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Beste Freundinnen
es ist Jahre her dass wir uns kennen.
Kommt sie heute und
bringt den kleinen Oskar mit?
Den mit den kleinen Segelfliegerohren?

Durch dick und dünn hatten wir uns einst geschworen
wie Fuchs und Hase zusammenzuhalten.
Die gehören auch nicht zusammen und sind doch einer ohne den anderen nicht vorstellbar.

Vermutlich wird es wieder einen zwingenden Grund geben, warum ich vergeblich warte.

Das wäre nun das Dritte Mal seit letztem Jahr. Warten war noch nie ein guter Zustand.
Der Tag und die Stunden ziehen sich,


vielleicht sieht sie das Ganze ja auch nur nicht "so eng" wie ich?


Seitdem ich sie kenne, denke ich über den Begriff der Freundschaft nach, der so vielfältig betrachtet und ausgelegt wird.

Hat man nur Freundschaften wenn man etwas zurückbekommt was einen freut oder gibt man,
um zu schenken?






Meist mag man ja andere, weil sie so völlig anders sind - als man es selbst ist.



Wenn ich an ihren Namen denke, dann verbinde ich ihn nicht gerade mit dem Gedanken an Zuverlässigkeit oder gar mit dem Begriff der Beständigkeit.
Wenn ich einem Fremden davon erzählen würde, würde ich wahrscheinlich hören: “Nein, das gibt es nicht, woher nimmst du nur diese Geduld mit ihr her?“
Wenn ich an sie denke, dann verbinde ich das mit der Vorstellung; da ist einer nicht erreichbar, weil er nicht erreichbar sein möchte, oder weil er schusselig ist und kein Organisationstalent besitzt.
Und SMS sind ja geduldig, wenn man sie in den Äther schickt, zumal man ja weiß, dass darauf keine Antwort zurückkommt, denn man ist ja nicht erreichbar.
Man braucht das Handy ja nur abzuschalten, unters Kopfkissen zu legen, mal wieder die Nummer gewechselt zu haben, sagen es wäre kein Konto gedeckt, oder es sei wieder kaputt gewesen.
Wenn ich nicht tagelang beim letzten Mal in der Dienststelle bei der Kollegin nachgefragt hätte, dann wüsste ich auch nicht, dass sie längst nicht mehr dort erreichbar ist, weil sie schon vor über einem viertel Jahr auf eine andere Abteilung versetzt wurde.
Wenn ich beim letzten Kontakt vor ca einem halben Jahr im Sommer nicht selbst hingefahren wäre, aus Sorge, sie könnte krank oder schon längst tot sein, dann wüsste ich auch nicht, dass es ihr im Grunde gut geht, sie nur mal wieder vergessen hat Bescheid zu sagen oder eben einfach zuviel im Kopf hatte um mal anzurufen.
Nein, die Süsse feiert lieber, sitzt im Garten und denkt an nix. Das sagt sie mir dann auch und lächelt fröhlich, so ist sie eben.
Manchmal fragte ich mich schon: was verbindet mich mit ihr, oder was bindet mich an sie?
Die Vergangenheit, die Erinnerung, die schwierige Mutter, ähnlich wie meine - die lange Verbundenheit, die Tierliebe, das Gefühl?



Die Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten, das ähnliche Schicksal das ich einmal feststellte?
Aber einmal, manchmal auch zweimal im Jahr, da ruft sie mich abends an und meldet sich an,
fröhlich und unverändert, und ganz sie – so, als hätten wir uns erst gestern gesehen und freut sich unbändig darauf mir unendlich Wichtiges zu erzählen mit der Versicherung, diesmal

kommt sie ganz bestimmt, bleibt auch über Nacht und bringt Kuchen und Essen mit und wir machen uns einen gemütlichen Frauenabend an dem wir quatschen und das ganze lange übrige Jahr nachholen an dem wir uns nicht gesehen haben.
Und ich freue mich, bin pünktlich zuhause, vom Einkauf in der Stadt, vom schwimmen – ganz egal was ich sonst auch immer vorhätte, sause durch die Gegend und sage alles ab.



Ich decke den Tisch mit dem selbst gebackenen Kuchen, freue mich immer noch, sage den Katzen Bescheid und die freuen sich auch.
Ich sauge die Wohnung und räume auf, wie man das eben so macht wenn sich willkommener Besuch angesagt hat - um dann eine halbe Stunde vorher wieder durch eine freundliche SMS – Stimme per Telefon gesagt zu bekommen, es täte ihr leid, aber wir müssten das Treffen leider wieder verschieben, weil…

Und dann folgen drei Gründe, die mir nicht gerade logisch erscheinen, denn ich hätte es verschieben können, aber sie ist ja nicht ich.

Beim letzten Mal war es der Kartoffelsalat und die Würstchen, die ich in den Abfall schmiss.
Diesmal wird der aufgetaute Kuchen nach 3 Tagen Schimmel ansetzen wenn ich keinen anderen finde, den ich ihm schenken kann, denn beim besten Willen und aller Fresssucht, einen ganzen Kuchen schaffe selbst ich nicht auf einmal aufzuessen.
Ich versuche dann – wie beim letzten Mal - durch wkw eine Nachricht für sie im Postfach zu hinterlassen, an sie, die längst nicht mehr in ihr dortiges Postfach hineinschaut.
Denn, so sagt sie, da hat sie oft keine Lust dazu oder daran denkt sie einfach nicht und ein Festnetztelefon das hat und mag sie nicht, weiß aber, dass ich Handys hasse bei denen ich eh nur auf die Mailbox sprechen muss weil sie nicht rangeht. Dabei ist mein Handy mal angeschafft worden, nur für sie, alle anderen die ich erreichen will, höre ich am Festnetztelefon.
Ich lade es auf, lasse es an, es bleibt stumm. Das macht manchmal ein wenig bitter, wie eine Pille, die man ungern schluckt, aber so ist sie eben.( nicht erreichbar; nicht erreichbar; nicht erreichbar.)
So, wie ich versuchte, beim letzten Mal an die Schwester, die mir längst auf meine E-Mail eine Antwort schreiben wollte eine Nachricht zu schicken, doch auch die ging leider nicht raus in den Äther, sondern kam mit einer Fehlermeldung zurück.
Drei Mal hatte ich schon versucht das am Telefon mit der Schwester zu klären, denn die hat wenigstens eine Festnetznummer, ist zwar oftmals ebenfalls durch ihren Schichtdienst nicht erreichbar, aber einmal hatte ich sie wenigstens am Telefon und sie versprach mir das abzuändern, was ebenfalls bis heute nicht geschehen ist.
Im Herbst wollten wir uns eigentlich zusammen ein Haus in der Nähe von mir ansehen.
Vielleicht sogar gemeinsam beziehen.
Sie war ganz aus dem Häuschen und freute sich unbändig darauf - es zum Ende des Jahres mit ihrer Schwester zu mieten.
Sie erzählte mir am Telefon völlig euphorisch und außer Atem, dass sie in Gedanken schon Rabatten rund ums Haus anlegte und sich auf das viele Grün freue dass sie anzupflanzen gedächte...ein Tümpel mit Goldfischchen, ach was schöne Pläne...



was daraus geworden ist, weiß ich bis heute nicht.
Angeblich wurde die Aktion auf’s Frühjahr verschoben, vielleicht war es dass, was sie mir beim heutigen Besuch mitteilen wollte, dass es endlich geklappt hat, dass sie doch umzieht.
Meine Visitenkarte scheint abhanden gekommen zu sein, ich glaube, ich habe mittlerweile 3 dort hinterlegt und abgegeben, angeblich funktioniert meine Adresse nicht, bei allen anderen Nachrichten an andere schon, aber bei ihr eben nicht.
Ich weiß beim besten Willen nicht ob es noch andere Freundinnen für sie gibt die das mit sich geschehen lassen würden...denke eher, die würden ihr den dicken Zeigefinger zeigen und abhauen.

Freundschaft ist ein dickes Band, und beste Freundinnen gibt es nicht so wahnsinnig viele im Leben. Auch nicht immer direkt um die Ecke.

Ich kenne sie auch schon sehr, sehr lange.
Ich denke Mal, es sind so schätzungsweise um die 15 Jahre oder sogar noch länger her, die Freundschaft stammt noch aus einer gemeinsamen Arbeitsstelle. Damals taten wir uns zusammen. In Freud und Leid.
Ich mag sie sehr, aber mein Geduldsfaden ist ehrlich gesagt auch schon mächtig strapaziert.
Pläne hatte sie immer viele, auch mit mir.
Egal ob es darum ging mir bei der Wohnungssuche behilflich sein zu wollen, oder ob wir etwas gemeinsam vorhatten, geklappt hat nie etwas oder recht selten, seitdem wir uns kennen.

Im Grunde kann ich die Gelegenheiten innerhalb der letzten 10 Jahre an allen Fünf Fingern abzählen wann wirklich etwas klappte was von ihrer Seite geplant war und ausging.
Wir haben viel gemeinsam und eigentlich auch wieder andererseits gar nichts, wenn ich ernsthaft darüber nachdenke.
Aber es bestehen so einige gemeinsame, und sehr schöne Erinnerungen aus früheren Zeiten als wir zusammenarbeiteten,
an Feten und Fastnachtsumzüge,
an gemeinsame Abende im Garten bei ihr und mir,
an ellenlange gute Gespräche
und an viel gemeinsames Lachen
Erinnerungen an denen ich sehr hänge.
Sie ist meine beste und einzige Freundin die mir im Herzen ganz nah ist.



Es schmerzt sehr, wenn ich sehe, dass die Freundschaft anscheinend nur auf dem Papier oder in der Phantasie besteht oder dass andere anscheinend eine völlig andere Vorstellung als ich von diesem Begriff haben.
Beständigkeit und Zuverlässigkeit, und kein Vertrauensverlust, ja, das wäre schön, das würde mir sehr gefallen, gehört aber wohl eher in den Oberbegriff Wünsche.

Oh ja, ich habe schon oft von anderen gehört;
„ Was willst du denn noch von ihr, sie kümmert sich doch überhaupt nicht um dich, kümmer’ du dich auch nicht mehr um eure Freundschaft, das lohnt sich doch nicht.“

Ich denke, man kann nicht urplötzlich aufhören einen Menschen gern zu haben, nur weil der nicht ganz so ist, wie du ihn dir gerne backen möchtest.
Ich wette, wenn ich nicht warten würde, und mich nicht darauf einstellen würde, dass sie käme, dann ginge die Tür auf und sie stünde plötzlich da und lächelte mich fröhlich und unbeschwert an, so als wäre nie etwas anders gewesen.
Und wie ich sie kenne, würde sie sagen; ach, du kennst mich doch, ich bin nun mal so, ...
so war es schon einmal und so wird es
w a h r s c h e i n l i c h auch wieder sein,
aber
man weiß es nicht, das steht in den S t e r n e n.
Es wäre für uns beide schön, denn ich weiß, sie hängt an mir, wie ich an ihr - auch wenn sie völlig anders ist als ich.



Irgendwann in der Zeit seit ich sie kenne, hatte ich eine kleine schmale Goldkette auf dem Flohmarkt erstanden, die ist mit ihren Namenszug versehen, filigran und sehr hübsch könnte ich mir vorstellen, dass sie entzückend an ihrem schlanken Hals aussieht.
Doch wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen, verpatzte, verpasste Gelegenheiten die man nicht wahrnimmt würde ich das nennen.
Sie hat diesen Monat Geburtstag, und ob ich sie sehen werde, das steht in den Sternen.
Bis dahin trage ich sie selbst um den Hals, damit ich sie nicht vergesse und was sie für mich ist.
Meine beste Freundin.
Freundschaft getragen durch dick und dünn, in guten

aber eben
auch in schlechten Zeiten.
Vielleicht ist es ja wirklich so,
wir mögen die anderen so gerne,
weil sie so ganz anders als wir selbst sind.
Aber soll ich sie deshalb auf den Mond schiessen?
Das kann ich doch nicht tun, trage ich schließlich ihren Namen um den Hals und in meinem Herzen.
Aber blöd ist es doch, denn warten war noch nie ein guter Zustand oder sollte ich ihn als hoffnungsvoll bezeichnen?

© Angelface

Impressum

Texte: copyright Angelface
Bildmaterialien: Bilder privat Angelface(Archiv)
Lektorat: korrigiert Angel
Tag der Veröffentlichung: 07.03.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für Katrin und Carina, ihre Schwester

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