Kann ein Engel auch reiten?
Ich zaubre mir Sonnenstrahlen ins Gesicht, anstelle eines Lächelns.
Die letzten Strahlen vom Frühjahr, um genau zu sein, denn draußen ist es kalt.
Weder sonnig noch wonnig, eiskalt um genau zu sein und es schneit.
Es schneit schon seit gestern Nacht und das ohne Unterlass.
Schnee, Schnee, dichter, weißer Schnee - wohin ich auch blicke.
Als hätte Frau Holle angefangen aus ihrer hohen Wolke all ihre winzig kleinen Federn auszuschütteln und nix bessres zu tun.
Kein Mensch will diesen Schnee mehr.
Er ist hoch, pappig, am nächsten Tag wie durch einen lauten Trommelwirbel verändert und wieder flockenweich. Dazu deckt er weiß, dicht und wie eine Bettdecke Wiesen, Felder und Straßen zu.
Nur vereinzelt ziehen sich Spuren von Reh, Hase und Fuchs durch den Schnee.
Ansonsten ist alles dicht rund ums Haus herum. Dazu liegt auch noch dichter Nebel, was will der denn hier, als würde soviel Schnee nicht völlig reichen.
Unser Hof ist richtig vereist und dicht verschneit, das Hofgatter erkennt man kaum mehr und meine Handschuhe kleben sofort am Gatter fest. Würde ich meine Zunge dranhalten, bekäme ich sie todsicher nicht mehr ab.
Ich hab längst nicht mehr die Lust zum schippen wie vor ein paar Tagen wo ich mich schon leicht ärgerte, denn die Arbeit des vorherigen Tages sah man längst nicht mehr.
Da, wo ich - im Schweiße meines Angesichts und danach mit ansehnlichen Rückenschmerzen - eine lange Schneise in den Schnee gearbeitet hatte, taute es, zurück blieb eine schwarze unansehnliche Masse aus Schotterstein und grauer Straße.
Nur eine kleine Spur zum aus dem Hof hinausfahren, mehr brauche ich ja auch nicht.
Hässlich sah das aus.
Aber ich musste ja, wie sonst sollte ich aus dem Hof zum einkaufen fahren.
Mein Kühlschrank war leer.
Die Katzen meckerten und ich hatte auch auf anderes Lust als auf immer wieder die gleichen Vorratspakete.
Tütensuppen, Dosen verschiedensten Inhalts, sonst nur Eingefrorenes, Milchreis, Pfannkuchen und Co.
Nach Frische lechzte ich.
Nach Salat, Sommergrün, frischen Fisch und Gemüse, und das nicht unbedingt aus der Dose.
Ich zog mir also die Boots an – seufz, zum Hundertsten Mal in diesem Winter - schon wieder, und stapfte zum Auto. Frisch geschneit hatte es und Massen von Pulverschnee lagen auf dem Dach über der langen Plane und meine Scheibenwischer waren auch schon wieder darunter fest angefroren.
Ich zog und zerrte und prompt löste sich einer der vorderen Scheibenwischer von der Frontscheibe aus seiner Verankerung.
Er bammelte ein wenig hilflos in der Luft herum und sah nun äußerst überflüssig aus.
Wie soll der denn nun wischen!
N e i n, das darf doch wohl jetzt nicht sein.
Wie soll ich denn so fahren?
Aber hoch und runter laufen, nein, das war mir echt zuviel, viel zu anstrengend, da bin ich ja tot, bis ich wieder oben bin, dachte ich.
Zum Donnerwetter, diese Frau Holle, ich könnt sie erwürgen. Soll sie doch in ihrem Märchen bleiben und besser zur Unterhaltung der Kinder sorgen.
Ich schaute mein Auto an, seufzte es an, was nicht viel nützte, und gab es auf.
Da stand ich nun mit meinem leeren Rucksack angetan.
Heute nicht, also gut, dachte ich –
Leises gedämpftes Klappern kam mit einem etwas merkwürdigen Geräusch den Berg herauf.
Hufe im Schnee, ein Pferd, ein Pferd, wie schön….
Hoch oben thronte eine dunkle Gestalt, tief vermummt und völlig eingeschneit.
„ Wo wollen Sie denn hin?“ fragte mich, die ich noch so unschlüssig mitten im Hof stand - eine tiefe Stimme aus all den Schals, die sie sich um den Kopf geschlungen hatte.
Das Pferd prustete, es hatte wohl auch was dazu zu sagen, bekam aber nur ein Schnauben heraus.
„Tja…eigentlich wollte ich hinunter ins Dorf, mir dort frische Milch, Eier und ein bisschen was Frisches einkaufen, aber ein Scheibenwischer streikt“, sagte ich zu der Stimme, die ich weder als weiblich noch männlich erkannte, erst, als sich die Augen und ein Mund, eine Nasenspitze und die Stimme deutlicher herausschälte, sah ich, dass es ein junger Mann war.
„Können Sie reiten“? fragte er und ich sagte natürlich ja, obwohl gerade Reiten nicht so meine Stärke ist.
„Hopp, rauf mit ihnen, ich nehm’ sie mit“, nuschelte er aus seiner dicken Vermummung und lächelte.
Ich zögerte nicht lange und enterte mein Gattertor wie eine meiner Katzen, dann schwang mich mit einem, wie ich hoffte, eleganten Satz auf den Pferderücken hinter ihm.
Ui, war das hoch und, na ja, reiten konnte hoffentlich er.
„Wie heißt denn ihr Brauner“, fragte ich, denn ich wollte ja höflich sein und auch das Pferd ansprechen können.
„Lilly“, kam es etwas wortkarg aus der mittlerweile wieder zugedeckten Vermummung vor mir.
In langsam schaukelnden Schritten ritten wir abwärts den Berg hinunter und ich flehte heimlich und leise meinen Herrgott an, mich und ihn ja nicht runterfallen zu lassen, denn Engel können zwar fliegen, aber wie es mit dem Reiten ist, nun, denn, das wusste ich nicht.
Lilly hatte einen ganz gemächlichen Gang, sie setzte Tritt vor Tritt einen Huf vor den anderen und brachte uns rutschsicher den ganzen Berg hinunter.
„ Einmal absteigen“, sagte er und bremste einmal Hüh…
Lilly gehorchte mustergültig wie ein Zirkuspferd.
Meine Bäckerin, die gleichzeitig auch Metzgerin und Kolonialhändlerin ist, guckte ganz schön komisch aus der Wäsche, als sie mich vor dem Laden herab gleiten sah.
Ich schoss hinein, verlangte als erstes Karotten und Äpfel und davon ganz viel, die brachte ich dem jungen Reiter, der sie grinsend entgegennahm, während Lilly schon verlangend die Zähne bleckte.
„Aber, die sind für Lilly und nachher“, sagte ich und bedankte mich freundlich lächelnd.
Dann erledigte ich meinen Einkauf und stapfte zu Fuß den Berg wieder hinauf.
Im Rucksack befanden sich Äpfel, Karotten, Salat, frisches Gemüse und ein dicker Schweinekrustenbraten, umringt von Brötchen, Vollkornbrot und Milch.
Das schleppte ich gern und hatte einen wunderbaren Schneespaziergang 2 Kilometer den Berg wieder hinauf, mit der Gewissheit, dass auch Engel nicht nur reisen, sondern tatsächlich auch reiten können.
brrrh...nix wie kalt...
und meterhoher Schnee, wer will da schon raus...
© Angelface
Texte: copyright Angelface
Tag der Veröffentlichung: 25.01.2010
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Widmung:
meinem Schutzengel