst log oder täuschte.
Es sind Dinge, die man oft denkt, aber nie ausspricht.
Es sind vielleicht Freuden, die man empfindet, aber niemandem mitteilen kann.
Enttäuschungen, ja, die schreibt man oft auf, denn über die kommt man ganz selten hinweg ohne dass sie Spuren hinterlassen.
Aber man will sie ja nicht ständig mit sich herumschleppen, also schreibt man sie auf und hofft, damit sind sie weg.
Es sind vielleicht Erlebnisse, die man hatte und nicht vergessen möchte.
Fiktive Briefe können eine ungeheure Erleichterung sein.
Ich schreibe sie gerne, sie sind ein Teil von mir und sie gehen niemanden etwas an.
Sie sind ein Schatzkästlein, aber ich denke ich sollte einiges in der Plastikfolie neu überarbeiten um den Inhalt aktuell zu erhalten.
Fiktive Briefe sind etwas was man quasi in den Himmel schreibt.
Man schickt sie in den Himmel damit die Worte auf den Wolken spazieren gehen können.
Und wehe, da geht mir einer mit einem neugierigen Auge dran!
Das hat Zeit, bis nichts mehr von mir bleibt.
Der Tag und das Leben ist lang, da gibt es vieles, was man so auf und irgendwohin schreibt, aber ich kenne auch viele Leute, die was ganz anderes
machen.
Kochen, putzen, schwatzen, Katzen, Hunde und Pflanzen boppeln oder so merkwürdige Sachen...
© Angelface
Texte: copyright Angelface
Tag der Veröffentlichung: 21.07.2010
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Widmung:
für Stefanie